17. Wahlperiode 06.11.2017 17/17987 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Georg Rosenthal SPD vom 12.06.2017 Arbeitssituation in den Pflegeberufen und Ausmaß der Anwendung von Sedierungen Die Arbeitssituation von Pflegerinnen und Pflegern in Bayern ist Medienberichten zufolge weiterhin geprägt von Unterbesetzung und hohen Anstrengungen. Gerade in der Pflege von alten, dementen oder (hochgradig) behinderten Patienten bestehen für die Pflegekräfte besondere Herausforderungen . Wie aus dem Pflegereport 2017 der AOK hervorgeht, besteht Anlass zur Sorge, dass unter diesen Umständen restriktive Maßnahmen zur „Ruhigstellung“ wie bspw. Sedierungen unnötig häufig zum Einsatz kommen. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. Welche Strategie verfolgt die Staatsregierung in der Aufwertung und Verbesserung der Situationen – wie Fachkräftemangel, Zeitdruck und Unterbezahlung – in staatlichen und staatlich bezuschussten Pflegeeinrichtungen ? 2. a) Sind der Staatsregierung Erhebungen zur Anwendungshäufigkeit (Dauermedikation) von Beruhigungsmitteln in der Pflege in der Stadt Würzburg bekannt? b) Sind der Staatsregierung Erhebungen zur Anwendungshäufigkeit (Dauermedikation) von Beruhigungsmitteln in der Pflege im Landkreis Main-Spessart bekannt ? c) Sind der Staatsregierung Erhebungen zur Anwendungshäufigkeit (Dauermedikation) von Beruhigungsmitteln in der Pflege im Regierungsbezirk Unterfranken bekannt? 3. Welche Erhebungen dieser Art (siehe Frage 2) zur Qualitäts- und Bedarfskontrolle plant die Staatsregierung ? 4. Wie gedenkt die Staatsregierung zu verfahren, sollte ein unverhältnismäßiger Gebrauch von Beruhigungsmitteln in einzelnen Einrichtungen bzw. flächendeckend nachgewiesen werden? 5. a) Bezüglich der Kontroll- und Qualitätssicherung frage ich die Staatsregierung, inwiefern in Einrichtungen für pflegebedürftige Volljährige durch staatliche Aufsichtsbehörden wie die „Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen , Qualitätsentwicklung und Aufsicht “ (FQA) im Rahmen der jährlichen Überprüfungen unangemeldete Kontrollen durchgeführt werden? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. b) Bezüglich der Kontroll- und Qualitätssicherung frage ich die Staatsregierung, inwiefern in psychiatrischen Kliniken durch die mindestens alle zwei Jahre stattfindenden Besuchskommissionen unangemeldete Kontrollen durchgeführt werden? c) Bezüglich der Kontroll- und Qualitätssicherung frage ich die Staatsregierung, welche Wege und Mittel den oben erwähnten Aufsichtsbehörden insbesondere zur Ermittlung unverhältnismäßiger Verabreichung von Beruhigungsmitteln zur Verfügung stehen? 6. Welche statistischen Kenntnisse stehen der Staatsregierung über die bei regelmäßigen oder auf längere Zeit bestimmten Fixierungen erforderlichen Beschlüsse der Betreuungsgerichte zur Verfügung? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.07.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz und unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bayerischen Bezirketags sowie der Regierung von Unterfranken wie folgt beantwortet: 1. Welche Strategie verfolgt die Staatsregierung in der Aufwertung und Verbesserung der Situationen – wie Fachkräftemangel, Zeitdruck und Unterbezahlung – in staatlichen und staatlich bezuschussten Pflegeeinrichtungen? Es gibt in Bayern keine staatlichen und staatlich bezuschussten stationären Altenpflegeeinrichtungen. 2. a) Sind der Staatsregierung Erhebungen zur Anwendungshäufigkeit (Dauermedikation) von Beruhigungsmitteln in der Pflege in der Stadt Würzburg bekannt? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. b) Sind der Staatsregierung Erhebungen zur Anwendungshäufigkeit (Dauermedikation) von Beruhigungsmitteln in der Pflege im Landkreis Main- Spessart bekannt? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. c) Sind der Staatsregierung Erhebungen zur Anwendungshäufigkeit (Dauermedikation) von Beruhigungsmitteln in der Pflege im Regierungsbezirk Unterfranken bekannt? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17987 3. Welche Erhebungen dieser Art (siehe Frage 2) zur Qualitäts- und Bedarfskontrolle plant die Staatsregierung ? Die Staatsregierung plant derzeit keine flächendeckenden Erhebungen zu der aufgeworfenen Fragestellung. Auch aus Sicht der Staatsregierung bedarf die Vergabe von psychotrop wirkenden Substanzen weiterer Klärung. Deshalb ist unter anderem eine Studie geplant, in der die Praxis bei der Gabe von psychotrop wirkenden Medikamenten untersucht und Best-Practice-Beispiele zu deren Vermeidung als Handlungsleitlinie herausgearbeitet werden sollen. 4. Wie gedenkt die Staatsregierung zu verfahren, sollte ein unverhältnismäßiger Gebrauch von Beruhigungsmitteln in einzelnen Einrichtungen bzw. flächendeckend nachgewiesen werden? Bzgl. der flächendeckenden Erhebung wird auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Unabhängig davon hat derjenige, der die Unterbringung oder die freiheitsentziehende Maßnahme anordnet, zu jedem Zeitpunkt zu prüfen, ob ihre Voraussetzungen noch vorliegen und sie noch erforderlich und verhältnismäßig ist. Betreuer und Bevollmächtigte müssen die Freiheitsentziehung sofort beenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Für das Betreuungsgericht, das eine Unterbringung oder eine freiheitsentziehende Maßnahme genehmigt hat, gilt ebenso, dass es von Amts wegen die Genehmigung jederzeit aufheben muss, wenn die Voraussetzungen der Maßnahme entfallen. Zudem kann die Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme nur für ein Jahr (ausnahmsweise zwei Jahre) befristet genehmigt werden. Nach einem Jahr (ausnahmsweise zwei Jahre) endet die Unterbringung daher automatisch, wenn sie nicht verlängert wird. Für die Verlängerung gelten dieselben Vorschriften wie für die erstmalige Anordnung, d. h. es bedarf insbesondere eines neuen psychiatrischen Gutachtens bzw. ärztlichen Zeugnisses. Dauert die Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme schon mehr als vier Jahre, sieht das Gesetz als zusätzliche Vorkehrung vor, dass das Gericht keinen Sachverständigen bestellen soll, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist, vgl. § 329 des Familienverfahrensgesetzes (FamFG). 5. a) Bezüglich der Kontroll- und Qualitätssicherung frage ich die Staatsregierung, inwiefern in Einrichtungen für pflegebedürftige Volljährige durch staatliche Aufsichtsbehörden wie die „Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Qualitätsentwicklung und Aufsicht“ (FQA) im Rahmen der jährlichen Überprüfungen unangemeldete Kontrollen durchgeführt werden? Einrichtungen für pflegebedürftige Volljährige und volljährige Menschen mit Behinderung, die unter den Anwendungsbereich des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes fallen, werden von den Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht – (FQA) grundsätzlich mindestens einmal im Jahr unangemeldet überprüft. b) Bezüglich der Kontroll- und Qualitätssicherung frage ich die Staatsregierung, inwiefern in psychiatrischen Kliniken durch die mindestens alle zwei Jahre stattfindenden Besuchskommissionen unangemeldete Kontrollen durchgeführt werden? Psychiatrische stationäre Einrichtungen, in denen Personen öffentlich-rechtlich untergebracht sind, werden mindestens alle zwei Jahre von einer Besuchskommission, die bei der zuständigen Bezirksregierung angesiedelt ist, angemeldet oder unangemeldet überprüft. Daneben erfolgen