Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 19.03.2014 Alleenschutz I Alleen und einseitige Baumreihen sind prägende Bestandteile unserer Landschaft. Sie sind allerdings nicht nur Teil unserer Kulturlandschaft, sondern auch wertvoller Lebensraum für Tiere und filtern zudem Staub und Abgase. Der Fortbestand der Alleen ist in Bayern jedoch erheblich bedroht . Die Richtlinie für passiven Schutz an Straßen (RPS 2009) regelt nicht nur den Einsatz von Schutzeinrichtungen bzw. Leitplanken an Straßen, sondern empfiehlt auch, vor dem Aufstellen von Fahrzeug-Rückhaltesystemen das Entfernen von Hindernissen zu prüfen. Als Hindernisse gelten u. a. Bäume. Das Verkehrssicherheitsprogramm 2020 „Bayern mobil – sicher ans Ziel“ sieht die Beseitigung von Hindernissen im Seitenraum oder die Absicherung durch Schutzeinrichtungen zur Herstellung eines fehlerverzeihenden Seitenraums an Landstraßen vor. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. a) Wie viele Kilometer Alleen und einseitige Baumreihen an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen existieren nach aktuellem Kenntnisstand der Staatsregierung, aufgeschlüsselt nach Landkreisen? b) Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über den Zustand der Alleen und einseitigen Baumreihen an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen vor, und wie bewertet sie diese? c) Welche Zahlen liegen der Staatsregierung über Verkehrsunfallschäden entlang von Alleen oder Straßenbäumen vor (Angaben getrennt nach Ursachen auf Fahrerseite wie überhöhte Geschwindigkeit, Alkohol- oder Drogeneinfluss, Unaufmerksamkeit, Übermüdung etc. und aufgrund z. B. Windwurfs bzw. Windbruchs )? 2. a) Welche Erfahrungen konnte die Staatsregierung in den vergangenen Jahren mit den Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB) sammeln, die durch das Allgemeine Rundschreiben vom 18. September 2006 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Kraft traten? b) Ergibt sich aus Sicht der Staatsregierung Überarbeitungsbedarf an der ESAB? c) In welchem Konkurrenzverhältnis stehen RPS und ESAB? 3. a) An welchen Straßen im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung wurden seit Ein- führung der Richtlinie für passiven Schutz an Straßen (RPS 2009) Bäume bzw. Alleen als Hindernisse im Seitenraum beseitigt? b) Aus welchen Gründen konnten die Bäume bzw. Alleen nicht durch Schutzeinrichtungen bzw. Leitplanken abgesichert werden? c) An welchen Straßen im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung wurden seit Einführung der Richtlinie für passiven Schutz an Straßen (RPS 2009) Bäume bzw. Alleen durch Schutzeinrichtungen bzw. Leitplanken abgesichert? 4. a) An welchen Straßen im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung stehen Bäume bzw. Alleen als Hindernisse im Seitenraum zur Beseitigung an? b) An welchen Straßen im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung sollen Bäume bzw. Alleen durch Schutzeinrichtungen bzw. Leitplanken abgesichert werden? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 23.04.2014 1. a) Wie viele Kilometer Alleen und einseitige Baumreihen an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen existieren nach aktuellem Kenntnisstand der Staatsregierung , aufgeschlüsselt nach Landkreisen? Der Freistaat Bayern führt keine systematischen Erhebungen über den Bestand der Alleen und einseitigen Baumreihen durch. Nach stichprobenhaften Erhebungen aus dem Jahr 1997 bestehen an Bundesfernstraßen in Bayern auf 115 km Alleen und auf 240 km einseitige Baumreihen. Konkrete aktuelle Zahlen bezüglich der Kilometer Alleen und einseitiger Baumreihen, aufgeschlüsselt nach Landkreisen, liegen nicht vor. Von der Ermittlung wurde abgesehen, da der hohe Rechercheaufwand im Rahmen der Beantwortungsfrist nicht zu bewältigen gewesen wäre. b) Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über den Zustand der Alleen und einseitigen Baumreihen an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen vor, und wie bewertet sie diese? Im Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr werden im Rahmen der Straßenbaulast und zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht Bäume an Bundesfernstraßen, Staatsstraßen und Kreisstraßen in