17. Wahlperiode 10.10.2017 17/17777 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Güller SPD vom 11.05.2017 Ablauf Privatinsolvenz; Insolvenzrecht vs. BDSG Im Privatinsolvenzverfahren wird nach der Entscheidung über die Restschuldbefreiung die Eintragung über die betroffene Person in den Insolvenzbekanntmachungen nach sechs Monaten gelöscht (§ 3 InsoBekV). Wirtschaftsauskunftsdateien wie die „Schufa“ speichern den Vermerk über das beendete Insolvenzverfahren wohl noch bis zu drei Kalenderjahre ab Ende des Jahres nach dieser Entscheidung (zulässig gemäß § 35, Absatz 2, Satz 2 BDSG). Dies bedeutet für die Betroffenen de facto eine Verlängerung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, da sie auf Grund dieser Speicherung keine normalen Verträge zum Beispiel für Handy , Strom, Miete etc. abschließen können – und dies obwohl das private Insolvenzverfahren bereits positiv abgeschlossen wurde. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. a) Sieht die Staatsregierung hier einen Wertungswiderspruch zwischen dem Insolvenzrecht und der nach 6 Monaten vorgesehenen Streichung der Eintragung und dem Bundesdatenschutzgesetz mit den möglichen Eintragungen für drei Kalenderjahre? b) Beziehungsweise warum hält sie diese Regelung für richtig? 2. Welchen Handlungsbedarf sieht die Staatsregierung gegebenenfalls, diesen Wertungswiderspruch auflösen bzw. generelle Änderungen im Bereich InsoBekV vs. BDSG bezüglich der Löschung der Daten zu initiieren ? 3. Welche Maßnahmen wird die Staatsregierung gegebenenfalls veranlassen, um dem ehemaligen Schuldner die Möglichkeit zu geben, nach der Restschuldbefreiung zeitnah wieder am Wirtschaftsleben teilzunehmen zu können und nicht durch z. B. einen Schufa-Eintrag über weitere Jahre eingeschränkt zu werden? 4. a) Wird die Staatsregierung entsprechende Initiativen im Bundesrat starten bzw. voranbringen? b) Werden diese inhaltlich aussehen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 11.07.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz sowie dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz wie folgt beantwortet: Vorbemerkung zum Vorspann der Fragestellung: Die Insolvenzordnung (InsO) sieht in diversen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung von Vorgängen des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens sowie der Entscheidungen des Insolvenzgerichts vor. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt dabei nach § 9 Abs. 1 Satz 1 InsO durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung, die über das Internetportal www. insolvenzbekanntmachungen.de durchgeführt wird. Durch die öffentliche Bekanntmachung soll der unbestimmten Zahl von Personen, die durch das Insolvenzverfahren betroffen sein können, ermöglicht werden, sich an dem Verfahren zu beteiligen und ihre Rechte wahrzunehmen. Ist das Verfahren abgeschlossen oder steht fest, dass es nicht eröffnet werden wird, besteht entsprechend dieser Zielsetzung nach einer Übergangszeit kein Bedürfnis mehr dafür, die Information noch länger öffentlich bereitzuhalten. Daher sieht die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erlassene Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (Ins- BekV) in § 3 vor, dass die Veröffentlichung von Daten aus einem Insolvenzverfahren einschließlich des Eröffnungsverfahrens spätestens sechs Monate nach der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens zu löschen ist. Wird das Verfahren nicht eröffnet, beginnt die Frist mit der Aufhebung der veröffentlichten Sicherungsmaßnahmen . Veröffentlichungen im Restschuldbefreiungsverfahren werden sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung gelöscht. Wirtschaftsauskunfteien sammeln demgegenüber Informationen über Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren nicht zu dem Zweck, eine Verfahrensbeteiligung zu ermöglichen, sondern um dem Rechtsverkehr zur Absicherung gegen Zahlungsausfälle und damit im Gesamtinteresse angemessener Verbraucherpreise verlässliche Informationen über die Bonität und wirtschaftliche Zuverlässigkeit einer Person anbieten zu können. Unter Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Ausgangspunkte sind bereits mehrere obergerichtliche Entscheidungen zur Restschuldbefreiung ergangen. Nach der Rechtsprechung ist es gerade nicht Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung, dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen kann, als ob es das Insolvenzverfahren gar nicht gegeben hätte. Der von der Restschuld Befreite kann gerade nicht verlangen, einer Person gleichgestellt zu werden, die niemals von einer Insolvenz betroffen war. Ein solches Interesse ist nicht schutzwürdig und kann deshalb Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17777 auch nicht das Interesse von zukünftigen Geschäftspartnern an der Überprüfung der Kreditwürdigkeit ihrer Schuldner überwiegen (OLG Karlsruhe, U. v. 01.03.2016 – 12 U 32/16). Bei potentiellen Vertragspartnern soll nicht der Eindruck erweckt werden, das finanzielle Gebaren