17. Wahlperiode 06.11.2017 17/17988 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabi Schmidt FREIE WÄHLER vom 22.06.2017 HIV/AIDS in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie hoch ist aktuell die Anzahl an HIV-infizierten Menschen in Bayern (bitte nach Geschlecht und Infektionsweg ; geordnet nach Regierungsbezirken)? 1.2 Wie hat sich die Anzahl im Vergleich zum Jahr 1990 entwickelt (falls möglich bitte für die Jahre 1990, 2000, 2010, 2016; nach Geschlecht und Infektionsweg)? 2.1 Wie viele HIV-Neuinfektionen gab es zuletzt in Bayern (nach Geschlecht und Infektionsweg; geordnet nach Regierungsbezirken)? 2.2 Wie hat sich die Anzahl im Vergleich zum Jahr 1990 entwickelt (falls möglich bitte für die Jahre 1990, 2000, 2010, 2016; nach Geschlecht und Infektionsweg)? 3.1 Wie lange dauert es in Bayern durchschnittlich von der Infektion bis zum Tod des Patienten? 3.2 Wie hat sich diese Spanne seit 1990 entwickelt? 4.1 Was tut die Staatsregierung, um HIV/AIDS zu bekämpfen ? 4.2 Ist Kap. 14 05 TG 52 (Maßnahmen und Einrichtungen zur Bekämpfung der Immunschwächekrankheit AIDS) der einzige Haushaltsansatz, aus dem der Kampf gegen HIV/AIDS finanziert wird? 4.3 Wie haben sich die bayerischen Finanzmittel zur Bekämpfung gegen HIV/AIDS im Vergleich zum Jahr 1990 entwickelt (bitte für die Jahre 1990, 2000, 2010, 2016)? 5.1 In welchen Milieus breitet sich HIV/AIDS derzeit noch aus und welchen akuten Handlungsbedarf (ggf. auf Bundes- oder EU-Ebene) sieht die Staatsregierung? 5.2 Existieren Pläne für einen weiteren Ausbau der bayerischen Aktivitäten bezüglich HIV/AIDS? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 26.07.2017 1.1 Wie hoch ist aktuell die Anzahl an HIV-infizierten Menschen in Bayern (bitte nach Geschlecht und Infektionsweg ; geordnet nach Regierungsbezir ken)? Die Meldung von HIV-Infektionen erfolgt nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 7 Abs. 3) nichtnamentlich direkt an das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Die nachfolgend dargestellte Anzahl an HIV-infizierten Menschen in Bayern beruht auf einer modellbasierten Schätzung des RKI, Stand Ende 2015. Die se Schätzung wird jährlich durchgeführt und immer am Ende eines Jahres für das Jahr davor veröffentlicht. Eine Aufgliederung der Zahlen nach Regie rungsbezirken ist daher nicht möglich. Insgesamt n (95 % KI) Mit HIV- Diagnose n (95 % KI) Ohne HIV- Diagnose n (95 % KI) Gesamt n >11.600 (10.700–12.600) 10.000 (9.300–10.900) > 1.600 (1.400–1.800) Geschlecht Männer >9.400 (8.700–10.200) 8.100 (7.400–8.700) >1.400 (1.200–1 600) Frauen > 2.200 (2.000–2.500) 2.000 (1.800-2.200) >250 (210–290) Infektionsweg MSM 7.100 (6.600–7.600) 5.900 (5.500–6.400) 1.200 (1.000–1.400) Heterosexuelle Kontakte 1.400 (1.300–-1.600) 1.100 (970–1.300) 350 (300–400) IVD 820 (680–950) 730 (610–850) 90 (65–120) Kl = Konfi denzintervall; MSM = Männer, die Sex mit Männern haben; IVD = intravenöser Drogenge brauch 1.2 Wie hat sich die Anzahl im Vergleich zum Jahr 1990 entwickelt (falls möglich, bitte für die Jahre 1990, 2000, 2010, 2016; nach Geschlecht und Infektionsweg)? Die nachfolgenden Abbildungen stellen i) die Entwicklung der HIV-Neuinfektionen in Bayern (Abb. 1), ii) die Entwicklung