Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 05.07.2017 GemüseAckerdemie Die GemüseAckerdemie ist ein ganzjähriges, theorie- und praxisbasiertes Bildungsprogramm mit dem Ziel, die Wertschätzung für Lebensmittel bei Kindern und Jugendlichen zu steigern und dem Wissens- und Kompetenzverlust im Bereich Lebensmittelproduktion, Entfremdung von der Natur, ungesunder Ernährung und Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. In Bayern bieten derzeit neun Schulen und eine Kita das Programm an. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie bewertet die Staatsregierung das Bildungsprogramm der GemüseAckerdemie? 2. Warum nehmen nicht mehr bayerische Bildungseinrichtungen das Programm wahr? 3. Sind der Staatsregierung andere vergleichbare Bildungsprogramme in Bayern bekannt? 4. a) Beabsichtigt die Staatsregierung weitere Schul- bzw. Kita-Projekte mit der GemüseAckerdemie zu entwickeln bzw. zu fördern? b) Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 07.08.2017 Diese Schriftliche Anfrage wird unter Einbeziehung von Beiträgen der Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) sowie für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) wie folgt beantwortet: 1. Wie bewertet die Staatsregierung das Bildungsprogramm der GemüseAckerdemie? Bei der „GemüseAckerdemie“ handelt es sich um ein sehr ambitioniertes und begrüßenswertes Programm, das allerdings aufgrund der hohen Anforderungen an Personalund Finanzkapazität nur von wenigen Bildungseinrichtungen umgesetzt werden kann. Die im Vorspruch zur Anfrage dargestellte Zielsetzung des Programms entspricht den Zielen von existierenden Programmen der Staatsregierung in diesem Bereich (vgl. u. die Antwort zu Frage 3). 2. Warum nehmen nicht mehr bayerische Bildungseinrichtungen das Programm wahr? Bei dem Bildungsprogramm „GemüseAckerdemie“ handelt es sich um das Angebot eines außerschulischen Anbieters. Die Schulen entscheiden im Rahmen ihrer Eigenverantwortlichkeit grundsätzlich selbst darüber, an welchen der zahlreichen außerschulischen Programme (s. Antwort auf Frage 3) sie teilnehmen. Grundsätzlich ist das Programm zwar gut geeignet, im Rahmen der begleitenden Maßnahmen des EU-Schulobstund -gemüseprogramms und künftig auch des EU-Schulprogramms (s. Antwort auf Frage 3) eingesetzt zu werden. Der Zeit- und Finanzierungsaufwand ist aus Sicht der Staatsregierung allerdings zu hoch für eine breite Umsetzung und kann nur von wenigen Einrichtungen geleistet werden. 3. Sind der Staatsregierung andere vergleichbare Bildungsprogramme in Bayern bekannt? Vonseiten des StMELF gibt es in Bayern mehrere erfolgreiche und flächendeckende Programme mit dem Ziel, die Wertschätzung für Lebensmittel zu steigern. Die Erfahrung zeigt, dass diese Angebote gut angenommen werden. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren hierfür sind Ansprechpartner vor Ort für die Kitas bzw. Schulen, eine gute organisatorische Unterstützung und ein kostenfreies Angebot. Mit acht Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung stellt das StMELF flächendeckend Anlaufstellen bereit. Im Einzelnen geht es um folgende Programme: – „EU-Schulfruchtprogramm „für Kindergärten, Häuser für Kinder und Grundschulklassen“ Allein das EU-Schulfruchtprogramm, das in Bayern seit Jahren durchgeführt und auch mit Landesmitteln geför- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.11.2017 17/18053 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18053 dert wird, erreicht mit diesem Ziel fast 700.000 Kinder in über 6.800 Kindertageseinrichtungen und Schulen. Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen eins bis vier, Kinder in Kitas sowie in Häusern für Kinder erhalten einmal pro Woche kostenlos bevorzugt regionales und saisonales Obst und Gemüse. Das Schulfruchtprogramm steigert nachweislich die Wertschätzung von Obst und Gemüse bei Kindern und unterstützt die Entwicklung eines gesundheitsförderlichen Ernährungsverhaltens. Das Programm endet zum 31.07.2017, Nachfolger ist das EU-Schulprogramm. – „Gesund und fit im Kinder-Alltag – Sechs Wege zur kindgerechten Ernährung und Bewegung“ (Zielgrupp e : Eltern und Kinder von 3–6 Jahren) Das Angebot umfasst sechs Module, richtet sich an Eltern mit Kindern im Kindergartenalter und wird über die 47 Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bayern angeboten. Eines der sechs Module ist „Komm wir gehen zum Bauernhof“: Eltern und Kinder erfahren, wie Lebensmittel erzeugt werden und wo sie herkommen, damit diese mehr Wertschätzung erfahren. Pro Kindergartenjahr werden ca. 180 Kitas erreicht. – „Erlebnis Bauernhof“ (Zielgruppe: Schülerinnen und Schüler von Grundschulen, Übergangsklassen und Förderschulen ) Grundschulkindern der Jahrgangsstufe drei oder vier – ab 01.09.2017 auch Schülerinnen und Schülern der 2. Klassen –, Kindern in Übergangsklassen sowie Schülerinnen und Schülern von Förderschulen aller Jahrgangsstufen in Bayern wird es ermöglicht, an einem kostenfreien Lernprogramm auf einem Bauernhof teilzunehmen. Der Bauernhof ist ein idealer Ort, um mit allen Sinnen zu lernen und aktiv zu sein. Schülerinnen und Schüler erleben die Produktion von Lebensmitteln und können Landwirtschaft, Natur und Umwelt besser begreifen. Das Programm „Erlebnis Bauernhof“ soll dazu beitragen, die Wertschätzung für Lebensmittel aus heimischer Erzeugung zu stärken und ein realistischeres Bild der nachhaltigen bäuerlichen Arbeit im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern. Die am Programm teilnehmenden landwirtschaftlichen Betriebe bieten lehrplanbezogene Lernprogramme an, die die im LehrplanPLUS geforderten Kompetenzen bei Schulkindern stärken. Seit dem Start des Lernprogramms im Juni 2012 haben über 140.000 Schulkinder daran teilgenommen (Stand: März 2017). – „Landfrauen machen Schule“ (Zielgruppe: Schülerinnen und Schüler von Grundschulen) Das vom StMELF finanzierte und vom Bayerischen Bauernverband durchgeführte Projekt verfolgt die Ziele „Aktivieren der Kinder zu gesunder Ernährung“, „Vermittlung von Essen als Teil von Lebensqualität“ sowie „Aufzeigen des Zusammenhangs von Natur, Umwelt und Ernährung “. Über zwei Unterrichtseinheiten in der Schule und einer Unterrichtseinheit auf dem Bauernhof werden jährlich 5.000 Kinder in 230 Klassen erreicht. – „Lebensmittelretter-Führerschein“ (Zielgruppe: Schülerinnen und Schüler von Grundschulen) Im Rahmen dieses Modellprojekts werden Materialien für Grundschülerinnen und -schüler der Jahrgangsstufe zwei zusammengestellt und erprobt. Das Ziel besteht darin, Lehrkräfte dabei zu unterstützen, mit den Kindern das Thema „Vermeidung von Lebensmittelverschwendung “ zu erarbeiten und die Schülerinnen und Schüler für diese hochaktuelle Thematik zu sensibilisieren . – „Ernährungshandwerk erleben – Mittel- und Realschüler begreifen Lebensmittel mit allen Sinnen“ (Zielgruppe: Schülerinnen und Schüler von Mittel- und Realschulen der Jahrgangsstufen 7–9) Ziele des Angebotes sind, dass die Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Schulvormittags beim Ernährungshandwerker aktiv mitmachen, bayerische Spezialitäten kennenlernen