Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Herbert Woerlein SPD vom 22.06.2017 Illegale Tötung eines Schwarzstorches im Allgäu Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welchen Kenntnisstand hat die Staatsregierung über die kürzlich erfolgte illegale Tötung eines Schwarzstorches bei Oberstaufen im Allgäu? b) Wie liefen die polizeilichen Ermittlungen vor Ort genau ab? c) Was geschah genau mit dem toten Schwarzstorch? 2. a) Mit welcher Begründung wurde der getötete Schwarzstorch nicht für eine Obduktion einem Tierarzt übergeben , sondern stattdessen zur Beseitigung in einer Tierkörperbeseitigungsanlage durch die Polizei freigegeben ? b) Wenn ja, wer trägt die Verantwortung für diese Vorgehensweise ? c) Welche Konsequenzen wurden oder werden aus diesem Vorfall bezüglich der vor Ort Verantwortlichen gezogen ? 3. a) Welche ähnlichen Vorfälle der Beweismittelvernichtung in Zusammenhang mit illegalen Tötungen von Exemplaren geschützter Arten gab es in der Vergangenheit in Bayern? b) Welche Maßnahmen erachtet die Staatsregierung als sinnvoll, um eine derart skandalöse Vorgehensweise wie im Fall des getöteten Schwarzstorches im Allgäu in Zukunft zu unterbinden? 4. a) Gibt es Leitlinien oder Ähnliches, wie die Polizei bei Auffinden illegal getöteter Tiere, insbesondere bei Exemplaren streng geschützter Tierarten, vorgehen sollte ? b) Wenn ja, welche sind dies genau? c) Wenn nein, warum nicht? 5. a) Welche Maßnahmen unternimmt die Staatsregierung, um den Täter zu finden, vor dem Hintergrund, dass der Landesbund für Vogelschutz 1.000 Euro Belohnung für Hinweise an die Polizei zur Ermittlung des Täters ausgesetzt hat? b) Mit welchen Sanktionen muss der Täter rechnen, wenn er denn ermittelt wird? 6. a) Welche Ausbildung erfahren Polizeibeamte, die mit der Aufklärung von Umweltdelikten betraut werden? b) Welche Verbesserungsmöglichkeiten sieht die Staatsregierung hinsichtlich der Bekämpfung von Umweltdelikten ? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 04.08.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. a) Welchen Kenntnisstand hat die Staatsregierung über die kürzlich erfolgte illegale Tötung eines Schwarzstorches bei Oberstaufen im Allgäu? Nach Mitteilung des Polizeipräsidiums (PP) Schwaben Süd/ West teilte am Dienstag, 30.05.2017, gegen 19:50 Uhr, ein Spaziergänger der Polizeistation Oberstaufen mit, dass er einen toten Schwarzstorch aufgefunden habe. Eine Streifenbesatzung der Polizeistation Oberstaufen begab sich zum beschriebenen Tatort im Ortsteil Oberstaufen -Ach, unweit der österreichischen Grenze. Dort wurde das tote Tier der Streifenbesatzung durch den Spaziergänger gezeigt. Die Ermittlungen wurden durch die Beamten unverzüglich vor Ort aufgenommen. b) Wie liefen die polizeilichen Ermittlungen vor Ort genau ab? Die Streifenbesatzung zog den zuständigen Revierinhaber, der sich zufällig in seinem Revier befand, hinzu. Dieser bot an, den toten, schon Verwesungsgeruch ausströmenden Schwarzstorch aufzuschneiden, um Hinweise auf die Todesursache zu erhalten. Es wurde ein Schusskanal (Durchschuss) auf Höhe der Flügel festgestellt. Ein Projektil war nicht vorhanden und konnte auch in der näheren Umgebung des toten Tieres nicht aufgefunden werden. Nach Durchmesser des Ein- und Ausschusses zu urteilen, dürfte es sich um eine kleinkalibrige Munition gehandelt haben. An beiden Ständern (Beinen) des Schwarzstorches wurden Ringe festgestellt, welche durch die Beamten sichergestellt wurden. Die Ringe werden, sobald das Einverständnis der Staatsanwaltschaft Kempten vorliegt, dem Landratsamt Oberallgäu (Untere Naturschutzbehörde) zugeleitet, um aus den eingestanzten Nummern Rückschlüsse auf Alter und Herkunft des Schwarzstorches zu erhalten. Weitere Spuren waren an dem Kadaver nicht festzustellen . Auch die Absuche der näheren