17. Wahlperiode 10.10.2017 17/17677 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze ÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN vom 30.05.2017 Wiedereinforderung von Unterhaltsvorschuss In Bayern werden nach meinen Informationen nur 36 Prozent der vom Staat gezahlten Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz wieder eingetrieben. Dazu frage ich die Staatsregierung: 1. Wie viele der unterhaltspflichtigen Personen sind tatsächlich nicht zahlungsfähig? 2. Wird im Falle einer Unterhaltsvorschusszahlung ein Unterhaltstitel erwirkt, und wenn nein, warum nicht? 3. Wie viele Regressforderungen verjähren, werden nicht rechtskonform bearbeitet oder wegen Auslandsbezug überhaupt nicht verfolgt? 4. Wie hoch ist der Prozentsatz der unbekannten Väter? 5. Wie viele unterhaltspflichtige Personen bezahlen nicht, weil der andere Elternteil ihnen die Kinder entzieht? 6. In welchem zeitlichen Abstand wird überprüft, ob der Schuldner bzw. die Schulderin wieder zahlungsfähig ist? 7. Welche Maßnahmen unternimmt die Staatsregierung, um die Zahl der wieder eingetriebenen Unterhaltsleistungen zu erhöhen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 05.07.2017 Die Schriftliche Anfrage wird unter Einbezug des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat wie folgt beantwortet: 1. Wie viele der unterhaltspflichtigen Personen sind tatsächlich nicht zahlungsfähig? Daten hierzu liegen der Staatsregierung nicht vor. Die statistischen Erhebungen im Rahmen des Vollzugs des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (UVG) geben nur Aufschluss darüber, inwieweit Ansprüche gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung nicht (auch nicht teilweise) realisiert wurden. Die Durchsetzung eines bestehenden Unterhaltsanspruchs kann sich jedoch über viele Jahre erstrecken und endet nicht im Zeitpunkt der Leistungseinstellung . Hinsichtlich genereller Ausführungen zur Leistungsfähigkeit verweist die Staatsregierung auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Stamm vom 23.11.2016 (Drucksache 17/15293, Antwort zu Frage 3 b). 2. Wird im Falle einer Unterhaltsvorschusszahlung ein Unterhaltstitel erwirkt, und wenn nein, warum nicht? An das Landesamt für Finanzen (LfF) abgegebene Unterhaltsvorschussfälle werden grundsätzlich tituliert, es sei denn, es liegt bereits ein Titel des unterhaltsberechtigten Kindes in Form eines gerichtlichen Beschlusses oder einer Jugendamtsurkunde vor. Dann erfolgen eine Titelumschreibung nach § 727 der Zivilprozessordnung (ZPO) und anschließend Beitreibungsmaßnahmen. Sollte eine Jugendamtsurkunde , die eine Selbstverpflichtung des Schuldners bzw. der Schuldnerin ist, hinter seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit zurückbleiben, wird ggf. ergänzend nachtituliert . Eine Titulierung durch das LfF erfolgt auch dann nicht, wenn die rechtliche Überprüfung des Einzelfalls ergibt, dass für ein gerichtliches Titulierungsverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Unterhaltsschuldner bzw. die -schuldnerin leistungsunfähig ist, sodass kein Unterhaltsanspruch besteht, der aufgrund der Gewährung der Unterhaltsvorschussleistungen auf den Freistaat Bayern hätte übergehen können. Eine Titulierung erfolgt auch, wenn aufgrund einer lediglich fiktiven Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners bzw. der -schuldnerin Zahlungen rechtlich durchsetzbar erscheinen. In Einzelfällen unterbleibt eine Titulierung (ggf. auch bereits die Abgabe des Vorganges vom Jugendamt an das LfF), wenn das Jugendamt den Unterhaltspflichtigen Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17677 bzw. die -pflichtige zu freiwilligen Zahlungen im Rahmen seiner bzw. ihrer Leistungsfähigkeit bewegen kann, sodass eine Titulierung, die nicht zuletzt die zwangsweise Durchsetzung ermöglichen soll, entbehrlich ist. 3. Wie viele Regressforderungen verjähren, werden nicht rechtskonform bearbeitet oder wegen Auslandsbezug überhaupt nicht verfolgt? Das LfF bearbeitet die von den Jugendämtern abgegebenen Vorgänge stets rechtskonform und unter bestmöglicher Wahrung laufender Verjährungsfristen. In wie vielen seltenen Einzelfällen ggf. auch bereits vor der Abgabe an das LfF Ansprüche verjähren, wird nicht erfasst . Grundsätzlich wird nur dann von einer Beitreibung abgesehen, wenn die Einrede einer Verjährung von der Schuldnerin bzw. dem Schuldner tatsächlich auch erhoben wird. Auch die Anzahl der Fälle, bei denen wegen des Auslandsbezugs