Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Ritter SPD vom 28.03.2017 Abschluss der Ermittlungen zum Anschlag im Umfeld des Münchner Olympia-Einkaufszentrums am 22.07.2016 – Erkenntnisse der Strafermittlungsbehörden – 1 Nach Abschluss der Ermittlungen zum Amoklauf von David S. im Bereich des Münchner Olympia-Einkaufszentrums (OEZ) am 22.07.2016, dem 5. Jahrestag des Anschlags auf die Stadt Oslo und das Ferienzeltlager auf der Insel Utoya, frage ich die Staatsregierung: 1. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu den von David S. entwickelten Vernichtungsfantasien, von denen in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017 die Rede war? b) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die von David S. entwickelte Faszination für die Anschläge von Anders Breivik, von der in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017 die Rede war? c) Welche Publikationen hat sich David S. seit dem 22.07.2011 (Tag des Terroranschlags in Oslo und Utoya ) beschafft? 2. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zur fremdenfeindlichen Einstellung des Täters David S., von der in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017 die Rede war (bitte um Kurzbeschreibung der bekannt gewordenen Handlung oder Äußerung)? b) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die von David S. verwendeten nationalsozialistischen Parolen und Symbole, von denen in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017 die Rede war (bitte um Kurzbeschreibung der bekannt gewordenen Handlung oder Äußerung)? c) Welche Aussagen von David S., die er vor und während der Tat getätigt hat, führten zur Bewertung als nicht politisch motivierte Tat (vergleiche Aussagen in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017)? 3. a) Welche Informationen liegen der Staatsregierung hinsichtlich des chronologischen Tathergangs vor, unter besonderer Berücksichtigung der Auswahl der einzelnen Opfer, auf die David S. geschossen hat? b) Wie erklärt sich die Staatsregierung den Widerspruch während der Pressekonferenz zwischen den Aussagen von Staatsanwalt K., David S. hätte bei der Tat die einzelnen Opfer nicht gezielt ausgewählt (obwohl er eine bestimmte Gruppe treffen wollte), und den Ausführungen des Leiters der Sonderkommission, David S. hätte das Feuer auf eine Gruppe eröffnet, die in das ausgeführte Muster (i. e. Feindbild) gepasst hätten? c) Welcher Zusammenhang müsste aus Sicht der Staatsregierung zwischen Feindbild und konkreter Opferauswahl bestehen, um von einer politisch motivierten Tat zu sprechen? 4. a) Welche Experten mit welcher fachlichen Qualifikation waren an der Einordnung der Tat als nicht politisch motiviert beteiligt? b) Fiel die Entscheidung einstimmig aus oder gab es in der Frage abweichende Meinungen? c) Falls abweichende Einschätzungen geäußert wurden, welcher Art waren diese? 5. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die von David S. über einen längeren Zeitraum entwickelten Pläne zur Tat einschließlich der konkreten Vorbereitungshandlungen (bitte chronologisch aufschlüsseln )? b) Suchte David S. seit dem 22.07.2011, dem Tag des Terroranschlags in Oslo und Utoya, Anschluss an Parteien oder Organisationen? c) Wenn ja, an welche (bitte chronologisch aufschlüsseln )? 6. a) Hat David S. ein Manifest, eine Erklärung oder einen Abschiedsbrief hinterlassen? b) Wie bewertet die Staatsregierung den Inhalt ideologisch ? 7. Falls David S. eine entsprechende Erklärung hinterlassen hat, auf welche Quellen bezog er sich? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17.07.