der Zuständigkeit der Bayerischen Straßenbauverwaltung auf Gefahren für den Verkehrsteilneh- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.06.2014 17/1749 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1749 mer kontrolliert. In diesem Rahmen wird auch für die sachgemäße Pflege und Erhaltung der Alleen und einseitigen Baumreihen gesorgt. Auswertungen über den Zustand der Alleen und einseitigen Baumreihen liegen nicht vor. Für die Bundesfernstraßen, Staatsstraßen und Kreisstraßen in der Zuständigkeit der Bayerischen Straßenbauverwaltung befindet sich eine Fachdatenbank Bäume im Aufbau. c) Welche Zahlen liegen der Staatsregierung über Verkehrsunfallschäden entlang von Alleen oder Straßenbäumen vor (Angaben getrennt nach Ursachen auf Fahrerseite wie überhöhte Geschwindigkeit , Alkohol- oder Drogeneinfluss, Unaufmerksamkeit , Übermüdung etc. und aufgrund z. B. Windwurfs bzw. Windbruchs)? Durch umfangreiche Maßnahmen insbesondere an den Seitenräumen der in der Zuständigkeit der Bayerischen Straßenbauverwaltung stehenden Außerortsstraßen (ohne Autobahnen) konnte die Zahl der tödlich verunglückten Verkehrssteilnehmer 2013 um über 2 % gesenkt werden. Dennoch ereigneten sich auf den bayerischen Außerortsstraßen im letzten Jahr insgesamt 556 Unfälle mit Getöteten oder Schwerverletzten nach Anprall an Bäumen. Dabei wurden 92 Personen getötet und 562 Personen schwer verletzt. 21 getötete und 109 schwer verletzte Personen waren Mitfahrer im Fahrzeug des Unfallverursachers. 53 % der Baumunfälle endeten an einem Einzelbaum und in 9 % der Unfälle wurde ein Baum in einer Baumreihe bzw. Allee getroffen. Die übrigen Baumunfälle ereigneten sich im Waldbereich. Weitere 10 Personen verunglückten innerorts tödlich, weitere 100 Personen wurden innerorts durch Unfälle an Bäumen schwer verletzt. Die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen war an den Baum unfällen mit 38 % überproportional beteiligt. Die Unfallursachen der Außerortsunfälle waren vielfältig: • Rund 26 % der Unfälle resultierten aus Fahrfehlern der Fahrzeuglenker, deren Ursache sehr unterschiedlich sein kann (zum Beispiel durch Ablenkung durch weitere Insassen im Fahrzeug). • Nicht angepasste Geschwindigkeit war nach Angabe der Polizei bei 44 % unfallursächlich. • Bei 14 % der Unfälle hat die Polizei den Konsum von Alkohol bzw. Drogen als Unfallursache angegeben. • Die übrigen Baumunfälle resultieren aus Übermüdung (4 %), technischen Mängeln am Fahrzeug (3 %) und anderen Fehlern der Verkehrsteilnehmer. Die überwiegende Anzahl der beteiligten Fahrzeuge (91 %) waren Pkw. Bei winterglatter Fahrbahn geschahen 16 % und bei Nässe 32 % der Baumunfälle. Bei 39 % der Baumunfälle waren die Verkehrsteilnehmer bei Dunkelheit oder Dämmerung unterwegs. Eine zentrale Statistik zu Verkehrsunfällen aufgrund von Windwurf bzw. Windbruch wird nicht geführt. 2. a) Welche Erfahrungen konnte die Staatsregierung in den vergangenen Jahren mit den Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB) sammeln, die durch das Allgemeine Rundschreiben vom 18. September 2006 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Kraft traten? Bei der Einführung der Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS 2009) für Bundesfernstraßen, Staatsstraßen und Kreisstraßen in der Zuständigkeit der Bayerischen Straßenbauverwaltung am 5. Januar 2011 wurde u. a. auf die „Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB)“ verwiesen. Die Empfehlungen stehen damit in engem Zusammenhang mit der RPS und bauen auf einer Abwägung zwischen den Belangen der Verkehrssicherheit und den Belangen des Alleen schutzes auf. Sie dienen der Vermeidung von Unfällen und der Verringerung von Unfallfolgen. Mit den ESAB wurden bisher im Hinblick auf den Schutz von Alleen und einseitigen Baumreihen gute Erfahrungen gesammelt. Aus der Definition der ESAB zum Auffinden unfallauffälliger Bereiche wurde ein automatisiertes Verfahren zum Erkennen von Baumunfallhäufungen entwickelt. Alle 5 Jahre erstellt die Zentralstelle für Verkehrssicherheit der Straßenbauverwaltung für außerörtliche Bundes-, Staats- und Kreisstraßen eine Sonderkarte mit Baumunfallhäufungen und stellt diese Karte den Unfallkommissionen zur Verfügung . Die wesentlichen