Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 10.03.2014 Mögliche Steuernachzahlung des ADAC Presseberichten zufolge hat der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) e. V. in den Jahren 2007 bis 2009 keine Versicherungssteuer abgeführt, obwohl die Mitgliedschaft im ADAC versicherungssteuerrechtlich relevant ist. Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist der Staatsregierung dieser Sachverhalt bekannt und ist er in der Presse (Der Spiegel vom 10. März 2014) grundsätzlich korrekt dargestellt? 2. a) Handelt es sich nach Einschätzung der Staatsregierung hier um Steuerhinterziehung? b) Wenn nein, weshalb nicht? 3. a) Wurde vonseiten der bayerischen Finanzverwaltung jemals eine Bemessungsgrundlage für die vom ADAC abzuführende Versicherungssteuer festgesetzt? b) Wenn ja, wann? c) Wann wurde diese zuletzt von der bayerischen Fi- nanzverwaltung überprüft, bevor die Kompetenz an das Bundeszentralamt für Steuern überging? 4. Auf welcher Verwaltungsebene – örtliches Finanzamt, Landesamt für Steuern, Staatsministerium der Finanzen – wurde dieser Steuerfall wann bearbeitet? 5. Wie kann es – unabhängig von diesem Einzelfall – grundsätzlich möglich sein, dass ein großes Unternehmen Verkehrssteuern, die nicht vom Gewinn abhängig sind, über Jahre nicht zahlt, ohne dass die Finanzverwaltung dies bemerkt und bemängelt? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 05.05.2014 Vorbemerkungen: Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat beantwortet, soweit möglich, die angesprochenen Fragen allgemein unter Darlegung der Rechtslage. Die Fragen betreffen allerdings die vom Steuergeheimnis gemäß § 30 der Abgabenordnung (AO) geschützten steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen „Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V. (ADAC e. V.)“. Das Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses ist grundrechtlich verbürgt und auch gegenüber dem Parlament zu beachten. Der ADAC e. V. hat das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat auf Anfrage partiell von der Wahrung des Steuergeheimnisses befreit. Soweit diese Befreiung reicht, können die Fragen auch konkret beantwortet werden. Für die Versicherungssteuer wurde das Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat von der Wahrung des Steuergeheimnisses hinsichtlich der Nennung der Jahressummen der Steuerzahlungen für die ADAC-Gruppe befreit. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass anlässlich weiterer Anträge zur steuerlichen Behandlung des ADAC e. V. das Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat voraussichtlich am 13. Mai 2014 im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen des Bayerischen Landtags einen Bericht geben wird. Gegenstand dieses Berichts ist der Antrag der Abgeordneten Volkmar Halbleib u. a., SPD, vom 11. März 2014 betr. „Steuervollzug beim ADAC“ (Drs. 17/961). Gegebenenfalls kann hier zu weiteren Fragen Stellung genommen werden. 1. Ist der Staatsregierung dieser Sachverhalt bekannt und ist er in der Presse (Der Spiegel vom 10. März 2014) grundsätzlich korrekt dargestellt? Der Staatsregierung ist dieser Sachverhalt aus den Presseberichten bekannt. Der ADAC e. V. hält die Ansicht, die Mitgliedschaft im Verein als verkapptes Verhältnis eines Versicherungsvertrages zwischen einem Versicherungsunternehmen und einem Versicherungsnehmer zu qualifizieren, für grundlegend falsch. Allgemeines zum Versicherungssteuerrecht Bei der Versicherungssteuer handelt es sich um eine reine Bundessteuer (Gesetzgebungsbefugnis, Ertragshoheit und Verwaltungskompetenz stehen dem Bund zu). Durch das Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform vom 10. August 2009 (BGBl I S. 2702) wurde die Verwaltungskompetenz für diese Steuer mit Wirkung vom 1. Juli 2010 von den Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.06.2014 17/1773 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1773 Ländern (Finanzämter) auf den Bund (Bundeszentralamt für Steuern – BZSt) übertragen. Die Staatsregierung hat demgemäß keine Kenntnisse über steuerliche Einzelfälle, die in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des BZSt fallen. Im Hinblick auf den Übergang der Verwaltungskompetenz auf den Bund zum 1. Juli 2010 wurden die betreffenden Versicherungssteuerakten bereits im Jahr 2010 vollständig an das BZSt abgegeben (der Bund hat auch zum großen Teil das bisher für die Versicherungssteuer zuständige Personal übernommen). Beim bisher örtlich zuständigen Finanzamt sind demgemäß keine Versicherungssteuerakten mehr vorhanden . Allgemein kann zur versicherungssteuerlichen Rechtslage Folgendes gesagt werden: Der ADAC e. V. ist nach föderalen Aspekten aufgebaut und gliedert sich bundesweit (länderübergreifend) in 18 Regionalclubs (vgl. www.adac.de). Diese sind regionale Vereine mit eigener Rechtspersönlichkeit. Für den Vollzug des