Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 05.05.2017 Hebammengeleitete Kreißsäle Das Klinikum Nürnberg wirbt in seiner Geburtshilfebroschüre damit, als Zusatzangebot auch eine Geburt in einem hebammengeleiteten Kreißsaal anbieten zu können. (vgl. https://www.klinikum-nuernberg.de/DE/aktuelles/Flyer_ Sammelordner/Geburtshilfe_Hebammengeleitete_Geburt. pdf). Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1.1 Worin genau unterscheiden sich hebammengeleitete Kreißsäle von Kreißsälen, die nicht hebammengeleitet sind? 1.2 Unter welchen Voraussetzungen sind hebammengeleitete Kreißsäle aus Sicht der Staatsregierung in Kliniken sinnvoll? 1.3 In welchen bayerischen Kliniken wären Voraussetzungen gegeben, um hebammengeleitete Kreißsäle einrichten zu können? 2.1 Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass es in Bayern bisher nur einen hebammengeleiteten Kreißsaal am Klinikum Nürnberg gibt, während es dagegen in Nordrhein -Westfalen relativ viele gibt (vgl. https://www.hebammenverband .de/familie/hebammen-kreisssaele/)? 2.2 Welche Erfahrungen gibt es am Nürnberger Klinikum mit hebammengeleiteten Kreißsälen – insbesondere im Hinblick auf Kosten, Auslastung, Zufriedenheit der Hebammen und Patientinnen, Zusammenarbeit mit dem Klinikpersonal? 2.3 Sind der Staatsregierung Pläne zur Einrichtung weiterer hebammengeleiteter Kreißsäle in Bayern bekannt (bitte auch darauf eingehen, wenn diese Pläne eventuell gescheitert sind oder derzeit noch entwickelt werden )? 3.1 Wie hat sich die Anzahl der außerklinischen Geburten im Vergleich zu klinischen Geburten in einer Klinik in letzten zehn Jahren entwickelt (bitte aufschlüsseln auch nach der Anzahl von Geburten in hebammengeleiteten Einrichtungen und der Anzahl von Hausgeburten )? 3.2 Welche Gründe sind nach den Erkenntnissen der Staatsregierung die Ursache für die Veränderungen? 3.3 Welche zukünftige Entwicklung erwartet die Staatsregierung bei der Zahl der außerklinischen Geburten in den nächsten zehn Jahren? 4.1 Wie viele Geburtshäuser gibt es in Bayern derzeit und wo sind sie angesiedelt? 4.2 Wie hat sich deren Anzahl in den letzten 10 Jahren verändert (bitte aufschlüsseln nach Zu- und Abgängen )? 4.3 Wie viele Geburten fanden dort in den letzten 10 Jahren statt (absolut und prozentuell im Verhältnis zu den anderen außerklinischen Geburten sowie zu Geburten in einer Klinik)? 5.1 Wie hat sich die Vergütung für Kaiserschnittgeburten in den letzten zehn Jahren verändert im Verhältnis zur vaginalen Geburt und zur Zahl der Kaiserschnitte? 5.2 Hat sich die Zahl der Kaiserschnittgeburten nach einer Änderung der Vergütung verändert? 5.3 Ist ein Zusammenhang zwischen der Zahl der Kaiserschnittgeburten und der Höhe der Vergütung zu erkennen (bitte geeignete grafische Darstellung wählen, z. B. x-Achse Zeitablauf und auf der y-Achse Zahl der Kaiserschnitte und Höhe der Vergütung)? 6.1 Wie könnte festgestellt werden, ob hebammengeleitete Kreißsäle in bayerischen Kliniken von den Gebärenden als priorisierter Geburtsort gewünscht werden, wenn es für die Gebärenden in zumutbarer Entfernung die Wahl zwischen Hausgeburt, Geburtshaus, hebammengeleitetem Kreißsaal und regulärem Kreißsaal gäbe? 6.2 Wie könnte, falls Gebärende sich mehr hebammengeleitete Kreißsäle wünschen, die Einrichtung hebammengeleiteter Kreißsäle in Bayern unterstützt werden? 