17. Wahlperiode 25.09.2017 17/17230 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabi Schmidt FREIE WÄHLER vom 03.04.2017 Großmuscheln in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Welche Großmuschelarten sind in Bayern heimisch? 1.2 Welche weiteren Großmuschelarten kann man in bayerischen Gewässern finden? 2.1 Wie ist der Bestand der einzelnen Großmuschelarten? 2.2 Wann wurde der jeweilige Bestand zuletzt erhoben? 2.3 Wie hat sich der jeweilige Bestand zur vorhergehenden Ermittlung verändert? 3.1 Welche Großmuschelart kommt in mittelfränkischen Gewässern vor? 3.2 Wie ist hier der jeweilige Bestand (bitte genaue Angabe je Gewässer)? 3.3 Wie wird der Bestandstrend eingeschätzt? 4. Falls zutreffend, aus welchen Gründen nehmen die Großmuschelbestände in mittelfränkischen Gewässern ab? 5.1 Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung ergriffen, um die Großmuschelbestände in Bayern zu schützen? 5.2 Welche konkreten Maßnahmen werden in Mittelfranken umgesetzt? 6. Plant die Staatsregierung die Einführung weiterer Schutzmaßnahmen? 7.1 Werden Fischer und Teichwirte bei Schutzmaßnahmen einbezogen? 7.2 Wenn ja, auf welche Weise? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 09.06.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt beantwortet: Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Deshalb hat die Staatsregierung 2008 die „Bayerische Biodiversitätsstrategie“ und 2014 zur Intensivierung ihrer Umsetzung das „Biodiversitätsprogramm Bayern 2030 – NaturVielfaltBayern“ beschlossen. Deren Handlungsschwerpunkt „Schutz der Arten- und Sortenvielfalt “ schließt auch die heimischen Großmuscheln ein. 1.1 Welche Großmuschelarten sind in Bayern heimisch ? Es sind insgesamt sieben Großmuschelarten heimisch: Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera), Bachmuschel (Unio crassus), Aufgeblasene Flussmuschel (Unio tumidus), Malermuschel (Unio pictorum), Abgeplattete Teichmuschel (Pseudanodonta complanata), Große Teichmuschel (Anodonta cygnea) und Gemeine Teichmuschel (Anodonta anatina). 1.2 Welche weiteren Großmuschelarten kann man in bayerischen Gewässern finden? Seit einigen Jahren gibt es in bayerischen Gewässern auch die nicht-heimische Chinesische Teichmuschel (Sinanodonta woodiana). 2.1 Wie ist der Bestand der einzelnen Großmuschelarten ? Die Flussperlmuschel, die Bachmuschel sowie die Abgeplattete Teichmuschel sind in Bayern als vom Aussterben bedroht eingestuft (Rote Liste Bayern, Stand 2003). Die Aufgeblasene Flussmuschel und die Malermuschel sind stark gefährdet. Die Gemeine Teichmuschel und die Große Teichmuschel sind als gefährdet eingestuft. 2.2 Wann wurde der jeweilige Bestand zuletzt erhoben? Ein regelmäßiges, bayernweites Monitoring wird alle sechs Jahre gemäß der FFH-Berichtspflichten (FFH = Fauna – Flora – Habitat) für die Arten Bachmuschel und Flussperlmuschel durchgeführt. Die letzte Erhebung fand 2014/2015 statt. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17230 2.3 Wie hat sich derjeweilige Bestand zur vorhergehenden Ermittlung verändert? Die Populationen der Flussperlmuschel sind seit der letzten Erhebung weiter zurückgegangen. Bei der Bachmuschel konnten bei der Hälfte der Populationen die Bestandsgrößen gehalten werden. 3.1 Welche Großmuschelart kommt in mittelfränkischen Gewässern vor? In den Gewässern Mittelfrankens kommen mit Ausnahme der Flussperlmuschel alle in Bayern heimischen Muschelarten vor: Bachmuschel, Abgeplattete Teichmuschel, Aufgeblasene Flussmuschel, Malermuschel, Große Teichmuschel, Gemeine Teichmuschel. Ein Vorkommen der Chinesischen Teichmuscheln ist in Mittelfranken derzeit nicht bekannt. 3.2 Wie ist hier der jeweilige Bestand (bitte genaue Angabe je Gewässer)? Der Fokus liegt in Mittelfranken derzeit auf der Erfassung der Bestände der Bachmuschel. Insgesamt sind 14 Populationen bekannt (von insgesamt 150 bekannten Populationen in Bayern). Auf die genaue Angabe der Gewässer und Bestandsgrößen wird an dieser Stelle aus Gründen des Artenschutzes verzichtet, weil die Antwort druckgelegt wird. Infolge des 2016 registrierten Diebstahls von Flussperlmuscheln (vergl. LT-Drs. 17/14585) wird erwogen, Vorkommen von Großmuscheln generell nur noch für gut überwachte Standorte zu veröffentlichen. Bei berechtigtem Bedarf können Informationen über einzelne Bestände vom Landesamt für Umwelt (LfU) bezogen werden. Das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat für Hinweise zur Aufklärung möglicher Umweltstraftaten an der streng geschützten Flussperlmuschel eine Belohnung von 10.000 Euro ausgesetzt. 