einer Person sei in der Vergangenheit nicht zu beanstanden gewesen (KG, U.v. 07.02.2013 – 10 U 118/12). Maßgeblicher Gesichtspunkt ist dabei, dass der Schuldner nachweislich über Jahre hinweg nicht in der Lage war, die bestehenden Insolvenzverbindlichkeiten vollständig auszugleichen, sondern die Möglichkeit der Restschuldbefreiung in Anspruch genommen hat. Die Restschuldbefreiung bedeutet einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil für den Schuldner, während die Gläubiger oft erhebliche Einbußen erleiden. Teilnehmer des Wirtschaftsverkehrs haben daher ein erhebliches und als schützenswert anzuerkennendes Interesse an der Einschätzung einer etwaigen Wiederholungsgefahr. Der Umstand, dass dem Schuldner durch die Speicherung der Restschuldbefreiung nicht in unbeschränktem Maße der Weg zu jeder Art von neuen Verträgen eröffnet wird, ist insoweit, so die Rechtsprechung, hinzunehmen (OLG Frankfurt a.M., B.v. 22.10.2012 – 4 U 190/11). 1. a) Sieht die Bayerische Staatsregierung hier einen Wertungswiderspruch zwischen dem Insolvenzrecht und der nach 6 Monaten vorgesehenen Streichung der Eintragung und dem Bundesdatenschutzgesetz mit den möglichen Eintragungen für drei Kalenderjahre? Die Staatsregierung sieht in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung keinen Wertungswiderspruch zwischen § 3 InsBekV (Sechsmonatsfrist) und § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG (Frist von über drei, aber unter vier Jahren). Die beiden Regelungen haben – wie bereits in der Vorbemerkung dargestellt – grundlegend unterschiedliche Zielrichtungen. Daher betreffen die Regelungen der Ins- BekV allein die Festlegung der Grundsätze für öffentliche Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren, nicht jedoch der Festlegung einer von § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG abweichenden Löschungsfrist für die Mitteilung über die Erteilung von Restschuldbefreiungen. Die insoweit deutlich kürzere Frist der InsBekV ist auch wegen der deutlich höheren Eingriffsintensität einer amtlichen Veröffentlichung gerechtfertigt . Während eine Bonitätsauskunft an Dritte nur bei Darlegung eines berechtigten Interesses und zudem gegen Entgelt erfolgt, ist die Einsicht in die Insolvenzbekanntmachungen jedermann kostenfrei und ohne größeren Aufwand durch Internetabruf möglich. Damit ist die Eingriffsintensität der Speicherung und Veröffentlichung nach den unterschiedlichen Rechtsvorschriften nicht im Ansatz vergleichbar (OLG Karlsruhe, U.v. 01.03.2016 – 12 U 32/16; ebenso KG, U. v. 07.02.2013 – 10 U 118/12). Unabhängig von der Frage nach einem vorliegenden Wertungswiderspruch gibt auch die Länge der Frist des § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG den Gerichten keinen Anlass zu Beanstandungen (OLG Frankfurt a. M., B.v. 22.10.2012 – 4 U 190/11). b) Beziehungsweise warum hält sie diese Regelung für richtig? Auf die Antwort zu Frage 1 a wird verwiesen. 2. Welchen Handlungsbedarf sieht die Staatsregierung gegebenenfalls, diesen Wertungswiderspruch auflösen bzw. generelle Änderungen im Bereich InsoBekV vs. BDSG bezüglich der Löschung der Daten zu initiieren? Die Staatsregierung sieht ebenso wie die obergerichtliche Rechtsprechung keinen Wertungswiderspruch zwischen § 3 InsBekV und § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass mit Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ab 25.05.2018 und mit dem an die Datenschutz-Grundverordnung angepassten Bundesdatenschutzgesetz keine unmittelbar aus dem Gesetz bzw. der Verordnung ableitbare starre Frist mehr gilt. Die zulässige Speicherdauer ist damit künftig im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs.1 Buchst. f DSGVO zu bestimmen. Die zuständige unabhängige Aufsichtsbehörde, das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA), teilte auf Nachfrage mit, dass es die geltende dreijährige Löschfrist auch unter Geltung der DSGVO für sachgerecht halte und allenfalls anstrebe, ihren Ablauf künftig taggenau berechnen zu lassen. Ob die Praxis der Auskunfteien und etwaige Vereinbarungen mit den unabhängigen Datenschutzbehörden diese Überlegungen des BayLDA unter Geltung der DSGVO aufgreifen werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls aus Sicht des Verbraucherschutzes wäre dabei eine angemessene Berücksichtigung des Interesses des Betroffenen an einem wirtschaftlichen Neubeginn nach Abschluss eines Verbraucherinsolvenzverfahrens wünschenswert. 3. Welche Maßnahmen wird die Staatsregierung gegebenenfalls veranlassen, um dem ehemaligen Schuldner die Möglichkeit zu geben, nach der Restschuldbefreiung zeitnah wieder am Wirtschaftsleben teilzunehmen zu können und nicht durch z. B. einen Schufa-Eintrag über weitere Jahre eingeschränkt zu werden? Die Antwort entfällt aufgrund Antwort zu Frage 2. 4. a) Wird die Staatsregierung entsprechende Initiativen im Bundesrat starten bzw. voranbringen? Die Antwort entfällt aufgrund Antwort zu Frage 2. b) Werden diese inhaltlich aussehen? Die Antwort entfällt aufgrund Antwort zu Frage 2.