Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 03.07.2017 Umweltverträgliche Verkehrslösung für Waakirchen statt undurchdachte Landschaftszerstörung Der Bundesverkehrswegeplan 2030 sieht den Bau einer 2,2 km langen Umgehungsstraße für die Bundesstraße 472 südlich der Gemeinde Waakirchen vor. Die angedachte Trasse würde mitten durch das Landschaftsschutzgebiet „Egartenlandschaft um Miesbach“ verlaufen, ebenso mögliche Alternativtrassen im Norden. Unmittelbar südlich der geplanten Trasse befindet sich sogar das FFH-Gebiet (FFH = Fauna-Flora-Habitat) Mariensteiner Moore, inklusive drei Naturdenkmäler und mehrerer unterirdischer Wasserströme von Wasserschutzgebieten der Gemeinde Waakirchen. Die geplante Ortumgehungsstraße liegt im Anwendungsgebiet der Alpenkonvention und deren Durchführungsprotokollen. Bis dato wurden die umweltrechtlichen Aspekte nicht geprüft und es besteht deshalb ein erhebliches Risiko für ein Verfahren vor dem Überprüfungsausschuss der Alpenkonvention . Eine solche Beschwerde könnte das Vorhaben stoppen und somit wertvolle Zeit sowie Steuergelder vernichten. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. a) Welche Rolle spielt die Reduktion des Individualverkehrs sowie die Förderung des ÖPNV im Verkehrskonzept für den Landkreis Miesbach und die Umgehungsstraße in Waakirchen? b) Inwiefern ist die Umgehungsstraße in ein integratives Verkehrskonzept des Landkreises Miesbach eingebettet ? c) Inwiefern wurden die Anforderungen des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention für die „Verwirklichung hochrangiger Straßenprojekte“ bei der Planung der Umgehungsstraße in Waakirchen berücksichtigt? 2. a) Gibt es belegbare Prognosen dafür, wie sich das Straßenverkehrsaufkommen mit der Ortsumgehung voraussichtlich entwickeln würde? b) Mit welchen negativen Auswirkungen für Bewohner, Umwelt (inkl. der oben genannten Schutzgebiete) und Landwirtschaft ist zu rechnen? 3. a) Wie sieht die Staatsregierung aus umweltfachlicher Sicht einen Bau einer Umgehungsstraße durch das Landschaftsschutzgebiet Egartenlandschaft? b) Welche umweltverträglichen Alternativlösungen werden in Erwägung gezogen? c) Inwiefern wurden die Anforderungen des Naturschutzprotokolls inklusive der Handlungsempfehlungen des Überprüfungsausschusses der Alpenkonvention für eine konsistente alpenweite Anwendung des Art. 11 Abs. 1 in Bezug auf die Änderungen der Verordnung zum Landschaftsschutzgebiet „Egartenlandschaft um Miesbach“ bei der Planung der Umgehungsstraße für die Bundesstraße 472 südlich der Gemeinde Waakirchen berücksichtigt? 4. Welche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wären für den Verlust der Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiete im Norden sowie im Süden von Waakirchen vorgesehen bzw. sind diese überhaupt möglich? 5. a) Welche Alternativen für eine Ortsumfahrung (OU) von Waakirchen (nicht durch das Landschaftsschutzgebiet ) wurden bereits geprüft? b) Zu welchem Ergebnis führten diese Überprüfungen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 14.08.2017 1. a) Welche Rolle spielt die Reduktion des Individualverkehrs sowie die Förderung des ÖPNV im Verkehrskonzept für den Landkreis Miesbach und die Umgehungsstraße in Waakirchen? Die Umfahrung Waakirchen im Zuge der B 472 ist im geltenden Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen im Vordringlichen Bedarf enthalten. Mit dieser Einstufung durch den Deutschen Bundestag ist für die Bayerische Straßenbauverwaltung ein Planungsauftrag verbunden. Das Projekt dient vorrangig der Verbesserung der Verkehrsqualität und Verkehrssicherheit im Zuge der Bundesstraße sowie der Entlastung der Ortsdurchfahrt vom Durchgangsverkehr und von den damit verbundenen Immissionen. Es wird daher unabhängig von den Zielen des Landkreises Miesbach, den ÖPNV in der Region zu stärken und den Individualverkehr zu reduzieren, weiterverfolgt. b) Inwiefern ist die Umgehungsstraße in ein integratives Verkehrskonzept des