Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 09.05.2017 Gefährdete Allee in der Gemeinde Maisach Wie in den Medien berichtet wurde, sollen ca. 20 bis 60 Linden der Allee an der Staatsstraße 2054 zwischen dem Hauptort Maisach und dem Maisacher Ortsteil Überacker im Landkreis Fürstenfeldbruck aus Sicherheitsgründen abge holzt werden. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wann wurde der Beschluss gefasst, die Bäume zu fäl len? 1.2 Wer hat den Beschluss gefasst? 2.1 Aufgrund welcher Vorschriften/Richtlinien müssen die Bäume abgeholzt werden? 2.2 Welche Einzelgründe sind für das Abholzen verant wortlich? 2.3 Inwieweit ist der Streckenabschnitt ein Unfallschwer punkt? 3.1 Wann wurde der Gemeinde Maisach dieser Beschluss mitgeteilt? 3.2 Wurde der Beschluss schriftlich bzw. mündlich mitge teilt? 3.3 Welche Behörde/Amt hat diesen Beschluss der Ge meinde Maisach mitgeteilt? 4.1 Welche Alternativen wurden erwogen, um die Fällung der Bäume zu verhindern (z. B. Geschwindigkeitsredu zierung)? 4.2 Von wem wurden diese Alternativen vorgeschlagen? 4.3 Wie ist der aktuelle Umsetzungsstand der möglichen Alternativen? 5.1 Inwieweit hat sich die zuständige Behörde mit der Ge meinde Maisach wegen der geplanten Maßnahmen ins Benehmen gesetzt? 5.2 Welche Behörden/Ämter haben bisher Stellungnah men zu den geplanten Baumfällungen abgegeben? 6.1 Wann sollen die Bäume gefällt werden? 6.2 Wie viele Bäume sollen abgeholzt werden? 7.1 Wie viele Alleen gibt es im Landkreis Fürstenfeld bruck? 7.2 Ist deren Bestand insgesamt bzw. teilweise gefährdet? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 16.06.2017 Vorbemerkung: Das Staatliche Bauamt Freising plant, die Fahrbahn der Staatsstraße 2054 zwischen Maisach und Überacker zu er neuern. Die Straße ist in diesem Bereich in einem schlech ten Erhaltungszustand. Eine Erneuerung ist dringend an gezeigt, um die Substanz der Straße zu sichern und die Gebrauchstauglichkeit zu gewährleisten. Die Baumaßnah me ist in der 2. Jahreshälfte 2017 vorgesehen. In diesem Zusammenhang hat der Straßenbaulastträger zu bewerten, ob der bauliche Eingriff gemäß gültigen Re gelwerken weitere Maßnahmen an der Straße auslöst. Dies ist auch für den Bereich der Verkehrssicherheit zu prüfen, zumal zu befürchten ist, dass sich durch einen neuen Fahr bahnbelag das Geschwindigkeitsniveau auf dem Strecken abschnitt erhöht. Die St 2054 zwischen Maisach und Überacker ist auf ei ner Länge von ca. 2 km beidseitig von Bäumen eingesäumt (insgesamt ca. 170 Bäume). Diese Bäume stehen teilweise sehr nah, bis zu 50 cm, am Fahrbahnrand und stellen für die Verkehrsteilnehmer jeweils eine Gefahrenstelle als punktu elles Einzelhindernis dar. 1.1 Wann wurde der Beschluss gefasst, die Bäume zu fällen? Seit Herbst 2016 wird die Baumaßnahme zur Erneuerung der Fahrbahn der St 2054 durch das Staatliche Bauamt Freising geplant und vorbereitet. In diesem Zusammenhang wurden in einem Gesamtkonzept verschiedene Varianten entwickelt und geprüft, wie im konkreten Fall Schutzmaß nahmen zur Herstellung „fehlerverzeihender Seitenräume“ an der Straße ergriffen werden können und zugleich die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Belange und des sorgsamen Umgangs mit der Straßenbepflanzung gewähr leistet werden kann. Das vom Staatlichen Bauamt Freising erarbeitete und noch zur Abstimmung stehende Konzept