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu den von David S. entwickelten Vernichtungsfantasien , von denen in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017 die Rede war? David S. litt bereits seit frühester Kindheit unter teils massiven psychischen Störungen. Das durch Mitschüler zu Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.09.2017 17/17957 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17957 seinem Nachteil ausgeübte Mobbing zwischen der 5. und 8. Jahrgangsstufe verstärkte seine krankheitsbedingt negativen Lebenseinstellungen. Er entwickelte offenbar eine posttraumatische Belastungsstörung, die ihn zeitweise in große Angstzustände versetzte. David S. projizierte seinen gegenüber den für das Mobbing verantwortlichen Mitschülern empfundenen tiefen Hass mit der Zeit auf Personen, die diesen Mobbern in Alter , Herkunft, Aussehen und Lebensstil ähnlich waren. So entwickelte er eine tiefe Abneigung gegen Jugendliche und Heranwachsende mit Migrationshintergrund, vor allem mit türkischen oder albanischen Wurzeln. Gegen diese Gruppe von Jugendlichen lebte er vor allem im Internet, auf sogenannten „Teamspeak-Servern“, seinen Hass virtuell aus. David S. schuf sich ein irrationales Weltbild . Darin hatte er beispielsweise die Vorstellung, dass die von ihm gehassten Personen mit einem Virus infiziert seien und er sie deshalb vernichten müsse. In Bezug auf die Inhalte des auf einer Festplatte des Täters gesicherten Dokumentes „Mein Manifest.docx“ wird auf die Antwort zu Frage 6 a verwiesen. b) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die von David S. entwickelte Faszination für die Anschläge von Anders Breivik, von der in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017 die Rede war? Mehreren Aussagen nach habe David S. den norwegischen Attentäter Anders Breivik verehrt. Dieser sei eine Art Vorbild für ihn gewesen. Ob sich dies allein auf die mörderischen Handlungen oder auch auf die politische Einstellung des als rechtsextremistisch und islamfeindlich eingestuften Attentäters Breivik bezog, konnte im Rahmen der Ermittlungen nicht abschließend geklärt werden. Es kann nur vermutet werden, dass David S. für seine Tat gezielt den Jahrestag des Breivik-Attentats ausgewählt hat, konkrete Belege hierfür erbrachten die Ermittlungen nicht. David S. hatte neben einer Affinität zu Anders Breivik auch eine solche zu anderen Amokläufern, so z. B. zu dem Amokläufer von Emsdetten (2006), dem Amokläufer von Winnenden (2009) und zu den beiden Tätern des Amoklaufs an der Columbine High School in Littleton/Colorado in den USA (1999). c) Welche Publikationen hat sich David S. seit dem 22.07.2011 (Tag des Terroranschlags in Oslo und Utoya) beschafft? Es ist trotz akribischer Ermittlungen nicht möglich, eine abschließende Aussage darüber zu treffen, welche Publikationen sich David S. seit dem 22.07.2011 beschafft haben könnte. Im Rahmen einer Durchsuchung nach der Tat wurden in der Wohnung des David S. jedoch folgende Bücher sichergestellt : – „München, Weltstadt im Blick“, – „Amok im Kopf – Warum Schüler töten“ von Peter Langmann , Beltz-Verlag, – „Der Neonazi“, Roman von Damaris Kofmehl. Sichergestellt werden konnten auch Zeitungsauschnitte der tz München mit Artikeln betreffend das „Drogenzentrum Hauptbahnhof“, mit Berichten über eine Vergewaltigung in Mühldorf am Inn sowie über ein vermisstes Mädchen im Raum Peiting. Des Weiteren wurde eine DVD mit dem Titel „Ich bin mir Gruppe genug – Einblicke in die Lebenswelt junger Menschen mit Asperger-Syndrom“ des Medienprojekts Wuppertal e.V. aufgefunden. 2. