Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 03.05.2017 Gefahrguttransporte durch die Bayerische Polizei Bestimmte, durch die Bayerische Polizei sichergestellte Gegenstände müssen wegen einer EU-Richtlinie als Gefahrgut behandelt werden. Dazu gehören zum Beispiel Handys, Parfüm, Spraydosen oder Einmalfeuerzeuge. Transport und Verpackung dieser Gegenstände sind enorm aufwendig und bedarf einer speziellen Ausbildung. Das benötigt Zeit, die der Bayerischen Polizei an anderen Stellen fehlt. Bis 2012 gab es eine Ausnahmeregelung für die Polizei. Diese wurde allerdings gestrichen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Aus welchen Gründen wurde die Ausnahmeregelung für die Polizei im Bezug auf Gefahrguttransporte gestrichen ? 2.1 Sind in Bayern Fälle bekannt, bei denen sich Polizisten , beim Transport von Gefahrgütern verletzt haben ? 2.2 Bejahendenfalls, durch welche Gefahrgüter? 3. Welche Arbeitsschritte sind notwendig für den vorschriftsmäßigen Transport von Gefahrgütern? 4. Wie viele Gefahrguttransporte werden von der Polizei durchschnittlich im Monat durchgeführt? 5. Sind alle Polizeidienststellen Bayerns davon betroffen ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 20.06.2017 1. Aus welchen Gründen wurde die Ausnahmeregelung für die Polizei im Bezug auf Gefahrguttransporte gestrichen? Die Beförderung gefährlicher Güter wird durch verkehrsträgerbezogene internationale Übereinkommen für den grenzüberschreitenden Verkehr (ADR) geregelt. Aufgrund europäischer Richtlinien sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, deren Vorschriften auch für die innerstaatlichen und innergemeinschaftlichen Verkehre anzuwenden. Durch die Richtlinie 2008/68/EU wurden die bestehenden Richtlinien für den Straßen- und Eisenbahnverkehr zusammengefasst und die Binnenschifffahrt wurde einbezogen, nachdem das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen (ADN) ebenfalls in Kraft getreten war. Die Möglichkeiten der Staaten zum Erlass abweichender Vorschriften (insbesondere Ausnahmen) wurden in der neuen Richtlinie in den Artikeln 5 und 6 abschließend geregelt. Damit müssen aufgrund Europäischen Rechts z. B. alle Beförderungen gefährlicher Güter im Straßenverkehr nach den Regeln des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) durchgeführt werden. Aufgrund Artikel 6 der Richtlinie war es den Mitgliedstaaten nicht mehr im vormaligen Umfang gestattet, Ausnahmeregelungen zu den Gefahrgutvorschriften in Form von Allgemeinverfügungen zu erlassen. Die Umsetzung der Richtlinie 2008/68/EG in nationales Recht erfolgte mit der Änderung der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschiff (GGVSEB) bereits im Jahr 2009. Deshalb musste die gemeinsame Bekanntmachung der Staatsministerien des Innern und für Wirtschaft, Verkehr und Technologie vom 22. Februar 1995 Nrn. ID5 3635/4 und 7313 d – VII/A 4c (AllMBl Nr. 7/1995) im Jahr 2012 aufgehoben werden. Für fiskalisches Handeln bestand auch vor der Aufhebung der Allgemeinverfügung im Jahr 2012 keine Freistellung von den Gefahrgutvorschriften (z. B. Übergabe von gefährlichen Abfällen an Entsorgungsunternehmen, Materialversorgung von Werkstätten und für Liegenschaftsverwaltung, etc.). Dies gilt übrigens auch für alle anderen staatlichen Einrichtungen und Behörden. Bayern hat sich bei den Ländern, dem Bund sowie der EU für eine neue Ausnahmeregelung eingesetzt, jedoch ohne Erfolg. 2.1 Sind in Bayern Fälle bekannt, bei denen sich Polizisten beim Transport von Gefahrgütern verletzt haben? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.10.2017 17/17366 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17366 2.2 Bejahendenfalls, durch welche Gefahrgüter? Hierüber werden bei der Bayerischen Polizei keine Statistiken geführt. Es sind jedoch Fälle bekannt, in denen z. B. im Rahmen von Verkehrskontrollen Polizeibeamte durch unzureichend verpacktes oder ungesichertes Gefahrgut verletzt wurden. Es handelte sich dabei um gesundheitsschädliche Stoffe, wie zum Beispiel Kampfer (ein Arzneimittelgrundstoff in reiner Form). 