Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 06.04.2017 Anwesenheitspflicht an der Universität Regensburg II Aufbauend auf meiner Schriftlichen Anfrage Drs. 17/13387 betreffend „Anwesenheitspflicht an der Universität Regensburg “ frage ich die Staatsregierung: 1.1 Wie werden die in der Antwort auf die Frage 1.2 in der Drs. 17/13387 erwähnten Kompetenzen in den Studiengangszielen gemäß der Studien- und Prüfungsordnungen definiert und wo können diese Kompetenzdefinitionen eingesehen werden? 1.2 Welche dieser Kompetenzen können nur durch eine Anwesenheitspflicht erworben werden? 1.3 Inwiefern unterscheiden sich Definitionen dieser Kompetenzen in den verschiedenen Studiengängen? 2.1 Wie wird sichergestellt, dass der in der Antwort auf die Frage 2.2 in der Drs. 17/13387 erwähnte „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ eingehalten wird und eine Anwesenheitspflicht nur in unbedingt notwendigen Fällen erhoben wird? 2.2 Wer entscheidet, inwieweit der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit “ eingehalten wird? 2.3 Wie werden Studierende in diesen Prozess mit einbezogen ? 3.1 Inwiefern werden alle betroffenen Statusgruppen der jeweiligen Studiengänge in repräsentativem Maß in den Entscheidungsprozess zur Einführung einer Anwesenheitspflicht , in einem Studiengang, eingebunden ? 3.2 Wie wird sichergestellt, dass das Stimmgewicht der Studierenden, als die größte Statusgruppe der Betroffenen der Anwesenheitspflicht, quantitativ adäquat wiedergegeben wird und sowohl in den Entscheidungsprozess als auch in die schlussendliche Abstimmung repräsentativ (für die Größe der Statusgruppe) mit einfließt? 3.3 Wie wird sichergestellt, dass eine Anwesenheitspflicht nicht gegen den expliziten Willen der Studierenden eines Studienganges eingeführt wird? 4.1 Welche Gründe führen nach Auffassung der Universität Regensburg zu hoher bzw. niedriger Anwesenheit in Kursen? 4.2 Wie wird unter Berücksichtigung dieser Gründe versucht , studiengangsspezifisch die Anwesenheit in Kursen zu erhöhen? 4.3 Wie geht die Universität Regensburg auf Studierende ein, die in einem Studiengang eingeschrieben sind, dessen Studienprüfungsordnung eine Anwesenheitspflicht enthält, und die beispielsweise einen Pflegehintergrund in der Familie haben oder neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen und aus diesen Gründen nicht regelmäßig anwesend sein können? 5.1 Inwieweit plant die Universität Regensburg sich mit alternativen Methoden zur Förderung der Anwesenheit von Studierenden in Kursen auseinanderzusetzen? 5.2 Wie plant die Universität Regensburg die Studierenden in den Ausarbeitungsprozess zur Erarbeitung alternativer Konzepte mit einzubeziehen? 6. Welche didaktischen und pädagogischen Weiterbildungsmöglichkeiten bietet die Universität Regensburg ihren Lehrenden an? 7.1 Wie handhabt die Universität Regensburg Vorfälle, in denen Lehrende eine verpflichtende Anwesenheit von Studierenden einfordern, obwohl diese in der Studienprüfungsordnung des Studiengangs nicht enthalten bzw. verankert ist (rechtswidrig erhobene Anwesenheitspflicht )? 7.2 Welche Möglichkeiten haben Studierende der Universität Regensburg, sich bei der Universität Regensburg über rechtswidrig erhobene Anwesenheitspflichten zu beschweren, ohne Nachteile z. B. bei ihrer Benotung zu befürchten? 7.3 Hat die Universität Regensburg bereits Mittel zurückgestellt , um eventuell die durch Klagen bzgl. rechtswidrig erhobener Anwesenheitspflicht entstehenden Kosten zu decken? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 21.06.2017 1.1 Wie werden die in der Antwort auf die Frage 1.2 in der Drs. 17/13387 erwähnten Kompetenzen in den Studiengangszielen gemäß der Studien- und Prüfungsordnungen definiert und wo können diese Kompetenzdefinitionen eingesehen werden? Die zu erwerbenden Kompetenzen bzw. die Qualifikationsziele sind modulbezogen beschrieben und können in den jeweils einschlägigen Modulkatalogen der Studiengänge eingesehen werden. 