Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 26.04.2017 Kontrolle wegen „Demotraining“ in Rosenheim In Rosenheim, im Stadtteil Fürstatt, fand am Sonntag, 02.04.2017, ein sogenanntes „Demotraining“ von verschiedenen linken Gruppierungen, organisiert auf einem Privatgelände , statt. Daraufhin gab es dort einen Polizeieinsatz, der u.a. auf www.rosenheim24.de für Verwunderung sorgte (https://www.rosenheim24.de/rosenheim/rosenheim-stadt/ rosenheim-ort43270/demo-training-linksautonomen-rosen heim-kritik-polizei-einsatz-8080952.html) Im Anschluss daran bekamen wohl einige Teilnehmer/-innen Meldeauflagen zugeschickt. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Was war der genaue Grund für den Polizeieinsatz? 1.2 Seit wann hatte die Polizei die Informationen über das „Demotraining“ (bitte auch die Quelle der Kenntnisse angeben)? 1.3 Wie bewertet die Staatsregierung das Demotraining? 2.1 Stand die Bayerische Polizei mit der Polizei oder sonstigen Behörden anderer Bundesländer oder mit österreichischen Behörden zu diesem Thema in Kontakt? 2.2 Wenn ja, inwiefern wurden Informationen zwischen den Behörden ausgetauscht (bitte einzeln auflisten unter Angabe der Informationen und des Zeitpunktes des Austauschs)? 2.3 Wie viele Polizist(inn)en nahmen an dem Einsatz teil? 3.1 Wie lange dauerte der Einsatz? 3.2 Wie viele Personen wurden bei dem Einsatz kontrolliert ? 3.3 Inwiefern wurden auch Personen, die nicht aktiv am Blockadetraining teilgenommen haben, kontrolliert (bitte unter Angabe der Gründe)? 4.1 Wurden auch die Räume der Örtlichkeit durchsucht? 4.2 Wann ja, warum? 5.1 Wie lief der Einsatz im Einzelnen ab? 5.2 Gab es Verletzte aufseiten der Polizei oder aufseiten der Teilnehmer/-innen des Demotrainings durch den Einsatz? 5.3 Wurden Personen auch außerhalb des Geländes, auf dem das Training stattgefunden hat, kontrolliert? 6.1 Wie vielen Personen wurden im Nachgang Meldeauflagen geschickt? 6.2 Haben alle kontrollierten Personen Meldeauflagen bekommen ? 6.3 Falls nein, nach welchen Kritieren wurden die Meldeauflagen erteilt? 7.1 Haben auch Personen, die nicht am Blockadetraining teilgenommen haben, Meldeauflagen erhalten? 7.2 Wie wurden die einzelnen Meldeauflagen jeweils begründet ? 8.1 Sollte mit der Anordnung der Meldeauflagen verhindert werden, dass die Betroffenen an den Gegendemos anlässlich des AfD-Parteitags am 22. April 2017 in Köln teilnehmen? 8.2 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung bzw. die Polizei, ob die Personen, die an dem Demotraining teilgenommen haben, auch zur Gegendemo des AfD- Parteitags am 22. April 2017 nach Köln fahren wollten ? 8.3 Woher hatte die Polizei ihre Erkenntnisse dazu? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 21.06.2017 Die Schriftliche Anfrage wird nach Einbindung des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz und des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd wie folgt beantwortet: 1.1 Was war der genaue Grund für den Polizeieinsatz? 1.2 Seit wann hatte die Polizei die Informationen über das „Demotraining“ (bitte auch die Quelle der Kenntnisse angeben)? 1.3 Wie bewertet die Staatsregierung das Demotraining ? Das Landesamt für Verfassungsschutz berichtete mit Schreiben vom 31. März 2017 an die Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Rosenheim seine Erkenntnisse bezüglich eines geplanten „Antifa Aktionstrainings“ am 2. April 2017 in Rosenheim . Den Erkenntnissen zufolge sollte zunächst am Vormittag in der „Vettern“ („Vetternwirtschaft“ in Rosenheim) begonnen werden und anschließend ein „Aktionstraining“ im Freien sowie eine Abschlussdiskussion stattfinden. Die genaue Örtlichkeit für das „Aktionstraining“ war dem Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz nicht bekannt. Nach den Erkenntnissen des Bayer. Landesamtes für Verfassungsschutz war mit ca. 30 Teilnehmern zu rechnen. Im Vorfeld des geplanten „Aktionstrainings“ wurde bekannt , dass linksmotivierte Rosenheimer Gruppierungen für die Teilnahme an Aktionen gegen den Bundesparteitag der AfD in Köln am 22. April 2017 mobilisieren (siehe Ziffer 8.2). Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.10.2017 17/17454 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17454 Aufgrund dieser Erkenntnisse war nach objektiver Betrachtung anzunehmen, dass das Aktionstraining in Rosenheim unter der Leitung oder zumindest unter Beteiligung der Gruppierungen aus Rosenheim durchgeführt wird und als Vorbereitung auf die Aktionen anlässlich des Bundesparteitags der AfD in Köln und dem bevorstehenden G20-Gipfel dienen sollte. Sogenannte „Aktionstrainings“ (Eigenbezeichnung durch die linksextremistische Szene) werden regelmäßig vor Großereignissen , wie dem kommenden G20-Gipfel in Hamburg, durchgeführt. Diese beinhalten in der Regel einen theoretischen Teil zum Verhalten bei Versammlungen (z. B. Befugnisse der Polizei, Rechtshilfetipps) sowie einen praktischen Teil. Dieser Teil ist häufig auf die Störung opponierender Versammlungen gerichtet. Dabei wird beispielsweise auch das (gewaltsame) Vorgehen gegen polizeiliche Absperrungen sowie die aktive Verhinderung von Festnahmen trainiert. Im Rahmen des „Aktionstrainings“ in Rosenheim wurde von der „Roten Hilfe“ ein Vortrag gehalten, wodurch offensichtlich wurde, dass dieses Training nicht auf ein rein friedliches Demonstrieren ausgerichtet war. Die „Rote Hilfe“ versteht sich als „linke Schutz- und Solidaritätsorganisation “, welche Straf- und Gewalttätern aus dem linksextremistischen Spektrum Unterstützung, Rechtshilfe und Beihilfe zu Prozesskosten und Geldstrafen gewährt, wenn diese „Opfer staatlicher Repression“ werden. Die „Rote Hilfe“ fordert dabei die völlige Verweigerung einer Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz sowie den Verzicht auf eine Distanzierung von begangenen Straftaten. Einlassungen vor Gericht, die über eine Erklärung hinausgehen, oder gar Entschuldigungen bei verletzten Polizeibeamten führen zu einer Kürzung oder Ablehnung der Unterstützung. In Bayern existieren „Ortsgruppen der Roten Hilfe“ in Augsburg, Nürnberg/Fürth/ Erlangen, München und Würzburg. 2.1 Stand die Bayerische Polizei mit der Polizei oder sonstigen Behörden anderer Bundesländer oder mit österreichischen Behörden zu diesem Thema in Kontakt? Ja. 2.2 Wenn ja, inwiefern wurden Informationen zwischen den Behörden ausgetauscht (bitte einzeln auflisten unter Angabe der Informationen und des Zeitpunktes des Austauschs)? Der Landespolizeidirektion Salzburg wurden am 3. April 2017 die Personalien von am „Aktionstraining“ beteiligten österreichischen Staatsangehörigen übermittelt. Am 3. Mai 2017 übermittelte die Landespolizeidirektion Salzburg den Hinweis, dass eine dieser Personen mit Wohnsitz in Salzburg der dortigen linksautonomen Szene zuzurechnen sei. 2.3 Wie viele Polizist(inn)en nahmen an dem Einsatz teil? Es waren insgesamt 55 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte beteiligt. 3.1 Wie lange dauerte der Einsatz? Der Einsatz dauerte sechs Stunden. 3.2 Wie viele Personen wurden bei dem Einsatz kontrolliert ? Es wurde im Rahmen des Einsatzes bei 28 Personen die Identität festgestellt. 3.3 Inwiefern wurden auch Personen, die nicht aktiv am Blockadetraining teilgenommen haben, kontrolliert (bitte unter Angabe der Gründe)? Es kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Personen kontrolliert wurden, die zuvor nicht am „Aktionstraining “ teilgenommen haben, da sich zu Beginn des Polizeieinsatzes Personen in unterschiedliche Richtungen entfernten. Diese wurden dann im Umfeld der „Vetternwirtschaft “ einer Identitätsfeststellung unterzogen. 4.1 Wurden auch die Räume der Örtlichkeit durchsucht ? Nein. 4.2 Wann ja, warum? Entfällt. 