Inhalte der ESAB wurden den Mitgliedern der Unfallkommissionen bei Schulungen vermittelt. b) Ergibt sich aus Sicht der Staatsregierung Überarbeitungsbedarf an der ESAB? Zur Sicherstellung eines gleichbleibenden Sicherheitsniveaus über die gesamte Lebensdauer eines Baumes ergibt sich für Regelungen der ESAB zu den Pflanzungen an bestehenden Straßen ein Anpassungsbedarf an die Regelungen zur Neupflanzung, die durch das Allgemeine Rundschreiben vom 20. Dezember 2010 des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Ziffer II getroffen wurden. Demnach werden neu gepflanzte Bäume im Laufe ihres Wachstums zu Anprallhindernissen und sollten – sofern sie sich innerhalb der definierten kritischen Abstände nach RPS befinden – bereits bei ihrer Anpflanzung gesichert werden. An Autobahnen und autobahnähnlich ausgebauten Straßen ist auf Baumpflanzungen innerhalb der kritischen Abstände zu verzichten. c) In welchem Konkurrenzverhältnis stehen RPS und ESAB? Die RPS und die ESAB sind beide Veröffentlichungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen und somit weitestgehend aufeinander abgestimmt. Die RPS haben nicht wie die ESAB ausschließlich den Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume, sondern z. B. auch den Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf andere Hindernisse (z. B. Brückenwiderlager, Maste) und den Schutz vor gefährlichen Abstürzen zum Inhalt. Die Staatsregierung ist der Auffassung, dass die ESAB und die RPS einen geeigneten Kompromiss zwischen dem Alleenschutz und dem Interesse der Verkehrssicherheit darstellen . 3. a) An welchen Straßen im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung wurden seit Einführung der Richtlinie für passiven Schutz an Straßen (RPS 2009) Bäume bzw. Alleen als Hindernisse im Seitenraum beseitigt? Schon vor Inkrafttreten der RPS 2009 wurde in Bereichen von Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen mit einer Häufung von Baumunfällen eine Vielzahl von Maßnahmen Drucksache 17/1749 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 zur Verbesserung der Sicherheit des Straßenseitenraums durchgeführt. Seit dem 01.01.2010 wurden an 234 unfallauffälligen Straßenbereichen (Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen ) mit einer Länge von insgesamt 46 km straßennahe Bäume (Einzelbäume, Waldbäume, Alleebäume) entfernt. Über die Gesamtzahl der entfernten Bäume liegt keine zentrale Statistik vor. b) Aus welchen Gründen konnten die Bäume bzw. Alleen nicht durch Schutzeinrichtungen bzw. Leitplanken abgesichert werden? Im Bereich von Unfallhäufungen prüfen die Unfallkommissionen im Einzelfall vor Ort, ob Schutzplanken zur Absicherung naher Bäume technisch möglich sind oder als Ultima ratio Bäume entfernt werden müssen. Muss bei Anwendung der RPS 2009, wenn z. B. wegen zu geringen Abstandes vom Fahrbahnrand andere geeignete Abhilfemaßnahmen ausscheiden, die Beseitigung straßennaher Bäume vorgesehen werden, wird die Untere Naturschutzbehörde beteiligt . c) An welchen Straßen im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung wurden seit Einführung der Richtlinie für passiven Schutz an Straßen (RPS 2009) Bäume bzw. Alleen durch Schutzeinrichtungen bzw. Leitplanken abgesichert ? Seit dem 01.01.2010 wurden an 230 unfallauffälligen Straßenbereichen im Bereich von Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen Stahlschutzplanken mit einer Länge von insgesamt 83 km und Gesamtkosten von 3,6 Mio. € errichtet. 4. a) An welchen Straßen im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung stehen Bäume bzw. Alleen als Hindernisse im Seitenraum zur Beseitigung an? Bis Ende 2015 sollen auf einer Streckenlänge von 9 km im Bereich von Unfallhäufungen an Bundes- und Staatsstraßen weitere Bäume entfernt werden (Kosten: 0,1 Mio. €), sofern nicht naturschutzrechtliche oder andere Belange entgegenstehen . b) An welchen Straßen im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung sollen Bäume bzw. Alleen durch Schutzeinrichtungen bzw. Leitplanken abgesichert werden? Bis Ende 2015 sollen auf 21 km Länge weitere Stahlschutzplanken im Bereich von Unfallhäufungen an Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen mit Kosten von 1,8 Mio. € errichtet werden.