1.2 Welche dieser Kompetenzen können nur durch eine Anwesenheitspflicht erworben werden? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.11.2017 17/17458 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17458 Hierzu ist zunächst auf die Antwort des Staatsministeriums vom 13.10.2016 zur Schriftlichen Anfrage der Fragestellerin, Drs. 17/13387, zu Frage 1.2 mit den dort aufgeführten Beispielen zu verweisen. Als weiteres Beispiel kann ein Seminar zur Praxis psychologischer Untersuchungsverfahren im Bachelorstudiengang Psychologie (B.Sc.) genannt werden. In dem Modul „Grundlagen der Diagnostik“ erwerben die Studierenden Fachkenntnisse über Prinzipien, Methoden und Verfahren der psychologischen Diagnostik. Nach Abschluss des Moduls verfügen die Studierenden über Grundkompetenzen sowohl in der Konstruktion von psychologischen Tests als auch zur Beurteilung und Auswahl diagnostischer Methoden im Rahmen von Forschungs- und Anwendungskontexten. Die Studierenden erwerben also besondere fachliche, methodische sowie kommunikative und diskursive Kompetenzen . In dem die Vorlesung begleitenden Seminar des betroffenen Moduls wird folglich besonderer Wert auf interaktive Gestaltung und anwendungsorientierte Übungen zu jedem Veranstaltungstermin gelegt. Eine wesentliche Bedeutung zur Erreichung des dargestellten Qualifikationsziels spielen praktische Anteile und interaktive Gruppenübungen, in denen Studierende Sitzungen selbstständig gestalten und Lernprozesse ihrer Kommilitonen initiieren und gestalten. Dieser wissenschaftliche Diskurs ist Bestandteil des Lernprozesses und sichert die Qualität von reflektierter Anwendung , Durchführung, Interpretation und kritischer Reflexion (test-)diagnostischer Verfahren, diagnostischer Methoden und empirischer Befunde. Entsprechend verhält es sich mit den Anwesenheitspflichten in Modulen bzw. Lehrveranstaltungen anderer Studiengänge . Diese sind stets konkret modulbezogen ausgestaltet. 1.3 Inwiefern unterscheiden sich Definitionen dieser Kompetenzen in den verschiedenen Studiengängen ? Wie anhand der in der Antwort zu Frage 1.2 genannten Beispiele erkennbar, kommt es immer auf die konkreten Qualifikationsziele der Module der jeweiligen Studiengänge an. Naturgemäß sind daher abstrakte Kompetenzen, auf deren Erwerb es in einem wissenschaftlichen Studiengang ankommt (z. B. fachlich-methodischer Art), immer anhand der konkreten Module oder Lehrveranstaltungen nachzuvollziehen . 2.1 Wie wird sichergestellt, dass der in der Antwort auf die Frage 2.2 in der Drs. 17/13387 erwähnte „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ eingehalten wird und eine Anwesenheitspflicht nur in unbedingt notwendigen Fällen erhoben wird? Bei der Gestaltung von Studiengängen, wozu auch die Festlegung von Anwesenheitspflichten gehört, sind die Vorgaben aus dem Bayerischen Hochschulgesetz (BayHSchG) zu beachten. Dabei lässt sich aus der im BayHSchG verankerten Freiheit des Studiums nicht in jedem Fall ein Anspruch auf ein anwesenheitspflichtfreies Studium ableiten. Studien- und Prüfungsordnungen können Anwesenheitspflichten vorsehen , wenn diese zur Erreichung des Studienziels erforderlich erschienen. Neben der Freiheit des Studiums gewährleistet das BayHSchG auch die Freiheit der Lehre, worunter auch die inhaltliche und methodische Gestaltung von Lehrveranstaltungen fällt. Wenn ein Institut bzw. die Fachverantwortlichen eine fachlich begründete didaktische Gestaltung wählen, die die Anwesenheit der Lerngruppe zwingend voraussetzt , ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Um einen angemessenen Ausgleich zwischen den beiden Freiheiten (Art. 3 Abs. 3 und Abs. 4 BayHSchG) zu erreichen, werden Anwesenheitspflichten nicht extensiv in allgemein pauschalierender Weise, sondern immer nur in besonders begründeten Fällen und in spezifischen Studiengängen eingeführt. Die Entscheidungsfindung in den für die Satzungserarbeitung zuständigen Verwaltungsorganen sowie beschließenden Gremien (v.a. Senat) der Universität Regensburg beruht insgesamt auf dieser wissenschaftsadäquaten Güter- und Interessenabwägung. 