6.3. Wie könnte, falls Gebärende sich mehr Geburtshäuser wünschen, die Einrichtung von Geburtshäusern in Bayern unterstützt werden? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 17.06.2017 1.1 Worin genau unterscheiden sich hebammengeleitete Kreißsäle von Kreißsälen, die nicht hebammengeleitet sind? 1.2 Unter welchen Voraussetzungen sind hebammengeleitete Kreißsäle aus Sicht der Staatsregierung in Kliniken sinnvoll? 1.3 In welchen bayerischen Kliniken wären Voraussetzungen gegeben, um hebammengeleitete Kreißsäle einrichten zu können? Für hebammengeleitete Kreißsäle gibt es keine allgemeingültige und einheitliche Definition. Bei dem der Staatsregierung bekannten, in Bayern praktizierten Modell eines hebammengeleiteten Kreißsaals handelt es sich um ein besonderes (stationäres) Versorgungs- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.10.2017 17/17441 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17441 konzept in einem eigens dafür ausgewiesenen Kreißsaal einer Klinik oder im selben Kreißsaal einer Klinik wie alle Geburten. In diesem Modell wird die Geburt eigenverantwortlich durch eine Hebamme innerhalb einer geburtshilflichen Abteilung eines Krankenhauses geleitet. Dabei handelt es sich um ein Angebot der akutstationären Versorgung. Die Abrechnung erfolgt wie jede Geburt im Krankenhaus über das Fallpauschalensystem. Zielgruppe sind gesunde Gebärende mit einer niedrigen Risikoeinstufung in der Schwangerschaft , unter der Geburt und im Wochenbett. Wenn Auffälligkeiten oder Komplikationen auftreten, veranlasst die Hebamme eine Weiterbetreuung unter ärztlicher Leitung. Ebenso wird die Geburt unter ärztlicher Leitung fortgesetzt, sofern die Gebärende dies wünscht. Selbstverständlich steht auch das im Rahmen eines Klinikums errichtete Modell des Hebammenkreißsaals stets unter fachärztlicher Gesamtverantwortung . Der Unterschied zwischen einer Geburt im hebammengeleiteten Kreißsaal in dem dargestellten Sinn und den anderen Geburten innerhalb der Klinik besteht aus rechtlicher Sicht darin, dass die Schwangere bei der Anmeldung zur hebammengeleiteten Geburt ausdrücklich auf die Leitung der Geburt durch einen Arzt verzichtet. Denn eine Schwangere , die sich zur Entbindung in ein Krankenhaus begibt, hat einen Anspruch auf den Standard einer fachärztlich geleiteten klinischen Geburtshilfe. Falls sie nicht ausdrücklich darauf verzichtet, darf sie erwarten, dass die Geburt von einem bestimmten Stadium an unter der Leitung und Verantwortung eines Arztes stattfindet (Quelle: „Empfehlungen zur Zusammenarbeit von Arzt und Hebamme in der Geburtshilfe – Aus ärztlicher Sicht“ der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V.). Zum Teil bieten die Kliniken unter dem Stichwort „Hebammengeleitete Geburt“ auf Wunsch der Schwangeren weitere Leistungen wie z. B. die Kontinuität der individuellen Betreuung an, also die Betreuung der Schwangeren durch möglichst dieselbe Hebamme in der Schwangerschaft, während und nach der Geburt sowie im frühen Wochenbett. Angestrebt wird eine 1:1-Betreuung unter der Geburt. Inwieweit das Angebot eines hebammengeleiteten