Schriftliche Anfrage des/r Abgeordneten Thomas Gehring BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 23.05.2017 Reichsbürger im Allgäu Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist der Staatsregierung die offensichtliche Häufung der Kongresse und Veranstaltungen der sog. Reichsbürger im Allgäu bekannt? 2. Wann und in welcher Form ist das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) über die Kongresse und Veranstaltungen der Reichsbürger im Allgäu informiert worden? 3. Wie bewertet die Staatsregierung diese Veranstaltungen und Kongresse der sog. Reichsbürger hinsichtlich deren Häufung, Inhalte, politischer Ausrichtung, Zahl und Herkunft der Teilnehmer sowie der Wirkung in die Region? 4. Wurden (in der Vergangenheit) und werden (aktuell) diese Veranstaltungen im Allgäu und deren jeweiligen Initiatoren vom Verfassungsschutz beobachtet? 5. Wie bewertet die Staatsregierung die vergleichsweise hohe Zahl der Anträge auf den sog. Gelben Schein (Staatsangehörigkeitsausweis) im Landkreis Oberallgäu, insbesondere die Zunahme der Anzahl der Anträge von 41 in 2015 auf 104 in 2016? 6. Ist die Staatsregierung bzgl. dieser Zunahme vom Landratsamt Oberallgäu informiert worden? 7. Welche Antragsgründe wurden für die Beantragung des sog. Gelben Scheines im Oberallgäu geltend gemacht und in wie vielen Fällen finden sich Formulierungen, die für Reichsbürger kennzeichnend sind, und in wie vielen Fällen aus 2015 und 2016 hat sich bestätigt, dass die Antragsteller/-innen im Landkreis Oberallgäu „Reichsbürger “ sind? 8. Wie schätzt die Staatsregierung die Aktivitäten der Reichsbürger ein, ordnet sie diese dem rechtsextremistischen Spektrum zu und welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen zwischen der Reichsbürgerbewegung im Allgäu und anderen Akteuren der rechtsextremen und rechtspopulistischen Szene in Bayern? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17.07.2017 1. Ist der Staatsregierung die offensichtliche Häufung der Kongresse und Veranstaltungen der sog. Reichsbürger im Allgäu bekannt? Die örtlich zuständigen Polizeidienststellen erhielten Hinweise zu folgenden Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Reichsbürgerbewegung: An folgenden Tagen fanden in Betzigau sog. „All-Stern- Kongresse“ statt: – 01.11.2014 – 04.04.2015 – 03.10.2015 – 02.04.2016 – 05.11.2016 Themenschwerpunkte der „All-Stern-Kongresse“ sind nach Einschätzung des Polizeipräsidiums (PP) Schwaben Süd/ West lediglich Verschwörungstheorien und Esoterik, allerdings nahmen an den Veranstaltungen auch bekannte Aktivisten der Reichsbürgerbewegung teil. Am 21.02.2016 fand eine Veranstaltung mit einem Redner , der der Reichsbürgerbewegung zugerechnet wird, im Gemeindesaal in Bolsterlang statt. Anfang April wurde bekannt, dass am 15.04.2017 in Immenstadt eine Veranstaltung mit einem bekannten Reichsbürgeraktivisten stattfinden sollte. Der Wirt der Veranstaltungsgaststätte sagte jedoch die Veranstaltung ab. Am Abend des 15.04.2017 wurde dann bekannt, dass der Reichsbürgeraktivist seinen Vortrag in einer Gaststätte in Probstried abgehalten hatte. Am 01. und 02.07.2017 fand in Wildpoldsried eine Veranstaltung mit Bezügen zur Reichsbürgerbewegung statt. Aus diesen Feststellungen lässt sich aber kein Rückschluss auf eine offensichtliche Häufung derartiger Veranstaltungen im Allgäu ziehen, weil keine belastbaren Vergleichszahlen für andere bayerische Regionen vorliegen. 