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zur fremdenfeindlichen Einstellung des Täters David S., von der in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017 die Rede war (bitte um Kurzbeschreibung der bekannt gewordenen Handlung oder Äußerung)? Zur Beantwortung der Fragestellung wird zunächst auf die Antwort zu Frage 1 a verwiesen. Darüber hinaus konnte im Zuge der Ermittlungen geklärt werden, dass sich David S. online mehrfach fremdenfeindlich und rassistisch äußerte, wobei er sich auch in Hasstiraden und Wutausbrüche hineinsteigerte. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 2 b verwiesen. b) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die von David S. verwendeten nationalsozialistischen Parolen und Symbole, von denen in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017 die Rede war (bitte um Kurzbeschreibung der bekannt gewordenen Handlung oder Äußerung)? Im Zuge der Ermittlungen der polizeilichen Sonderkommission OEZ wurde bekannt, dass David S. im Rahmen eines stationären Aufenthaltes in einer psychiatrischen Abteilung des Klinikums Harlaching im Jahre 2015 offenbar einige Mitpatienten mit nationalsozialistischen Symbolen und Phrasen provozierte. So soll er mehrmals Hakenkreuze auf seinen Malblock geschmiert und einmal den „Hitler-Gruß“ gegenüber einer Mitpatientin gezeigt und „Sieg Heil“ gesagt haben . Nach Zeugenaussagen wurde David S. daraufhin gefragt, ob er ein Nazi sei, was dieser verneint haben soll. Er gab jedoch an, „manche Sachen gut [zu] finde[n], die Hitler gemacht hat“. Im Rahmen der Therapie wurde über eine mögliche rechtsradikale Neigung von David S. gesprochen, was letztendlich jedoch verneint wurde. Die beschriebenen Vorfälle im Klinikum Harlaching wurden seinerzeit nicht gegenüber der Polizei angezeigt. Hierzu existieren keine entsprechenden polizeilichen Vorgänge. c) Welche Aussagen von David S., die er vor und während der Tat getätigt hat, führten zur Bewertung als nicht politisch motivierte Tat (vergleiche Aussagen in der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am 17.03.2017)? Die Ermittlungen befassten sich zentral mit der Frage, was den Täter zu der Tat veranlasst haben könnte. Dazu wurden die Ermittlungsergebnisse der Sonderkommission (SOKO) OEZ des Landeskriminalamts in enger Abstimmung mit der sachleitenden Staatsanwaltschaft München I von der Operativen Fallanalyse (OFA) Bayern, der Abteilung Kriminalpolizeilicher Staatsschutz des Landeskriminalamts und des Landesamts für Verfassungsschutz bewertet. Bei der Beurteilung des Tatmotivs von David S. wurden von den Ermittlungsbehörden, neben den bekannt gewordenen Aussagen des Täters während der Tatausführung, eine Vielzahl von Aspekten berücksichtigt. Die laut Zeugenaussagen gefallenen Äußerungen wie „Selber schuld, die haben mich gemobbt“ oder „Wegen Euch musste ich sieben Jahre in Deutschland leiden“ trugen allenfalls zu dieser Bewertung bei. Polizei und Staatsanwaltschaft kamen letztlich überein- Drucksache 17/17957 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 stimmend zu der Bewertung, dass nicht eine politische Motivation tatauslösend war, sondern in der Gesamtbetrachtung die Auswahl der Opfer durch den Täter dem persönlichen, aber verallgemeinerten Feindbild der ehemaligen Mobber geschuldet sein dürfte. 3. a) Welche Informationen liegen der Staatsregierung hinsichtlich des chronologischen Tathergangs vor, unter besonderer Berücksichtigung der Auswahl der einzelnen Opfer, auf die David S. geschossen hat? Zur Beantwortung der Fragestellung wird zunächst auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 2.2 der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Katharina Schulze vom 03.04.2017 „Amoklauf am OEZ in München: Weiterhin viele offene Fragen zum rassistischen Motiv des Täters“ (Drs. 17/17018) verwiesen. Darüber hinaus können zum chronologischen Ablauf der Ereignisse vom 22.07.2016 folgende Angaben gemacht werden: Am 21. und 22.07.2016 