Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm vom 30.05.2017 Situation der Senegalesen in Bayern und Sammelvorführung am Flughafen München Über die Sammelanhörungen senegalesischer Flüchtlinge ab dem 08.05.2017 ist bislang bekannt, dass sie durch das Bundesministerium des Innern in Zusammenarbeit mit dem Bundespolizeipräsidium Potsdam organisiert wurden. Die Anhörung wurde durch eine senegalesische Expertendelegation durchgeführt, bestehend aus vier Personen, darunter zwei Personen aus dem Bereich der Migrationsbehörde sowie zwei Personen des senegalesischen Außenministeriums , so eine Auskunft des Innenministeriums. Begleitend waren bei den Anhörungen ein Vertreter der senegalesischen Botschaft Deutschland, eine Dolmetscherin, Vertreter der Bundespolizei sowie Vertreter der Zentralen Passbeschaffung Bayern anwesend. Die Sicherungs-/Kontrollmaßnahmen wurden durch die Landespolizei gewährleistet. Insgesamt wurden 133 Personen zur Anhörung geladen. Die Anhörung habe ausschließlich der Identitätsfeststellung gedient. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie viele Menschen wurden in den Jahren 2016 und 2017 jeweils in den Senegal und nach Ghana abgeschoben ? 1.2 Was waren jeweils die Abschiebegründe? 2.1 Wie viele Menschen sind in den Jahren 2016 und 2017 jeweils freiwillig in den Senegal und nach Ghana zurückgekehrt ? 2.2 Ist die Staatsregierung der Ansicht, auch nach den aktuellen Medienberichten, dass es allen derzeit in Europa geduldeten Senegalesen möglich sein wird, im Senegal erfolgreich eine Existenzgründung zu bewerkstelligen ? 3.1 Wie viele Menschen aus dem Senegal und aus Ghana leben jeweils derzeit in Bayern in Gemeinschaftsunterkünften , in Erstaufnahmeeinrichtungen, in den jeweiligen Rückkehreinrichtungen Manching und Bamberg oder befinden sich in Abschiebehaft? 3.2 Wie viele davon sind jeweils gestattet und geduldet? 3.3 Wie viele Menschen aus dem Senegal und aus Ghana besitzen Arbeitsvisa? 4.1 Wurden bei der Sammelanhörung vom 08. bis 11.05.2017 am Münchner Flughafen Fingerabdrücke genommen, Identitätsnachweise gefordert oder ausgestellt ? 4.2 War die Delegation offiziell vom senegalesischen Botschafter akkreditiert, wenn nicht, welche Legitimation hatten die Vertreter Senegals bei diesem Termin? 5.1 Welche Konsequenzen hat es, wenn vorgeladene Senegalesen aus den unterschiedlichen Gründen nicht an der Sammelanhörung teilnahmen? 5.2 Nach welchen Kriterien wurde von welcher Behörde die Liste der Geladenen erstellt? 5.3 Wie viele von den geladenen Senegalesen hatten eine förmliche beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Asylantragstellung vor dem 31.08.2015? 6.1 Wie viele Laissez-Faire-Papiere oder andere Identifikationspapiere wurden in Zusammenhang mit dieser Anhörung jeweils ausgestellt? 6.2 Sind weitere Sammelanhörungen geplant? 6.3 Wurden biometrische Daten vom Senegal aus zum Abgleich mit den BAMF-Daten angefragt? 7.1 Welche Konsequenzen hat es für vorgeladene Senegalesen , wenn sie bei der Anhörung zu Protokoll gaben , dass sie nicht freiwillig zurückkehren wollen? 7.2 Haben sie weiterhin die Möglichkeit, sich bei einer Rückkehrberatungsstelle beraten zu lassen? 7.3 Aus welchen Mitteln werden jeweils Rückkehrer und Rückkehrerinnen unterstützt? 