Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.04.2017 Militärischer Einsatz von angereichertem Uran auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Liegen der Staatsregierung offizielle Daten darüber vor, ob auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr (Oberpfalz) Munition mit einem Mantel aus Uran oder weitere Anwendungen von radioaktivem Material bei militärischen Übungen zum Einsatz kamen? b) Wenn ja, welches Material wurde wann und in welchem Ausmaß benutzt? c) Wenn nein, welche Möglichkeiten hat die Staatsregierung , dies in Erfahrung zu bringen? 2. Sind der Staatsregierung Vorfälle bekannt, bei denen es auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr zu Strahlenunfällen gekommen ist und bei denen Soldaten und Zivilbeschäftigte radioaktiv belastet worden sind? 3. Besitzt die Staatsregierung Informationen über gehäufte Leukämiefälle, andere Krebsfälle oder erhöhte vorzeitige Sterblichkeit bei der US-Army in Grafenwöhr bzw. bei dem dort beschäftigten Zivilpersonal und bei der Bevölkerung in der Umgebung der Schießstände? 4. a) Wurden oder werden deutsche Zivilbeschäftigte einer medizinischen Untersuchung im Hinblick auf eine mögliche Strahlenbelastung unterzogen? b) Wenn ja, wie lauten die Ergebnisse dieser Untersuchung ? 5. a) Wird auf dem Truppenübungsplatz regelmäßig eine mögliche radioaktive Belastung mittels Bodenproben untersucht? b) Wenn ja, an welchen Orten und mit welchem Ergebnis ? 6. Wer wäre bei einem möglichen Abzug der US-Army vom Standort Grafenwöhr für eine eventuell notwendige Dekontamination des Gebietes des Truppenübungsplatzes zuständig? Antwort des Leiters der Bayerischen Staatskanzlei Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben vom 21.06.2017 Die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürgen Mistol wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz sowie dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet: Der militärische Einsatz von Uran auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr war bereits Gegenstand einer Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Scharfenberg vom 11.05.1999 („Verwendung von Munition mit Uranmantel auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr“) sowie einer Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Paulig, Scharfenberg und Schammann vom 18.01.2001 („Militärischer Einsatz von abgereichertem Uran in Bayern“). Auf die Antworten der Staatsregierung vom 19.07.1999 (LT-Drs. 14/1625) und 29.03.2001 (LT-Drs. 14/6264) wird verwiesen. Die Schriftliche Anfrage vom 21.04.2017 wird so verstanden, dass sie sich auf neue Erkenntnisse gegenüber diesen beiden Antworten bezieht. Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes ist für militärische Angelegenheiten ausschließlich der Bund zuständig, einschließlich der Benutzung von Truppenübungsplätzen , die den US-Streitkräften gemäß dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut zur ausschließlichen Benutzung überlassen sind. Zu Teilen der Schriftlichen Anfrage kann die Staatsregierung deshalb mangels Zuständigkeit keine eigenen Erkenntnisse zur Beantwortung beitragen. Gleichwohl hat die Staatsregierung bei den US- Streitkräften, beim Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), sowie im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) bezüglich der die militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr betreffenden Anteile eine Stellungnahme eingeholt. 