postete David S. über einen von ihm extra eingerichteten Facebook-Account vier Einladungen , in denen er aufforderte, am Tattag um 16.00 Uhr in den McDonald’s Hanauer Straße zu kommen („kommt zum Meggi OEZ“). Dieser Aufforderung kam jedoch offenbar keiner der Angeschriebenen nach. David S. selbst verließ am 22.07. kurz vor 16.00 Uhr die elterliche Wohnung und fuhr mit seinem Fahrrad zu diesem Schnellrestaurant. Dort traf er seinen 16-jährigen Freund Samer R., mit dem er sich zuvor dort verabredet hatte. Kurz nach 17.00 Uhr trennten sich die beiden am dortigen U- Bahnabgang wieder. Ab 17.08 Uhr hielt sich David S. im McDonald‘s, Hanauer Str. 68, auf. Er verließ ihn bis zur Tatausführung lediglich einmal kurz für fünf Minuten. Um 17.50 Uhr begab er sich auf die Toilette im 1. Obergeschoss, wo er aus seinem Rucksack eine Pistole vom Typ „Glock 17“ holte. Um 17.51 Uhr verließ der Täter die Toilette und ging direkt zu einer Sitznische im 1. OG, in der eine Gruppe Jugendlicher saß. Hier schoss er unvermittelt direkt auf sechs Jugendliche und tötete dabei zwei 15-jährige und einen 14-jährigen Jungen sowie zwei 14-jährige Mädchen. Ein 13-Jähriger, der ebenfalls zu der Gruppe gehörte, überlebte mit lebensgefährlichen Schussverletzungen. Nur eine Minute später verließ der Täter das Schnellrestaurant wieder über den Haupteingang und schoss in Richtung des dortigen Elektromarktes. Mehrere Menschen flüchteten panikartig, woraufhin der Täter gezielt in Richtung der Fliehenden und auf zwei im Einfahrtsbereich wartende Fahrzeuge feuerte. Unmittelbar vor der Einfahrt zur dortigen Tiefgarage traf ein Schuss einen 17-Jährigen tödlich, ein weiterer Schuss verletzte einen 27-Jährigen schwer. Wenige Meter entfernt wurde eine 45-jährige Frau tödlich getroffen und ein 60-jähriger Mann durch einen Beinschuss schwer verletzt. Eine 44-jährige Frau, die mit ihren drei Kindern unterwegs war, erlitt Schussverletzungen an beiden Unterschenkeln, konnte aber mit ihren Kindern in den Elektromarkt fliehen. In der Nähe des U-Bahnabganges Olympia-Einkaufszentrum wurde ein 19-Jähriger durch Schüsse tödlich getroffen. Der Täter überquerte nun die Hanauer Straße und betrat über den Haupteingang das Einkaufszentrum. Dort erschoss er um 17.54 Uhr in der Nähe der Rolltreppen sein letztes Opfer, einen 20-Jährigen. Daraufhin benutzte der Täter einen Durchgang und verließ das OEZ über eine überdachte Brücke in das angrenzende Parkhaus. Auf dieser Brücke gab er Schüsse in Richtung des Parkdecks und einer Passantin ab, im Parkhaus beschoss er zwei unbesetzte Pkw. Hierbei wurde niemand verletzt. Um 17.59 Uhr ging er über die Auffahrtsrampe auf das oberste Parkdeck. Dort führte er ein Streitgespräch mit einem Anwohner, der sich auf seinem Balkon eines Hochhauses in der Riesstraße aufhielt. Während des Gesprächs gab der Täter zwei Schüsse in dessen Richtung ab, wodurch ein anderer Anwohner, der sich ebenfalls auf seinem Balkon befand, durch Geschosssplitter am Rücken verletzt wurde. Anschließend gab der Täter noch einmal drei Schüsse in Richtung OEZ und eines Mitarbeiters ab, ohne jemanden zu verletzen. Um 18.04 Uhr erkannten Polizeibeamte von einem Außenbalkon des Einkaufszentrums aus den Täter. Ein Beamter gab mit seiner Maschinenpistole einen Schuss auf den Täter ab, verfehlte ihn jedoch. Daraufhin flüchtete der Täter über eine Nottreppe vom Parkdeck und verlor dabei seine beiden mitgeführten Mobiltelefone. David S. lief dann über die Riesstraße und versteckte sich zunächst vermutlich in einem Gebüsch bei der dortigen Grünanlage , bevor er sich in ein Haus in der Henckystraße begab. Der Amokläufer hielt sich hier längere Zeit im Treppenhaus auf und hatte dabei auch Kontakt zu Bewohnern. Vermutlich