wurde der Unteren Verkehrsbehörde und der Unteren Na turschutzbehörde am Landratsamt Fürstenfeldbruck bereits vorgestellt und soll im Laufe des Sommers 2017 mit diesen beiden Stellen abgestimmt werden. Ein letztendlicher Beschluss für die Fällung von Bäumen setzt eine Erlaubnis der Unteren Naturschutzbehörde vo raus. Hierfür sind noch spezielle artenschutzrechtliche Prü fungen durchzuführen, die bereits an ein Fachbüro verge ben wurden, bis dato aber noch nicht abgeschlossen sind. 1.2 Wer hat den Beschluss gefasst? Siehe Antwort zu Frage 1.1. 2.1 Aufgrund welcher Vorschriften/Richtlinien müssen die Bäume abgeholzt werden? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.10.2017 17/17260 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17260 Für die Beurteilung der Verkehrsgefährdung durch vorhan dene Straßenbäume und darauf aufbauend die Entschei dung über die Fällung von Straßenbäumen sind folgende Richtlinien und Empfehlungen einschlägig: • Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahr zeugRückhaltesysteme in der Ausgabe 2009 (RPS 2009) • Einsatzempfehlungen für FahrzeugRückhaltesysteme der Bundesanstalt für Straßenwesen • Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume in der Ausgabe 2006 (ESAB 06) • „Ergänzende Hinweise zur Anwendung RPS 2009 in Bay ern“ Ministerialschreiben des StMI, IID943342009/01 vom 20.05.2016 2.2 Welche Einzelgründe sind für das Abholzen verantwortlich ? Die RPS 2009 ist für die Absicherung von Gefahrenstellen bei „grundhafter Erneuerung von Straßen“ anzuwenden. Gemäß RPS 2009 ist die Notwendigkeit von Schutzeinrich tungen am äußeren Fahrbahnrand zu prüfen, wenn sich Ge fahrenstellen innerhalb eines kritischen Abstandes zur Stra ße befinden. Bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ist dieser kritische Abstand (bei gleicher Hö henlage) mit 7,5 m anzusetzen. Bäume mit einem Stamm umfang von mehr als 25 cm stellen ein nichtverformbares, punktuelles Einzelhindernis dar, vor dem Fahrzeuginsassen mittels passiver Schutzeinrichtung geschützt werden müs sen. Für das Aufstellen einer passiven Schutzeinrichtung (Stahlschutzplanke oder Betonschutzwand) ist ausreichend Platz zwischen dem vorhandenen Fahrbahnrand und einem Baum erforderlich. Dieser Platzbedarf bemisst sich aus dem einzuhaltenden Abstand der Schutzeinrichtung zum Fahr bahnrand (hier sollen 50 cm nicht unterschritten werden), der Konstruktionstiefe der Schutzeinrichtung selbst sowie dem Wirkungsbereich hinter der Schutzeinrichtung (diese verformt sich beim Anprall zur Umwandlung der Anprallener gie nach hinten). Der Wirkungsbereich sollte möglichst groß gewählt werden, weil abkommende Fahrzeuge dann sel tener auf die Fahrbahn zurückgeschleudert werden. Wenn Bäume so dicht am Fahrbahnrand stehen, dass der not wendige Wirkungsbereich nicht eingehalten werden kann, ist das Aufstellen einer Schutzeinrichtung jedoch trotzdem zweckmäßig. Bei dem vom Staatlichen Bauamt Freising entwickelten Konzept soll ein Stahlschutzplankensystem zur Ausführung kommen, das speziell für den Schutz vor dem Anprall auf Bäume entwickelt wurde. Dessen Einsatz ist bei Einhaltung des erforderlichen Mindestabstands vom Fahrbahnrand (0,5 m) und eines minimalen Baumabstandes von 0,88 m mög lich. Teilweise stehen aber dennoch Bäume zu nah am Fahr bahnrand, um selbst diese speziellen Schutzplanken an bringen