1. a) Liegen der Staatsregierung offizielle Daten darüber vor, ob auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr (Oberpfalz) Munition mit einem Mantel aus Uran oder weitere Anwendungen von radioaktivem Material bei militärischen Übungen zum Einsatz kamen? Das US-Generalkonsulat München hat für die US-Streitkräfte folgende Antwort übermittelt: „U.S. military forces training at Grafenwöhr do not use or fire rounds containing depleted uranium. The rounds normally used at the facility are training rounds which do not contain such material. The U.S. military at Grafenwöhr therefore does not conduct special medical tests for its personnel or local emplo- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.10.2017 17/17294 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17294 yees, and does not undertake soil sampling for depleted uranium. U.S. military use of the facility is governed by the NATO Status of Forces Agreement and its Supplemental Article, as well as relevant German laws and regulations.“ (Von in Grafenwöhr übenden US-Streitkräften wird Munition , die abgereichertes Uran enthält, weder benutzt noch verschossen. Die Munition, die normalerweise in der Einrichtung genutzt wird, ist Übungsmunition, die kein solches Material enthält. Das US-Militär in Grafenwöhr führt deshalb keine speziellen medizinischen Tests für ihr Personal oder örtliche Beschäftigte durch, und führt keine Bodenuntersuchungen nach abgereichertem Uran durch. Die US-militärische Nutzung der Einrichtung wird durch das NATO-Truppenstatut und sein Zusatzabkommen sowie relevante deutsche Gesetze und Regularien bestimmt .) Das Bundesministerium der Verteidigung hat hierzu folgende Antwort übermittelt: „Die Bundeswehr hat auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr im Rahmen der Mitnutzung keine Munition aus abgereichertem Uran eingesetzt. Dem Bundesministerium der Verteidigung liegen keine Erkenntnisse vor, ob die US-Streitkräfte Munition aus Uran verwendet haben. Von der Bundeswehr wurden Lenkflugkörper vom Typ MILAN eingesetzt, die Kleinstmengen an radioaktivem Thorium enthalten. Über die Verwendung von Munition mit radioaktivem Material durch die US-Streitkräfte liegen dem Bundesministerium der Verteidigung keine Informationen vor.“ Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat hierzu folgende Antwort übermittelt: „Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr ist den US-Streitkräften für die Dauer ihres militärischen Bedarfs zur ausschließlichen Nutzung überlassen. Nach den einschlägigen völkerrechtlichen Vereinbarungen gilt auf der Liegenschaft das deutsche Recht. In diesem Rahmen können die Streitkräfte auf den ihnen überlassenen Liegenschaften die zur Erfüllung ihrer Verteidigungspflichten erforderlichen Maßnahmen treffen. Der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben liegen keine Erkenntnisse bezüglich der nachgefragten Munition oder die Anwendung von radioaktivem Material bei militärischen Übungen vor.“ Ergänzend wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Scharfenberg vom 11.05.1999 (LT-Drs. 14/1625) sowie die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Paulig, Scharfenberg und Schammann vom 18.01.2001 (LT- Drs. 14/6264) Bezug genommen. b) Wenn ja, welches Material wurde wann und in welchem Ausmaß benutzt? Das Bundesministerium der Verteidigung hat hierzu folgende Antwort übermittelt: „In den vergangenen Jahren wurden ca. 20 Lenkflugkörper MILAN durch die Bundeswehr verschossen. Dieser Lenkflugkörper ist mit einem Infrarotstrahler ausgestattet, der als in Metall (Tantal) gekapselter Glühsatz ausgelegt ist. Dieser Glühsatz enthält für Mensch und Umwelt ungefährliche Kleinstmengen an radioaktivem Thorium. Für den Verschuss hat die Bundeswehr Sicherheitsbestimmungen und weitere Vorschriften erlassen. Etwaige Munitionsreste wurden fachgerecht nach den gültigen Sicherheitsbestimmungen und Vorschriften entsorgt.“ Ergänzend wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Scharfenberg vom 11.05.1999 (LT-Drs. 14/1625) sowie die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Paulig, Scharfenberg und Schammann vom 18.01.2001 (LT- Drs. 14/6264) Bezug genommen. c) Wenn nein, welche Möglichkeiten hat die Staatsregierung , dies in Erfahrung zu bringen? Entfällt. 