und damit Wertschätzung für Lebensmittel erfahren. Lehrkräfte erhalten zur Vor- und Nachbereitung des Besuchs beim Ernährungshandwerker entsprechende Unterrichtsmaterialien. Das Angebot unterstützt die Umsetzung des LehrplanPLUS. Nach einer erfolgreichen Modellphase in Oberfranken ist vorgesehen, dieses Angebot auf weitere Regierungsbezirke zu übertragen. Über die bereits erläuterten Programme des StMELF hinaus sind der Staatsregierung die im Folgenden aufgeführten Programme mit ähnlicher Zielsetzung bekannt: – „Gemüse pflanzen. Gesundheit ernten.“ Mit dem seit dem Jahr 2013 existierenden Schulgarten- Projekt „Gemüse pflanzen. Gesundheit ernten“ unterstützt die BayWa-Stiftung Schülerinnen und Schüler gebundener Ganztagsgrundschulen dabei, durch Anlegen und Bearbeiten von Gemüsebeeten, durch Ernten und Kochen selbst erfahren zu können, wie gesundes Essen hergestellt wird und welche Mühe sowie welcher Wert in Nahrungsmitteln steckt. Damit können die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler auch eine Vorstellung von der Bedeutung der Landwirtschaft für ihre Ernährung gewinnen . Alle für die Umsetzung notwendigen Materialien (Beet, Samen, Gartengeräte etc.) werden von der BayWa Stiftung gestellt. Ebenso unterstützt die BayWa-Stiftung durch ehrenamtliche Helfer die Betreuung der Beete an Wochenenden und in Ferienzeiten. – Betreutes Frühstück an Grund- und Förderschulen Hierbei handelt es sich um ein Projekt des StMAS, welches nach einer dreijährigen Modellphase fortgesetzt werden soll. Im Fokus des Programms stehen Schulkinder , die zu Hause kein Frühstück bekommen. Um diesen Kindern die Bedeutung dieser Mahlzeit näherzubringen, wird das Frühstück an betroffenen Schulen angeboten. Über die genannten Programme hinaus liefert der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan (BayBEP) weitere Impulse und Beispiele für Projekte zu diesem Bildungsbereich, die individuell in den Kindertageseinrichtungen umgesetzt werden können. Die im Jahr 2015 seitens des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) veröffentlichte Handreichung zum Themenkomplex „Alltagskompetenz und Lebensökonomie “ (abrufbar unter https://www.isb.bayern.de/ download/19465/alltagskompetenz_internet.pdf) beinhaltet Impulse und Umsetzungsvorschläge – u. a. in Form von Projekten – für die damit umrissenen Themen (Ernährungsund Gesundheitsbildung, hauswirtschaftliche Grundkenntnisse , Verbraucherbildung und nachhaltige Lebensführung) Drucksache 17/18053 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 im schulischen Bereich. Insbesondere bei der Konzeption des neuen LehrplanPLUS ist der Unterrichtsgegenstand „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ besonders berücksichtigt und in einschlägige Fachlehrpläne als verpflichtender Unterrichtsgegenstand aufgenommen. 4. a) Beabsichtigt die Staatsregierung weitere Schulbzw . Kita-Projekte mit der GemüseAckerdemie zu entwickeln bzw. zu fördern? b) Wenn nein, warum nicht? Die Staatsregierung plant derzeit nicht, Projekte mit der „Gemüse Ackerdemie“ umzusetzen bzw. bestehende Projekte auszuweiten. Die bayerischen Kindertageseinrichtungen beteiligen sich bereits großflächig an anderen Bildungsprojekten zu den Themen „Ernährung“ und „Lebensmittelkunde“ zur Förderung einer gesunden Entwicklung. Auch für den schulischen Bereich existiert bereits eine ausreichend große Anzahl an Programmen mit einer ähnlichen Zielsetzung wie der der „GemüseAckerdemie“ (s. jeweils die Antwort auf Frage 3). Zusätzlicher Bedarf wird derzeit nicht gesehen.