über die Tiefgarage gelangte er zu einem Fahrradabstellraum, in dem er sich über einen längeren Zeitraum versteckte. Er verließ diesen erst gegen 20.26 Uhr und ging über die Treppe nach oben und traf hier auf Polizeibeamte. Er wurde mehrfach durch die Polizeibeamten aufgefordert, seine Waffe abzulegen, bevor er sich selbst erschoss. b) Wie erklärt sich die Staatsregierung den Widerspruch während der Pressekonferenz zwischen den Aussagen von Staatsanwalt K., David S. hätte bei der Tat die einzelnen Opfer nicht gezielt ausgewählt (obwohl er eine bestimmte Gruppe treffen wollt) und den Ausführungen des Leiters der Sonderkommission , David S. hätte das Feuer auf eine Gruppe eröffnet, die in das ausgeführte Muster (i. e. Feindbild) gepasst hätten? Hier liegt kein Widerspruch vor. Wie die Ermittlungen ergaben, kannten sich Täter und Opfer nicht persönlich. Der Täter David S. hat daher keines der Opfer als Person gezielt ausgewählt. Keines der Opfer war aufgrund der Facebook-Einladung des Täters vor Ort, sondern aus anderen, aus Sicht des Täters rein zufälligen Gründen. Insofern kann man an dieser Stelle von Zufallsopfern sprechen. Jedoch hatte David S. wohl ein „Opferschema“, nämlich das von Personen, die vom Erscheinungsbild dem Typus seiner Mobber entsprachen. Nach diesem Schema ist er, zumindest zu Beginn des Amoklaufs, offenbar vorgegangen. Ob die weiteren Tötungshandlungen des David S. planmäßig , das heißt die Opferauswahl gezielt oder willkürlich war, konnte im Nachhinein nicht mehr belegbar festgestellt werden . c) Welcher Zusammenhang müsste aus Sicht der Staatsregierung zwischen Feindbild und konkreter Opferauswahl bestehen, um von einer politisch motivierten Tat zu sprechen? Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17957 Zur Beantwortung der Fragestellung wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 6 der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Katharina Schulze vom 03.04.2017 „Amoklauf am OEZ in München: Weiterhin viele offene Fragen zum rassistischen Motiv des Täters“ (Drs. 17/17018) verwiesen. 4. a) Welche Experten mit welcher fachlichen Qualifikation waren an der Einordnung der Tat als nicht politisch motiviert beteiligt? In Bezug auf die an der Bewertung hinsichtlich des Tatmotivs beteiligten Stellen wird auf den ersten Absatz der Antwort zu Frage 2 c verwiesen. Zur Qualifikation der beteiligten Mitarbeiter ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei den an den Ermittlungen beteiligten Kriminalbeamten in der Regel um erfahrene kriminalpolizeiliche Ermittler gehandelt hat und die Bewertung hinsichtlich der Tatmotivation in enger Abstimmung mit der sachleitenden Staatsanwaltschaft erfolgte. Hier wurde auch die Abteilung Kriminalpolizeilicher Staatsschutz des Landeskriminalamtes , die über eine große Expertise im Bereich politisch motivierte Kriminalität verfügt, einbezogen. Weiterhin waren an der Bewertung des Tatmotivs auch Experten der Operativen Fallanalyse (OFA) Bayern, darunter auch ein Diplom-Psychologe, sowie des Landesamts für Verfassungsschutz beteiligt. b) Fiel die Entscheidung einstimmig aus oder gab es in der Frage abweichende Meinungen? c) Falls abweichende Einschätzungen geäußert wurden , welcher Art waren diese? Zur Beantwortung wird auf den letzten Absatz zu Antwort auf die Frage 2 c verwiesen. 5. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die von David S. über einen längeren Zeitraum entwickelten Pläne zur Tat einschließlich der konkreten Vorbereitungshandlungen (bitte chronologisch aufschlüsseln)? Im Rahmen der Ermittlungen konnten insbesondere folgende Vorbereitungshandlungen festgestellt werden: – Am 29.05.2015 registrierte sich David S. via Bit-Message mit dem Pseudonym „Maurächer“ im sog. Darknet-Forum „Deutschland im Deep Web“ (DiDW). – Kurz darauf erwarb er Bitcoins im Wert von ca. 2.300 €. Dies dürfte dem Vorhaben des Täters geschuldet gewesen sein, eine Waffe im Darknet zu erwerben. Er versuchte ca. 1 Jahr vergeblich, eine Waffe im Darknet zu erhalten. – Am 02.06.2015 und am 11.03.2016 suchte er die Gedenkstätte des Amoklaufs von Winnenden auf. – Mit Datum 24.07.2015 wurde die Datei „Mein Manifest. docx“ auf dem Rechner von David S. erstellt. In diesem Dokument finden sich Hinweise, die auf die Planung eines Amoklaufs hindeuten. – Im April 2016 recherchierte er an seinem PC über die Örtlichkeiten „Henckystraße“, „OEZ“, „Hanauer Straße“ und weitere mit Bezug zum Tatort. Im selben Zeitraum schaute er sich im Internet Filme über den Umgang mit der Waffe Glock 17 an. – Am 05.05.2016 legte David S. den Facebook-Account „Selina Akim“ an, mit welchem er später versuchte, bestimmte Personen an den Tatort zu locken. – Am 20.05.2016 erwarb er die Tatwaffe mit Munition bei Philipp K. in Marburg. – Am 25.05.2016 begann David S. mit Schießübungen im Keller seiner Wohnanlage. – Am 18.07.2016 erwarb er weitere Munition bei Philipp K. in Marburg. – Am 20.07.2016 erstellte er den sog. „Bastian-Chat“. Zudem wurde im Rahmen der Ermittlungen der SOKO OEZ durch Vernehmungen von Mitpatienten seines Aufenthaltes im Jahr 2015 im Klinikum Harlaching bekannt, dass er diesen gegenüber mehrfach geäußert habe, dass er nicht mehr mit seinem Namen, sondern mit „Amokläufer Z“ angesprochen werden wolle. Diese Aussagen von David S. wurden den Sicherheitsbehörden erst im Zuge der Ermittlungen nach dem Amoklauf bekannt. b) Suchte David S. seit dem 22.07.2011, dem Tag des Terroranschlags in Oslo und Utoya, Anschluss an Parteien oder Organisationen? c) Wenn ja, an welche (bitte chronologisch aufschlüsseln )? Die Ermittlungen ergaben keine Hinweise im Sinne der Fragestellung . 6. a) Hat David S. ein Manifest, eine Erklärung oder einem Abschiedsbrief hinterlassen? Im Rahmen der Auswertung einer nach der Tat in der elterlichen Wohnung von David S. sichergestellten Festplatte konnten zwei Dokumente im Sinne der Fragestellung aufgefunden werden. Zum einen wurde ein Dokument mit dem Dateinamen „Mein Manifest.docx“ festgestellt. Dieses zwei Textseiten umfassende Dokument datiert auf den 24.07.2015, also knapp 1 Jahr vor der Tat. Darüber hinaus wurde ein Dokument mit dem Dateinamen „Ich werde jetzt jeden Deutschen Türken auslöschen egal wer.docx“ gesichert . Dieses lediglich einen Satz beinhaltende Dokument wurde am Tattag erstellt, wohl kurz bevor David S. die Wohnung verließ und sich zum Tatort begab, und kann damit als letzte schriftliche Äußerung im Sinne eines Abschiedsbriefes angesehen werden. b) Wie bewertet die Staatsregierung den Inhalt ideologisch ? Eine isolierte ideologische Bewertung der Inhalte der Dokumente „Mein Manifest.docx“ und „Ich werde jetzt jeden Deutschen Türken auslöschen egal wer.docx“ erfolgte im Rahmen der Ermittlungen mangels Relevanz für das Ermittlungsverfahren nicht. In einer Gesamtschau mit anderen Aspekten fanden die Inhalte der beiden Dokumente bei den Ermittlungen zur Tatmotivation von David S. entsprechende Berücksichtigung. Diesbezüglich wird auf die oben stehenden Ausführungen in der Antwort zu Frage 1 a sowie auf die Antworten zu den Fragen 2.1, 2.3 und 4.1 der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Katharina Schulze vom 03.04.2017 „Amoklauf am OEZ in München: Weiterhin viele offene Fragen zum rassistischen Motiv des Täters“ (Drs. 17/17018) verwiesen. 7. Falls David S. eine entsprechende Erklärung hinterlassen hat, auf welche Quellen bezog er sich? Die Datei enthält keine Quellenangaben.