Kreißsaals sinnvoll ist, können nur die Kliniken selber als eigenverantwortlich wirtschaftende Unternehmen entscheiden. Die Staatsregierung hat hier keine Einfluss- und Handlungsmöglichkeiten . Da für die hebammengeleitete Geburt nach dem derzeit praktizierten Modell nach unserer Einschätzung die im Krankenhaus ohnehin vorhandenen Kreißsäle genutzt werden können, dürften die räumlichen Voraussetzungen in der Regel gegeben sein. Inwieweit die Kliniken über geeignetes Personal verfügen, insbesondere über in persönlicher wie fachlicher Hinsicht ausreichend qualifizierte Hebammen, kann von der Staatsregierung nicht beantwortet werden. Die Förderung unterliegt denselben krankenhausrechtlichen Voraussetzungen wie alle Bauvorhaben in diesem Bereich. 2.1 Wie erklärt sich die Staatsregierung, dass es in Bayern bisher nur einen hebammengeleiteten Kreißsaal am Klinikum Nürnberg gibt, während es dagegen in Nordrhein-Westfalen relativ viele gibt (vgl. https://www.hebammenverband.de/familie/ hebammen-kreisssaele/)? Ob ein Krankenhaus einen hebammengeleiteten Kreißsaal einrichtet, ist nicht Gegenstand der Krankenhausplanung. Diese Entscheidung obliegt den Trägern in eigener Verantwortung . Staatliche Vorgaben im Hinblick auf krankenhausinterne Organisationsabläufe sind im Krankenhausrecht nicht vorgesehen. 2.2 Welche Erfahrungen gibt es am Nürnberger Klinikum mit hebammengeleiteten Kreißsälen – insbesondere im Hinblick auf Kosten, Auslastung, Zufriedenheit der Hebammen und Patientinnen, Zusammenarbeit mit dem Klinikpersonal? Das Klinikum Nürnberg hat uns dazu Folgendes mitgeteilt: Das Klinikum Nürnberg betreibt seit 2011 einen hebammengeleiteten Kreißsaal. Es handelt sich dabei um ein Angebot der akutstationären Versorgung unter ärztlicher Gesamtverantwortung (siehe auch Antwort zu Frage 1.1 bis 1.3). Die im hebammengeleiteten Kreißsaal tätigen Hebammen sind in der Klinik angestellt. Zur Durchführung einer hebammengeleiteten Geburt müssen sie bestimmte Eignungskriterien erfüllen. Welche Patientinnen für eine Entbindung im hebammengeleiteten Kreißsaal geeignet sind, bestimmt sich nach einem Kriterienkatalog, den die in der Klinik angestellten Ärzte und Hebammen gemeinsam entwickelt haben. Die Schwangere wird bei der Aufnahme zur Entbindung gemeinsam durch den diensthabenden Arzt sowie die diensthabende Hebamme untersucht, um festzustellen , ob die Voraussetzungen für eine Entbindung im hebammengeleiteten Kreißsaal nach wie vor gegeben sind. Ein Arzt wird nur in den Fällen zugezogen, in denen dies nach den gemeinsam entwickelten Kriterien erforderlich ist oder die Entbindende dies wünscht. Es erfolgt eine 1:1-Betreuung durch die diensthabende Hebamme. Nicht angeboten wird eine Betreuung durch dieselbe Hebamme vor, während und nach der Geburt. Abgerechnet wird die Geburt mit der Fallpauschale für vaginale Entbindungen ohne komplizierende Diagnose. Das Angebot des hebammengeleiteten Kreißsaals wird nach Angaben des Klinikums gut angenommen. Die Hebammen nehmen diese Aufgabe gerne wahr und die Zufriedenheit der Patientinnen ist hoch. Die Einrichtung des hebammengeleiteten Kreißsaals wird vom gesamten Team der Abteilung mitgetragen und unterstützt. 