Umgebung führte nicht zur Auffindung von weiteren Beweismitteln (z. B. Patronenhülsen ) bzw. zu sonstigen Hinweisen auf den Täter. Von der Ermittlungsarbeit vor Ort wurden Fotos (Tatobjekt , Tatort) gefertigt. Nach Spurenlage kann jedoch nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Auffindeort auch zugleich der Tatort ist. Die Anzeige gegen den aktuell unbekannten Täter wird nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kempten zugeleitet. Das Landratsamt Oberallgäu (Sonthofen) – untere Naturschutzbehörde – wurde vom Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.11.2017 17/18036 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18036 c) Was geschah genau mit dem toten Schwarzstorch? Der tote Schwarzstorch wurde nach abgeschlossener Spurensicherung durch die Beamten dem Revierinhaber übergeben , der angeboten hatte, diesen fachgerecht zu entsorgen . 2. a) Mit welcher Begründung wurde der getötete Schwarzstorch nicht für eine Obduktion einem Tierarzt übergeben, sondern stattdessen zur Beseitigung in einer Tierkörperbeseitigungsanlage durch die Polizei freigegeben? Aus Sicht des PP Schwaben Süd/West wurden durch die umfangreiche Ermittlungsarbeit der Beamten der Polizeistation Oberstaufen vor Ort, unter Beiziehung des örtlichen Jagdausübungsberechtigten, alle Veranlassungen getätigt, um den Täter zu ermitteln. Die Todesursache war infolge des festgestellten Durchschusses sowie des ermittelten Schusskanals eindeutig verifiziert und dokumentiert. Die Auffindung eines Projektils oder Teilen davon waren aufgrund des glatten Durchschusses nicht zu erwarten. Von einer weiterreichenden Erkenntnisgewinnung hinsichtlich des Täters durch Zuleitung des verendeten Schwarzstorches an eine entsprechende Untersuchungsstelle war nicht auszugehen. Die pathologische Untersuchung des bereits in Verwesung befindlichen Kadavers wäre lediglich bei einer unklaren Todesursache eine Option zur Klärung der Todesumstände gewesen. b) Wenn ja, wer trägt die Verantwortung für diese Vorgehensweise ? Die Ermittlungen werden bei der Polizeistation Oberstaufen geführt. Durch diese Dienststelle wurden die erforderlichen Maßnahmen veranlasst. c) Welche Konsequenzen wurden oder werden aus diesem Vorfall bezüglich der vor Ort Verantwortlichen gezogen? Sofern die Diktion der Frage auf dienstrechtliche Konsequenzen abzielt, ist keinerlei Anlass ersichtlich, der entsprechende Maßnahmen erforderlich machen würde. Darüber hinaus sensibilisiert das PP Schwaben Süd/West die Beamten der nachgeordneten Dienststellen regelmäßig bezüglich Artenschutzverstößen und führt entsprechende Fortbildungen durch. Im Jahre 2016 wurde beim PP Schwaben Süd/West ein Fachvortrag zum Thema Artenschutz durch einen fachkundigen Referenten gehalten. Es nahmen etwa 30 Umweltsachbearbeiter der nachgeordneten Dienststellen daran teil. Aktuelle Unterlagen zum Thema Artenschutz sind auf der Homepage des PP Schwaben Süd/West vorhanden und für jeden Beamten aufrufbar. Die jüngste Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Tierschutz – Dokumentation von Tierschutzverstößen’“ fand am 29.06.2017 in den Räumen des PP Schwaben Süd/West statt. Hierzu wurde eine Referentin des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim, eingeladen. Bei diesen Veranstaltungen wird auch stets auf das Schreiben des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr, (IMS) IC5-8700-16 vom 15.06.2016, in Verbindung mit dem „Handlungskonzept zur polizeilichen Aufgabenwahrnehmung in Zusammenhang mit dem Luchs“ – VS-NfD – hingewiesen, da diese Handlungsanweisungen im gesamten Bereich des Artenschutzes anwendbar sind (siehe auch Antwort zu Frage 4 a). 