zu können. Für diese Bäume sieht das erarbeitete Konzept die Fällung vor. Des Weiteren sieht das Siche rungskonzept vor, das Aufstellen von Schutzplanken gleich zeitig an beiden Fahrbahnseiten möglichst zu vermeiden, weil dadurch ein optisch einengender Eindruck entsteht, der wiederum die Gefahr möglicher Zusammenstöße im Be gegnungsfall erhöht. Daher werden vordringlich die Außen ränder in den engeren Kurvenbereichen mit Schutzplanken geschützt. In diesen Bereichen können jedoch auch einzel ne Bäume in den Innenrändern von einer Fällung betroffen sein, wenn der o. g. Baumabstand zum Fahrbahnrand deut lich unterschritten wird. 2.3 Inwieweit ist der Streckenabschnitt ein Unfallschwerpunkt ? Die aktuelle 3JahresUnfallkarte (2012–2014) weist den Abschnitt nicht als amtliche Unfallhäufung aus. Per Definiti on spricht man von einer Unfallhäufung, wenn sich in einem Streckenbereich von 1.000 m innerhalb von 3 Jahren Unfäl le mit insgesamt mindestens 3 Schwerverletzten ereignen. 3.1 Wann wurde der Gemeinde Maisach dieser Beschluss mitgeteilt? Nachdem die einzelnen Alleebäume Anfang 2017 für eine möglichst genaue Ermittlung des Schutzkonzeptes vermes sen und für diese Vermessungsarbeiten vorab markiert wur den, entstand die Befürchtung, das Staatliche Bauamt Frei sing wolle alle markierten Bäume fällen. Dadurch wurde die Allee Inhalt der örtlichen Presseberichterstattung im März 2017. Daraufhin hat das Staatliche Bauamt Freising den 1. Bürgermeister von Maisach, Herrn Hans Seidl, telefonisch über die Hintergründe der Maßnahme informiert. 3.2 Wurde der Beschluss schriftlich bzw. mündlich mitgeteilt? Siehe Antwort zu Frage 3.1. 3.3 Welche Behörde/Amt hat diesen Beschluss der Gemeinde Maisach mitgeteilt? Siehe Antwort zu Frage 3.1. 4.1 Welche Alternativen wurden erwogen, um die Fällung der Bäume zu verhindern (z. B. Geschwindigkeitsreduzierung )? Bei dem vom Staatlichen Bauamt Freising entwickelten Konzept werden die Belange der Verkehrssicherheit und des Naturschutzes gegeneinander abgewogen und glei chermaßen berücksichtigt. Mögliche Alternativen wurden in diesem Abwägungsprozess mit einbezogen. Die beiden Alternativen, entweder alle AlleeBäume in ei nem Korridor von 7,5 m Abstand beidseitig vom Fahrbahn rand zu fällen oder die zulässige Höchstgeschwindigkeit durchgehend auf 50 km/h zu begrenzen, stellen dabei die Extremvarianten dar, die entweder die Belange der Ver kehrssicherheit oder des Naturschutzes zu jeweils 100 Pro zent berücksichtigen würden. Das aktuell vorgeschlagene Schutzkonzept bewegt sich zwischen den Extremen und lässt Handlungsspielraum bezüglich beider Belange. 4.2 Von wem wurden diese Alternativen vorgeschlagen ? Die möglichen Alternativen wurden vom Staatlichen Bauamt Freising als Vorhabenträger erarbeitet und mit der Unteren Naturschutzbehörde und der Unteren Verkehrsbehörde am Landratsamt Fürstenfeldbruck erörtert. 