8.1 Welche Vereinbarungen zur Entwicklungszusammenarbeit gibt es nach Kenntnis der Staatsregierung zwischen Deutschland bzw. Bayern und dem Senegal oder regionalen Gebietskörperschaften dort? 8.2 Waren Rückführungen nach Kenntnis der Staatsregierung konkrete Verhandlungsinhalte bei Gesprächen der Bundesregierung oder der Staatsregierung bei deren Besuchen im Senegal? 8.3 Gibt es nach Kenntnis der Staatsregierung Verhandlungen zu Rückführungen über andere europäische Länder? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.10.2017 17/17981 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17981 Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 24.07.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit der Staatskanzlei sowie dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1.1 Wie viele Menschen wurden in den Jahren 2016 und 2017 jeweils in den Senegal und nach Ghana abgeschoben? Die Anzahl der Personen, die in den Jahren 2016 und 2017 jeweils in den Senegal und nach Ghana in bayerischer Zuständigkeit abgeschoben wurden, lässt sich der nachstehenden Tabelle zum Stand 31.05.2017 entnehmen: Jahr Ghana Senegal 2016 4 8 2017 3 6 1.2 Was waren jeweils die Abschiebegründe? Die Gründe für die Abschiebungen aus Bayern waren: Abgelehnte Asylanträge, ausgewiesene Straftäter, Ausreisepflicht kraft Gesetzes. 2.1 Wie viele Menschen sind in den Jahren 2016 und 2017 jeweils freiwillig in den Senegal und nach Ghana zurückgekehrt? Im Jahr 2016 sind nach einer Auswertung des Ausländerzentralregisters (AZR) 500 Senegalesen (5 Ghanaer) mit einem gespeicherten Asylsachverhalt aus Bayern ins Ausland oder nach unbekannt fortgezogen. Im Jahr 2017 waren es zum Stichtag 30. Juni 471 Senegalesen (6 Ghanaer). Wie viele von ihnen in den Senegal bzw. nach Ghana zurückgekehrt sind, ist unbekannt. Nach Mitteilung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) reisten im Jahr 2016 23 Senegalesen (0 Ghanaer) unter Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Rückkehrförderprogramm REAG/GARP1(in den Senegal aus; im Jahr 2017 haben zum Stichtag 30. Juni 7 Senegalesen (0 Ghanaer) Anträge nach diesem Programm gestellt. 1 REAG Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany GARP Government Assisted Repatriation Programme 2.2 Ist die Staatsregierung der Ansicht, auch nach den aktuellen Medienberichten, dass es allen derzeit in Europa geduldeten Senegalesen möglich sein wird, im Senegal erfolgreich eine Existenzgründung zu bewerkstelligen? Der Staatsregierung ist es nicht möglich, zu potenziellen Existenzgründungen im Senegal und deren Erfolgschancen für alle derzeit in Europa geduldeten Senegalesen Aussagen zu treffen. Unabhängig davon, dass sich die Frage auf eine Einschätzung für die gesamte Europäische Union bezieht, wird darauf hingewiesen, dass es bei einer bestehenden bestands-/rechtskräftig festgestellten vollziehbaren Ausreisepflicht für deren Durchsetzung durch die Ausländerbehörden nicht mehr auf diese zielstaatsbezogenen Aspekte ankommt. Zum Engagement Deutschlands und Bayerns im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Senegal wird im Übrigen auf die nachstehende Antwort zu Frage 8.1 verwiesen. 3.1 Wie viele Menschen aus dem Senegal und aus Ghana leben jeweils derzeit in Bayern in Gemeinschaftsunterkünften , in Erstaufnahmeeinrichtungen , in den jeweiligen Rückkehreinrichtungen Manching und Bamberg oder befinden sich in Abschiebehaft ? Zum Stand 30.06.2017 lebten 100 Senegalesen (6 Ghanaer ) in bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen, 94 Senegalesen davon in der Aufnahme- und Rückführungseinrichtung Bamberg. 