Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22.05.2017 Passauer Flüchtling in Kabul verschollen – Sorge um Schicksal des abgeschobenen Geflüchteten Herrn Shams Die PNP berichtete: Der afghanische Flüchtling S. fand in Passau, wo er gut sechs Jahre lebte, viele Freunde und liebgewonnene Wegbegleiter. Ende Januar aber war der traumatisierte und psychisch schwer angeschlagene 24-Jährige unvermittelt als afghanischer Asylbewerber aus einer Passauer Einrichtung abgeholt und am selben Tag noch in seine kriegs- und terrorgeplagte Heimatstadt Kabul abgeschoben worden. Leider ist nun vor einem Monat der Kontakt zu ihm ganz plötzlich abgerissen, nachdem er zuvor von seiner neuerlichen Orientierungslosigkeit und seinen starken Schmerzen berichtet hatte. [....] In seiner einstigen Heimat schlug sich der 24-Jährige, der auf Medikamente angewiesen ist, anfangs so gut es ging durch. Am 18. April jedoch hatte der Afghane noch ein Foto nach Passau geschickt, das ihn im schlechten Zustand auf einem Gehweg mit einer Plastiktüte in der Hand zeigte. Ein erschütternder Anblick mit einem fast noch mehr erschütternden Begleittext: „Hallo Herr Peter, zur der Zeit ich bin in der Straße, weil ich habe mein Rat verloren , jeden Tag von diese Straße sitzen und andere Straße sitzen, und jeden Tag ich habe mein Rat mein Leben ich verloren, ich hab zu viele Kopfschmerzen und ich weiß es nicht wo bin ich und wo gehe ich...“ Für den Adressaten sind diese Infos besorgniserregend. „Die Zeilen wiesen schon darauf hin, dass er mehr und mehr die Orientierung verlor – ähnlich wie vor einem Klinikaufenthalt im vergangenen Herbst. Seit dem 19. April gibt es keinen Kontakt mehr. Das Handy ist abgeschaltet. ...“ Ich frage die Staatsregierung: 1. Was ist der Staatsregierung über die derzeitige Situation des abgeschobenen Flüchtlings S. bekannt? 2. Was war der Staatsregierung vor der Abschiebung über die psychische Erkrankung und Traumatisierung dieses Flüchtlings bekannt? 3. Für welchen Zeitraum standen dem abgeschobenen Flüchtling die benötigten Medikamente zur Verfügung? 4. Hält es die Staatsregierung weiter für verantwortbar, schwer traumatisierte, auf Medikamente oder Therapie angewiesene Flüchtlinge abzuschieben? 5. War der Staatsregierung vor der Abschiebung bekannt, dass der Flüchtling S. in Afghanistan nicht über familiäre Netze, die ihn auffangen können, verfügt? 6. Wie bewertet die Staatsregierung die Informationen des UNHCR, welches die Situation in Afghanistan so beschreibt , dass ein Überleben allenfalls mithilfe starker Familiennetze möglich ist? 7. Hält es die Staatsregierung für verantwortbar, Menschen, die über keinerlei aufnahmefähige Familiennetze in Afghanistan verfügen, dorthin abzuschieben? 8. Wie viele Anschläge gab es nach Wissen der Staatsregierung seit der Abschiebung von S. in Afghanistan und wie viele Todesopfer und wie viele Verletzte waren hierbei zu beklagen? Wie viele davon fanden in Kabul statt? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 26.06.2017 Vorbemerkung: Die Anfrage nimmt Bezug auf die am 23.01.2017 durchgeführte Sammelrückführung nach Afghanistan, in der 18 Personen in bayerischer Zuständigkeit zurückgeführt wurden. Mit der Übergabe der afghanischen Staatsangehörigen an die für die Begleitung der Sammelflüge zuständige Bundespolizei endete die Zuständigkeit der bayerischen Behörden. Mit der in den Fragestellungen verwendeten Bezeichnung „Flüchtling“ ist im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Anfrage wohl „ausreisepflichtiger afghanischer Staatsangehöriger “ gemeint. Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkannt wurde, ist gemäß § 25 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenth G) eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Flüchtlinge in vorgenanntem Sinn sind daher nicht ausreisepflichtig und werden nicht abgeschoben. 