3. a) Welche ähnlichen Vorfälle der Beweismittelvernichtung in Zusammenhang mit illegalen Tötungen von Exemplaren geschützter Arten gab es in der Vergangenheit in Bayern? Die Spurensicherung an dem verendeten Schwarzstorch war abgeschlossen. Eine Vernichtung von relevanten Beweismitteln kann hier nicht erkannt werden. Darüber hinausgehende Erkenntnisse im Sinne der Anfrage liegen der Staatsregierung nicht vor. b) Welche Maßnahmen erachtet die Staatsregierung als sinnvoll, um eine derart skandalöse Vorgehensweise wie im Fall des getöteten Schwarzstorches im Allgäu in Zukunft zu unterbinden? Siehe Antworten zu den Fragen 2 a und 3 a. 4. a) Gibt es Leitlinien oder Ähnliches, wie die Polizei bei Auffinden illegal getöteter Tiere, insbesondere bei Exemplaren streng geschützter Tierarten, vorgehen sollte? b) Wenn ja, welche sind dies genau? Gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung haben die Behörden und Beamten des Polizeidienstes Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Eine katalogisierte Aufzählung von Einzelmaßnahmen ist aufgrund der im Einzelfall zu beurteilenden Tatumstände nicht zielführend. Speziell für den Bereich der illegalen Tötung streng geschützter Tierarten wurde im Nachgang zur illegalen Tötung von Luchsen im Bayerischen Wald durch das Polizeipräsidium Oberpfalz in Zusammenarbeit mit dem Polizeipräsidium Niederbayern das „Handlungskonzept zur polizeilichen Aufgabenwahrnehmung im Zusammenhang mit dem LUCHS“ – VS-NfD – erstellt. Das Konzept dient der allgemeinen Wissensvermittlung im Hinblick auf Biologie und Verbreitung des Luchses und regelt des Weiteren die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung sowohl im Hinblick auf illegale Tötungen als auch hinsichtlich möglicher Sichtungen, Nutztierrissen und Verkehrsunfällen . Dem Konzept sind zu allen Themenbereichen Checklisten beigefügt, die die mit der Bearbeitung entsprechender Vorgänge befassten Beamten über mögliche Maßnahmen informieren. Mit dem unter Frage 2 b genannten IMS wurde dieses Handlungskonzept an alle Bayerischen Polizeiverbände umgesetzt, verbunden mit dem Hinweis, dass das Konzept grundsätzlich auf alle streng geschützten Tierarten angewendet werden kann, und verbunden mit der Bitte, das Handlungskonzept an die regionalen Belange anzupassen und die nachgeordneten Dienststellen in geeigneter Weise von den Inhalten in Kenntnis zu setzen. Das Konzept stellt jedoch lediglich einen Handlungsleitfaden dar. Die im Einzelfall tatsächlich erforderlichen Maßnahmen sind durch den jeweiligen Sachbearbeiter in eigener Zuständigkeit nach entsprechender Lagebewertung zu treffen. c) Wenn nein, warum nicht? Entfällt. Drucksache 17/18036 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 5. a) Welche Maßnahmen unternimmt die Staatsregierung , um den Täter zu finden, vor dem Hintergrund, dass der Landesbund für Vogelschutz 1.000 Euro Belohnung für Hinweise an die Polizei zur Ermittlung des Täters ausgesetzt hat? Die Ermittlungsarbeit der Polizeistation Oberstaufen wird fortgeführt. Der Fokus liegt hierbei insbesondere auf einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit (Presseveröffentlichungen, Befragung von Anwohnern, Bewirtschaftern von Fischteichen und anderen Nutzern des Geländes in Tatortnähe). Die vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) ausgesetzte Belohnung in Höhe von 1.000 Euro wurde offensiv im Facebookauftritt des PP Schwaben Süd/West publiziert. b) Mit welchen Sanktionen muss der Täter rechnen, wenn er denn ermittelt wird? Durch das Staatsministerium der Justiz wurde mitgeteilt, dass nach einem Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Kempten (Allgäu) als verwirklichte Straftatbestände aufgrund der bisherigen Ermittlungen § 17 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) und § 71 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) in Betracht kommen. Straftaten nach § 17 TierSchG sind mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Für vorsätzliche Handlungen im Sinne von § 71 Abs. 1 BNatSchG sieht das Gesetz Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. 