17. Wahlperiode 10.10.2017 17/17704 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Ritter SPD vom 31.05.2017 Mögliche strafbare Aussagen bei Kundgebung von Rechtsextremisten am 28.05.2017 in München Am Sonntag, den 28.05.2017, riefen die extrem rechten Parteien Die Rechte und NPD zu einer Kundgebung für Horst Mahler auf. Ort war das ungarische Generalkonsulat in München , weil sich Mahler zu dem Zeitpunkt in Ungarn in Abschiebehaft befand. Er hatte sich einem erneuten Haftantritt in Deutschland durch Flucht entzogen. Bei dieser Kundgebung wurden neben Reden auch zwei Statements von Horst Mahler selbst abgespielt. Die städtische Fachinformationsstelle gegen Rechtsextremismus in München (FIRM) bestätigte auf Anfrage, dass die Aussagen identisch mit Videobotschaften sind, die auf der Facebook- Seite von nordland.tv eingestellt wurden. Video 1: Horst Mahler – die letzten Aufnahmen vor seinem Haftantritt am 19. April 2017 https://www.facebook.com/nordland.tv/videos/vl.126532411 244464/1283990191716019/?type=1 - Dauer etwa 15 min Video 2: Horst Mahler – am 19.April 2017 – Bedingungen zum Haftantritt am 19. April 2017 https://www.facebook.com/nordland.tv/videos/vl.126532411 244464/1291116074336764/?type=1 Dauer etwa 3:50 min Gerade im ersten Video nimmt Mahler die Gelegenheit wahr, unter dem rhetorischen Kniff, eigentlich nur über die ihm vorgeworfenen Sachverhalte zu berichten, um seine antisemitische Weltanschauung erneut größer auszubreiten . Gestützt auf angebliche Quellenstudien bezeichnet er darin „die Juden“ als den Feind des „deutschen Volkes“, des christlichen Europas“, ja sogar der „ganzen weißen Rasse“. Er beschuldigt weiter ganz offen „die Juden“, sie wären gehalten , sich sexuell an Kindern zu vergreifen und fremdes Eigentum zu rauben. In der monotheistischen Ausrichtung der Religion sieht er einen Kampfaufruf zur „Vernichtung aller anderen Völker“, als Waffe diene die „Vermischung“. Auf das jüdische „Schuldkonto“ gehe als „jüdisches Geschäft“ beispielsweise der gesamte Sklavenhandel in die Neue Welt. Die Taten der NS-Zeit werden dagegen von Mahler als „Selbstschutz“ der deutschen Bevölkerung gegen angebliche Vernichtungspläne verharmlost. Zudem beruft er sich auf das längst als Fälschung entlarvte antisemitische Pamphlet „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Sein Statement Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. enthält mehrere Kampf- und Widerstandsaufrufe sowie dramatische Beschreibungen des Istzustandes. Im Raum stehen damit strafbare Aussagen, mindestens Volksverhetzung als Aufstachelung zum Hass gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe und die Verharmlosung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Die anwesende Polizei griff nicht ein, die Kundgebung wurde vom Versammlungsleiter wie geplant gegen 17.45 Uhr beendet. Ich frage die Staatsregierung: 1. Unter welchen Auflagen fand die Versammlung statt? 2.1 Wurde durch den Veranstalter bei der Anmeldung das Abspielen eines Beitrags von Horst Mahler als Kundgebungs - oder Versammlungshilfsmittel mitgeteilt? 2.2 Wenn ja, wurden die Beiträge den Behörden zur vorherigen Begutachtung vorgelegt? 2.3 Wenn ja, zu welcher Einschätzung kamen die Behörden ? 3. Wie bewertet die Staatsregierung die abgespielten Aussagen Mahlers aus strafrechtlicher Sicht? 4.1 Welche Anmerkungen zum Inhalt der Veranstaltung wurden im Einsatzbericht festgehalten? 4.2 Waren bei der Kundgebung Beamte im Einsatz, die über spezielle Fachkenntnisse zur Auslegung des § 130 StGB verfügen? 4.3 Wurde während der Veranstaltung eine Bewertung der Inhalte vor Ort vorgenommen? 5.1 Unter welchen Voraussetzungen kann die Bayerische Polizei einzelne Beiträge einer begonnenen Versammlung unterbinden? 5.2 Unter welchen Voraussetzungen kann die Bayerische Polizei eine begonnene Versammlung insgesamt abbrechen ? 5.3 Warum wurde die Kundgebung vor dem ungarischen Generalkonsulat nicht abgebrochen/entsprechende Beiträge unterbunden? 6. Wurde in Nachgang vonseiten der Behörden oder durch Bürger Anzeige gegen den Versammlungsleiter erstattet ? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17704 Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 06.07.