293 Senegalesen (24 Ghanaer) waren in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. 1.143 Senegalesen (40 Ghanaer) wurden darüber hinaus durch die bayerischen Kreisverwaltungsbehörden dezentral untergebracht . Zum Stand 30.06.2017 befanden sich drei Personen mit ghanaischer Staatsangehörigkeit und eine Person mit senegalesischer Staatsangehörigkeit in Abschiebungshaft. 3.2 Wie viele davon sind jeweils gestattet und geduldet ? Zum Stand 30.06.2017 befanden sich in Erstaufnahmeeinrichtungen 82 Senegalesen (4 Ghanaer) mit Aufenthaltsgestattung und 1 Senegalese (0 Ghanaer) mit Duldung. In staatlichen Gemeinschaftsunterkünften hielten sich 181 Senegalesen (15 Ghanaer) mit Aufenthaltsgestattung und 62 Senegalesen (5 Ghanaer) mit Duldung auf. Dezentral durch die Kreisverwaltungsbehörden waren 753 Senegalesen (31 Ghanaer) mit Aufenthaltsgestattung und 107 Senegalesen (2 Ghanaer) mit Duldung untergebracht. Die Angaben beruhen auf einer Auswertung des iMVS (integriertes Migrantenverwaltungssystem). In dieses werden die Angaben zu Duldungen manuell aus dem AZR übertragen , was zu zeitlichen Verzögerungen führt; die Angaben sind daher nur beschränkt belastbar. 3.3 Wie viele Menschen aus dem Senegal und aus Ghana besitzen Arbeitsvisa? Zu der Anzahl der senegalesischen bzw. ghanaischen Staatsangehörigen, die mit einem Visum zum Zweck der Erwerbstätigkeit nach Bayern eingereist sind und sich auf dieser Grundlage dort momentan aufhalten, liegen keine statistischen Daten vor. Für die Durchführung des Visumverfahrens sind die deutschen Auslandsvertretungen zuständig . 4.1 Wurden bei der Sammelanhörung vom 08. bis 11.05.2017 am Münchner Flughafen Fingerabdrücke genommen, Identitätsnachweise gefordert oder ausgestellt? Bei der Sammelanhörung wurden keine Fingerabdrücke genommen ; es wurden von der senegalesischen Delegation auch keine Identitätsnachweise ausgestellt. Zum Zwecke der Identitätsklärung wurden von der senegalesischen Delegation – soweit vorhanden – Identitätsnachweise gefordert. 4.2 War die Delegation offiziell vom senegalesischen Botschafter akkreditiert, wenn nicht, welche Legitimation hatten die Vertreter Senegals bei diesem Termin? Die senegalesische Delegation wurde von der Bundesrepublik Deutschland förmlich auf diplomatischem Weg eingeladen und durch die Regierung der Republik Senegal zur Durchführung der Anhörung offiziell entsandt. Drucksache 17/17981 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 5.1 Welche Konsequenzen hat es, wenn vorgeladene Senegalesen aus den unterschiedlichen Gründen nicht an der Sammelanhörung teilnahmen? Bei einem zu vertretenden Fernbleiben von der Sammelanhörung liegt grundsätzlich ein Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkungspflicht bei der Identitätsklärung vor. Konsequenzen eines Verstoßes können Leistungskürzungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sein. Darüber hinaus kann den Betroffenen bei Nichtbefolgung der Verpflichtung zur Vorsprache die zwangsweise Vorführung zu einem anderen Termin angedroht werden. 5.2 Nach welchen Kriterien wurde von welcher Behörde die Liste der Geladenen erstellt? Maßgeblich war, dass die betreffenden Personen vollziehbar ausreisepflichtig und die bisherigen Bemühungen zur Identitätsklärung durch die Ausländerbehörden erfolglos geblieben waren. Die Planungen erfolgten durch die Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern – „Zentrale Passbeschaffung Bayern“. 