5.1 Wie lief der Einsatz im Einzelnen ab? Aufgrund der Mitteilung der Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz wurden am besagten Objekt Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt. Im Rahmen der Aufklärungsmaßnahmen wurde festgestellt, dass es sich nicht um ein rein defensives „Aktionstraining“ handelte, sondern dass tätliche Angriffe geübt wurden und das „Aktionstraining“ auf öffentlichem Verkehrsgrund stattfand. Aufgrund dessen erfolgten Identitätsfeststellungen bei den Personen. Nach Heranführen von Polizeikräften an das Objekt entfernte sich die Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in unterschiedliche Richtungen. Die Kontrollen der Personen erfolgten insoweit im näheren Umfeld der „Vetternwirtschaft “. Die Personen wurden aus Eigensicherungsgründen durchsucht und deren Identität festgestellt. 5.2 Gab es Verletzte aufseiten der Polizei oder aufseiten der Teilnehmer/-innen des Demotrainings durch den Einsatz? Weder aufseiten der Polizei noch aufseiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Verletzte bekannt. Für eine Teilnehmerin des „Aktionstrainings“ wurde der Rettungsdienst hinzugezogen, da sie einen Asthmaanfall erlitt. 5.3 Wurden Personen auch außerhalb des Geländes, auf dem das Training stattgefunden hat, kontrolliert ? Hierzu darf auf die Antworten zu den Fragen 3.3 und 5.1 verwiesen werden. 6.1 Wie vielen Personen wurden im Nachgang Meldeauflagen geschickt? Für 17 Personen wurden Bescheide für Meldeauflagen erlassen . 6.2 Haben alle kontrollierten Personen Meldeauflagen bekommen? Nein. 6.3 Falls nein, nach welchen Kritieren wurden die Meldeauflagen erteilt? Die Meldeauflagen wurden aufgrund einer individuellen Einzelfallentscheidung beantragt. Hierbei wurde insbesondere berücksichtigt, ob zu erwarten war, dass die jeweilige Person sich an unfriedlichen bzw. strafbaren Aktionen im Rahmen der Aktionen anlässlich des AfD-Parteitages am 22. April 2017 beteiligen wird. Ausstellende Behörde war Drucksache 17/17454 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 in sieben Fällen die Stadt Rosenheim, in sechs Fällen das Landratsamt Rosenheim, in zwei Fällen das Landratsamt Traunstein, in einem Fall das Landratsamt Berchtesgadener Land und in einem Fall die Verwaltungsgemeinschaft Wörth an der Donau. 7.1 Haben auch Personen, die nicht am Blockadetraining teilgenommen haben, Meldeauflagen erhalten ? In einem Fall konnte nicht abschließend festgestellt werden , ob die Person an dem Training teilnahm oder sich gemäß ihrer Einlassung nur zufällig an der Kontrollörtlichkeit befand. 7.2 Wie wurden die einzelnen Meldeauflagen jeweils begründet? Durch die Teilnahme der Personen an einem derartigen „Aktionstraining“ war zu befürchten, dass diese sich an unfriedlichen Aktionen, z. B. im Rahmen des Bundesparteitages der AfD in Köln, beteiligen werden. Der Charakter des hier durchgeführten „Aktionstrainings“ schien bei objektiver Betrachtung auf Eskalation im Zusammenhang mit Versammlungsgeschehen ausgerichtet zu sein. 8.1 Sollte mit der Anordnung der Meldeauflagen verhindert werden, dass die Betroffenen an den Gegendemos anlässlich des AfD-Parteitags am 22. April 2017 in Köln teilnehmen? Durch die Meldeauflagen sollte verhindert werden, dass die betroffenen Personen an gewalttätigen Aktionen im Zusammenhang mit dem AfD-Bundesparteitag in Köln am 22. April 2017 teilnehmen. Durch die gezielte Terminierung wäre den betroffenen Personen die Teilnahme an den friedlichen Protesten am 23. April 2017 möglich gewesen. 8.2 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung bzw. die Polizei, ob die Personen, die an dem Demotraining teilgenommen haben, auch zur Gegendemo des AfD-Parteitags am 22. April 2017 nach Köln fahren wollten? Die linksextremistischen Gruppierungen aus Rosenheim haben in den sozialen Netzwerken eine Teilnahme an den als gewalttätig geplanten Aktionen aktiv beworben und ihre Teilnahme angekündigt. 8.3 Woher hatte die Polizei ihre Erkenntnisse dazu? Diese Erkenntnisse wurden aus den frei zugänglichen Auftritten in sozialen Netzwerken gewonnen.