2.3 Sind der Staatsregierung Pläne zur Einrichtung weiterer hebammengeleiteter Kreißsäle in Bayern bekannt (bitte auch darauf eingehen, wenn diese Pläne eventuell gescheitert sind oder derzeit noch entwickelt werden)? Der Staatsregierung sind keine Pläne bekannt (siehe auch Antwort zu Frage 2.1). 3.1 Wie hat sich die Anzahl der außerklinischen Geburten im Vergleich zu klinischen Geburten in einer Klinik in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte aufschlüsseln auch nach der Anzahl von Geburten in hebammengeleiteten Einrichtungen und der Anzahl von Hausgeburten)? 3.2 Welche Gründe sind nach den Erkenntnissen der Staatsregierung die Ursache für die Veränderungen ? 3.3 Welche zukünftige Entwicklung erwartet die Staatsregierung bei der Zahl der außerklinischen Geburten in den nächsten zehn Jahren? Eine amtliche Statistik zur Anzahl der außerklinischen Geburten existiert nicht. In der Tabelle wurden sie über die Differenz zwischen der Gesamtzahl der Geburten und der An- Drucksache 17/17441 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 zahl der klinischen Geburten ermittelt. Die Zahlen sind den öffentlich zugänglichen Internetseiten des Bayerischen Landesamtes für Statistik (www.statistik.bayern.de/Gesamtzahl der Geburten in Bayern) sowie des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de/Anzahl der klinischen Geburten) entnommen. Bei der Berechnung ist zu beachten, dass in den so ermittelten Zahlen der außerklinischen Geburten neben den Geburten in einem Geburtshaus auch die Hausgeburten sowie gegebenenfalls auch die ungeplanten außerklinischen Geburten ohne Hebammenleistungen enthalten sind. Geburten in hebammengeleiteten Kreißsälen unterscheiden sich rechtlich und abrechnungstechnisch nicht von den sonstigen Klinikgeburten und werden daher nicht gesondert erfasst. lebend geborene Kinder insgesamt lebend geborene Kinder In Kliniken außerklinisch geborene Kinder außerklinisch geborene Kinder in % 2006 104.822 103.160 1.662 1,59 2007 106.870 105.378 1.492 1,40 2008 106.298 105.017 1.281 1,21 2009 103.710 102.158 1.552 1,50 2010 105.251 103.633 1.618 1,54 2011 103.668 102.455 1.213 1,17 2012 107.039 106.205 834 0,78 2013 109.562 107.943 1.619 1,48 2014 113.935 112.365 1.570 1,38 2015 118.228 116.905 1.323 1,12 Nach den so ermittelten Zahlen gibt es statistisch gesehen in den zehn Jahren keine Veränderungen im Sinn eines Trends dahingehend, dass die Zahl der außerklinischen Geburten stetig ab- oder zunimmt. Ihr prozentualer Anteil ist, abgesehen von vereinzelten Ausreißern in beide Richtungen , relativ konstant bei einem rechnerischen Mittelwert von 1,32 Prozent. Ob sich dies zukünftig ändern, also sich die Zahl der außerklinischen Geburten stetig in eine Richtung entwickeln wird, kann von der Staatsregierung nicht beurteilt werden. Die relativ konstanten statistisch ermittelten Zahlen der vergangenen zehn Jahre sprechen jedenfalls nicht dafür. 4.1 Wie viele Geburtshäuser gibt es in Bayern derzeit und wo sind sie angesiedelt? 