der HIV-Neuinfektionen in Bayern nach Transmissi onsgruppe (Abb. 2), iii) die Anzahl der in Bayern mit HIV lebenden Personen (Abb. 3) und iv) die Anzahl der in Bayern mit HIV lebenden Personen nach Geschlecht (Abb. 4) über die Zeit dar. Den Darstellungen für Bayern liegt ebenfalls die modellbasierte Schätzung des RKI, Stand Ende 2015, zugrunde. Zu beachten bei diesen Abbildun gen ist, dass es sich zum einen um HIV-Neuinfektionen pro Jahr (Abb. 1 und 2) han delt und zum anderen um Personen mit bestehender HIV-Infektion (Abb. 3 und 4), deren Änzahl (bei inzwischen ähnlicher Lebenserwartung wie Nicht-HIV-Infizierte ) kontinuierlich steigt. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17988 Abb . 1: Verlauf der HIV-Neuinfektionen in Bayern zwischen 1975 und 2015. Abb. 2: Verlauf der HIV-Neuinfektionen in Bayern zwischen 1975 und 2015 getrennt nach Transmissi onsgruppen. Abb. 3: Verlauf der Anzahl von in Bayern lebenden Menschen mit HIV zwischen 1980 und 2015 . Drucksache 17/17988 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Abb. 4: Verlauf der Anzahl von in Bayern lebenden Menschen mit HIV zwischen 1980 und 2015 getrennt nach Geschlecht. Quelle: 1. Robert-Koch-Institut. HIV/AIDS in Bayern: Eckdaten der Schätzung (Stand: Ende 2015). Verfügbar unter.http://www. rki.de/DE/Content/I nfAZ/H/H IVAIOS/Epidemiologie/Daten und Berichte/EckdatenBayern.pdf?blob=publicationFile (Zugriffsdatum: 05.07.2017). 2.1 Wie viele HIV-Neuinfektionen gab es zuletzt in Bayern (nach Geschlecht und In fektionsweg; geordnet nach Regierungsbezirken)? Eine Aussage zu aktuellen HIV-Neuinfektionen in Bayern kann nicht getroffen wer den. Die nachfolgend dargestellten Zahlen geben die neu-diagnostizierten HIV-Infektionen für das Jahr 2016 an, also die Anzahl von Personen, bei denen der direk te oder indirekte HIV-Erregernachweis erfolgte und die nichtnamentlich dem RKI ge meldet wurden. Tabelle Neudiagnostizierte HIV-Infektionen in Bayern 2016, nach Regierungs bezirk und Übertragungsweg (Datenquelle: [2]) Wohnort Gesamt n Übertragungsweg MSM IVD Heterosexuelle Kontakte Peri-/ pränatale Infektion unbekannt Mittelfranken 84 27 7 25 2 23 Niederbayern 31 13 1 10 0 7 Oberbayern 318 150 25 107 0 36 Oberfranken 24 14 1 5 0 4 Oberpfalz 31 7 2 13 1 8 Schwaben 49 17 1 16 0 15 Unterfranken 31 15 1 6 0 9 Bayern 568 243 38 182 3 102 MSM = Männer, die Sex mit Männern haben; IVD = intravenöser Drogengebrauch Quelle: 2. Robert Koch-Institut. SurvStat-Abfrage zu HIV (Stand: Jahrbuch 2016). Verfügbar unter: https://survstat.rki.de/ (Abfragedatum: 05.07.201 ?) 2.2 Wie hat sich die Anzahl im Vergleich zum Jahr 1990 entwickelt (falls möglich, bitte für die Jahre 1990, 2000, 2010, 2016; nach Geschlecht und Infektionsweg)? Alle nachfolgend dargestellten Entwicklungen zu HIV-Neuinfektionen in Bayern ba sieren auf modellbasierten Schätzungen des RKI für den Stand Ende 2015 (Daten quelle: [1]). Entwicklung bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) Die Anzahl der HIV-Neuinfektionen pro Jahr ist bei MSM von 1985 (>600 Neuinfekti onen/Jahr) bis Anfang der 1990er Jahre auf ein Niveau von ca. 150 Neuinfektio nen/Jahr gesunken (s. Abb. 2). Nachdem die Anzahl von Neuinfektionen über einige Jahre stabil