4.3 Wie ist der aktuelle Umsetzungsstand der möglichen Alternativen? Von der Unteren Verkehrsbehörde wird eine pauschale Ge schwindigkeitsbegrenzung für den gesamten Streckenab schnitt abgelehnt, da gemäß Straßenverkehrsordnung die zulässige Geschwindigkeit außerorts 100 km/h betragen soll. Die aktuelle Beschränkung auf 60 km/h bei Nässe be steht nur aufgrund des schlechten Fahrbahnzustands und Drucksache 17/17260 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 der hierdurch mangelhaften Griffigkeit. Sobald die Straße erneuert ist, besteht kein Rechtsgrund mehr, die Beschrän kung aufrechtzuerhalten. Außerdem bliebe bei Nichtbeach tung einer reduzierten zulässigen Geschwindigkeit die Ge fährdungslage weiter bestehen. Von der Unteren Naturschutzbehörde werden umfangrei che Fällungen abgelehnt. Sollte es zur Verbesserung der Verkehrssicherheit bei ein zelnen Bäumen keine technischen oder verkehrsrechtlichen Alternativen geben, so würde von Seiten der Unteren Natur schutzbehörde mit einer Fällung in sehr geringem Umfang Einverständnis bestehen, falls artenschutzrechtliche Unter suchungen belegen, dass keine Verbotstatbestände damit verletzt werden. Die entsprechenden artenschutzrechtlichen Untersuchungen werden derzeit im Auftrag des Staatlichen Bauamtes Freising durchgeführt. Für alle möglicherweise zu fällenden Bäume sind vom Staatlichen Bauamt Freising bereits entsprechende Ersatz pflanzungen zugesagt, beispielsweise in vorhandenen Lü cken der Allee oder hinter neu errichteten Schutzeinrichtun gen. 5.1 Inwieweit hat sich die zuständige Behörde mit der Gemeinde Maisach wegen der geplanten Maßnahmen ins Benehmen gesetzt? Ein Benehmen mit der Gemeinde Maisach wurde nicht her gestellt, da die zu fällenden Bäume ausnahmslos auf Grund stücken im Eigentum des Straßenbaulastträgers stehen. Dennoch hat das Staatliche Bauamt Freising mit der Ge meinde Maisach vereinbart, sie über den weiteren Fortgang der Abstimmung zu informieren. 5.2 Welche Behörden/Ämter haben bisher Stellungnahmen zu den geplanten Baumfällungen abgegeben ? Siehe Anwort zu Frage 4.2. 6.1 Wann sollen die Bäume gefällt werden? Dies ist für die i. d. R. artenschutzrechtlich unkritische Jah reszeit ab Oktober 2017 vorgesehen. Einen genauen Zeit raum wird eine entsprechende Fällungserlaubnis vorgeben. 6.2 Wie viele Bäume sollen abgeholzt werden? Der Umfang der Baumfällungen wird in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde festgelegt. Der Abstimmungs prozess läuft derzeit, sodass aktuell noch keine konkrete Anzahl an Bäumen genannt werden kann. Ziel der Abstim mung ist es, für die konkurrierenden Belange Naturschutz, Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht einen für alle Seiten akzeptablen Kompromiss zu erarbeiten. 7.1 Wie viele Alleen gibt es im Landkreis Fürstenfeldbruck ? Daten hierzu werden nicht erfasst. Im Bereich der Bundes und Staatsstraßen im Landkreis Fürstenfeldbruck weist die Straßenbepflanzung entlang der folgenden Strecken durch beidseitigen, linienhaften Baumbestand AlleeCharakter auf: B 2 zwischen Puch und dem Baustoffwerk St 2054 zwischen Sulzemoos und der A 8 St 2069 südlich Alling (über die Landkreisgrenze zum Landkreis Starnberg) St 2339 zwischen Günding und der B 471 7.2 Ist deren Bestand insgesamt bzw. teilweise gefährdet ? In jedem Einzelfall werden die oben genannten Abstim mungen durchgeführt und die Situation vom Straßenbaulast träger individuell beurteilt. Die Belange des Naturschutzes und des Landschaftsbildes gehen dabei stets in die Abwä gung ein. In manchen Fällen werden bestehende Alleen durch Nachpflanzungen in bestehende Baumlücken in bezüglich der Verkehrssicherheit unkritischen Abschnitten aufgewertet wie z. B. an der B 471 am südwestlichen Ortseingang von Grafrath in diesem Herbst. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17260