Versicherungssteuergesetzes (VersStG) waren bis zum 30. Juni 2010 die Finanzbehörden der jeweiligen Länder zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich die Versicherer ihren Sitz hatten. Entsprechend der Rechtsnatur der Versicherungssteuer als Bundessteuer war und ist es Aufgabe des Bundesministeriums der Finanzen, im Rahmen seiner Rechts- und Fachaufsicht für einen bundesweit einheitlichen Vollzug des VersStG Sorge zu tragen. Die Landesfinanzbehörden unterstanden bis zum 30. Juni 2010 insoweit den Weisungen des Bundesministeriums der Finanzen (Art. 85 Abs. 3 i. V. m. Art. 108 Abs. 3 GG). Der Versicherungssteuer (Verkehrsteuer) unterliegt die Zahlung des Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses (§ 1 Abs. 1 VersStG). Unter dem Versicherungsverhältnis ist das Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen. Wesentliches Merkmal für ein Versicherungsverhältnis ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses1). Die Frage, ob ein konkretes Versicherungsverhältnis im Zusammenhang mit allgemeinen Mitgliederbeiträgen begründet wird, kann unter versicherungssteuerrechtlichen Aspekten kontrovers diskutiert werden. Im Fachschrifttum wird die Auffassung vertreten, dass – zur Abgrenzung gegenüber anderen Vereinbarungen und Verträgen – ein relevantes Versicherungsverhältnis nur vorliegt, wenn die Gefahrtragung als wesentliches Merkmal der Versicherung den Hauptzweck der Vereinbarung bildet2). Bundeseinheitlich abgestimmte Verwaltungsanweisungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, wonach allgemeine Mitgliederbeiträge an herkömmliche Vereine ganz oder teilweise der Versicherungssteuer zu unterwerfen waren , existierten in der Vergangenheit (bis 30. Juni 2010) nicht. Die genannte Frage wäre – soweit sich ihre Relevanz derzeit konkret stellen sollte – im Hinblick auf die Ausgestaltung der Versicherungssteuer als Bundessteuer ausschließlich von der Bundesfinanzverwaltung (BZSt) zu klären. 2. a) Handelt es sich nach Einschätzung der Staatsregierung hier um Steuerhinterziehung? b) Wenn nein, weshalb nicht? Bayerische Finanzbehörden sind an einem Prüfungsverfahren des BZSt zur Versicherungssteuer nicht beteiligt (Art. 108 Grundgesetz, § 5 Absatz 1 Nummer 25 Finanzverwaltungsgesetz ). Die angefragte Einschätzung ist der Staatsregierung daher nicht möglich. 3. a) Wurde vonseiten der bayerischen Finanzverwaltung jemals eine Bemessungsgrundlage für die vom ADAC abzuführende Versicherungssteuer festgesetzt? b) Wenn ja, wann? c) Wann wurde diese zuletzt von der bayerischen Fi- nanzverwaltung überprüft, bevor die Kompetenz an das Bundeszentralamt für Steuern überging? Die ADAC-Versicherungsgesellschaften haben in den letzten zehn Jahren nach eigenen Angaben folgende Beträge an Versicherungssteuer gezahlt (auf Mio. Euro gerundet): 2004: 61,2 2005: 64,6 2006: 67,6 2007: 83,6 2008: 85,7 2009: 88,3 2010: 90,8 2011: 94,1 2012: 99,0 2013: 102,5 4. Auf welcher Verwaltungsebene – örtliches Finanzamt , Landesamt für Steuern, Staatsministerium der Finanzen – wurde dieser Steuerfall wann bearbeitet? Nach § 7 a VersStG (in der bis 30. Juni 2010 geltenden Fassung) war für die Verwaltung der Versicherungssteuer das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherer seine Geschäftsleitung bzw. seinen Sitz hatte. Die Angelegenheiten des ADAC e. V. hinsichtlich der Versicherungssteuer wurden demgemäß bis zum 30. Juni 2010 ausschließlich vom örtlich und sachlich zuständigen Finanzamt München – Abteilung Körperschaften – bearbeitet. 5. Wie kann es – unabhängig von diesem Einzelfall – grundsätzlich möglich sein, dass ein großes Unternehmen Verkehrsteuern, die nicht vom Gewinn abhängig sind, über Jahre nicht zahlt, ohne dass die Finanzverwaltung dies bemerkt und bemängelt? Aufgrund der Anzeige- und Anmeldepflichten gemäß §§ 138, 139 AO und § 2 der Versicherungssteuer-Durchführungsverordnung , die von allen betroffenen Unternehmen zu beachten sind, kann die Aufnahme einer umfangreichen verkehrsteuerpflichtigen Tätigkeit nicht unbemerkt bleiben. Entrichtungsschuldner der Versicherungssteuer ist der Versicherer (§ 7 Abs. 2 VersStG). Der Versicherer hat entsprechende Steueranmeldungen abzugeben und die Steuer zu entrichten (§ 8 Abs. 1 VersStG). Bei großen Unternehmen ist es üblich, dass in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht komplexe Sachverhalte auftreten können. Die Feststellung und Beurteilung dieser Sachverhalte , die aus den abgegebenen Steuererklärungen (Steueranmeldungen ) in der Regel nicht ohne Weiteres ersichtlich sind, erfolgen regelmäßig im Rahmen von Außenprüfungen nach Maßgabe der §§ 193 bis 203 AO. Derartige Prüfungen werden in einschlägigen Fällen üblicherweise zeitlich erst nach Abgabe der Steuererklärungen durchgeführt. 1) BFH-Urteil vom 08.12.2010, BStBl 2012, 383 2) Vgl. Gambke-Flick, Versicherungssteuergesetz, § 1 Anm. 12.