2. Sind der Staatsregierung Vorfälle bekannt, bei denen es auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr zu Strahlenunfällen gekommen ist und bei denen Soldaten und Zivilbeschäftigte radioaktiv belastet worden sind? Auf die Antwort des US-Generalkonsulats München zu Frage 1 wird Bezug genommen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat hierzu folgende Antwort übermittelt: „Dem Bundesministerium der Verteidigung sind keine derartigen Vorfälle bekannt.“ Ergänzend wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Scharfenberg vom 11.05.1999 (LT-Drs. 14/1625) sowie die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Paulig, Scharfenberg und Schammann vom 18.01.2001 (LT-Drs. 14/6264) Bezug genommen. 3. Besitzt die Staatsregierung Informationen über gehäufte Leukämiefälle, andere Krebsfälle oder erhöhte vorzeitige Sterblichkeit bei der US-Army in Grafenwöhr bzw. bei dem dort beschäftigten Zivilpersonal und bei der Bevölkerung in der Umgebung der Schießstände? Auf die Antwort des US-Generalkonsulats München zu Frage 1 wird Bezug genommen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat hierzu folgende Antwort übermittelt: „Dem Bundesministerium der Verteidigung liegen keine Kenntnisse zu strahlenassoziierten Erkrankungen oder Todesfällen bzw. Meldungen zu entsprechenden Berufskrankheiten bei Zivilbeschäftigten vor.“ Dem Bayerischen Krebsregister am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit liegen keine Informationen zu der Krebshäufigkeit oder -sterblichkeit bei der US-Army in Grafenwöhr bzw. dem dort beschäftigten Zivilpersonal vor. Für die Gemeinde Grafenwöhr und den Landkreis Neustadt an der Waldnaab wurden für den Zeitraum 2005 bis 2014 die sog. Inzidenz-/Sterblichkeitsverhältnisse geprüft. Insgesamt liegen dem Bayerischen Krebsregister am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit aus den vorliegenden Daten keine Hinweise vor, dass der Truppenübungsplatz Grafenwöhr ursächlich mit einer erhöhten Krebshäufigkeit in der angrenzenden Bevölkerung verbunden ist. Ergänzend wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Scharfenberg vom 11.05.1999 (LT-Drs. 14/1625) sowie die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Paulig, Scharfenberg und Schammann vom 18.01.2001 (LT-Drs. 14/6264) Bezug genommen. Drucksache 17/17294 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. a) Wurden oder werden deutsche Zivilbeschäftigte einer medizinischen Untersuchung im Hinblick auf eine mögliche Strahlenbelastung unterzogen? Auf die Antwort des US-Generalkonsulats München zu Frage 1 wird Bezug genommen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat hierzu folgende Antwort übermittelt: „Nach Kenntnis des Bundesministeriums der Verteidigung werden keine Tätigkeiten oder Arbeiten durchgeführt, die ein Erfordernis zur medizinischen Untersuchung im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge bedingen.“ Ergänzend wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Scharfenberg vom 11.05.1999 (LT-Drs. 14/1625) sowie die Antwort der Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Paulig, Scharfenberg und Schammann vom 18.01.2001 (LT-Drs. 14/6264) Bezug genommen. b) Wenn ja, wie lauten die Ergebnisse dieser Untersuchung ? Entfällt. 