6. a) Welche Ausbildung erfahren Polizeibeamte, die mit der Aufklärung von Umweltdelikten betraut werden? Der Leitgedanke der praxisorientierten Ausbildung des Polizeivollzugsdienstes ist, die künftigen Vollzugsbeamten ganzheitlich und fächerübergreifend für ihre Tätigkeit im Streifendienst zu qualifizieren. So werden die unterschiedlichen Themenbereiche mittels moderner Unterrichtsmethoden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und ganzheitlich beleuchtet. Dabei ist die Kenntnis der einschlägigen Rechtsvorschriften , auch im Besonderen Sicherheitsrecht, seit jeher eine der wichtigsten Schlüsselqualifikationen, um im täglichen Polizeidienst der Aufgabenzuweisung im Bereich der Prävention und Repression gerecht werden zu können. Die Anzahl aller für den Polizeiberuf relevanten Normen ist jedoch so umfassend, dass einer abschießenden Vermittlung allein aufgrund des Umfangs sowohl in der Ausbildung wie auch der Fortbildung klare Grenzen gesetzt sind. Vor dem Hintergrund eines lebenslangen Lernprozesses werden Polizeivollzugsbeamte durch die Ausbildung bzw. das Studium jedoch befähigt, sich im späteren Berufsleben zielgerichtet Expertenwissen anzueignen. Die Teilnahme an verschiedenen , zielgerichteten Fortbildungsmaßnahmen unterstützt diesen Prozess in nicht unerheblichem Maße. Der Themenkreis Umwelt- und Naturschutzrecht ist fester Bestandteil der Polizeiausbildung für alle Beamten der 2. und 3. Qualifikationsebene (QE). In den einzelnen Abschnitten der Ausbildung zur 2. QE werden im Fach „Besonderes Sicherheitsrecht“ die Themen des Natur- und Artenschutzes vermittelt. Dieses Rechtsgebiet wird auch im Studiengang für die Aufstiegsqualifizierung bzw. für die Laufbahnbewerber für die 3. QE in vielfältiger Weise betrachtet. In den zentral am Fortbildungsinstitut der Bayer. Polizei in Ainring veranstalteten Seminaren „UmweltSch/-kriminalität S/K“ und „Naturschutz“ erweitern die mit der Bearbeitung von Umweltschutzdelikten betrauten Sachbearbeiter ihre speziellen Rechtskenntnisse. Daneben lernen die Seminarteilnehmer , schädigende Eingriffe in Schutzgebiete zu erkennen und Natur- und Artenschutzbestimmungen in der polizeilichen Praxis anzuwenden. Ihre polizeilichen und kriminalistischen Arbeitsmethoden werden aktualisiert und ergänzt. Nicht zuletzt werden in der Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Einrichtungen Lösungsmöglichkeiten bei Ermittlungsproblemen aufgezeigt. Weiterhin nahmen einzelne Sachbearbeiter an der spezifischen Fortbildung „Umweltkriminalität – Aufbaumodul Artenschutz, Tierschutz, Naturschutz“ des Bundeskriminalamts teil. b) Welche Verbesserungsmöglichkeiten sieht die Staatsregierung hinsichtlich der Bekämpfung von Umweltdelikten? Im Nachgang zu den illegalen Tötungen von Luchsen im Bayerischen Wald erfolgten bereits verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der behördenübergreifenden Kommunikation, wie die Neufassung der Gemeinsamen Bekanntmachung der Staatsministerien des Innern, für Bau und Verkehr, der Justiz, für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, für Umwelt und Verbraucherschutz, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, über die Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Umweltkriminalität oder die Erstellung eines ressortübergreifenden Rundschreibens im Hinblick auf die illegale Nachstellung geschützter Arten mit Hinweisen zur Verfolgung von Artenschutzdelikten. Polizeiintern erfolgte die bereits dargestellte Erstellung und Umsetzung des Handlungskonzeptes „Luchs“ an alle Polizeiverbände. Die Staatsregierung hat mit diesen Maßnahmen umgehend auf das Bekanntwerden von illegalen Tötungen streng geschützter Tiere reagiert.