17. Wahlperiode 25.09.2017 17/17237 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Eva Gottstein FREIE WÄHLER vom 30.03.2017 Kirchenasyl in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie bewertet die Staatsregierung grundsätzlich das sogenannte „Kirchenasyl“, vor allem im Hinblick auf die verstärkten Abschiebungsbemühungen? 2. Wie erlangt die Staatsregierung Kenntnis darüber, dass von der Abschiebung bzw. Rückführung Bedrohte Kirchenasyl in Anspruch nehmen? 3. Wie viele Fälle von Kirchenasyl sind bekannt (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? 4. Wie bewertet die Staatsregierung den Umstand, dass Staatsanwaltschaften Verfahren gegen Pfarrer und Pastoren bzw. Kirchengemeindemitglieder aufgrund der Kirchenasyl-Thematik eingeleitet haben? 5. Wie viele Verfahren wegen „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“ oder ähnlicher Straftatbestände wurden in diesem Zusammenhang von der Staatsanwaltschaft eingeleitet? 6. Wie stellt sich die konfessionelle Aufteilung der Asyl gewährenden Kirchen dar (bitte aufgeschlüsselt nach Kirchen katholischer, evangelischer und orthodoxer Konfession )? 7.1 Besitzt die Staatsregierung Kenntnis darüber, welcher Nationalität die sich im Kirchenasyl befindlichen Personen angehören? 7.2 Wenn ja, welche Nationalitäten besitzen diese (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? 7.3 Wenn nein, plant die Staatsregierung in dieser Hinsicht aktiv zu werden? 8. Über welchen Zeitraum befinden sich Personen durchschnittlich in Kirchenasylen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 09.06.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Wie bewertet die Staatsregierung grundsätzlich das sogenannte „Kirchenasyl“, vor allem im Hinblick auf die verstärkten Abschiebungsbemühungen? Das Kirchenasyl findet in unserer Rechtsordnung keine Anerkennung , gleichwohl sieht die Bayerische Polizei in Fällen von Kirchenasyl mit Rücksicht auf die besondere Stellung der Kirchen in unserem Staat von Vollzugsmaßnahmen in Räumen der Kirche ab. Diese Praxis ist rechtsstaatlich jedoch nur vertretbar, wenn die Kirchen vom Kirchenasyl mit großer Zurückhaltung Gebrauch machen und auch vonseiten der Kirchengemeinden in jedem Einzelfall das Gespräch mit den Behörden mit dem Ziel einer Lösung im Rahmen des geltenden Rechts gesucht wird. 2. Wie erlangt die Staatsregierung Kenntnis darüber, dass von der Abschiebung bzw. Rückführung Bedrohte Kirchenasyl in Anspruch nehmen? Die Kirchengemeinden melden Personen, denen sie Kirchenasyl gewähren, in der Regel den örtlichen Ausländerbehörden . Die Regierungen übermitteln monatlich eine Liste der aktuellen Kirchenasylfälle an das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr. 3. Wie viele Fälle von Kirchenasyl sind bekannt (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? Derzeit (Stand: 30.04.2017) halten sich 195 Fälle (227 Personen ) im Kirchenasyl auf, für die die Zuständigkeit bei einer bayerischen Ausländerbehörde liegt. Zuständigkeiten aufgeteilt nach Regierungsbezirken: Oberbayern: 33 Fälle (39 Personen) Niederbayern: 12 Fälle (13 Personen) Schwaben: 11 Fälle (11 Personen) Oberpfalz: 40 Fälle (42 Personen) Mittelfranken: 54 Fälle (59 Personen) Unterfranken: 15 Fälle (24 Personen) Oberfranken: 30 Fälle (39 Personen) Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17237 4. Wie bewertet die Staatsregierung den Umstand, dass Staatsanwaltschaften Verfahren gegen Pfarrer und Pastoren bzw. Kirchengemeindemitglieder aufgrund der Kirchenasyl-Thematik eingeleitet haben? Die Gewährung von Kirchenasyl kann den Anfangsverdacht der Anstiftung oder Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz, §§ 26, 27 Strafgesetzbuch begründen. Wenn der Verdacht einer Straftat besteht, sind die Staatsanwaltschaften nach dem Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung – StPO) verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen, den