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Unter welchen Auflagen fand die Versammlung statt? Die Versammlung wurde am 21.05.2017 ordnungsgemäß bei der Versammlungsbehörde der Landeshauptstadt München angezeigt. Aufgrund des bekanntermaßen rechtsextremistischen Hintergrunds des Veranstalters wurden folgende Beschränkungen im versammlungsrechtlichen Bescheid vom 22.05.2017 verfügt: – „Parolen und Sprechchöre“: In Reden und Sprechchören sowie auf Transparenten haben alle Äußerungen zu unterbleiben, die das NS- Regime sowie Organisationen und deren (auch selbsternannte ) Folgeorganisationen sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen glorifizieren, verharmlosen oder sonst wiederbeleben. Untersagt sind insbesondere die Parolen „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“, „Wir sind wieder da!“, „Wir kriegen euch (alle)“ sowie die Parole „Zionisten – Mörder und Faschisten“. Gleiches gilt für etwa zu verbreitende Druckwerke und musikalische Darbietungen. – „Bekleidung, Bekleidungsstücke“: Das Tragen von Bekleidung oder Bekleidungsstücken mit Aufschriften, aus denen sich durch teilweises Überdecken Buchstaben- bzw. Zahlenfolgen wie „NS“, NSD“, „NSDAP“, „SS“, „SA“, „14“, „18“, „88“ oder die Abkürzung bzw. erkennbare Abkürzungsteile weiterer verbotener Parteien ergeben kann, ist verboten. Gleiches gilt für sonstige sichtbare Embleme oder sichtbar getragene Tätowierungen mit den oben genannten Aufschriften. Zusätzlich wurde im o. g. Bescheid auf die Strafvorschriften gemäß § 130 Abs. 4 des Strafgesetzbuchs – StGB (Volksverhetzung) und § 86a des Strafgesetzbuches – StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) hingewiesen. – „Abspielen bzw. Zeigen von Bild- oder Tonmaterial aus der Zeichentrickserie „Der rosarote Panther“: Das Abspielen bzw. Zeigen von Bild- oder Tonmaterial aus der Zeichentrickserie „Der rosarote Panther“ (Originaltitel : The Pink Panther) kann einen Anfangstatverdacht nach § 140 StGB begründen. 2.1 Wurde durch den Veranstalter bei der Anmeldung das Abspielen eines Beitrags von Horst Mahler als Kundgebungs- oder Versammlungshilfsmittel mitgeteilt ? 2.2 Wenn ja, wurden die Beiträge den Behörden zur vorherigen Begutachtung vorgelegt? 2.3 Wenn ja, zu welcher Einschätzung kamen die Behörden ? Bei der Anmeldung der Versammlung wurde nicht mitgeteilt, dass Beiträge von Horst Mahler abgespielt werden. Kundgebungs(hilfs)mittel sind nicht von der Anzeigepflicht nach dem Bayerischen Versammlungsgesetz (Bay- VersG) umfasst. Eine beschränkende Verfügung dergestalt, dass vor Versammlungsbeginn Bild- und Tonbeiträge der Versammlungsbehörde angezeigt, vorgespielt oder von dieser genehmigt werden müssen, verstieße gegen die Grundsätze des Versammlungsrechts und wäre rechtswidrig. 3. Wie bewertet die Staatsregierung die abgespielten Aussagen Mahlers aus strafrechtlicher Sicht? Umstände und Umfang der abgespielten Videobeiträge während der Versammlung sowie der genaue Inhalt dieser Beiträge sind Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens . Eine Bewertung kann aus diesem Grund derzeit nicht erfolgen. 4.1 Welche Anmerkungen zum Inhalt der Veranstaltung wurden im Einsatzbericht festgehalten? 4.2 Waren bei der Kundgebung Beamte im Einsatz, die über spezielle Fachkenntnisse zur Auslegung des § 130 StGB verfügen? 4.3 Wurde während der Veranstaltung eine Bewertung der Inhalte vor Ort vorgenommen? Alle bayerischen Polizeibeamten verfügen über ausreichende Kenntnisse zur polizeilichen Bewertung von Sachverhalten mit möglicherweise strafrechtlichen Inhalten, mithin auch über § 130 StGB. Die eingesetzten Polizeibeamten konnten nach Mitteilung des Polizeipräsidiums München die abgespielten Videobeiträge aufgrund der Geräuschkulisse nur teilweise akustisch wahrnehmen, eine umfängliche Bewertung vor Ort fand somit nicht statt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5.1 Unter welchen Voraussetzungen kann die Bayerische Polizei einzelne Beiträge einer begonnenen Versammlung unterbinden? 5.2 Unter welchen Voraussetzungen kann die Bayerische Polizei eine begonnene Versammlung insgesamt abbrechen? Nach Versammlungsbeginn kann die Polizei als zuständige Behörde gem. Art. 24 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) unter den Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 BayVersG eine Versammlung beschränken, z. B. das Abspielen einzelner Redebeiträge unterbinden oder auflösen. Diese Befugnis greift insbesondere , wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angeheizt wird und der Versammlungsleiter dies nicht unverzüglich unterbindet . 5.3 Warum wurde die Kundgebung vor dem ungarischen Generalkonsulat nicht abgebrochen/entsprechende Beiträge unterbunden? Auf die Antwort zu den Fragen 4.1 bis 4.3 sowie 3 wird verwiesen . 6. Wurde im Nachgang vonseiten der Behörden oder durch Bürger Anzeige gegen den Versammlungsleiter erstattet? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Gegen den Versammlungsleiter liegt eine Anzeige eines Bürgers vor.