Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 01.06.2017 Vergabeverfahren bei öffentlichen Bauaufträgen Wie die Bayerische Staatszeitung berichtet, liegt der Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie , Ilse Aigner, seit zwei Jahren ein Schreiben aus der Bauwirtschaft bezüglich der problematischen Situation der Vergabekriterien bei öffentlichen Bauvergaben vor, ohne das bisher eine Reaktion erfolgte. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. Wie beurteilt die Staatsregierung das bisherige Verfahren bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen? 2. Gibt es weitere Anregungen zur Verbesserung des Verfahrens, z. B. seitens der kommunalen Spitzenverbände oder der Verbände der Bauwirtschaft? 3. a) Sieht die Staatsregierung Möglichkeiten, den Kriterienkatalog bei Vergabeverfahren für öffentliche Bauaufträge anzupassen? b) Wenn ja, welche sind das? c) Wenn nein, warum nicht? 4. Bis wann ist mit einer ersten Vorlage zur Änderung der Kriterien bei Vergabeverfahren für öffentliche Bauaufträge seitens des Staatsministeriums zu rechnen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 12.07.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie wie folgt beantwortet: 1. Wie beurteilt die Staatsregierung das bisherige Verfahren bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen ? Die Vergabe öffentlicher Bauaufträge erfolgt nach den Regelungen des Vergaberechts, die sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) und der Vergabe - und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) verbindlich ergeben. Die aus der Bayerischen Haushaltsordnung stammenden Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind ebenfalls zu beachten. Aufträge dürfen nur an gesetzestreue , zuverlässige und fachkundige Unternehmen vergeben werden. Hierzu gehört auch, dass die eigene Belegschaft sowie die Mitarbeiter möglicher Nachunternehmer mindestens nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) oder nach den Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) zu entlohnen sind. Der Zuschlag wird auf das Angebot erteilt, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte als das wirtschaftlichste erscheint, und darf nicht auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis erteilt werden. Bei der Zuschlagsentscheidung können neben dem Angebotspreis verschiedenste Kriterien einfließen, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen. Die Grundsätze und das Regelwerk für die Vergabe und Abwicklung von öffentlichen Bauaufträgen werden seit mehr als 90 Jahren vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) erarbeitet und weiterentwickelt . Im DVA sind Vertreter der Verbände der Auftragnehmer und der öffentlichen Auftraggeber paritätisch vertreten. Die VOB wird in einem Konsensverfahren erarbeitet und beschlossen, in dem die Interessen der Auftragnehmer und der Auftraggeber gleichberechtigt einfließen und ausgeglichen werden. Entscheidungen in den Gremien des DVA müssen mit ¾ -Mehrheit getroffen werden. Deshalb kann die VOB als ausgewogenes Regelwerk bezeichnet werden, das bewährte Vergabeverfahren enthält. 2. Gibt es weitere Anregungen zur Verbesserung des Verfahrens, z. B. seitens der kommunalen Spitzenverbände oder der Verbände der Bauwirtschaft? Das Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie hat den Leitfaden „Das wirtschaftlichste Angebot“ herausgegeben (abrufbar unter https://www. stmwi.bayern.de/fileadmin/user_upload/stmwi/Publikatio nen/2014/Das_Wirtschaftlichste_Angebot.pdf). Der Leitfa- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.10.2017 17/17728 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17728 den legt im Einzelnen dar, wie in einem Vergabeverfahren bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots neben dem Preis auch qualitative Wertungskriterien berücksichtigt werden können. Auf diesen Leitfaden wurden die bayerischen Gemeinden, Landkreise und Bezirke im Jahr 2015 mit einem gemeinsamen Schreiben des Bayerischen Gemeindetags , des Bayerischen Städtetags, des Bayerischen Landkreistags, des Bayerischen Bezirketags, des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie und des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr hingewiesen. Konkrete Änderungsvorschläge zur Verbesserung des Vergabeverfahrens für öffentliche Bauaufträge, die sich auf die Angebotswertung oder die Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots beziehen, sind nicht bekannt. 3. a) Sieht die Staatsregierung Möglichkeiten, den Kriterienkatalog bei Vergabeverfahren für öffentliche Bauaufträge anzupassen? b) Wenn ja, welche sind das? c) Wenn nein, warum nicht? 4. Bis wann ist mit einer ersten Vorlage zur Änderung der Kriterien bei Vergabeverfahren für öffentliche Bauaufträge seitens des Ministeriums zu rechnen? Für jedes Vergabeverfahren ist einzeln zu entscheiden, ob die geforderte Bauleistung in der Leistungsbeschreibung so eindeutig definiert werden soll, dass die Wertung nur über den Angebotspreis erfolgen kann, oder ob auch unterschiedliche Qualitäten der geforderten Leistung mit unterschiedlichen Preisen angeboten werden können. Im zweiten Fall wird neben dem Angebotspreis auch die Qualität anhand bekannt gemachter, gewichteter Kriterien bewertet. Die zu vergebende Bauleistung ist nach der VOB/A „eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können“. Wenn der öffentliche Auftraggeber dieses Leistungsbestimmungsrecht ausfüllt und sämtliche Bedingungen der Leistungserbringung eindeutig und erschöpfend, einschließlich seiner qualitativen Vorstellungen , mit vorgegebenen technischen Spezifikationen (z. B. DIN-Normen) beschreibt, unterscheiden sich die Angebote nur im Angebotspreis. Der Auftraggeber kann sich auch bewusst entscheiden, die Bedingungen der Leistungserbringung in der Leistungsbeschreibung nur teilweise festzulegen. Damit räumt er den Bietern die Möglichkeit ein, unterschiedliche Qualitäten der geforderten Leistung zu unterschiedlichen Angebotspreisen anbieten zu können. In diesen Fällen werden zur Entscheidung über den Zuschlag neben dem Preis zusätzliche Wertungskriterien herangezogen, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen. Diese zusätzlichen Wertungskriterien und ihre Gewichtung müssen in der Ausschreibungsbekanntmachung genannt werden. Der Zuschlag wird in diesen Fällen auf das Angebot erteilt, das unter Berücksichtigung solcher zusätzlicher Wertungskriterien wie z. B. Qualität, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit , Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist als das wirtschaftlichste erscheint. Einen abschließenden Katalog für Wertungskriterien kann es wegen der Vielzahl unterschiedlicher denkbarer Leistungen nicht geben.