5. a) Wird auf dem Truppenübungsplatz regelmäßig eine mögliche radioaktive Belastung mittels Bodenproben untersucht? b) Wenn ja, an welchen Orten und mit welchem Ergebnis ? Auf die Antwort des US-Generalkonsulats München zu Frage 1 wird Bezug genommen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat hierzu folgende Antwort übermittelt: „Nach den völkerrechtlichen Vereinbarungen sind ausschließlich die US-Streitkräfte dafür verantwortlich, dass auf den von ihnen genutzten Liegenschaften das deutsche Umweltrecht eingehalten und notwendige Erkundungs - oder Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden . Damit haben die US-Streitkräfte als Nutzer auch die Verantwortung für von ihnen verursachte Umweltverschmutzungen und sind verpflichtet, diese auf Grundlage der einschlägigen deutschen Gesetze und Verordnungen auf eigene Kosten zu untersuchen und zu beseitigen. Darüber hinaus obliegt die Überwachung der Einhaltung des Umweltrechts auch auf diesen Liegenschaften den Behörden der Länder und Kommunen. Durch völkerrechtlich vereinbarte Zugangsrechte ist sichergestellt, dass die für die Überwachung der Einhaltung des Umweltrechts zuständigen Behörden ihrer Aufgaben auf den überlassenen Liegenschaften in vollen Umfang nachkommen können. Der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben liegen keine diesbezüglichen Erkenntnisse vor.“ In den Jahren 1999 und 2001 war der militärische Einsatz von abgereichertem Uran in Bayern Gegenstand einer Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Scharfenberg vom 11.05.1999 sowie einer Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Paulig, Scharfenberg und Schammann vom 18.01.2001. Das Bayerische Landesamt für Umweltschutz (LfU) wurde damals beauftragt, Ortsdosisleistungs-Messungen , Messungen der Oberflächenkontamination und Bodenprobenuntersuchungen vorzunehmen. Die damaligen Untersuchungen ergaben keinerlei Hinweise auf einen Eintrag von abgereichertem Uran in den untersuchten Gebieten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden im Jahresbericht des Landesamts für Umwelt von 2002 zusammengefasst . Auf den entsprechenden Auszug aus dem Jahresbericht wird Bezug genommen. Regelmäßige Untersuchungen auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr auf eine mögliche radioaktive Belastung mittels Bodenproben werden vom Landesamt für Umwelt nicht durchgeführt. 6. Wer wäre bei einem möglichen Abzug der US-Army vom Standort Grafenwöhr für eine eventuell notwendige Dekontamination des Gebietes des Truppenübungsplatzes zuständig? Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat hierzu folgende Antwort übermittelt: „Sollten nach Freigabe der Liegenschaft sanierungsbedürftige Dekontaminationen festgestellt werden, die auf die US-Nutzung zurückzuführen sind, so werden die dadurch entstandenen Kosten im sog. Restwertabrechnungsver - fahren, das sich regelmäßig an die Freigabe einer Liegenschaft anschließt, gegenüber den US-Streitkräften geltend gemacht. Etwa erforderliche Maßnahmen würden nach Freigabe grundsätzlich von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in ihrer Funktion als Eigentümerin der Liegenschaft veranlasst.“ © Bayerisches Landesamt für Umweltschutz 2002 Untersuchungen von Freiflächen und Gebäuden auf eine mögliche Kontamination durch DU-Munition Einleitung Zur Nutzung von Uran als Kernbrennstoff in leichtwassermoderierten Kernkraftwerken reicht der natürliche Anteil des spaltbaren Isotopes Uran-235 (0,72 Gew.-% Uran-235 an der Gesamturan-Masse) nicht aus, er muss in einem Anreicherungsprozess auf 3-4 Gew.-% erhöht werden. Bei diesem Isotopen-Trennprozess bleibt zwangsweise abgereichertes Uran (englisch: Depleted Uranium = DU; typischer Weise: 0,2 Gew.- % Uran-235) übrig. Abgereichertes Uran ist wie Natururan nur schwach radioaktiv und weist eine niedrigere spezifische Aktivität auf als Natururan. Es wurde von der amerikanischen Atomenergiekommission 1969 für die industrielle Anwendung freigegeben. Trotz günstiger Materialeigenschaften wie z.B. der sehr hohen Dichte von 19,3 g/cm3 (Blei 11,3 g/cm3), sind die Verwendungsmöglichkeiten wegen der vorhandenen Radioaktivität eng begrenzt. Neben zivilen Einsatzbereichen wie die Verwendung als Ausgleichsgewicht in Flugzeugen oder als Abschirmmaterial bei Bestrahlungseinrichtungen wird DU im militärischen Bereich als Kern