Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Güller SPD vom 09.05.2017 Korruption und Korruptionsbekämpfung in der öffentlichen Verwaltung Das Thema Korruption in der öffentlichen Verwaltung sollte regelmäßig beobachtet werden, da die Gefahr besteht, dass Korruptionsfälle das Ansehen des öffentlichen Dienstes insgesamt beschädigen. Deshalb frage ich die Staatsregierung: 1. a) Gegen wie viele Bedienstete der mittelbaren und unmittelbaren Staatsverwaltung wurden 2015 und 2016 Ermittlungsverfahren aufgrund von Verdachtsmomenten wegen Korruption, (typischer Begleitdelikte wie Betrug oder Untreue oder wegen korruptionsnaher Dienstvergehen, jeweils aufgelistet nach Jahr) eingeleitet ? b) Welche konkreten Behörden und Abteilungen sind durch diese Ermittlungsverfahren betroffen (Fälle bitte nach betroffenen Behörden aufschlüsseln)? c) Welche Delikte wurden den Betroffenen jeweils zur Last gelegt (z. B. Betrug, Untreue, Bestechung/Bestechlichkeit , Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung)? 2. a) In wie vielen dieser Fälle sind bereits Disziplinarmaßnahmen verhängt worden? b) Mit welchem Ergebnis? 3. a) In wie vielen dieser Fälle ist ein Strafverfahren eingeleitet worden bzw. wurde ein Strafverfahren bereits abgeschlossen ? b) Wie hoch war der angenommene finanzielle Schaden in den einzelnen Fällen? 4. Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um Korruption vorzubeugen und zu bekämpfen? 5. a) Welche Behörden haben eine eigene Ansprechperson für Korruptionsprävention? b) Welches sind nach Auffassung der Staatsregierung besonders korruptionsgefährdete Arbeitsbereiche in den einzelnen Behörden? c) Auf welche aktuelle, belastbare Datengrundlage wird die Auffassung zu Antwort auf die Frage 5 b gestützt? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 16.06.2017 Die Schriftliche Anfrage wird nach Beteiligung der Staatskanzlei und der Staatsministerien zu Frage 5 a sowie hinsichtlich der Fragen 1 und 3 im Einvernehmen mit dem sachlich zuständigen Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. a) Gegen wie viele Bedienstete der mittelbaren und unmittelbaren Staatsverwaltung wurden 2015 und 2016 Ermittlungsverfahren aufgrund von Verdachtsmomenten wegen Korruption (typischer Begleitdelikte wie Betrug oder Untreue oder wegen korruptionsnaher Dienstvergehen, jeweils aufgelistet nach Jahr) eingeleitet? Die Geschäftsstatistik der Staatsanwaltschaften (StA-Statisik ) enthält keine Informationen darüber, gegen wie viele Bedienstete der mittelbaren und unmittelbaren Staatsverwaltung in den Jahren 2015 und 2016 Ermittlungsverfahren aufgrund von Verdachtsmomenten wegen Korruption eingeleitet wurden. b) Welche konkreten Behörden und Abteilungen sind durch diese Ermittlungsverfahren betroffen (Fälle bitte nach betroffenen Behörden aufschlüsseln)? Der StA-Statistik lässt sich nicht entnehmen, welche Behörden und Abteilungen von Ermittlungsverfahren betroffen waren. c) Welche Delikte wurden den Betroffenen jeweils zur Last gelegt (z. B. Betrug, Untreue, Bestechung/ Bestechlichkeit, Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung )? Die in der StA-Statistik erfassten Zahlen beziehen sich auf die gesamte Gruppe der Korruptionsdelikte nach §§ 331 bis 337 Strafgesetzbuch – StGB (Vorteilsannahme, Bestechlichkeit , Vorteilsgewährung oder Bestechung). Es kann nicht nach einzelnen Delikten innerhalb dieser Gruppe gefiltert werden. Der StA-Statistik kann daher lediglich entnommen werden , dass in den Jahren 2015 und 2016 wegen Straftaten nach den §§ 331 bis 337 StGB neu bei den bayerischen Staatsanwaltschaften eingeleitet wurden: 2015: 124 Ermittlungsverfahren 2016: 82 Ermittlungsverfahren 2. a) In wie vielen dieser Fälle sind bereits Disziplinarmaßnahmen verhängt worden? b) Mit welchem Ergebnis? Nachdem aus der StA-Statistik keine konkreten Ermittlungsverfahren abgeleitet werden können sowie wegen des damit verbundenen hohen Aufwands für eine Umfrage bei allen Stellen der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwal- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.10.2017 17/17479 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17479 tung beantwortet die Staatsregierung Frage 2 unabhängig von Frage 1. Zur Begrenzung des Aufwands beschränkt die Staatsregierung die Beantwortung