4.2 Wie hat sich deren Anzahl in den letzten 10 Jahren verändert (bitte aufschlüsseln nach Zu- und Abgängen )? Bei Geburtshäusern handelt es sich um von Hebammen betriebene selbstständige und außerklinische Einrichtungen zur Betreuung von Geburten, die außerhalb der Zuständigkeit des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) liegen. Deshalb liegen dem StMGP hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. Nach Angaben des Netzwerkes der Geburtshäuser e. V. gibt es in Bayern aktuell 19 Geburtshäuser: Hebammenpraxis München, 80538 München Hebammen und Partnerinnen am Geburtshaus München, 80636 München Geburtshaus Nannhofen, 82291 Nannhofen Geburtshaus Rosenheim, 83022 Rosenheim Geburtshaus Ingolstadt, 85049 Ingolstadt Initiative Geburtshaus Freising, 85354 Freising Geburtshaus am Jakobertor, 86153 Augsburg Geburtshaus Erdenlicht, 87435 Kempten Geburtshaus Füssen, 87629 Füssen Geburtshaus das Weiße Haus, 90408 Nürnberg Geburtshaus Altdorf, 90518 Altdorf Hebammenpraxis Nürnberg Fürth, 90762 Fürth Geburtshaus Lauf a. d. Pegnitz, 91207 Lauf a. d. Pegnitz Geburtshaus Regenbogen, 91413 Neustadt a. d. Aisch Geburtshaus Ansbach, 91522 Ansbach Hebammenpraxis und Geburtshaus Drachenkinder, 93437 Furth im Wald Geburtshaus Rottal/Inn, 94424 Arnstorf Geburtshaus Bamberg, 96052 Bamberg mainGeburtshaus, 97080 Würzburg Wie sich die Anzahl der Geburtshäuser in den letzten Jahren entwickelt hat, ist der Staatsregierung nicht bekannt. 4.3 Wie viele Geburten fanden dort in den letzten 10 Jahren statt (absolut und prozentuell im Verhältnis zu den anderen außerklinischen Geburten sowie zu Geburten in einer Klinik)? Eine amtliche Statistik zur Anzahl der Geburten in Geburtshäusern existiert nicht. Die Geburten in Geburtshäusern sind statistisch gesehen in den in der Antwort zu Frage 3.1 ermittelten Zahlen enthalten. Daher wird insoweit auf die Antwort zu Frage 3.1 verwiesen. Die Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e. V. ermittelt durch Befragungen von Hebammen und Geburtshäusern die Zahl der Geburten, die außerklinisch begonnen wurden. Im Jahr 2015 sind demnach 1.451 Geburten in hebammengeleiteten Einrichtungen begonnen worden und 987 Hausgeburten. Wenn diese Zahlen zuträfen , würde das bedeuten, dass von den insgesamt 2.438 in Bayern außerklinisch begonnenen Geburten statistisch gesehen nur rund 1.323 auch außerklinisch beendet wurden, also rund 55 Prozent (Quelle: www.quag.de). 5.1 Wie hat sich die Vergütung für Kaiserschnittgeburten in den letzten zehn Jahren verändert im Verhältnis zur vaginalen Geburt und zur Zahl der Kaiserschnitte? 5.2 Hat sich die Zahl der Kaiserschnittgeburten nach einer Änderung der Vergütung verändert? 5.3 Ist ein Zusammenhang zwischen der Zahl der Kaiserschnittgeburten und der Höhe der Vergütung zu erkennen (bitte geeignete grafische Darstellung wählen, z. B. x-Achse Zeitablauf und auf der y-Achse Zahl der Kaiserschnitte und Höhe der Vergütung )? Die Vergütung im DRG-System (Fallpauschale) errechnet sich aus der sog. Bewertungsrelation (BR) der jeweiligen Fallgruppe (DRG), multipliziert mit dem Landesbasisfallwert (LBW). Die BR legen die relativen Preise der Fallgruppen im Verhältnis zueinander fest, der LBW definiert das Preisniveau und bildet die jährlichen Kostensteigerungen insgesamt ab. Der Fallgruppenkatalog weist für den Bereich „Schwangerschaft , Geburt und Wochenbett“ derzeit 25 verschiedene Fallgruppen aus. Für den Vergleich der Vergütungen im Zeitablauf wurden die beiden