17. Wahlperiode 25.09.2017 17/17236 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 26.04.2017 Notwendigkeit staatlicher Wildtierportale In der Presse ist in der jüngsten Vergangenheit unterschiedlich über die vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) entwickelte Bürgerplattform berichtet worden. Während im „Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ das Projekt positiv geschildert wurde, ist es in den vergangenen Ausgaben der „Jagd in Bayern“ des Bayerischen Jagdverbandes (BJV) immer wieder kritisiert und als gegen das Ehrenamt gerichtet betrachtet worden . Anscheinend hat der BJV ein Konkurrenzprodukt, das sogenannte BJV-digital entwickelt. In der Märzausgabe der „Jagd in Bayern“ wurde sogar der Vorwurf der Steuerverschwendung wegen der staatlichen Bürgerplattform erhoben und der Bund der Steuerzahler eingeschaltet. Dies alles gibt Anlass zu einigen Nachfragen. 1. a) Was war genau das Ziel der jeweiligen Anträge, die vom Bayerischen Bauernverband (BBV) und BJV zur Förderung von verbandseigenen Informationssystemen gestellt wurden? b) Welche Investitionen sollten gefördert werden? c) In welcher Höhe sollten diese gefördert werden? 2. a) Warum hat sich dann das StMELF für die Entwicklung eines staatlichen Informationssystems wie die Bürgerplattform entschieden? b) War die Entscheidung für die Entwicklung der Bürgerplattform gegen das Ehrenamt gerichtet? c) Wurden vor der Entscheidung BBV und BJV angehört ? 3. a) Haben BBV und BJV das staatliche Vorgehen akzeptiert ? b) Wurden auch weitere Verbände zu der Frage angehört ? c) Hat sich das Staatsministerium bemüht, bei der konkreten Entwicklung des staatlichen Systems BBV und BJV einzubinden? 4. a) Ist der Vorwurf, dass die staatliche Bürgerplattform als Konkurrenzprodukt zum BJV-digital entwickelt worden ist, berechtigt? b) Geht das StMELF davon aus, dass die Verbreitung der Bürgerplattform, bezogen auf das Schwarzwild, durch die dagegen gerichteten Initiativen des BJV in die Jägerschaft hinein behindert wird? c) Hält es das Staatsministerium nach wie vor für richtig, dass Landwirte und Jäger gemeinsam am Schwarz- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. wildproblem arbeiten sollen, oder ist es der Auffassung, dass die Frage der Jagdausübung ausschließlich in der Hand des Revierinhabers liegt, insbesondere da im Maßnahmenpaket des Staatsministeriums die Bedeutung von Arbeitsgruppen auf Augenhöhe herausgestellt wurde, die mit der Bürgerplattform unterstützt werden sollen? 5. a) Trifft der Vorwurf zu, dass die Daten, die die Mitglieder der Arbeitsgruppe Schwarzwild eingeben, vom Staat ausgewertet werden? b) Wenn ja, in welcher Weise? c) Wenn nein, warum nicht? 6. a) Ist die Bürgerplattform nur auf das Schwarzwild bezogen oder sollen auch andere Projekte, bezogen auf Wildtiere, durchgeführt werden? b) Wie stehen die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) zur Bürgerplattform? c) Steht auch anderen Verbänden, zum Beispiel anerkannten Naturschutzverbänden, die Bürgerplattform grundsätzlich für Projekte mit Wildtieren offen? 7. a) Trifft der in der „Jagd in Bayern“ vom Präsidenten des BJV geäußerte Vorwurf der Steuerverschwendung zu? b) Wenn dieser Vorwurf nicht zutrifft, sondern die Staatsregierung die Auffassung vertritt, dass es sich um ein sinnvolles Instrument handelt, stehen dann zur entsprechenden Nutzung und weiteren Ausgestaltung ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung? Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 13.06.2017 1. a) Was war genau das Ziel der jeweiligen Anträge, die vom Bayerischen Bauernverband (BBV) und BJV zur Förderung von verbandseigenen Informationssystemen gestellt wurden? Ziel des Antrags des BJV war: „Auf der Grundlage der seit Jahren erfolgreichen Schwarzwildarbeitskreise Hoher Steigerwald (Bamberg), Wässernachtal (Schweinfurt) und Bad Kissingen (Bad Kissingen) und dem Schwarzwildmonitoring im Bayerischen Jagdverband wird nun eine ,Realisierung einer Pilotanwendung bestehend aus einem Browserbasierten Klienten zur Dateneingabe , -visualisierung und -auswertung inklusive einer Server-Infrastruktur bei ... [Anm.: Firmenname aus Vertraulichkeitsgründen entfernt] zur Datenhaltung und -bereitstellung ‘ vorgenommen.“ Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17236 Ziel des Antrags des BBV war: „Erarbeitung und Implementierung von Daten- und Luftbild/ Kartengrundlagen eines webbasierten, auf die regionalspezifischen Verhältnisse angepassten Wildtierinformationssystems der Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossen und Eigenjagdbesitzer (Arge). Internetbasiertes System zur Erfassung, Verwaltung und Präsentation raumbezogener Informationen des Wildtiermanagements mit dem Schwerpunkt auf dem Wildschadens- und Populationsmonitoring.“ Weiterhin wurde dargelegt: „Auch kann auf die umfangreichen Erfahrungen im Rahmen des Schwarzwildprojektes zurückgegriffen werden, in dessen Rahmen bereits ein Schwarzwildinformationssystem bereit steht.“ b) Welche Investitionen sollten gefördert werden? Bei den nachfolgenden Aufstellungen sind die unterschiedlichen Laufzeiten der Projekte zu berücksichtigen. Der Antrag des BJV umfasste die Realisierung einer Pilotanwendung, während der Antrag des BBV eine geplante Laufzeit von vier Jahren bis zur bayernweiten Verfügbarkeit der Anwendung umfasste. Im Rahmen des BJV-Antrags sollte gefördert werden (Projektlaufzeit bis Verfügbarkeit der Pilotanwendung): Investition Beantragte Förderung Entwicklung der Pilotanwendung 32.130,– € Reisekosten der am Projekt beteiligten Personen (z. B. Arbeitskreisleiter Schwarzwild) 4.500,– € Externe Personalkosten für Dateneingabe 1.800,– € Laptop 1.170,– € Beamer 900,– € Kamera 720,– € Leinwand 270,– € Druck Flyer 900,– € Kosten für die Präsentation der Pilotanwendung 1.800,– € Im Rahmen des BBV-Antrags sollte gefördert werden (Projektlaufzeit bis zur bayernweiten Verfügbarkeit der Anwendung ): Investition Beantragte Förderung Sachkosten 21.600,– € Personalkosten 212.850,– € Reisekosten 22.500,– € c) In welcher Höhe sollten diese gefördert werden? Siehe Antwort zu Frage 1 b. 2. a) Warum hat sich dann das StMELF für die Entwicklung eines staatlichen Informationssystems wie die Bürgerplattform entschieden? Da im Zuge der Gespräche mit beiden Verbänden kein Konsens gefunden werden konnte, wurde ein unabhängiger Experte hinzugezogen. Dessen Empfehlung lautete, eine verbandsneutrale Lösung bereitzustellen. Damit würde auch der Daseinsvorsorge im Sinne des Allgemeinwohls Rechnung getragen. Im Zuge dieser Expertise wurde bei der Entwicklung des staatlichen Systems auch Wert darauf gelegt, dass dieses flexibel für weitere Anwendungsfälle zur Verfügung stehen wird, wohingegen insbesondere der Antrag des BJV auf die Schwarzwildproblematik bezogen war. Einen weiteren Aspekt für die Entscheidung für ein staatliches System stellt die Tatsache dar, dass damit eine Plattform zur Verfügung steht, an der alle Interessengruppen und Beteiligten gleichberechtigt auf Augenhöhe teilhaben können. b) War die Entscheidung