2.2 Wer entscheidet, inwieweit der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ eingehalten wird? Die Universität Regensburg als systemakkreditierte Hochschule verfügt über ein Qualitätsmanagementsystem bei der Einrichtung und Änderung von Studiengängen. Neue Studiengänge haben sich der Konzeptevaluation zu unterziehen. In diesem Verfahren prüft u. a. der vom Senat eingesetzte Ausschuss „AG Prüfungsordnungen“ ausführlich die Prüfungs - und Studienordnungen und damit zusammenhängende Fragen, wie z. B. etwaige Anwesenheitspflichten. Letztlich beschließt der Senat als maßgebendes satzungsgebendes Organ. Im Rahmen der Befassung mit den Ordnungen werden die bedeutsamen Fragen zu etwaigen Anwesenheitspflichten vom Senat mithilfe seines Ausschusses , ggf. auch unmittelbar, erörtert und geklärt. Dazu zählt, ob die Anwesenheitspflichten im Einzelfall nachvollziehbar begründet wurden und ob diese nicht unzulässigerweise flächendeckend vorgenommen werden sollen. Vgl. im Übrigen die Antwort zu Frage 2.1. 2.3 Wie werden Studierende in diesen Prozess mit einbezogen ? Studierende wirken bei der Beschlussfassung über die Prüfungs - und Studienordnungen sowohl im Fakultätsrat als auch im Senat stimmberechtigt mit (Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BayHSchG, Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayHSchG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Abweichungsverordnung Uni Regensburg – UniREGAbwV). Im Senatsausschuss „AG Prüfungsordnungen“ sind die Studierenden ebenfalls über einen stimmberechtigten Vertreter beteiligt. 3.1 Inwiefern werden alle betroffenen Statusgruppen der jeweiligen Studiengänge in repräsentativem Maß in den Entscheidungsprozess zur Einführung einer Anwesenheitspflicht, in einem Studiengang, eingebunden? Der Einbezug der Studierenden geschieht wie der aller anderen Statusgruppen auf Grundlage des BayHSchG, vgl. die Antwort zu Frage 2.3. 3.2 Wie wird sichergestellt, dass das Stimmgewicht der Studierenden, als die größte Statusgruppe der Betroffenen der Anwesenheitspflicht, quantitativ adäquat wiedergegeben wird und sowohl in den Entscheidungsprozess als auch in die schlussendliche Abstimmung repräsentativ (für die Größe der Statusgruppe) mit einfließt? Die Studierenden werden in den Entscheidungsgremien beim Verfahren zur Einführung oder Änderung einer Prü- Drucksache 17/17458 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 fungs- und Studienordnung zahlenmäßig nicht anhand der Größe ihrer (Status)Gruppe beteiligt, sondern auf Basis der maßgebenden Vorgaben des BayHSchG. 3.3. Wie wird sichergestellt, dass eine Anwesenheitspflicht nicht gegen den expliziten Willen der Studierenden eines Studienganges eingeführt wird? Das kann nicht allgemein sichergestellt werden, da Anwesenheitspflichten in Einzelfällen sachlich erforderlich sein können, vgl. die Antwort zu Frage 2.1. Die Universität Regensburg beteiligt die Studierenden jeweils gemäß den einschlägigen rechtlichen Vorgaben. 4.1 Welche Gründe führen nach Auffassung der Universität Regensburg zu hoher bzw. niedriger Anwesenheit in Kursen? 4.2 Wie wird unter Berücksichtigung dieser Gründe versucht, studiengangsspezifisch die Anwesenheit in Kursen zu erhöhen? Daten zu Fragestellungen mit unmittelbarer Relevanz für die Freiheit von Forschung und Lehre werden von der Universität Regensburg weder zentral erhoben noch werden entsprechende Vorgänge zentral gesteuert. Der Universität Regensburg ist eine Beantwortung dieser Frage daher nicht möglich. 