der Frage 2 des Weiteren auf die von den Disziplinarbehörden verhängten behördlichen und gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen (Art. 18 Abs. 2, Art. 35 Abs. 3 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG – vom 24.12.2005 [GVBl S. 665, BayRS 2031-1-1-F], zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.07.2014 [GVBl S. 286]) aufgrund von Korruption und korruptionsnahen Delikten (z. B. Bestechlichkeit, Vorteilsannahme oder Begleitdelikte wie Betrug und Untreue). Nicht erfasst werden somit Maßnahmen der Dienstvorgesetzten oder im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung Disziplinarmaßnahmen, die nicht auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen worden sind. Hierbei ist davon auszugehen, dass im Bereich der strafrechtlich relevanten Korruption Ahndungen wegen der begrenzten Disziplinarbefugnis durch den Dienstvorgesetzten (vgl. Art. 35 Abs. 2 Satz 1 BayDG) ohnehin kaum vorkommen dürften. Nicht erfasst sind arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen Arbeitnehmer von Stellen der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung aufgrund von Korruption und korruptionsnahen Delikten. Zur Wahrung des Datenschutzes wird davon abgesehen, die Beschäftigungsbehörde des betroffenen Beamten zu benennen . Im Geschäftsbereich des Staatsministeriums des Innern , für Bau und Verkehr wurden durch das Polizeipräsidium München (als Disziplinarbehörde gem. § 28 Nr. 1 Zuständigkeitsverordnung – ZustV – vom 16.06.2015 [GVBl S. 184, BayRS 2015-1-1-V], zuletzt geändert durch Verordnung vom 07.03.2017 [GVBl S. 31]) in den Jahren 2015/2016 fünf Disziplinarverfahren durchgeführt. In vier Fällen wurden die Dienstbezüge bzw. das Ruhegehalt gekürzt. Des Weiteren wurde eine Klage auf Aberkennung des Ruhegehalts erhoben . Von der Landesanwaltschaft Bayern als weitere Disziplinarbehörde für den Geschäftsbereich des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr sowie die sonstigen Geschäftsbereiche ohne eigene Disziplinarbehörden (§ 28 Nr. 2, § 31 ZustV) sind in den Jahren 2015 und 2016 eine Disziplinarmaßnahme mit dem Ergebnis Kürzung der Bezüge sowie drei Klagen (eine Klage auf Zurückstufung, zwei Klagen auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis) erhoben worden. Im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz sind von den Generalstaatsanwaltschaften als Disziplinarbehörden (§ 29 ZustV) in den Jahren 2015/2016 keine Disziplinarverfahren in entsprechenden Verfahren verhängt worden. Im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen , für Landesentwicklung und Heimat wurde vom Landesamt für Steuern (§ 30 ZustV) in den Jahren 2015/2016 ein Disziplinarverfahren durchgeführt. Als Ergebnis wurde eine Kürzung der Dienstbezüge verhängt. 3. a) In wie vielen dieser Fälle ist ein Strafverfahren eingeleitet worden bzw. wurde ein Strafverfahren bereits abgeschlossen? Nach der bayerischen Strafverfolgungsstatistik gab es wegen Korruptionsdelikten nach den §§ 331 bis 335a StGB – 2015: 32 Abgeurteilte, davon 21 Verurteilte und – 2016: 43 Abgeurteilte, davon 22 Verurteilte. Eine Aussage dazu, ob die in der Strafverfolgungsstatistik 2015 und 2016 enthaltenen Ab- bzw. Verurteilungen Ermittlungsverfahren betreffen, die 2015 und 2016 eingeleitet wurden, ist allerdings nicht möglich. Die Verurteilungen der Strafverfolgungsstatistik können auch Ermittlungsverfahren betreffen, die vor 2015 eingeleitet wurden. Die Strafverfolgungsstatistik enthält auch keine Angaben darüber, ob die wegen Korruptionsdelikten rechtskräftig verurteilten bzw. abgeurteilten Personen Bedienstete der mittelbaren oder unmittelbaren Staatsverwaltung sind. b) Wie hoch war der angenommene finanzielle Schaden in den einzelnen Fällen? Hierzu kann keine Aussage getroffen werden. 4. Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um Korruption vorzubeugen und zu bekämpfen? Die Staatsregierung hat ein Konzept zur Verhinderung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung beschlossen. Im Mittelpunkt steht die Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung (Korruptionsbekämpfungsrichtlinie – KorruR) vom 13.04.2004 (AllMBl S. 243). Diese ist am 01.05.2004 in Kraft getreten und gilt für alle Behörden und Gerichte des Freistaats Bayern. Den Kommunen ist sie zur Anwendung empfohlen worden. Für die sonstigen Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung entfalten sie ebenfalls keine unmittelbare, verpflichtende Wirkung. Die KorruR gibt im Einzelnen Empfehlungen, wie und mit welchen Instrumenten Behörden gegen Korruption vorgehen und welche Präventionsmaßnahmen ergriffen werden können. Auf der Internetseite http://www.innenministerium.bayern. de/min/korruptionspraevention/index.php sind die KorruR und weitere ergänzende Veröffentlichungen und Handlungshilfen zur Korruptionsprävention verfügbar. 5. a) Welche Behörden haben eine eigene Ansprechperson für Korruptionsprävention? Die Beantwortung beschränkt sich auf die Behörden und Dienststellen des Freistaates Bayern (unmittelbare Staatsverwaltung ). Zur Begrenzung des Aufwandes wurde davon abgesehen, eine Umfrage bei allen Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung vorzusehen; im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts können sie aufgrund ihrer Organisationshoheit eigenverantwortlich entscheiden, ob eine Ansprechstelle für Korruptionsprävention bzw. alternative weisungsfreie Anlaufstellen eingerichtet werden. Gemäß Nr. 3.5 KorruR können die Behörden und sonstigen Dienststellen des Freistaates Bayern einen Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge bestellen, wenn dies zweckmäßig ist. Ein Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge kann auch für mehrere Dienststellen zuständig sein. Im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung ist bis auf neun Behörden für alle Dienststellen ein Ansprechpartner für Korruptionsprävention bestellt. In den Einzelfällen, in denen kein eigener Ansprechpartner benannt wurde, wird diese Aufgabe von der jeweiligen Behördenleitung im Rahmen ihrer allgemeinen Leitungstätigkeit wahrgenommen. Das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst meldete für das Ministerium einen Ansprechpartner für Korruptionsprävention. Eine Abfrage im nachgeordneten Bereich war innerhalb der Frist nicht möglich . Drucksache 17/17479 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 b) Welches sind nach Auffassung der Staatsregierung besonders korruptionsgefährdete Arbeitsbereiche in den einzelnen Behörden? Nach Nr. 1.2 Satz 2 KorruR liegt eine „besondere Korruptionsgefährdung “ vor, wenn der mögliche Vorteil oder die mögliche Belastung für einen Dritten von besonderer Bedeutung und der Dienstposten mit einer der folgenden Tätigkeiten verbunden ist: • häufige Außenkontakte zu einem bestimmten Personenkreis , der von der Entscheidung des Beschäftigten Voroder Nachteile zu erwarten hat, • Vorbereitung und Entscheidung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und von Fördermitteln / Subventionen in größerem Umfang, • Erteilung von Genehmigungen, Erlaubnissen und Bewilligungen , • Festsetzung und Erhebung von Gebühren und Abgaben, die Dritte in größerem Umfang belasten, • Bearbeitung von Vorgängen mit behördeninternen Informationen , die für Dritte nicht bestimmt, für diese jedoch von besonderer Bedeutung sind. c) Auf welche aktuelle, belastbare Datengrundlage wird die Auffassung zu Antwort auf die Frage 5 b gestützt? Die besonders korruptionsgefährdeten Bereiche sind in der KorruR bewusst nicht abschließend beschrieben und breit angelegt. Die Staatsregierung hat sich hierbei u. a. auf allgemeine Erkenntnisse der Wissenschaft, der polizeilichen, staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Tätigkeit sowie Erfahrungen aus der Verwaltungspraxis gestützt. Die Beurteilung, ob und ggf. in welchem Grad ein Arbeitsplatz korruptionsgefährdet ist, erfolgt im Einzelfall durch eine behördliche Gefährdungsanalyse, die in der Regel durch Angehörige der Innenrevision vorgenommen wird (vgl. Nr. 3.4 KorruR). Die Einschätzung beruht unabhängig vom Stelleninhaber auf objektiven, aufgabenbezogenen Merkmalen. Sie soll überprüft werden, wenn sich Veränderungen am Arbeitsplatz ergeben. Somit ist gewährleistet, dass neue, einzelfallbezogene Erkenntnisse in die konkrete Einstufung von besonders korruptionsgefährdeten Arbeitsbereichen einfließen. Die Staatsregierung hat keine aktuellen Anhaltspunkte, die eine generelle Anpassung der Definition besonders korruptionsgefährdeter Arbeitsbereiche in der KorruR notwendig machen würde.