war, kam es zwischen 2000 und 2005 wieder zu einem Anstieg der Zah len auf ca. 350/Jahr. Seitdem ist ein leicht abnehmender Trend zu verzeichnen; die Anzahl von Neuinfektionen bewegt sich um ein Niveau von ca. 300/Jahr. Entwicklung bei intravenös Drogenkonsumierenden (IVD) Die Anzahl der HIV-Neuinfektionen pro Jahr ist bei IVD von 1985 (>150 Neuinfektio nen/Jahr) bis 2010 kontinuierlich gesunken , bis nahezu keine Neuinfektionen mehr verzeichnet wurden (s. Abb. 2). Ab 2010 kam es erneut zu einem leichten Anstieg der Zahlen: ca. 20 Neuinfektionen wurden für das Jahr 2015 geschätzt. Entwicklung bei Heterosexuellen Die Anzahl der HIV-Neuinfektionen pro Jahr bewegt sich bei Heterosexuellen seit 1990 relativ konstant um ein Niveau von <100/Jahr (s. Abb. 2). Entwicklung bei Männern und Frauen Zu dieser Frage liegen der Staatsregierung keine Daten vor. 3.1 Wie lange dauert es in Bayern durchschnittlich von der Infektion bis zum Tod des Patienten? Zu dieser Frage liegen der Staatsregierung keine Daten vor. 3.2 Wie hat sich diese Spanne seit 1990 entwickelt? Zu dieser Frage liegen der Staatsregierung keine Daten vor. (siehe auch die Antwort zu Frage 3.1). 4.1 Was tut die Staatsregierung, um HIV/AIDS zu bekämpfen ? Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/17988 Die Staatsregierung hält ein breit gefächertes Bündel von Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/AIDS vor. Die Versorgung mit Präventionsaktionen, HIV -Testmöglichkeiten und Angeboten zur Beratung und Hilfe rund um HIV/AIDS ist in Bayern flächendeckend und auf einem hohen Niveau gewährleistet. Die Ende 2014 gestartete, bayernweite HIV-Präventionskampagne „Mit Sicherheit besser“ wirbt für konsequenten Schutz vor einer Infektion mit dem HI-Virus oder ei ner anderen sexuell übertragbaren Krankheit. Außerdem setzt sie sich gegen eine Stigmatisierung und für mehr Solidarität mit Betroffenen ein. Weitere Informationen zu der Bayerischen HIV-Präventionskampagne sind unter www.mitsicherheitbesser.de zu finden. Daneben stellt das bayerische Gesundheitsministerium seit rund 30 Jahren flächen deckend ein bundesweit einmaliges , dreigliedriges System von Prävention und An geboten zur Beratung und Hilfe zur Verfügung. Die 76 Gesundheitsämter in Bayern beraten fachkundig über Risikominimierung und bieten kostenfrei und anonym HIV-Tests an. Ergänzend gibt es zehn psychosoziale AIDS-Beratungsstellen , mindestens eine je Regierungsbezirk. Sie begleiten Betroffene und deren Angehörige und führen über regional Präventionsaktionen durch. Derartige Stellen gibt es als Element des Maß nahmenbündels zur Eindämmung von HIV und AIDS nur in Bayern. Die vom Gesundheitsministerium initiierten und geförderten Maßnahmen der organi sierten HIV/AIDS-Selbsthilfe, wie z. B. die AIDS-Hilfen, erreichen als „drittes Bein“ zielgruppenspezifisch besonders gefährdete Gruppen, v. a. homosexuelle Männer oder Prostituierte. Zur Erhöhung der HIV-Testbereitschaft findet seit 2013 einmal im Jahr eine Aktions woche statt. In dieser Zeit bieten die bayerischen Gesundheitsämter, einige AIDS - Beratungsstellen und AIDS-Hilfen neben ihren regelmäßigen Angeboten unter dem Motto „Test jetzt!