panzerbrechender Geschosse oder, umgekehrt, als Schutzmaterial zur Verstärkung der Panzerung verwendet [1, 2]. Anlass der Untersuchungen Im Golfkrieg und im Kosovo wurde von den Amerikanern und Briten panzerbrechende DU-haltige Munition eingesetzt. Als einige italiensche Soldaten, die im Kosovo eingesetzt waren, an Leukämie erkrankten, wurde dies mit der Radioaktivität des DU in Verbindung gebracht. Durch Presseberichte kam es auch in Bayern zu einer recht aufgeregten öffentlichen Diskussion, die Anfang 2001 ihren Höhepunkt erreichte und viele Bürger verunsicherte. Anfragen bei den US- Streitkräften ergaben, dass es in Bayern in den letzten 15 Jahren einige Vorkommnisse gegeben hatte, bei denen auch DU-haltige Munition (Abb. 1) mit im Spiel gewesen sein könnte. Abb. 1: DU-Munition im Querschnitt (Quelle: http://www.gulflink.osd.mil/du) Verdachtsfälle und – flächen in Bayern Die öffentliche Diskussion veranlasste das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, die US- Armee und die Stadt Erlangen, betroffene Verdachtsflächen durch das LfU auf eine mögliche Kontamination durch abgereichertes Uran untersuchen zu lassen. Als Verdachtsflächen wurden untersucht: – die Umgebung um zwei 1988 ausgebrannte Panzer, die möglicherweise mit DU-Munition bestückt gewesen waren, nahe den fränkischen Gemeinden Gollhofen und Altertheim – das Zielgebiet auf dem Übungsplatz der US-Luftwaffe in Siegenburg – ein Schießplatz bei Schrobenhausen – die Umgebung des mit DU-Munition bestückten, 1985 in Schweinfurt gebrannten Panzers sowie die Wartungshalle , in die der Panzer nach dem Brand verbracht wurde – die Schießbahn auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, auf der 1986 Dr. Ulrich Kratzel (Tel. 09221/604-5860, ulrich.kratzel@lfu.bayern.de) Klaus Buß (Tel. 09221/604-5830, klaus.buss@lfu.bayern.de) Dr. Herbert Hellmann (Tel. 0821/9071-5015, herbert.hellmann@lfu.bayern.de) Dr. Thorsten Stahl (Tel. 0821/9071-5286, thorsten.stahl@lfu.bayern.de) Verdachtsflächen in Bayern – jeder Fall hat seine eigene Geschichte 2 Untersuchungen von Freiflächen und Gebäuden auf eine mögliche Kontamination durch DU-Munition oder 1987 versehentlich eine DU-haltige Panzergranate verschossen worden war – das Gelände eines ehemaligen Munitionslagers der US-Armee im Stadtgebiet von Erlangen. Die durchgeführten Untersuchungsprogramme liefen im wesentlichen alle nach dem gleichen Schema ab: – Sondierun – Festlegun Dokumen renzpunkt − Messung Oberfläch Mess- und – In-Situ-Ga gewählten – Probenahm festgelegt – Aufarbeitu Bodenpro ∗ Gamm ∗ ICP-M ∗ Alpha- – In der Wa den Wisch ben genom tersucht. In Amtshilfe f Amberg und W über hinaus n wässer im Be zes Grafenwö untersucht. Untersuchungs- und Messmethoden – Messung der Ortsdosisleistung Die Ortsdosisleistung (ODL) ist ein Maß für die Gesamtstrahlung, die von einer radioak-tiven Quelle ausgeht. Wegen der geringen Reichweite der Alpha- und Be- Abb. 2: DU-Panzermunition, rechts (Quelle: http://www.gulflink.osd.mil/du) Umfangreiche Untersuchungsprogramme , angepasst an die Verhältnisse vor Ort © Bayerisches Landesamt für Umweltschutz 2002 g des Geländes g bzw. Kennzeichnung und tation der Mess- und Refee der Ortsdosisleistung und der enkontamination um alle Referenzpunkte mma-Spektrometrie an aus- Messpunkten e von Bodenproben an allen en Punkten ng und Untersuchung der ben im Labor mittels a-Spektrometrie S Spektrometrie rtungshalle des Panzers wurtestproben und Sedimentpromen und diese im Labor unür die Wasserwirtschaftämter eiden wurden vom LfU daroch Grund- und Oberflächenreich des Truppenübungsplathr auf abgereichertes Uran ta-Strahlung wird hierbei praktisch ausschließlich die Gamma-Strahlung der Quelle bestimmt. Die Messungen wurden mit dem Messgerät „Szintomat 6134“ durchgeführt. Um jede Probenahmestelle wurde eine Fläche von ca. 1 m2 auf eine