Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Annette Karl SPD vom 19.03.2014 Schleierfahndung im grenznahen Raum zur Tschechischen Republik Am 10. März 2014 stellte das Bayerische Innenministerium die Kriminalstatistik für 2013 vor. Im Bereich „Grenznaher Raum zur Tschechischen Republik“ wurden dabei von 2004 bis heute 6.475 Straftaten weniger registriert. Innenminister Herrmann betonte hierbei, dass man im Grenzbereich u. a. verstärkt auf das Instrument der Schleierfahndung setze. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Wie veränderte sich die Anzahl der Einsätze der Schleierfahndungen von 2004 bis 2013 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? 2. Wie veränderte sich im gleichen Zeitraum die Personalstärke , die in diesem Bereich für die Schleierfahndung eingesetzt wurde? 3. Bei wie vielen Delikten, die im Zuge der Schleierfahndung im oben genannten Zeitraum aufgeklärt wurden, handelte es sich um Drogendelikte? 4. Wie viel Prozent ihrer Arbeitszeit verbrachten die Mitarbeiter der Schleierfahndung zur Ausführung anderer Aufgaben, die nichts mit dem Arbeitsbereich Schleierfahndung zu tun haben, zum Beispiel für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Dienststelle zu sorgen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 30.04.2014 Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage thematisiert die polizeilichen Maßnahmen bzw. die Personalstärke der Schleierfahndung im Zeitraum 2004 bis 2013. Bei Betrachtung der Angaben zur Schleierfahndung für den angefragten Zeitraum sind nachfolgende Rahmenbedingungen zu berücksichtigen: Die verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen, die sogenannte „Schleierfahndung“, wurden in Bayern zum 1. Januar 1995 eingeführt. Rechtsgrundlage ist Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (PAG). Die Bayerische Polizei kontrolliert seitdem in einem 30 Kilometer breiten Gebiet in Bayern entlang den Außengrenzen sowie im ganzen Land auf Durchgangsstraßen und in Einrichtungen des internationalen Verkehrs wie Bahnhöfen und Flughäfen. Die Bayerische Grenzpolizei wurde mit dem Wegfall der systematischen Grenzkontrollen zu Österreich 1998 als eigenständiger Verband aufgelöst und in die Landespolizei integriert. Die Dienststellenstruktur entlang der bayerischtschechischen Grenze blieb zunächst noch bestehen. Bis zum Wegfall der Grenzkontrollen zur Tschechischen Republik zum 21. Dezember 2007 gab es an der bayerischtschechischen Grenze, die eine Länge von 356 km umfasst, sechs Grenzpolizeiinspektionen (GPI) und 26 Grenzpolizeistationen (GPS). Die Bayerische Grenzpolizei war bis Ende 2007 für die Kontrollen an den Grenzübergängen und in den Grenzgemeinden überdies im sogenannten „Übertragungsbereich“ auch für die allgemeinpolizeilichen Aufgaben zuständig. Die sog. „Grüne Grenze“ wurde vom damaligen Bundesgrenzschutz (jetzt Bundespolizei) überwacht. Im rückwärtigen Grenzraum (30-km-Gebiet bzw. in den Grenzlandkreisen) hat die Bayerische Grenzpolizei im Rahmen ihrer allgemeinpolizeilichen Aufgabenstellung auch Maßnahmen der Schleierfahndung durchgeführt. Spezielle Fahndungseinheiten waren hierfür nicht ausgewiesen. Daneben werden Maßnahmen der Schleierfahndung von den im Jahr 2000 bei den Verkehrspolizeiinspektionen (VPI) eingerichteten speziellen Fahndungskontrollgruppen (FKG) durchgeführt, welche bayernweit seit 2008 insbesondere im sog. zweiten Fahndungsschleier Maßnahmen der Schleierfahndung durchführen. Erst mit Wegfall der systematischen Grenzkontrollen entlang der bayerisch-tschechischen Grenze wurden die grenzpolizeilichen Dienststellen mit Wirkung zum 1. Januar 2008 vollständig in die Bayerische Landespolizei eingegliedert. Die Dienststellen der Grenzpolizei wurden aufgelöst und im Gegenzug in Selb, Waldsassen, Furth im