jeweils am häufigsten abgerechneten Fallgruppen in den Kategorien vaginale Geburt und Sectio caesarea herangezogen, mit denen insgesamt bereits knapp die Hälfte der Fälle im Bereich Geburtshilfe abgerechnet wird: Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17441 O01H Primäre Sectio caesarea ohne komplizierende Diagnose, Schwangerschaftsdauer mehr als 33 vollendete Wochen (Schwangerschaftswochen), ohne komplexe Diagnose O60D Vaginale Entbindung ohne komplizierende Diagnose, Schwangerschaftsdauer mehr als 33 vollendete Wochen Die Definitionen und Bewertungsrelationen der Fallgruppen des DRG-Systems sind den öffentlich zugänglichen Fallpauschalenkatalogen auf der Internetseite des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus – InEK entnommen ( http:// www.g-drg.de/Archiv). Statt der Anzahl der Kaiserschnitte wurde die Kaiserschnittrate angegeben, die mehr Aussagekraft besitzt, weil sie den Einfluss der sich verändernden Geburtenzahl kompensiert. Die Werte für die Kaiserschnittraten sind der öffentlich zugänglichen Fachserie 12 Reihe 6.1.1 „Grunddaten der Krankenhäuser “ des Statistischen Bundesamtes entnommen (https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/ Gesundheit/Krankenhaeuser/GrunddatenKrankenhaeuser. html). Vergleiche mit den Jahren vor 2010 haben nur eingeschränkte Aussagekraft. Wegen der bis 2009 laufenden Konvergenzphase sind Vergütungsänderungen durch den Anpassungsprozess der krankenhausindividuellen Basisfallwerte an den landesweiten Basisfallwert überlagert. Zudem haben sich die Fallgruppen für Kaiserschnittgeburten und vaginale Geburten im Laufe der Jahre inhaltlich geändert. Insbesondere die für Kaiserschnittgeburten einschlägigen Fallgruppen wurden von 2005 bis 2010 von drei auf nun acht ausdifferenziert. Fallpauschalenkatalog 2005: O01A Sectio caesarea mit mehreren komplizierenden Diagno-sen O01B Sectio caesarea mit komplizierender Diagnose O01C Sectio caesarea ohne komplizierende Diagnose Fallpauschalenkatalog 2010 O01A Sectio caesarea mit mehreren komplizierenden Diagnosen , Schwangerschaftsdauer bis 25 vollendete Wochen (SSW) oder mit intrauteriner Therapie oder komplizierender Konstellation oder Mehrlingsschwangerschaft O01B Sectio caesarea m. mehr. kompliz. Diag., Schwangerschaftsd . > 25 vollend. W. (SSW), oh. intraut. Ther., oh. kompliz. Konstell., oh. Mehrlingsschw. od. bis 33 SSW od. m. kompl. Diag., m. od. oh. kompliz. Diag. m. best. Eingriff b. Sectio od. äuß. schw. CC O01C Sectio caes. m. mehrer. kompliz. Diag., Schwangerschaftsdauer > 25 vollend. Wochen (SSW), oh. intraut. Ther., oh. kompliz. Konstell., oh. Mehrlingsschw. od. bis 33 SSW od. mit kompl. Diag., mit od. oh. kompliz. Diag. m. best. Eingriff od. äuß. schw. CC O01D Sekundäre Sectio caesarea m. mehrer. kompliz. Diagn., Schwangerschaftsdauer > 33 vollendete Wochen (SSW), oh. intraut. Ther., oh. kompliz. Konst., ohne Mehrlingsschw . od. bis 33 SSW od. m. kompl. Diag., mit od. ohne kompliz. Diag., oh. äuß. schw. CC O01E Sekundäre Sectio caesarea mit komplizierender Diagnose , Schwangerschaftsdauer mehr als 33 vollendete Wochen (SSW), ohne komplexe Diagnose O01F Primäre Sectio caesarea ohne äuß. schwere CC, mit komplizierender oder komplexer Diagnose oder