mögliche Erhöhung der ODL ver-messen. Alle Messergebnisse wurden mit den Messwerten an den Referenzmessstellen verglichen. – Messung der Oberflächenkontamination Die Messungen der Oberflächenkontamination wurden mit Messgeräten vom Typ „Kontaminationsmonitor FHT 111M“ durchgeführt. Verwendet wurden butangasgefüllte Zählrohre mit einer extra dünnen Aluminiumfolie (0,3 mg/ cm2). Ziel der Messungen waren die Überprüfung der untersuchten Flächen auf eine Kontamination mit α- und ßstrahlenden Radionukliden durch einen Eintrag von DU-Munition. Die Nachweisgrenzen des Messverfahrens liegen z.T. deutlich unter 0,05 Bq/cm2 für α-strahlende und unter 0,5Bq/cm2 für ß-strahlende Radionuklide. – In-Situ-Gamma-Spektrometrie Bei der In-Situ-Gamma-Spektrometrie werden oberflächennahe γ-strahlende Radionuklide im Radius von etwa 12 Meter spektrometrisch bestimmt. Im Gegensatz zur Messung der ODL können nicht nur die Intensität der Strahlung, sondern auch die Energie der einfallenden Quanten, gemessen werden und daraus die zugehörigen Radionuklide identifiziert und quantitativ bestimmt werden. Unter der Annahme, dass sich die Quelle in ca. 1 m Abstand vom Detektor befindet, beträgt die Nachweisgrenze für die Radionuklide Blei-214, Bismut-214 und Uran-235 weniger als 5 Bq/kg. – Probenahme von Bodenproben Die Probenahme wurde mit einem zylinderförmigen Stechscheit von 5 cm Durchmesser durchgeführt. Pro Probenahmestelle wurde das Stechscheit nach Panzerbrand im Golfkrieg © Bayerisches Landesamt für Umweltschutz 2002 Untersuchungen von Freiflächen und Gebäuden auf eine mögliche Kontamination durch DU-Munition 3 jeweils 6 mal ca. 15 cm tief in den Boden geschlagen. Auf diese Art wurde pro Probenahmestelle zwischen 1 und 5 kg Boden, je nach Beschaffenheit des Untergrundes bestehend aus Erde, Sand, Wurzelwerk, Steinen, z.T. auch Schotter und Beton, für die weiteren Untersuchungen im Labor entnommen. – Untersuchung von Wischtestproben Mittels der Wischtestproben wurden Staubablagerungen in einer Wartungshalle für Panzer auf eine mögliche Kontamination durch DU- Munition untersucht. 100 cm2 der zu untersuchenden Fläche wurden mit einem Wischpräparat trocken abgewischt und die Proben in einem Low-Level- Gasdurchflussmessplatz gemessen. Bestimmt wurden die Gesamt-Alphaund die Gesamt-Beta-Aktivitäten der Wischtestproben. Die Nachweisgrenzen des Verfahrens liegen bei ca. 0,001 Bq/cm² für α-strahlende und bei ca. 0,003 Bq/cm² für ß-strah-lende Radionuklide bezogen auf den abwischbaren Anteil der Oberflächenkontamination (zugrundegelegter Entnahmefaktor : 0,1). – Untersuchung von Bodenproben mittels Gamma-Spektrometrie Der Grobanteil der Bodenproben, bestehend aus Erde mit Wurzelwerk und Steinen , zum Teil auch Beton und Schotter, wurde mittels Low-Level-Gamma- Spektrometrie (HPGe-Detektoren in Low-Level-Bleiabschirmungen) untersucht . Durch die Bestimmung der Uranisotope U 235 und U 238 sowie der Tochter des U 234, des Ra 226 (über die Linien der Isotope Bi 214 und Pb 214), sollten zwei Ziele erreicht werden: – DU-haltige Teilchen größer als 2 mm (z.B. Splitter) sollten sicher nachgewiesen werden können. Ein kugelförmiges DU-Teilchen mit einem Durchmesser von 2 mm hat ein Gewicht von ca. 0,08 Gramm (Dichte Uran = 19 g/cm3) und eine Aktivität von ca. 1 kBq U 238. – Wenn möglich, sollte auch eine Aussage zu den Nuklidverhältnissen U 238 zu U 235 bzw. U 238 zu U 234 gemacht werden können, wodurch eine Unterscheidung zwischen DU und Natururan möglich sein könnte. Um dieses Ziel und eine niedrige Nachweisgrenze zu erreichen, wurde jede Bodenprobe 24 Stunden gemessen . – Untersuchung von Bodenproben mittels ICP-MS Mittels ICP-MS (Inductivly Coupled Plasma Mass Spectrometry ) wurde der Gehalt der Uranisotope U 238 und U 235 im Feinanteil aller Bodenproben (∅ < 2 mm) bestimmt. Hierzu wurden die Bodenproben