5.3 Wie viele von den geladenen Senegalesen hatten eine förmliche beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Asylantragstellung vor dem 31.08.2015? Von den 133 Personen, die in bayerischer Zuständigkeit für die betreffende „Sammelanhörung Senegal“ vorgesehen und geladen waren, hatten 124 Personen ihren Asylantrag vor dem 31.08.2015 gestellt. 6.1 Wie viele Laissez-Faire-Papiere oder andere Identifikationspapiere wurden in Zusammenhang mit dieser Anhörung jeweils ausgestellt? Zum Stand 30.06.2017 wurden bislang keine Heimreisescheine ausgestellt. 6.2 Sind weitere Sammelanhörungen geplant? Ja. 6.3 Wurden biometrische Daten vom Senegal aus zum Abgleich mit den BAMF-Daten angefragt? Nein. 7.1 Welche Konsequenzen hat es für vorgeladene Senegalesen , wenn sie bei der Anhörung zu Protokoll gaben, dass sie nicht freiwillig zurückkehren wollen ? Die Frage nach der Bereitschaft, freiwillig in den Senegal zurückkehren zu wollen, spielte bei den Anhörungen der vorgeladenen Senegalesen keine Rolle. 7.2 Haben sie weiterhin die Möglichkeit, sich bei einer Rückkehrberatungsstelle beraten zu lassen? Ja. 7.3 Aus welchen Mitteln werden jeweils Rückkehrer und Rückkehrerinnen unterstützt? Die freiwillige Rückkehr senegalesischer bzw. ghanaischer Staatsangehöriger kann bei Vorliegen der jeweiligen Fördervoraussetzungen durch die Mittel aus dem „REAG/GARP- Programm“, die Mittel aus dem neuen bundesgeförderten „Starthilfe-Plus-Programm“ sowie aus bayerischen Landesmitteln finanziell unterstützt werden. 8.1 Welche Vereinbarungen zur Entwicklungszusammenarbeit gibt es nach Kenntnis der Staatsregierung zwischen Deutschland bzw. Bayern und dem Senegal oder regionalen Gebietskörperschaften dort? Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Bayern finanzieren im Senegal das GIZ-Projekt2 „Réussir au Sénégal“ (Erfolgreich im Senegal ) mit einem Gesamtvolumen von 12 Mio. Euro. Inhaltliche Schwerpunkte des Projekts sind Beschäftigungsförderung und Erneuerbare Energien. Die bayerische Kofinanzierung konzentriert sich auf Maßnahmen in der Region Thiès und erfolgt im Rahmen des Sonderprogramms „Perspektiven für Flüchtlinge in ihren Heimatländern“, bei dem der Senegal ein Schwerpunktland bildet. 2 GIZ = Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit 8.2 Waren Rückführungen nach Kenntnis der Staatsregierung konkrete Verhandlungsinhalte bei Gesprächen der Bundesregierung oder der Staatsregierung bei deren Besuchen im Senegal? Senegal ist ein Kooperationsland mit fokussierter regionaler bzw. thematischer Zusammenarbeit der deutschen Entwicklungspolitik (d. h. ohne bilaterales Länderprogramm). Darum gibt es keine formalen Regierungsverhandlungen mit dem BMZ, anlässlich derer diese Thematik hätte angesprochen werden können. Staatsministerin Dr. Beate Merk hat bei ihrer Reise in den Senegal im März 2017 mit den dortigen Vertretern über die gesamte Bandbreite der bilateralen Beziehungen gesprochen . Neben den Schwerpunkten Entwicklungszusammenarbeit , Wirtschaftsbeziehungen und Bildungschancen umfasste dies auch Möglichkeiten zur verbesserten Zusammenarbeit in Migrationsfragen. 8.3 Gibt es nach Kenntnis der Staatsregierung Verhandlungen zu Rückführungen über andere europäische Länder? Verhandlungen zu Rückführungen über andere europäische Länder können nur von der Bundesregierung geführt werden . Die Staatsregierung hat hierzu keine Kenntnisse.