Wald und Zwiesel neue Polizeiinspektionen (PI) sowie in Rehau, Waldmünchen und Waldkirchen schichtdienstfähige Polizeistationen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.06.2014 17/1766 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1766 (PSt) gegründet und bei diesen als „dritte Säule“ – neben der Dienst- und Verfügungsgruppe – spezielle Fahndungseinheiten eingerichtet. In Waidhaus wurde zudem eine „PI Fahndung“ eingerichtet , also eine personalstarke Dienststelle, die ausschließlich Aufgaben der (Schleier-)Fahndung im sog. ersten Fahndungsschleier wahrnimmt. Da sich die Organisationsmaßnahmen mit Wegfall der Kontrollen an der Südgrenze zu Österreich und die Ausgleichsmaßnahmen insgesamt bewährt hatten, lehnten sich auch die Reformmaßnahmen im Kontext mit der Ostgrenze zur Tschechischen Republik daran an. Im Rahmen der Organisationsreform der Bayer. Polizei wurde zudem das Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz zum 1. Juni 2009 in das Polizeipräsidium Niederbayern und das Polizeipräsidium Oberpfalz geteilt. Vor dem Hintergrund der angeführten unterschiedlichen Rahmenbedingungen kann den beiden Zeiträumen 2004 bis 2007 und 2008 bis 2013 grundsätzlich keine vergleichbare Datenbasis zugrunde gelegt werden. Die beiden Zeiträume werden deshalb in getrennten Tabellen (vor dem Wegfall und nach dem Wegfall der Grenzkontrollen) dargestellt. 1. Wie veränderte sich die Anzahl der Einsätze der Schleierfahndungen von 2004 bis 2013 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? Einsätze im Rahmen der Schleierfahndung werden nicht erfasst , soweit bei den Kontrollen keine polizeilich relevanten Feststellungen getroffen wurden. Insofern beziehen sich die nachfolgenden Angaben auf polizeiliche Feststellungen im Rahmen einer Schleierfahndungskontrolle, bei denen sich insbesondere der Verdacht einer Straftat erhärtet hat. Anzumerken ist ferner, dass es sich bei den angeführten Fallzahlen um Kontrolldelikte handelt, die keinen unmittelbaren Rückschluss auf die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung zulassen. Maßgeblich hierfür sind die Lageerkenntnisse auf Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS): Jahr 2004 2005 2006 2007 Straftaten 321 265 205 310 Abb. 1, Vor dem Wegfall der Grenzkontrollen, Verdachtsfälle Straftaten i. R. der Schleierfahndung im bayer./tschechischen Grenzgebiet; Quelle: BLKA Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Straftaten 5.185 5.374 4.581 5.602 5.510 5.466 Abb. 2, Nach dem Wegfall der Grenzkontrollen, Verdachtsfälle Straftaten i. R. der Schleierfahndung im bayer./tschechischen Grenzgebiet; Quelle: BLKA Der Anstieg der Fallzahlen im Zeitraum 2008 bis 2013 im Vergleich zum Zeitraum 2004 bis 2007 ist zum einen dadurch begründet , dass bis Ende 2007 hauptsächlich Grenzkontrollen durchgeführt wurden und Maßnahmen der Schleierfahndung von den GPI und GPS im sogenannten „Übertragungsbereich “ im Rahmen der allgemeinpolizeilichen Aufgabenstellung lediglich im Rahmen des täglichen Dienstes durchgeführt wurden. Erst mit Wegfall der Grenzkontrollen ab 2008 sowie mit Einrichtung der speziellen Fahndungseinheiten wurden die Maßnahmen der Schleierfahndung im grenznahen Raum zur tschechischen Republik analog der Verfahrensweise an der österreichischen Grenze forciert. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass gespeicherte Daten bestimmten Aussonderungsfristen (i. d. R. fünf Jahre) unterliegen und insofern die angeführten Daten keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können. 