für die Entwicklung der Bürgerplattform gegen das Ehrenamt gerichtet? Diese Entscheidung war nicht gegen das Ehrenamt gerichtet . Vielmehr soll das staatliche System allen Beteiligten , insbesondere auch den ehrenamtlich Tätigen, eine unabhängige und neutrale Plattform bieten. Es ist Ziel der Bürgerplattform, das Ehrenamt vor Ort zu unterstützen und ein regionales, von den Betroffenen selbst entwickeltes Management zu ermöglichen. c) Wurden vor der Entscheidung BBV und BJV angehört ? Ja, es wurden mehrere Gespräche mit Vertretern beider Verbände geführt. 3. a) Haben BBV und BJV das staatliche Vorgehen akzeptiert ? Ja. b) Wurden auch weitere Verbände zu der Frage angehört ? Zu beiden Anträgen wurde der Jagdbeirat bei der obersten Jagdbehörde angehört. Die Mehrheit der Mitglieder hat sich dabei für den Antrag des BBV ausgesprochen. Auch im Verlauf der Entwicklung wurden mit weiteren Verbänden Gespräche (Waldbesitzervereinigungen, BUND Naturschutz, Imkerverbände) geführt. c) Hat sich das Staatsministerium bemüht, bei der konkreten Entwicklung des staatlichen Systems BBV und BJV einzubinden? Mit der Entwicklung wurde die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) beauftragt. Im Zeitraum von März 2013 bis November 2016 hat das Projektteam der LfL sowohl mit Vertretern des BJV als auch des BBV Gespräche geführt. In allen Gesprächen mit dem BJV wurde die Bereitschaft zur Zusammenarbeit angeboten . Es wurde insbesondere die Möglichkeit eines Datentransfers mit dem System des BJV angestrebt. Leider konnte dazu bislang keine Lösung gefunden werden. Siehe dazu auch Antwort zu Frage 4 b. Die Gespräche mit dem BBV hatten neben den Informationen zum Projektstand insbesondere die Einführung der Anwendung in einer ersten Pilotregion zum Thema. 4. a) Ist der Vorwurf, dass die staatliche Bürgerplattform als Konkurrenzprodukt zum BJV-digital entwickelt worden ist, berechtigt? Der Vorwurf ist unberechtigt. Wie die Historie zur Einführung zeigt, wurde das staatliche System nicht als Konkurrenzprodukt entwickelt. Vielmehr sollte ein gemeinsames Werkzeug für alle Beteiligten vor Ort und allen Interessierten zur Verfügung stehen. b) Geht das StMELF davon aus, dass die Verbreitung der Bürgerplattform, bezogen auf das Schwarzwild , durch die dagegen gerichteten Initiativen des BJV in die Jägerschaft hinein behindert wird? Es ist zu bedauern, dass der BJV die sich bietenden Vorteile durch ein staatliches System nicht unterstützen möchte und stattdessen auf ein verbandsfinanziertes System setzt, das Drucksache 17/17236 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 von anderen Verbänden wie insb. BBV nicht mitgetragen wird. c) Hält es das Staatsministerium nach wie vor für richtig, dass Landwirte und Jäger gemeinsam am Schwarzwildproblem arbeiten sollen, oder ist es der Auffassung, dass die Frage der Jagdausübung ausschließlich in der Hand des Revierinhabers liegt, insbesondere da im Maßnahmenpaket des Staatsministeriums die Bedeutung von Arbeitsgruppen auf Augenhöhe herausgestellt wurde, die mit der Bürgerplattform unterstützt werden sollen? Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hält die Zusammenarbeit aller Beteiligten nach wie vor für richtig und als einen zentralen Baustein bei der Erarbeitung gemeinsamer Lösungen der jeweils regionalen Probleme. Dies ist ein wesentlicher Aspekt des nach wie vor wegweisenden Schwarzwildmaßnahmenpakets, welches Herr Staatsminister Helmut Brunner 2015 vorgestellt hat. 5. a) Trifft der Vorwurf zu, dass die Daten, die die Mitglieder der Arbeitsgruppe Schwarzwild eingeben, vom Staat ausgewertet werden? Nein, es handelt sich um ein vom Staat bereitgestelltes, jedoch neutrales System. Jede Arbeitsgruppe/-gemeinschaft entscheidet selbst über die Verwendung der Daten. Dritte, auch staatliche Stellen, erhalten keinen Zugriff auf die Datenbestände . Dementsprechend findet auch keine Auswertung durch den Staat statt. Dazu heißt es in den Nutzungsbedingungen : „Meldungen werden nur für die Verwendung im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft vorgenommen. Über eine Weitergabe der Erkenntnisse entscheidet die Arbeitsgemeinschaft unter Wahrung der entsprechenden Rechte Dritter. Eigenständige Erhebungen zu Inhalten der Meldungen in den Arbeitsgemeinschaften sind durch den Betreiber [Anm.: Freistaat Bayern] ausgeschlossen.“ b) Wenn ja, in welcher Weise? Entfällt, weil keine Datenauswertung durch den Staat erfolgt. c) Wenn nein, warum nicht? Das System wird vom Staat als eine neutrale Plattform bereitgestellt. Es soll, wie unter Frage 2 b dargestellt, den Betroffenen vor Ort ein selbst entwickeltes Management ohne Eingriffe des Staates ermöglichen. Um die Eigenverantwortung zu stärken, wurde bewusst die alleinige „Verfügungshoheit “ über die Daten den Arbeitsgruppen überlassen . 6. a) Ist die Bürgerplattform nur auf das Schwarzwild bezogen oder sollen auch andere Projekte, bezogen auf Wildtiere, durchgeführt werden? Für das Gänsemanagement steht bereits eine Anwendung zur Verfügung. Bei der Entwicklung wurde vorausschauend darauf geachtet, dass die Plattform flexibel für andere Wildarten und Projekte einsetzbar ist, womit sich bei zukünftigen Anwendungsfällen weitreichende Synergieeffekte ergeben. Es ist daher explizit erwünscht, dass die Plattform auch für andere Projekte genutzt wird. b) Wie stehen die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) zur Bürgerplattform? Die Etablierung der Bürgerplattform ist aus Sicht der BaySF ein wichtiger Beitrag zur Lösung der Schwarzwildproblematik . In diesem Informationssystem beteiligen sich die BaySF aktiv und bringen die aktuellen eigenen Informationen und Erfahrungen bei den regelmäßig zusammenkommenden „Runden Tischen“ ein. Es liegt im Interesse der BaySF, den Schulterschluss mit den anderen Grundeigentümern und Jagdausübenden zu suchen, um ein effizientes Schwarzwildmanagement zu ermöglichen. c) Steht auch anderen Verbänden, zum Beispiel anerkannten Naturschutzverbänden, die Bürgerplattform grundsätzlich für Projekte mit Wildtieren offen? Wie bei Frage 6 a ausgeführt, wurde das System verbandsneutral entwickelt, damit es auch für vielfältige Zwecke mit unterschiedlichen Interessengruppen einsetzbar ist. 7. a) Trifft der in der „Jagd in Bayern“ vom Präsidenten des BJV geäußerte Vorwurf der Steuerverschwendung zu? Dieser Vorwurf ist aufgrund der dargestellten Historie und den mit dem System verfolgten Zielen nicht nachvollziehbar. Bei der Entwicklung wurde – wie bereits unter Frage 6 a ausgeführt – auch vorausschauend darauf geachtet, dass die Plattform flexibel für andere Wildarten und Projekte einsetzbar ist, womit sich bei zukünftigen Anwendungsfällen weitreichende Synergieeffekte ergeben. b) Wenn dieser Vorwurf nicht zutrifft, sondern die Staatsregierung die Auffassung vertritt, dass es sich um ein sinnvolles Instrument handelt, stehen dann zur entsprechenden Nutzung und weiteren Ausgestaltung ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung? Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird dafür Sorge tragen.