3. Welche Arbeitsschritte sind notwendig für den vorschriftsmäßigen Transport von Gefahrgütern? Schritt 1: Verpackung des Gegenstands in ein zertifiziertes Behältnis, das bei jeder Dienststelle vorrätig ist. (da generell Asservate für den Versand schon aus Gründen des Arbeitsschutzes und zur Vermeidung von Beschädigungen der Asservate sicher verpackt werden müssen, stellte dies keine ausschließliche Pflicht für die Gefahrgutbeförderung dar); Schritt 2: Anbringung des zutreffenden und vorgeschriebenen Gefahrensymbols, das auch das Gefahrensymbol nach Gefahrstoffrecht (CLP-Verordnung ) ersetzt – dies dient gleichzeitig dem Arbeitsschutz; Schritt 3: Beschriftung mit den Buchstaben „UN“ und der vierstelligen, international vorgeschriebenen UN- Nummer; Schritt 4: Ausfüllen eines Begleitpapiers für den Kurierdienst , welches die erforderlichen Gefahrgutangaben enthält und für den überwiegenden Anfall von Gefahrgütern bei der Polizei standardisiert, vorgefertigt bei den Polizeidienststellen aufliegt und lediglich mit wenigen Angaben zur Versandmenge zu ergänzen ist. Für die Standardfälle sind Handlungsanweisungen mit klaren Vorgaben zu den erforderlichen Arbeitsschritten im polizeiinternen EDV-System vorhanden, die auch ein vorgefertigtes Begleitpapier enthalten. Die Sammlung an Handlungsanweisungen wird Zug um Zug für weitere Standardfälle ergänzt. Für die übrigen, sehr seltenen Fälle, stehen bei den Polizeipräsidien beschulte Gefahrgutbeauftragte und bei den jeweiligen Polizeidienststellen eingewiesene Gefahrgutverantwortliche als Berater und Ansprechpartner den Anwendern zur Seite. Der im Zusammenhang mit dem Versand von Gefahrgut zur Diskussion gestellte Zeitaufwand kann so nicht nachvollzogen werden, da auch bei anderen, nicht gefährlichen Gütern eine Erfassung im polizeilichen Vorgangsprogramm und ein transportsicherer Verpackungsprozess für Asservate erforderlich ist. Bei Gefahrgut sind nur mehr ein (in der Regel schon vorgefertigter) Gefahrgutzettel und ein nach den Vorgaben des ADR mit einer UN-Nummer beschrifteter Gefahrgutaufkleber anzubringen. Sofern sich Prozessoptimierungspotenzial zeigt, wird dies von den Gefahrgutbeauftragten zeitnah erarbeitet und umgesetzt , da auch diesen an einer wirtschaftlichen und zeitsparenden Umsetzung bestehenden Rechts gelegen ist. 4. Wie viele Gefahrguttransporte werden von der Polizei durchschnittlich im Monat durchgeführt? Hierzu kann keine Aussage getroffen werden, da bei den Dienststellen höchst unterschiedliches Asservatenaufkommen zu verzeichnen bzw. zu erwarten ist und hierüber keine Statistiken gefertigt werden. Eine Abfrage bei jeder einzelnen Dienststelle wäre mit einem erheblichen personellen und Verwaltungsaufwand verbunden. Hiervon wurde abgesehen . 5. Sind alle Polizeidienststellen Bayerns davon betroffen ? Ja, dies aber in sehr unterschiedlicher Ausprägung, je nach Tätigkeitsbereich und daraus resultierendem Gefahrgutanfall . Um es den polizeilichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu ermöglichen, den Gefahrgutversand so leicht und so schnell als möglich abzuwickeln, wurden von den Gefahrgutbeauftragten der Bayerischen Polizei Handlungsanweisungen für verschiedene Standardfälle erarbeitet. Als Muster wird auch das Beförderungspapier, das nur mit einigen wenigen Angaben durch Eintragung oder Ankreuzen ergänzt werden muss, bereitgestellt. Zusätzlich ist geplant, unter Einbeziehung von Fachleuten aus allen polizeilichen Aufgabenfeldern weitere Optimierungsmöglichkeiten auszuloten und ggf. auch in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eine praxisorientierte Umsetzung der Gefahrgutvorschriften zu ermöglichen, wobei aber die Belange des Arbeitsschutzes nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.