2. Wie veränderte sich im gleichen Zeitraum die Personalstärke , die in diesem Bereich für die Schleierfahndung eingesetzt wurde? Der in der Anfrage verwendete Begriff der Personalstärke wird im Zusammenhang mit der personellen und stellenmäßigen Besetzung von Dienststellen in der Bayerischen Polizei nicht verwendet. Daher wird dieser im Sinne der festgelegten Begrifflichkeiten mit dem Begriff der Sollstärke gleichgesetzt. Unter Sollstärke im Sinne der o. g. Begriffsdefinition wird hierbei die planerische Organisationsvorgabe für die personelle Besetzung einer Dienststelle verstanden. Im Zeitraum 2004 bis 2007 sind keine gesonderten Sollstärken für Schleierfahndungskräfte bei den GPI/GPS im grenznahen Raum zur Tschechischen Republik ausgewiesen . Die Schleierfahndung wurde, wie eingangs bereits dargelegt, im sogenannten „Übertragungsbereich“ im Rahmen der allgemeinpolizeilichen Aufgabenstellung von allen eingesetzten Beamten durchgeführt. Deshalb kann keine Aussage über den Anteil des für die Schleierfahndung eingesetzten Personals getroffen werden. Konkrete Angaben zur Sollstärke der Schleierfahndung können insofern nur für den Zeitraum 2008 bis 2013 für die PIF Waidhaus und für die Fahndungsgruppen der PI Marktredwitz , PI Furth im Wald, PI Waldsassen, PI Zwiesel, PI Freyung gemacht werden. Die Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Sollstärke der Fahndungskräfte der PIF Waidhaus, der Fahndungsgruppen der PI Marktredwitz, PI Furth im Wald, PI Waldsassen, PI Zwiesel und PI Freyung: Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Sollstärke PIF und Fahndungsgruppen 131 130 130 130 130 130 Abb. 4, Nach dem Wegfall der Grenzkontrollen, Sollstärke der PIF Waidhaus und der Fahndungsgruppen im bayer./tschechischen Grenzgebiet; Quelle: Polizeipräsidien Darüber hinaus reichen die Schleierfahndungsmaßnahmen der Fahndungskontrollgruppen (FKG) der VPI Hof, VPI Weiden und VPI Regensburg entlang den Straßen des überörtlichen Verkehrs auch bis in den grenznahen Bereich zur tschechischen Grenze hinein. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass darüber hinaus alle eingesetzten Beamten im Rahmen ihres dienstlichen Auftrags Maßnahmen der Schleierfahndung durchführen. 3. Bei wie vielen Delikten, die im Zuge der Schleierfahndung im oben genannten Zeitraum aufgeklärt wurden , handelte es sich um Drogendelikte? Auf die Antwort zu Ziffer 1 wird hingewiesen. Die Zahlen aus den Jahren 2004 bis 2007 weichen erheblich von denen der nachfolgenden Jahre ab. Eine fundierte Bewertung der im geringen Umfang noch vorhandenen Fallzahlen ist aufgrund der offensichtlich bereits erfolgten Aussonderung von Teilen der Vorgänge nicht mehr möglich. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich deshalb auf den Zeitraum 2008 bis 2013. Im Zeitraum 2008 bis 2013 wurden im Rahmen von Schleierfahndungsmaßnahmen im Grenzgebiet zur Tschechischen Republik insgesamt 31.718 Verdachtsfälle einer Straftat festgestellt. Im gleichen Zeitraum mussten im Rahmen von Schleierfahndungsmaßnahmen im Grenzgebiet zur Tschechischen Republik 9.225 Verdachtsfälle aus dem Phänomenbereich Rauschgiftkriminalität festgestellt werden . Das entspricht einem Anteil von 29 %. Drucksache 17/1766 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. Wie viel Prozent ihrer Arbeitszeit verbrachten die Mitarbeiter der Schleierfahndung zur Ausführung anderer Aufgaben, die nichts mit dem Arbeitsbereich Schleierfahndung zu tun haben, zum Beispiel für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Dienststelle zu sorgen? Den Polizeipräsidien Oberfranken, Oberpfalz und Niederbayern liegen keine belastbaren Zahlen vor, in welchem Umfang Fahndungsgruppenbeamte zu anderen Dienstleistungen herangezogen worden sind. Es können daher keine belastbaren prozentualen Angaben gemacht werden. Abschließend weisen wir darauf hin, dass sich die Schleierfahndung der Bayerischen Polizei bisher bestens bewährt hat und auch weiterhin ein unverzichtbarer Baustein der Inneren Sicherheit in Bayern und für Deutschland sein wird.