Schwangerschaftsdauer bis 33 vollendete Wochen (SSW) oder sekundäre Sectio caesarea, ohne komplizierende oder komplexe Diagnose, SSW > 33 vollendete Wochen O01G Primäre Sectio caesarea mit komplizierender Diagnose, Schwangerschaftsdauer mehr als 33 vollendete Wochen (SSW), ohne komplexe Diagnose O01H Primäre Sectio caesarea ohne komplizierende Diagnose, Schwangerschaftsdauer mehr als 33 vollendete Wochen (SSW), ohne komplexe Diagnose Wegen der besseren Übersichtlichkeit ist nur die Bewertungsrelation für die Hauptabteilung ohne Beleghebamme dargestellt, die anderen fünf Alternativen (Hauptabteilung mit Beleghebamme, Belegabteilung, Belegabteilung mit Beleghebamme, Belegabteilung mit Beleganästhesist, Belegabteilung mit Beleghebamme und Beleganästhesist) sind von der Hauptpauschale abgeleitet und zeigen eine ähnliche Entwicklung im Zeitablauf. In der folgenden Tabelle und dem entsprechenden Diagramm ist die Entwicklung der Bewertungsrelationen (BR) der beiden Fallgruppen DRG O01H und DRG O60D und der darauf basierenden Fallpauschalen im Zeitverlauf sowie die Entwicklung der Kaiserschnittraten in Bayern dargestellt. Sectiorate in % DRG / Bewertungsrelationen / Fallpauschalen LBW m. A. Bund Bayern O01H Fallpauschale O60D Fallpauschale O60D/O01H 2005 2.710,50 € 27,6 28,5 1,000 2.710,50 € 0,568 1.539,56 € 56,8 % 2006 2.737,07 € 28,6 30,4 0,984 2.693,28 € 0,554 1.516,34 € 56,3 % 2007 2.787,19 € 29,3 30,8 0,958 2.670,13 € 0,525 1.463,27 € 54,8 % 2008 2.806,14 € 30,2 32,2 0,932 2.615,32 € 0,568 1.593,89 € 60,9 % 2009 2.875,43 € 31,3 33,1 0,932 2.679,90 € 0,541 1.555,61 € 58,0 % 2010 2.982,50 € 31,9 32,7 0,803 2.394,95 € 0,511 1.524,06 € 63,6 % 2011 2.982,60 € 32,2 33,3 0,790 2.356,25 € 0,502 1.497,27 € 63,5 % 2012 3.051,50 € 31,9 32,4 0,803 2.450,35 € 0,507 1.547,11 € 63,1 % 2013 3.090,00 € 31,8 32,6 0,811 2.505,99 € 0,510 1.575,90 € 62,9 % 2014 3.188,00 € 31,8 33,0 0,835 2.661,98 € 0,537 1.711,96 € 64,3 % 2015 3.255,50 € 31,1 31,8 0,823 2.679,28 € 0,540 1.757,97 € 65,6 % Landesbasisfallwert mit Ausgleichen Drucksache 17/17441 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Die Daten lassen folgende Aussagen zu: • Die BR beider Fallgruppen sind gegenüber 2005 gesunken . Seit 2007 hat sich das Verhältnis der BR zugunsten der Fallgruppe O60D verschoben. Die Fallpauschale für den Kaiserschnitt ist fast gleich geblieben (-1,2 Prozent ), die für die vaginale Geburt hat sich deutlich erhöht (+14 Prozent). • Der starke Abfall der DRG O01H im Jahr 2010 kann durch die Einführung weiterer DRGs bedingt sein, wenn die aufwendigeren Fälle in eigene Fallgruppen ausgegliedert wurden und die DRG O01H dadurch nun ein leichteres Fallspektrum beschreibt. • Ab 2010 entwickeln sich die BR beider Fallgruppen weitgehend parallel, ab 2013 verbessert sich das Verhältnis weiter zugunsten der DRG O60D. • Die Kaiserschnittrate steigt bis 2011 an, bleibt dann bis 2014 auf etwa gleichem Niveau und fällt 2015 ab. • Die Veränderungen der Kaiserschnittrate und der BR der DRG O01H korrelieren negativ mit einem Faktor von - 0,76 (Bund - 0,91). D.h. sie verhalten sich in hohem Maße gegenläufig. Mit sinkender BR steigt die Kaiserschnittrate und umgekehrt. Das gilt tendenziell auch für die Fallpauschale (- 0,57). • Die Veränderungen der Kaiserschnittrate und der BR der DRG O60D korrelieren ebenfalls negativ, jedoch weniger stark (- 0,59, Bund - 0,74). Mit der Fallpauschale besteht sogar eine schwach positive Korrelation (0,23). • Das Verhältnis der beiden DRGs korreliert positiv (0,67, Bund 0,81) mit der Kaiserschnittrate, d. h. wird die vaginale Geburt im Verhältnis zum Kaiserschnitt höher bezahlt , steigt die Kaiserschnittrate. 