nasschemisch aufgeschlossen und die Aufschlusslösung massenspektrometrisch untersucht. Die Nachweisgrenze des Verfahrens liegt bei 0,2 µg/kg für Gesamturan, dies entspricht ca. 0,003 Bq/kg bezogen auf Uran-238. Die Untersuchungen mittels ICP-MS hatten folgende Ziele: – Bestimmung des Gehaltes von U 238 in den Bodenproben. Ein Eintrag von DU-Munition führt zu einer Erhöhung des Gehaltes von U 238 im Vergleich zu den anderen Bodenproben , insbesondere zu den Referenzproben . – Bestimmung des Isotopenverhältnisses U 238 zu U 235. In Natururan beträgt der Gehalt von U 235 ca. 0,72 Gew.-% von U 238. In abgereicherten Uran dagegen ist der Gehalt von U 235 deutlich geringer, bis herab zu 0,2 Gew.-%. Eine Ver- I e U d l z d i g Kombination aus Messungen vor Ort und hochempfindlichen Laboruntersuchungen bringt umfangreiche Ergebnisse schiebung des Isotopenverhältnisses zu Werten unter 0,7 % deutet somit auf einen Eintrag von DU-Munition hin. n Abbildung 5 ist das Massenspektrum iner Bodenprobe dargestellt. Neben den ranisotopen U 235 und U 238 kann auch as natürliche Thoriumisotop Th 232 probemlos nachgewiesen werden. Wegen der u geringen Konzentration kann das im raioaktiven Gleichgewicht vorhandene Uransotop U 234 massenspezifisch nicht nachewiesen werden. Abb. 3: In-Situ-Gamma-Spektrometrie auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr durch das LfU Abb. 4: Probenahme von Bodenproben auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr durch das LfU 4 Untersuchungen von Freiflächen und Gebäuden auf eine mögliche Kontamination durch DU-Munition – Untersuchung ausgewählter Bodenpoben mittels Alpha-Spektrometrie In ausgewählten Bodenproben wurden zusätzlich zu den ICP-MS-Messungen die Gehalte der Uranisotope U 234, U 235 und U 238 mittels Alpha-Spektrometrie bestimmt. Im Gegensatz zur ICP- MS, bei der die Uranisotope auf Grund ihrer Isotopenmasse bestimmt werden, werden bei der Alpha-Spektrometrie die radioaktiven Zerfälle der Nuklide gemessen und die Isotope an Hand der charakteristischen Energien der emittierten Alpha -Teilchen (4He2+) nachgewiesen. Diese Methode bedingt eine aufwendige radiochemische Aufarbeitung der Bodenproben und ist deshalb für größere Probenzahlen nicht als Routineverfahren geeignet. Die Nachweisgrenze des Verfahrens liegt bei ca. 50 mBq/kg für die einzelnen Uranisotope. In Ergänzung zu den ICP-MS- Bestimmungen hatten die Untersuchungen mittels Alpha-Spektrometrie die Bestimmung des Isotopenverhältnisses U 238 zu U 234 zum Ziel. In Bodenproben mit einem natürlichen Urangehalt liegen die beiden Uranisotope U 234 und U 238 mit gleicher Aktivität vor (Gleichgewichtszustand). In der Natur beobachtete Abweichungen von diesem Aktivitätsverhältnis führen praktisch ausschließlich zu einer Erhöhung der Aktivität von U 234 (sehr häufig in Wasserproben). In abgereichertem Uran, und damit in DU- Munition, dagegen ist die Aktivität von U 238 immer deutlich höher als die von U 234 (ca. Faktor 5,5 bei 0,2 Gew.-% U 235). Damit liefert eine Verschiebung des Aktivitätsverhältnisses von U 238 zu U 234 zu Werten deutlich über 1 (signifikant ab > 1,5) einen zuverlässigen Hinweis auf den Eintrag von abgereicherten Uran durch DU- Munition. Umfang des Untersuchungsprogrammes Im Rahmen der Messaktionen wurden vom LfU insgesamt folgende vor-Ort-Messungen und Laboruntersuchungen durchgeführt: – 244 Messungen zur Bestimmung der Dosisleistung und der Oberflächenkontamination an ausgewählten Sondierpunkten vor Ort – 56 In-Situ-Messungen mit einem hochauflösenden Reinstgermaniumdetektor an ausgewählten Sondierpunkten vor Ort – Probenahme von insgesamt 128 Bodenproben – Probenahme und Messung von 11 Wischtestproben in einer Wartungshalle – Aufarbeitung von 128 Bodenproben für die Messungen mittels ICP-MS, Alphaund Gamma-Spektrometrie – 128 ICP-MS-Messungen des Feinanteils (∅ < 2mm) von Bodenproben – 107 gammaspektrometrische Messungen des Grobanteils (∅ > 2mm) von Bodenproben – 49 alphaspektrometrische Messungen des Feinanteils (∅ < 2mm) von Bodenproben – 19 alphaspektrometrische Messungen von Wasserproben auf Uranisotope. Ergebnis der Untersuchungen Nur an der Brandstelle eines US-Panzers in der Nähe von Altertheim konnte in unmittelbarer Nähe des Brandortes ein gerinfügiger Eintrag des Uranisotopes Uran-238 nachgewiesen werden. Für diesen Nachweis war der Einsatz hochempfindlicher Messsysteme wie Alpha-Spektrometrie und ICP-MS erforderlich. Nur die Bestimmung des Isotopenverhältnisses von Uran-238 zu Uran-235 oder Uran-238 zu Uran-234 ermöglicht es, eine Abweichung vom natürlichen Urangehalt im Boden und damit einen Eintrag von abgereichertem Uran zu erkennen. Die folgenden Abbildungen zeigen die Alpha -Spektren von Bodenproben mit Natururan (Abb. 6) und mit Eintrag von abgereichertem Uran (Abb. 7), die die Leistungsfähigkeit dieser Analysenmethode verdeutlichen . Abb. 5: Massenspektrum einer Bodenprobe Nachweis natürlicher Radionuklide in Bodenproben mittels ICP-MS Geringfügige Kontamination durch DU- Munition ohne radiologische Bedeutung © Bayerisches Landesamt für Umweltschutz 2002 © Bayerisches Landesamt für Umweltschutz 2002 Untersuchungen von Freiflächen und Gebäuden auf eine mögliche Kontamination durch DU-Munition 5 Radiologisch gesehen ist diese geringe Erhöhung des Urangehaltes im Boden völlig unbedenklich. Die Gesamturanaktivität betrug bei dieser Bodenprobe 32 Bq/kg, und liegt damit im Bereich des durchschnittlichen Uranaktivitätsgehaltes von ca. 15 bis 74 Bq/kg für verschiedene Bodenarten in Deutschland [3]. Alle anderen Untersuchungen lieferten keine Hinweise auf einen möglicherweise erfolgten Eintrag von abgereichertem Uran in den untersuchten Bereichen. Eine Auffälligkeit gab es jedoch trotzdem noch: Bei einer Messung in Gollhofen registrierte das In-Situ-Gamma-Messsystem eine Gammastrahlung des künstlichen Radionuklides Technetium-99m. Dieses Nuklid, das vorwiegend in der Medizin zu Diagnoseund Therapiezwecken eingesetzt wird und nur eine Halbwertszeit von sechs Stunden hat, kann nicht mit dem Panzerunfall in Verbindung gebracht werden. Offensichtlich hatte eine Person vor Ort noch eine Restaktivität von Technetium-99m aus einer entsprechenden medizinischen Anwendung im Körper, die das sensible Messsystem sofort detektieren konnte. Die Vor-Ort-Untersuchungen des LfU in Gollhofen und Altertheim wurden vorab in einer Presseerklärung angekündigt. Die Messungen stießen auf ein bemerkenswertes Medieninteresse, so dass neben den Lokalsendern und der Lokalpresse auch sämtliche großen deutschen Fernsehsender mit Kameras vor Ort waren. Von Seiten des LfU wurden vor der Durchführung der Messungen Erläuterungen zu Messart, Messumfang und Messziel gegeben. Darüber hinaus wurden nach Abschluss der Untersuchun- gen in einem Statement die erzielten Ergebnisse der Vor-Ort-Messungen mitgeteilt und deren Bewertung präsentiert. Die Medienberichterstattung hierzu erfolgte äußerst objektiv und fachlich korrekt. An diesem Beispiel wird deutlich, dass es bei einer offenen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Medienvertretern durchaus möglich ist, auch komplexe Fachinformationen zur Zufriedenheit aller korrekt „rüberzubringen “. L [ [ [ Abb. 6: Bodenprobe mit Natururan Abb. 7: Bodenprobe kontaminiert mit abgereichertem Uran A Bestimmung des Isotopenverhältnisses U 238/U 234 mittels Alpha-Spektrometrie Ungewöhnliches Messergebnis bei der In-Situ-Spektrometrie iteratur 1] Ernst. A. Stadlbauer, GIT Laborzeitschrift 4/2001, S. 351-353 2] P. Roth, E. Werner, H.G. Paretzke: GSF Bericht 3/01 3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung Jahresbericht 1998 bb. 8: Gamma-Spektrum des In-Situ-Messsystems mit Technetium-99m