Sachverhalt aufzuklären und auf der Grundlage des Ermittlungsergebnisses nach Maßgabe der Vorschriften der Strafprozessordnung über das weitere Vorgehen (Verfahrenseinstellung oder Erhebung der öffentlichen Klage) zu entscheiden. In den Ermittlungsverfahren gegen Pfarrer und andere an der Gewährung von Kirchenasyl beteiligte Personen wegen Anstiftung oder Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt tragen die bayerischen Staatsanwaltschaften den besonderen Umständen , die das Kirchenasyl in der Regel prägen, Rechnung . Sie gehen mit Augenmaß vor und machen dabei in geeigneten Fällen insbesondere auch von der Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 1 StPO Gebrauch. 5. Wie viele Verfahren wegen „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“ oder ähnlicher Straftatbestände wurden in diesem Zusammenhang von der Staatsanwaltschaft eingeleitet? Die Gewährung von Kirchenasyl ist kein statistisches Merkmal , das in der Geschäftsstatistik der bayerischen Staatsanwaltschaften oder der Strafverfolgungsstatistik erfasst wird. Es liegen daher keine Daten zur Gesamtzahl der Ermittlungsverfahren vor, die im Zusammenhang mit der Gewährung von Kirchenasyl eingeleitet wurden. Eine Aussage zur Gesamtzahl der bisher geführten Verfahren wäre nur aufgrund einer händischen Durchsicht aller staatsanwaltschaftlichen Verfahrensakten der letzten Jahre mit Bezug zum Aufenthaltsrecht möglich, die aufgrund des hiermit verbundenen Aufwands nicht geleistet werden kann. 6. Wie stellt sich die konfessionelle Aufteilung der Asyl gewährenden Kirchen dar (bitte aufgeschlüsselt nach Kirchen katholischer, evangelischer und orthodoxer Konfession)? Die Konfession der Kirchenasyl gewährenden Kirchen wurde bisher nicht erfasst. Ausweislich Namens gewähren katholische Gemeinden oder Klöster in 59 Fällen (71 Personen) und evangelische Gemeinden in 76 Fällen (85 Personen) Kirchenasyl. Die übrigen Fälle von Kirchenasyl können nach der vorliegenden Statistik nicht eindeutig zugeordnet werden. 7.1 Besitzt die Staatsregierung Kenntnis darüber, welcher Nationalität die sich im Kirchenasyl befindlichen Personen angehören? 7.2 Wenn ja, welche Nationalitäten besitzen diese (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)? 7.3 Wenn nein, plant die Staatsregierung in dieser Hinsicht aktiv zu werden? Die Staatsangehörigkeiten der betreffenden Personen werden erfasst und stellen sich sortiert nach Zuständigkeit der Regierungsbezirke wie folgt dar: Fä lle (P er so ne n) M itt el fr an ke n N ie de rb ay er n O be rb ay er n O be rf ra nk en Sc hw ab en U nt er fr an ke n O be rp fa lz Afghanistan 1 (1) 9 (10) 11 (11) 4 (5) 3 (3) 5 (12) Syrien 1 (1) 2 (2) 3 (3) 3 (3) 2 (4) 8 (10) Armenien 1 (4) Äthiopien 35 (39) 1 (1) 10 (10) 7 (7) 2 (2) Eritrea 2 (2) 4 (4) 2 (2) 19 (19) Irak 3 (3) 5 (5) 5 (10) 3 (3) 1 (1) 5 (5) Iran 11 (12) 3 (3) 1 (1) 4 (4) Kosovo 1 (7) Mali 1 (1) Nigeria 1 (1) 1 (1) 1 (1) Pakistan 1 (1) Senegal 3 (3) Sierra Leone 3 (3) 1 (1) Somalia 1 (1) 3 (3) Uganda 1 (1) Ukraine 1 (1) Gesamt 54 (59) 12 (13) 33 (39) 30 (39) 11 (11) 15 (24) 40 (42) 8. Über welchen Zeitraum befinden sich Personen durchschnittlich in Kirchenasylen? Statistische Daten werden dazu nicht erhoben. Allerdings handelt es sich bei den Personen im Kirchenasyl bislang weit überwiegend um Asylbewerber, bei denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgrund der Dublin-Verordnung festgestellt hat, dass ein anderer Mitgliedstaat der EU (oder Liechtenstein, Schweiz, Norwegen) für das Asylverfahren zuständig ist, und deshalb die Überstellung dorthin angeordnet hat. Dafür gilt im Regelfall eine Frist von sechs Monaten (Verlängerung bei Untertauchen auf bis zu 18 Monate). Wird die Abschiebung nicht innerhalb dieser Frist vollzogen, geht die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auf Deutschland über. In diesen Fällen wird nach Ablauf dieser Frist das Kirchenasyl regelmäßig beendet.