laufend Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung , bei denen primär die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung überprüft wird. c) Bezüglich der Kontroll- und Qualitätssicherung frage ich die Staatsregierung, welche Wege und Mittel den oben erwähnten Aufsichtsbehörden insbesondere zur Ermittlung unverhältnismäßiger Verabreichung von Beruhigungsmitteln zur Verfügung stehen? Die kontinuierliche Überprüfung, Evaluation und Verbesserung der Abläufe in den Kliniken ist bei den zertifizierten Kliniken sowohl internen als auch externen Überprüfungszyklen unterworfen. Ferner gibt es in den meisten Kliniken ein spezielles Beschwerdemanagement für Patienten und Angehörige sowie ein Fehler- und Risikomanagement. In allen psychiatrischen Kliniken sind darüber hinaus unabhängige Patientenfürsprecher tätig. Bei unabhängigen Beschwerdestellen können Patienten und Angehörige ebenfalls ihre Anliegen vorbringen. Die Basis von Diagnostik und Therapie in der Psychiatrie bilden die von den wissenschaftlichen Fachgesellschaften anerkannten medizinischen Leitlinien . Auch die Leitlinien unterliegen einem kontinuierlichen Überprüfungsprozess, der in den Leitlinien beschrieben ist (z. B. Gültigkeitsdauer und Fortschreibung). Zudem erfolgen Überprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Unabhängig davon gibt es für psychiatrische Kliniken, wie für alle anderen Kliniken auch, gesetzliche Vorschriften und Qualitätsstandards, die für die Betriebserlaubnis der Klinik eingehalten werden müssen. Neben Hygienevorschriften , Medizinproduktegesetz, Arbeitssicherheitsvorschriften, Arzneimittelrecht, Datenschutzgesetzen und weiteren gesetzlichen Vorschriften sind die Kliniken insbesondere zur Führung eines systematischen Qualitätsmanagementsystems (QM-System) gem. § 135a und § 137 des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V) verpflichtet (detailliertere Vorschriften für die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser im Rahmen der sektorenübergreifenden Qualitätsmanagement-Richtlinie (QM-RL), die zum 16. November 2016 in Kraft trat, siehe unter https://www.g-ba.de/ informationen/beschluesse/2434). Hält ein zugelassenes Krankenhaus die Verpflichtung zur Qualitätssicherung nicht ein, muss es mit Vergütungsabschlägen rechnen (§ 137 Abs. 1 Satz 3 Punkt 5 SGB V). Über § 137 SGB V hinaus ist auf Landesebene keine verpflichtende Qualitätssicherung vereinbart. 6. Welche statistischen Kenntnisse stehen der Staatsregierung über die bei regelmäßigen oder auf längere Zeit bestimmten Fixierungen erforderlichen Beschlüsse der Betreuungsgerichte zur Verfügung? Über die Verfahren der Betreuungsgerichte über eine unterbringungsähnliche Maßnahme gemäß § 1906 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) liegen der Staatsregierung folgende statistischen Kenntnisse vor: Drucksache 17/17987 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Verfahren der Betreuungsgerichte über eine unterbringungsähnliche Maßnahme (§ 1906 Abs. 4 BGB) im Jahr Anordnung bzw. Genehmigung Ablehnung 2012 insgesamt: davon auf: Antrag des Betreuers Antrag des Bevollmächtigten 20.167 14.435 5.732 1.886 1.158 728 2013 insgesamt: davon auf: Antrag des Betreuers Antrag des Bevollmächtigten 19.253 13.555 5.698 1.739 1.062 677 2014 insgesamt: davon auf: Antrag des Betreuers Antrag des Bevollmächtigten 18.324 13.697 4.627 1.511 965 546 Verfahren der Betreuungsgerichte über eine unterbringungsähnliche Maßnahme (§ 1906 Abs. 4 BGB) im Jahr Anordnung bzw. Genehmigung Ablehnung 2015 insgesamt: davon auf: Antrag des Betreuers Antrag des Bevollmächtigten 16.975 12.045 4.930 1.480 884 596 2016 insgesamt: davon auf: Antrag des Betreuers Antrag des Bevollmächtigten 16.773 11.594 5.179 1.265 744 521