Landkreises Miesbach eingebettet? Nach hiesigem Kenntnisstand wurde vom Planungsverband Region Oberland ein Strukturgutachten für die Region Oberland in Auftrag gegeben, das derzeit vom Ingenieurbüro Transver und der MVV GmbH erstellt wird und in dessen Mittelpunkt die zukünftige Gestaltung der regionalen Verkehrsentwicklung stehen soll. Hiervon ist auch der Landkreis Miesbach betroffen. Inwieweit hier die Auswirkungen einer Umfahrung von Waakirchen einfließen, ist der Staats- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.12.2017 17/18056 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18056 bauverwaltung nicht bekannt. Das Staatliche Bauamt Rosenheim wurde bei der Vorbereitung und Vergabe dieses Gutachtens nicht beteiligt. Im Rahmen des vom Staatlichen Bauamt Rosenheim in diesem Jahr durchzuführenden Variantenvergleichs für eine Umfahrung Waakirchen wurde, unabhängig von dem angesprochenen Strukturgutachten des Planungsverbands Region Oberland, eine Verkehrsuntersuchung beauftragt. Diese Verkehrsuntersuchung beinhaltet u. a. die Wirkungen der Umfahrungen bei Holzkirchen auf den Raum Waakirchen und umgekehrt die Wirkungen der Umfahrung Waakirchen auf den Raum Holzkirchen. Die Arbeiten hierzu sind noch nicht abgeschlossen. c) Inwiefern wurden die Anforderungen des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention für die „Verwirklichung hochrangiger Straßenprojekte“ bei der Planung der Umgehungsstraße in Waakirchen berücksichtigt? Die B 472 ist nach der Definition des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention nicht als hochrangige Straße einzustufen. Die Anforderungen des Verkehrsprotokolls finden daher in diesem Punkt keine Anwendung. Die OU Waakirchen wird als zweistreifige Straße mit dem Ziel geplant, die Ortsdurchfahrt vom Durchgangsverkehr zu entlasten. 2. a) Gibt es belegbare Prognosen dafür, wie sich das Straßenverkehrsaufkommen mit der Ortsumgehung voraussichtlich entwickeln würde? Im Rahmen der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans wurden die verkehrlichen Wirkungen einer Umfahrung Waakirchen ermittelt und sind in die Bewertung des Projekts mit eingeflossen. Demnach beträgt die Verkehrsbelastung in der Ortsdurchfahrt Waakirchen im Prognosenullfall 2030 zwischen 12.000 und 16.000 Kfz 24/ h. Der Schwerverkehr wurde mit 1.000–2.000 Kfz/24 h ermittelt. Im Falle einer Südumfahrung Waakirchen mit Anschluss der in Richtung Gmund am Tegernsee verlaufenden St 2365 beträgt die Verkehrsbelastung in der Ortsdurchfahrt Waakirchen 2030 nur noch 1.000 Kfz/24 h. Der Schwerverkehr wurde mit nahezu 0 Kfz/24 h ermittelt. Auf der Umfahrung wurde für 2030 eine Verkehrsbelastung von 12.000–14.000 Kfz/24 h und ein Schwerverkehr von 1.000–2.000 Kfz/24 h prognostiziert. Im Ergebnis wird der Ort Waakirchen damit nahezu vollständig vom Durchgangsverkehr entlastet und es verbleibt überwiegend der Ziel- und Quellverkehr in der Ortsdurchfahrt . b) Mit welchen negativen Auswirkungen für Bewohner , Umwelt (inkl. der oben genannten Schutzgebiete ) und Landwirtschaft ist zu rechnen? Im Rahmen des derzeit laufenden Variantenvergleichs, der auf Vorplanungen der zu untersuchenden Trassenvarianten basiert, werden die Varianten hinsichtlich der Schutzgüter nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) sowie den Belangen Verkehrssicherheit, Verkehrswirksamkeit und Kosten beurteilt und gegenübergestellt. Der Variantenvergleich dient als Grundlage für die Festlegung der weiter zu verfolgenden Lösung. Die genauen Auswirkungen der Wahltrasse werden dann in den weiteren Planungsschritten konkretisiert. Insofern können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine belastbaren Aussagen hierzu erfolgen. Inwieweit bestehende Schutzgebiete durch das Projekt betroffen sind und ob bzw. welche Vermeidungs-, Ausgleichs - oder Ersatzmaßnahmen zu ergreifen wären, lässt sich ebenfalls erst im Rahmen einer vertieften Planung näher analysieren. 