1. Was ist der Staatsregierung über die derzeitige Situation des abgeschobenen Flüchtlings S. bekannt? Der Staatsregierung liegen keine Informationen über die derzeitige Situation des abgeschobenen Herrn S. vor. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.10.2017 17/17481 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17481 2. Was war der Staatsregierung vor der Abschiebung über die psychische Erkrankung und Traumatisierung dieses Flüchtlings bekannt? Personenbezogene Daten zu Herrn S. wurden insoweit erhoben , als dies zum Vollzug der einschlägigen Gesetze, insbesondere des Aufenthalts- und Asylgesetzes erforderlich ist und war. Eine Aufschlüsselung dieser personenbezogenen, medizinischen Daten ist nicht zulässig, da die persönlichen Interessen der betreffenden Person am Schutz ihrer Daten in der Abwägung gegenüber dem öffentlichen Interesse an ihrer Bekanntgabe überwiegen. 3. Für welchen Zeitraum standen dem abgeschobenen Flüchtling die benötigten Medikamente zur Verfügung ? Herr S. führte die für seine medizinische Behandlung notwendigen Medikamente als auch den dazugehörigen Einnahmeplan bei sich. Informationen über den Zeitraum der zur Verfügung stehenden Medikamente liegen nicht vor. 4. Hält es die Staatsregierung weiter für verantwortbar, schwer traumatisierte, auf Medikamente oder Therapie angewiesene Flüchtlinge abzuschieben? Die Prüfung von Abschiebungshindernissen wegen vorgetragener mangelnder oder qualitativ minderer ärztlicher Versorgung im Heimatland fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellt in seiner Entscheidung über die Schutzgewährung ausdrücklich fest, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (§ 31 Abs. 3 Satz 1 des Asylgesetzes AsylG). An diese Entscheidung sind die bayerischen Ausländerbehörden gebunden (§ 42 Satz 1 AsylG). Des Weiteren prüfen die Ausländerbehörden in jedem Stadium des ausländerbehördlichen Vollzugs von Amts wegen unter Zugrundelegung der bekannten ausländerrechtlichen Unterlagen sowie der fristgerecht vorgelegten qualifizierten ärztlichen Bescheinigungen, ob die Abschiebung der Person durchgeführt werden kann und ob sie tatsächlich auch reisefähig ist. 5. War der Staatsregierung vor der Abschiebung bekannt , dass der Flüchtling S. in Afghanistan nicht über familiäre Netze, die ihn auffangen können, verfügt ? Der zuständigen Behörde lagen Angaben vor, wonach Herr . über ein familiäres Netz in Afghanistan verfügt. 6. Wie bewertet die Staatsregierung die Informationen des UNHCR (Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen ), welches die Situation in Afghanistan so beschreibt , dass ein Überleben allenfalls mithilfe starker Familiennetze möglich ist? Die Entscheidung über die Asylgewährung sowie die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen liegt nicht bei bayerischen Behörden, sondern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. An diese Entscheidung sind die bayerischen Ausländerbehörden gebunden (§ 42 Satz 1 AsylG). Im Übrigen wird auf die Zuständigkeit des Bundes für die auswärtigen Angelegenheiten verwiesen . 7. Hält es die Staatsregierung für verantwortbar, Menschen , die über keinerlei aufnahmefähige Familiennetze in Afghanistan verfügen, dorthin abzuschieben ? Auf die Antwort zu Frage Nr. 6 wird verwiesen. 8. Wie viele Anschläge gab es nach Wissen der Staatsregierung seit der Abschiebung von S. in Afghanistan und wie viele Todesopfer und wie viele Verletzte waren hierbei zu beklagen? Wie viele davon fanden in Kabul statt? Hierzu liegen keine statistischen Daten vor. Im Übrigen wird auf die Zuständigkeit des Bundes für die auswärtigen Angelegenheiten verwiesen.