4.3 Wie geht die Universität Regensburg auf Studierende ein, die in einem Studiengang eingeschrieben sind, dessen Studienprüfungsordnung eine Anwesenheitspflicht enthält, und die beispielsweise einen Pflegehintergrund in der Familie haben oder neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen und aus diesen Gründen nicht regelmäßig anwesend sein können? Nachdem die Anwesenheitspflicht lehrveranstaltungsbezogen ist und es dabei auf die konkreten Kompetenzen bzw. die Qualifikationsziele in dem betroffenen Modul bzw. der betroffenen Lehrveranstaltung ankommt, regelt die jeweilige Prüfungsordnung die Zulässigkeit von Fehlzeiten oder zumindest den Rahmen dafür, den der zuständige Dozent auszufüllen hat. 5.1 Inwieweit plant die Universität Regensburg sich mit alternativen Methoden zur Förderung der Anwesenheit von Studierenden in Kursen auseinanderzusetzen ? 5.2 Wie plant die Universität Regensburg die Studierenden in den Ausarbeitungsprozess zur Erarbeitung alternativer Konzepte mit einzubeziehen? Die Universität Regensburg fördert aktiv die Weiterentwicklung hochschuldidaktischer Konzepte in dem Bestreben, den Studierenden das Erreichen ihres Studienziels zu erleichtern . Soweit dafür die Anwesenheit der Studierenden in Lehrveranstaltungen erforderlich ist, bleibt die Universität Regensburg auf die Motivation und die Mitwirkung der Studierenden sowie ihre Bereitschaft angewiesen, ihr frei gewähltes Studienprogramm aktiv wahrzunehmen. 6. Welche didaktischen und pädagogischen Weiterbildungsmöglichkeiten bietet die Universität Regensburg ihren Lehrenden an? Das Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik (ZHW) der Universität Regensburg bietet umfangreiche Fortbildungen für Lehrende an. Das aktuelle Fortbildungsangebot kann auf den Internetseiten des ZHW eingesehen werden: http://www.uni-regensburg.de/zentrum-hochschulwissenschaftsdidaktik /index.html. 7.1 Wie handhabt die Universität Regensburg Vorfälle, in denen Lehrende eine verpflichtende Anwesenheit von Studierenden einfordern, obwohl diese in der Studienprüfungsordnung des Studiengangs nicht enthalten bzw. verankert ist (rechtswidrig erhobene Anwesenheitspflicht)? Sollte eine Anwesenheitspflicht in einem Einzelfall didaktisch begründet und nur (noch) nicht in der einschlägigen Prüfungsordnung festgeschrieben sein, würde dies die Anwesenheitspflicht nicht im materiellen Sinne rechtswidrig machen. Es läge vielmehr ein regelungsbedürftiger, formell jedoch noch nicht hinreichend geregelter Zustand, mithin eine Regelungslücke, vor. Die Universität Regensburg würde in einem solchen Fall das Notwendige zur Herstellung eines rechtssicheren Zustands unternehmen. 7.2 Welche Möglichkeiten haben Studierende der Universität Regensburg, sich bei der Universität Regensburg über rechtswidrig erhobene Anwesenheitspflichten zu beschweren, ohne Nachteile z. B. bei ihrer Benotung zu befürchten? Studierende können sich bei allen Fragen und Problemen rund um das Studium an die zuständigen Stellen wenden: (Fach-)Studienberatung, Zentrales Prüfungssekretariat, den zuständigen Prüfungsausschuss, ggf. das Referat für studienbezogene Rechtsangelegenheiten, evtl. auch Studiendekan . Alleine aus der Formulierung eines studienbezogenen Anliegens, ob berechtigt oder nicht, erwachsen (auch) an der Universität Regensburg für den Fragesteller selbstverständlich keine Sanktionen, wie im Übrigen sonstige „Beschwerden “ ebenfalls keine Sanktionen nach sich ziehen. 7.3 Hat die Universität Regensburg bereits Mittel zurückgestellt , um eventuell die durch Klagen bzgl. rechtswidrig erhobener Anwesenheitspflicht entstehenden Kosten zu decken? Nein.