3. a) Wie sieht die Staatsregierung aus umweltfachlicher Sicht einen Bau einer Umgehungsstraße durch das Landschaftsschutzgebiet Egartenlandschaft ? Im Rahmen der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans erfolgte auch eine umwelt- und naturschutzfachliche Beurteilung. Im Ergebnis wurde die Umweltbetroffenheit als gering bewertet. Von dem Projekt sind keine Natura 2000-Gebiete betroffen. Das Landschaftsschutzgebiet (LSG) Egartenlandschaft wird von der Umfahrung zwar flächenmäßig erfasst, stellt aber aus naturschutzrechtlicher Sicht kein unüberwindbares Hindernis dar. Die Eingriffe in das LSG Egartenlandschaft werden im Rahmen der landschaftspflegerischen Begleitplanung in den weiteren Planungsschritten erfasst und bewertet und im Kompensationskonzept berücksichtigt. Die rechtliche Behandlung erfolgt im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens. b) Welche umweltverträglichen Alternativlösungen werden in Erwägung gezogen? Bereits im Rahmen der Variantenuntersuchung werden alle infrage kommenden straßenbaulichen Lösungen auf ihre Umweltauswirkungen hin untersucht. Dadurch wird gewährleistet , dass die Auswirkungen auf die Umwelt ausreichend in den Entscheidungsprozess zur Festlegung der weiterzuverfolgenden Trasse mit einfließen. Der Variantenvergleich ist auch Bestandteil der nachfolgenden Planungsschritte und wird dort entsprechend des Planungsstandes weiter konkretisiert. c) Inwiefern wurden die Anforderungen des Naturschutzprotokolls inklusive der Handlungsempfehlungen des Überprüfungsausschusses der Alpenkonvention für eine konsistente alpenweite Anwendung des Art. 11 Abs. 1 in Bezug auf die Änderungen der Verordnung zum Landschaftsschutzgebiet „Egartenlandschaft um Miesbach“ bei der Planung der Umgehungsstraße für die Bundesstraße 472 südlich der Gemeinde Waakirchen berücksichtigt? Erst nach Durchführung weiterer vertiefter Planungsschritte kann festgestellt werden, ob bestehende Schutzgebiete gem. Art. 11 des Naturschutzprotokolls durch das in Rede stehende Projekt betroffen sind, ob im Fall einer Betroffenheit der Schutzzweck eines Schutzgebietes dem Projekt entgegensteht sowie gegebenenfalls, ob das Projekt unter Berücksichtigung etwaiger Vermeidungs-, Ausgleichsoder Ersatzmaßnahmen im Einklang mit den gesetzlichen Schutzvorschriften genehmigt werden kann. Das derzeitige Planungsstadium, der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 bzw. der geltende Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen aber auch die derzeit laufende Variantenuntersuchung können diese Untersuchungstiefe nicht leisten. Die Anwendung von Art. 11 Abs. 1 des Protokolls „Naturschutz und Landschaftspflege“, der sich an die Vertragsstaaten richtet, wird durch die Regelungen zum Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft im Bundes- und Landesrecht, insbesondere in Kapitel 4 des Bundesnatur- Drucksache 17/18056 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 schutzgesetzes, gewährleistet. Diese gesetzlichen Regelungen sind auch im Rahmen eines Zulassungsverfahrens für ein konkretes Straßenbauvorhaben zu berücksichtigen. 4. Welche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wären für den Verlust der Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiete im Norden sowie im Süden von Waakirchen vorgesehen bzw. sind diese überhaupt möglich? Siehe Antworten zu den Fragen 2 b, 3 a und 3 c. 5. a) Welche Alternativen für eine Ortsumfahrung (OU) von Waakirchen (nicht durch das Landschaftsschutzgebiet ) wurden bereits geprüft? Die Variantenuntersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Insofern wurden bisher auch noch keine Alternativen für eine Umfahrung Waakirchen abschließend geprüft, die nicht durch das LSG Egartenlandschaft führen. Im Rahmen der Variantenuntersuchung werden jedoch auch beispielsweise Tunnellösungen untersucht, welche das LSG Egartenlandschaft voraussichtlich nur geringfügig berühren. b) Zu welchem Ergebnis führten diese Überprüfungen ? Siehe Antwort zu Frage 5 a.