“ Gelegenheit, sich auf HIV testen zu lassen, anonym, vertraulich und mit kompetenter Beratung. Im Rahmen der Beratungsgespräche erfolgt eine Auseinandersetzung mit der persönlichen Risikosituation, um eventuell vorhandene Wissenslücken zu schließen und die Motivation zu gesundheitsbewusstem, verant wortungsvollem Handeln zu stärken. Weitere Informationen zur Bayerischen HIV-Testwoche sind unter www.testjetzt.de zu finden. 4.2 Ist Kap. 14 05 TG 52 (Maßnahmen und Einrichtungen zur Bekämpfung der Im munschwächekrankheit AIDS) der einzige Haushaltsansatz, aus dem der Kampf ge gen HIV/AIDS finanziert wird? Nach mehreren Umressortierungen sind seit Ende 2013 die Haushaltsmittel zur Be kämpfung der Immunschwächekrankheit AIDS im Einzelplan des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) eingestellt. 4.3 Wie haben sich die bayerischen Finanzmittel zur Bekämpfung gegen HIV/AIDS im Vergleich zum Jahr 1990 entwickelt (bitte für die Jahre 1990, 2000, 2010, 2016)? Die Entwicklung der bayerischen Finanzmittel zur Bekämpfung von HIV/AIDS für die Jahre 1990, 2000, 2010 und 2016 sind in folgender Tabelle zusammengefasst: Haushaltsjahr Ressort und Haushaltsstelle(n) Betrag in Tsd. Euro 1990 StMI StMAS Kap. 03 03 Titelgruppe 79 Kap. 10 03 Titelgruppe 52 4.857,3 2.428,6 2000 StMASFFG Kap. 10 08 Titelgruppe 52 4.090,3 2010 StMUG Kap. 12 08 Titelgruppe 52 3.704,5 2016 StMGP Kap. 14 05 Titelgruppe 52 3.471,3 5. 1 In welchen Milieus breitet sich HIV/AIDS derzeit noch aus und welchen akuten Handlungsbedarf (ggf. auf Bundes- oder EU-Ebene) sieht die Staatsregierung? 5.2 Existieren Pläne für einen weiteren Ausbau der bayerischen Aktivitäten bezüglich HIV/AIDS? Es wird zunächst auf die Antwort zu Frage 2.2 verwiesen. Ergänzend wirdFolgendes mitgeteilt: In der Gruppe der heterosexuell orientierten Menschen, die die HIV-Infektion im Aus land erworben haben, wurde ein rapider Anstieg an Neudiagnosen in den Jahren 2014 und 2015 verzeichnet. In Bayern sieht man hier, ebenso wie im gesamten Bun desgebiet, im Jahr 2016 wieder einen deutlichen Abfall dieser Zahlen (ob hier ein Zusammenhang mit der Zuwanderungswelle besteht, ist nicht geklärt). Aktuell geht das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP), gemeinsam mit dem Landesamt für Gesundheit und Le bensmittelsicherheit (LGL), dem Anstieg von HIV-Infektionen bei intravenös drogen gebrauchenden Menschen nach. Im Übrigen ist seit 2008 der Runde Tisch AIDS- Prävention,angesiedelt am StMGP, in die Gestaltung der Maßnahmen gegen HIV/AIDS des StMGP eingebunden. Dieser tagt anlassbezogen, mindestens aber einmal jährlich . Dabei werden bedarfsorientiert gemeinsam mit den AIDS-Beratungsstellen, den AIDS-Hilfen und Vertretern des öf fentlichen Gesundheitsdienstes, also der Gesundheitsämter und Regierungen, die aktuellen Schwerpunkte der AIDS- Arbeit festgelegt und je nach Erfordernis neue Präventionsmaßnahmen entwickelt. Vor dem Hintergrund der stark veränderten Rahmenbedingungen für HIV-positive Menschen (behandelbare, jedoch nicht heilbare Krankheit, weitgehend reguläre Le - benserwartung, deutlich geringeres Stigma) hat das StMGP eine Neuausrichtung und Strukturierung der HIV/AIDS-Angebote in Bayern angestoßen. Ein erster Kon zeptentwurf soll bis Ende des Jahres 2017 vorliegen.