2. Wann und in welcher Form ist das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) über die Kongresse und Veranstaltungen der Reichsbürger im Allgäu informiert worden? Am 17.03.2017 informierte das PP Schwaben Süd/West das StMI über eine Veranstaltung mit „Reichsbürgerbezug“, die bereits im Frühjahr 2016 in der Gemeinde Bolsterlang stattfand . Am 06.04.2017 wurden dem StMI mittels eines IVS- Berichtes (Informationsaustausch in Angelegenheiten des Staatsschutzes) Erkenntnisse über eine Veranstaltung mit „Reichsbürgerbezug“, die am 15.04.2017 in 87509 Immenstadt i. Allgäu stattfinden sollte, mitgeteilt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.10.2017 17/17953 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17953 3. Wie bewertet die Staatsregierung diese Veranstaltungen und Kongresse der sog. Reichsbürger hinsichtlich deren Häufung, Inhalte, politischer Ausrichtung, Zahl und Herkunft der Teilnehmer sowie der Wirkung in die Region? Nach Erkenntnissen der bayerischen Sicherheitsbehörden finden diese Veranstaltungen kaum Interesse und können als Einzelaktionen ohne Breitenwirkung bezeichnet werden. Lediglich eine Veranstaltung am 21.02.2016 in Bolsterlang , die u. a. von der Bürgermeisterin und vier Gemeinderäten besucht wurde, erlangte größere Außenwirkung. Inhaltlich überwiegen bei den Treffen verschwörungstheoretische und revisionistische Themenkomplexe. Zudem dienen sie dem Erfahrungsaustausch und der gegenseitigen Unterstützung im Umgang mit Behörden bzw. deren Vertretern (z. B. bei der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises , Umgang mit Gerichtsvollziehern). 4. Wurden (in der Vergangenheit) und werden (aktuell) diese Veranstaltungen im Allgäu und deren jeweiligen Initiatoren vom Verfassungsschutz beobachtet? Die Reichsbürgerbewegung ist seit dem 26.10.2016 Sammelbeobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV). Das BayLfV ist dabei, die Szene in Bayern und damit auch im Allgäu mithilfe nachrichtendienstlicher Mittel aufzuklären. 5. Wie bewertet die Staatsregierung die vergleichsweise hohe Zahl der Anträge auf den sog. Gelben Schein (Staatsangehörigkeitsausweis) im Landkreis Oberallgäu , insbesondere die Zunahme der Anzahl der Anträge von 41 in 2015 auf 104 in 2016? Nähere Erkenntnisse zum Zustandekommen einzelner hoher Werte und signifikanter Steigerungen liegen der Staatsregierung nicht vor. Eine Bewertung wäre daher zum jetzigen Zeitpunkt rein spekulativ. 6. Ist die Staatsregierung bzgl. dieser Zunahme vom Landratsamt Oberallgäu informiert worden? Das Landratsamt Oberallgäu hat im März 2017 das StMI über die Zunahme der Anträge auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises im Landkreis informiert. 7. Welche Antragsgründe wurden für die Beantragung des sog. Gelben Scheines im Oberallgäu geltend gemacht und in wie vielen Fällen finden sich Formulierungen , die für Reichsbürger kennzeichnend sind, und in wie vielen Fällen aus 2015 und 2016 hat sich bestätigt, dass die Antragsteller/-innen im Landkreis Oberallgäu „Reichsbürger“ sind? Dem PP Schwaben Süd/West wurden mit Stand vom 31.05.2017 insgesamt 116 Fälle bekannt, in denen im Landkreis Oberallgäu sog. „Gelbe Scheine“ nach RuStAG (Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.07.1913) beantragt wurden und bei denen aufgrund der Angaben im Antrag der Verdacht bestand, dass die Antragsteller der Reichsbürger-/Selbstverwalterbewegung nahestehen. Davon konnten durch das PP Schwaben Süd/West 31 Personen tatsächlich als Reichsbürger/Selbstverwalter identifiziert werden. In sieben Fällen bestätigte sich der Verdacht auf eine Zugehörigkeit zur Reichsbürger-/Selbstverwalterbewegung nicht. Die weiteren 78 Fälle werden derzeit überprüft. 8. Wie schätzt die Staatsregierung die Aktivitäten der Reichsbürger ein, ordnet sie diese dem rechtsextremistischen Spektrum zu und welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen zwischen der Reichsbürgerbewegung im Allgäu und anderen Akteuren der rechtsextremen und rechtspopulistischen Szene in Bayern? Die Reichsbürgerbewegung wird von der Staatsregierung als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Einzelne Gruppierungen wie die „Exil-Regierung Deutsches Reich“ oder die „Deutsches Reich Kaiserreich Exilregierung “ werden dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zugeordnet. Dem BayLfV liegen derzeit keine Erkenntnisse über strukturierte Verbindungen der Reichsbürgerbewegung im Allgäu zu rechtsextremen oder rechtspopulistischen Gruppierungen oder Einzelpersonen vor. Einzelne Verbindungen können jedoch nicht ausgeschlossen werden.