3.3 Wie wird der Bestandstrend eingeschätzt? Insgesamt ist die Gesamtzahl der Bachmuscheln in Mittelfranken in den letzten Jahren konstant geblieben. Einige Populationen nehmen sogar zu. 4. Falls zutreffend, aus welchen Gründen nehmen die Großmuschelbestände in mittelfränkischen Gewässern ab? Die Gründe für den Rückgang der Großmuschelbestände sind vielfältig und können gewässerspezifisch sein. Die Muschelbestände hängen u. a. ab von der Struktur der Gewässer , der Wasser- und Substratqualität sowie der Durchgängigkeit für Wirtsfische, die zur Verbreitung der Muscheln notwendig sind. Für lokal stark begrenzte Populationen ist darüber hinaus die Prädation durch den Bisam ein weiterer Gefährdungsfaktor. In Mittelfranken kam es in den letzten Jahren außerdem zu Verlusten von Muscheln, weil Gewässer während niederschlagsfreier Perioden vorübergehend trocken gefallen sind. 5.1 Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung ergriffen , um die Großmuschelbestände in Bayern zu schützen? Im Jahr 1989 wurden unter Federführung des LfU für die am stärksten gefährdeten Muschelarten Artenhilfsprogramme eingerichtet: „AHP Bachmuschel“ und „AHP Flussperlmuschel “. Seit dem Jahr 2009 gibt es außerdem die Koordinationsstelle für Muschelschutz an der Technischen Universität München, die im Auftrag des LfU die in Bayern vorhandenen Schutzbemühungen koordiniert und fachlich begleitet. Zu den wichtigsten Tätigkeiten der Koordinationsstelle zählen der Informationstransfer sowie die Beratung und Unterstützung der Behörden, Verbände und lokalen Akteure in allen Fragen des Muschelschutzes. Darüber hinaus gibt es derzeit fünf Bayern-Netz-Natur-Projekte, in deren Rahmen Schutzmaßnahmen für Großmuscheln umgesetzt werden. Des Weiteren werden seit 2014 ehrenamtliche Muschelberater ausgebildet und durch das LfU bestellt, die als lokale Ansprechpartner für Kommunen fungieren und bei Bedarf, zum Beispiel bei vorübergehendem Trockenfallen des Gewässers , Schutzmaßnahmen einleiten können. Zudem tragen generell auch wasserwirtschaftliche Maßnahmen an den Gewässern zum Schutz bzw. zur Förderung der bayerischen Muschelbestände bei, so zum Beispiel Verbesserungen der Gewässerstrukturen, die Wiederherstellung der Durchgängigkeit oder eine Reduktion von Stoffeinträgen. Ein weiteres Projekt mit dieser Zielrichtung wird derzeit vom Wasserwirtschaftsamt Hof für die Flussperlmuschel vorbereitet . 5.2 Welche konkreten Maßnahmen werden in Mittelfranken umgesetzt? In Mittelfranken gibt es die beiden Bayern-Netz-Natur-Projekte „Bachmuschelprojekt Steigerwald“ und „Sicherung des Bachmuschelbestandes im Felchbach und im Möhrenbach“, die sich um den Erhalt von prioritären Bachmuschelpopulationen bemühen. Zu den bereits umgesetzten Maßnahmen in den Projekten zählen unter anderem Flächensicherung, Pflege der angekauften Flächen, Erhöhung der Strukturvielfalt am Gewässer, Herstellung von Durchgängigkeit, Bisambekämpfung und Öffentlichkeitsarbeit. 6. Plant die Staatsregierung die Einführung weiterer Schutzmaßnahmen? Weitere Maßnahmen werden nach Abschluss der derzeitigen Aktivitäten geprüft. 7.1 Werden Fischer und Teichwirte bei Schutzmaßnahmen einbezogen? 7.2 Wenn ja, auf welche Weise? Naturschutz, Wasserwirtschaft und Fischerei arbeiten im Muschelschutz sowohl auf lokaler Ebene als auch auf landesweiter Ebene zusammen. Fachlicher Austausch findet beispielsweise bei der jährlichen Fachtagung für Muschelschutz statt, an der sowohl behördliche Vertreter als auch Privatpersonen aus Naturschutz und Fischereiteilnehmen. Weiterhin arbeitet die Koordinationsstelle für Muschelschutz eng mit den Fischereifachberatungen der Bezirke zusammen , die die Fischereivereine vor Ort beraten, zum Beispiel bei Besatzmaßnahmen in Muschelgewässern.