Ansprüche überhaupt nicht verfolgt werden, wird nicht erfasst. Die Auslandsfälle sind beim Fiskalat der Dienststelle Augsburg konzentriert, um durch die hier bestehende besondere Fachkunde für den Auslandbereich die bestmögliche Wahrung der Rechte des Freistaates Bayern sicherzustellen. Dabei wird in Ländern, mit denen es internationale Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung deutscher Titel gibt, wie z. B. in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, oder in swn USA, Kanada, Türkei, Norwegen oder der Schweiz, grundsätzlich die Durchsetzung des deutschen Titels im Ausland angestrengt. Sofern sich allerdings aus der Akte hinreichende Anhaltspunkte auf eine mangelnde Leistungsfähigkeit des bzw. der Unterhaltsverpflichteten ergeben, wie z. B. gesundheitliche Einschränkungen, eine fehlende berufliche Ausbildung oder langjähriger Bezug von öffentlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wird die Angelegenheit im Regelfall aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiterverfolgt. In Ländern, mit denen es keine internationalen Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung deutscher Titel gibt, erfolgt eine Weiterverfolgung der Angelegenheit durch ausländische Rechtsanwälte vor Ort, wenn aufgrund der Aktenlage davon ausgegangen werden kann, dass der bzw. die Unterhaltsverpflichtete voraussichtlich in Höhe der gewährten Unterhaltsvorschussleistungen leistungsfähig ist. 4. Wie hoch ist der Prozentsatz der unbekannten Väter? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Daten vor. Die statistischen Erhebungen der Staatsregierung stellen auf den Status zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung ab und sind daher diesbezüglich nicht aussagekräftig. Die Vaterschaft kann zum Beispiel auch erst nach der Leistungseinstellung festgestellt werden. 5. Wie viele unterhaltspflichtige Personen bezahlen nicht, weil der andere Elternteil ihnen die Kinder entzieht ? Hierzu liegen der Staatsregierung keine statistischen Daten vor. 6. In welchem zeitlichen Abstand wird überprüft, ob der Schuldner bzw. die Schulderin wieder zahlungsfähig ist? Die Vorgehensweise bei der Beitreibung ist maßgeblich vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Grundsätzlich wird angestrebt, die Leistungsfähigkeit der Schuldner bzw. der Schuldnerinnen jährlich zu überprüfen. Bei Ratenzahlern wird versucht, für den Fall, dass sich die Einkommensverhältnisse verbessert haben sollten, eine höhere Rate durchzusetzen . Eine neue Vermögensauskunft kann gemäß § 802 d ZPO allerdings grundsätzlich erst nach dem Ablauf von zwei Jahren verlangt werden, sodass in vielen Fällen für das LfF keine rechtlichen Möglichkeiten bestehen, zu einem früheren Zeitpunkt neue Erkenntnisse zu erzielen. Häufig wird die Einkommenssituation der Schuldnerin bzw. des Schuldners nicht nur vom LfF, sondern auch von den Jugendämtern überprüft. Aufgrund der persönlichen und räumlichen Nähe zum alleinerziehenden Elternteil haben diese oft auch Einblick in das (persönliche und berufliche) Umfeld des Unterhaltsschuldners bzw. der Unterhaltsschuldnerin. 7. Welche Maßnahmen unternimmt die Staatsregierung, um die Zahl der wieder eingetriebenen Unterhaltsleistungen zu erhöhen? Es ist ein wichtiges Anliegen der Staatsregierung, mit der Leistung des Unterhaltsvorschusses die Alleinerziehenden zu unterstützen, jedoch den familienfernen Elternteil nicht aus seiner Verantwortung zu entlassen. Daher ist der Rückgriffserfolg aus Sicht der Staatsregierung nicht nur eine Frage des Haushalts, sondern auch familienpolitisch im Fokus . Bayern führt den Rückgriff dabei, soweit er im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt, anders als andere Bundesländer durch die spezialisierten Abteilungen des LfF durch. Das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wirkt auch durch Richtlinien, Fortbildungen , Dienstbesprechungen usw. auf ein einheitliches und qualifiziertes Vollzugsverfahren hin. Die Inanspruchnahme von Unterhaltsschuldnern wird in Bayern nachweislich mit Erfolg betrieben; Bayern hat seit Jahren bundesweit die höchste Rückholquote. Der Bundesrechnungshof erachtet das ausschöpfbare Rückgriffpotenzial etwa bei 33 Prozent Rückgriffquote (vgl. Deutscher Bundestag, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Wortprotokoll Nr. 17/85 vom 28.01.2013). Bayern liegt bereits darüber; ein weiteres deutliches Verbesserungspotenzial ist daher nicht pauschal anzunehmen.