6.1 Wie könnte festgestellt werden, ob hebammengeleitete Kreißsäle in bayerischen Kliniken von den Gebärenden als priorisierter Geburtsort gewünscht werden, wenn es für die Gebärenden in zumutbarer Entfernung die Wahl zwischen Hausgeburt , Geburtshaus, hebammengeleitetem Kreißsaal und regulärem Kreißsaal gäbe? 6.2 Wie könnte, falls Gebärende sich mehr hebammengeleitete Kreißsäle wünschen, die Einrichtung hebammengeleiteter Kreißsäle in Bayern unterstützt werden? 6.3. Wie könnte, falls Gebärende sich mehr Geburtshäuser wünschen, die Einrichtung von Geburtshäusern in Bayern unterstützt werden? Die Fragen 6.1 bis 6.3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Nach Art. 51 Abs. 3 der Landkreisordnung haben die Landkreise und kreisfreien Städte „die erforderlichen Krankenhäuser zu errichten und zu unterhalten und die Hebammenhilfe für die Bevölkerung sicherzustellen“. Im Rahmen dieses Sicherstellungsauftrages ist auch eine Förderung der Errichtung von Geburtshäusern denkbar. Eine Förderung von Geburtshäusern aus Mitteln der Krankenhausförderung ist nicht möglich, weil diese nicht Teil der akutstationären Versorgung sind. Die Errichtung von Kreißsälen ist bei entsprechendem nachgewiesenem Investitionsbedarf grundsätzlich aus Mitteln der Krankenhausförderung förderfähig. Diese Förderung beinhaltet im Einzelfall aber keine Vorgaben zur klinikinternen Organisation. Dies liegt in der alleinigen Verantwortung des jeweiligen Klinikträgers (siehe auch Antworten zu den Fragen 1.1 bis 1.3 und 2.1). Es gibt keine spezifische Förderung von hebammengeleiteten Kreißsälen. Nach Ansicht der Staatsregierung sind bei der Wahl des Geburtsortes verschiedene Aspekte bedeutend. Dazu zählen neben dem Versorgungsangebot, also z. B. ob eine Kinderklinik angeschlossen ist, und der Erreichbarkeit der Geburtsklinik auch der Wunsch nach individueller und interventionsarmer Betreuung. Inwieweit zur Sicherstellung insbesondere der letztgenannten Voraussetzung die Einrich- Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17441 tung eines „Hebammengeleiteten Kreißsaals“ erforderlich ist oder ob dies bei guter Kooperation zwischen Klinikarzt und Hebamme entbehrlich ist, obliegt der Beurteilung des jeweiligen Klinikträgers. Hebammen sind hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen, die im gesetzlich gesteckten Rahmen einer gut organisierten Klinik ohnehin eigenverantwortlich arbeiten können, ohne dass dafür ein extra ausgewiesener Bereich geschaffen werden müsste. Die Einrichtung eines Hebammenkreißsaals ist damit nach Ansicht der Staatsregierung eine denkbare, aber nicht die einzige Variante, in einem Krankenhaus eine sichere , natürliche und selbstbestimmte Geburt in ungestörter Atmosphäre mit möglichst interventionsarmer Betreuung durch Hebammen zu ermöglichen.