Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 10.07.2017 Notarztversorgung im Hochspessart Laut der Antwort auf meine Schriftliche Anfrage Drs. 17/6188 war schon in 2015 geplant, eine neue Notarztstudie in Auftrag zu geben. In dieser Studie wird ausführlich der Iststand untersucht und eine Bedarfsanalyse erstellt sowie Organisations - und Finanzierungsmodelle analysiert, sowohl im Detail als auch im Trend. Gleichzeitig konnte nach Angaben des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr die 12 Minuten-Frist des Eintreffens der Rettungskräfte am Einsatzort in Heigenbrücken in den letzten drei Jahren nur von unter 20 Prozent auf 25 Prozent verbessert werden. Auch in anderen Gemeinden des Hochspessarts gestaltet sich die Einhaltung der 12-Minuten-Frist schwierig. Abhilfe könnte mit der Stationierung eines zusätzlichen Rettungswagens in Heigenbrücken geschaffen werden. Dazu frage ich die Staatsregierung: 1. Wurde inzwischen eine neue Notarztstudie in Auftrag gegeben? 2. a) Wenn nein, wann soll die neue Notararztstudie in Auftrag gegeben werden? b) Wenn ja, liegen bereits Ergebnisse vor? c) Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? 3. Gibt es bereits einen Plan, wie die Lage der Notarztversorgung im Hochspessart verbessert werden kann, und wenn ja, was ist geplant? 4. Wie steht die Staatsregierung zur Stationierung eines zusätzlichen Rettungswagens in Heigenbrücken? 5. Welche Gründe sprechen gegen die Stationierung eines zusätzlichen Rettungswagens in Heigenbrücken? 6. Welche Voraussetzungen müssten erfüllt werden, um einen zusätzlichen Rettungswagen in Heigenbrücken stationieren zu können? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 14.08.2017 1. Wurde inzwischen eine neue Notarztstudie in Auftrag gegeben? 2. a) Wenn nein, wann soll die neue Notararztstudie in Auftrag gegeben werden? b) Wenn ja, liegen bereits Ergebnisse vor? c) Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? 3. Gibt es bereits einen Plan, wie die Lage der Notarztversorgung im Hochspessart verbessert werden kann, und wenn ja, was ist geplant? Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr plant, längerfristig eine neue Notarztstudie in Auftrag zu geben . Dies hat den Grund, dass sich im Rettungsdienst mehrere Sachzusammenhänge im Umbruch befinden. Eine Studie wäre zum derzeitigen Zeitpunkt deswegen nicht sinnvoll. Abzuwarten sind vor allem die Entwicklungen in dem Projekt „Telenotarzt“ sowie im Beruf des Notfallsanitäters. Die Entwicklungen lassen gleichzeitig eine Besserung der rettungsdienstlichen Versorgung in dünner besiedelten Gebieten erwarten. Im Rettungsdienstbereich Straubing, einem Rettungsdienstbereich mit sowohl städtischer als auch ländlicher Struktur, wird derzeit das Pilotprojekt „Telenotarzt“ vorbereitet . Ziel dieses Projekts ist es, die Möglichkeiten der Telemedizin im Rettungsdienst auszuwerten. Ein Telenotarzt, der sich in der Integrierten Leitstelle befindet, kann anhand der übermittelten Daten bereits den Gesundheitszustand des Patienten bewerten und dem vor Ort befindlichen Personal des Rettungswagens Behandlungsmöglichkeiten delegieren sowie diese überwachen. Auf diese Weise kann das notarztfreie Intervall bis zum Eintreffen des realen Notarztes verkürzt werden. Zudem besteht für das vor Ort befindliche Rettungsdienstpersonal die Möglichkeit, den Telenotarzt unterstützend, z. B. zur Transportbegleitung des Patienten, hinzuzuziehen. Die Erkenntnisse aus diesem Pilotprojekt, die gegen Anfang des Jahres 2019 erwartet werden, sollten von einer Notarztstudie berücksichtigt werden. Ebenso sind Entwicklungen im Beruf des Notfallsanitäters abzuwarten. Der Bund hat mit dem Notfallsanitätergesetz (NotSanG) vom 22.05.2013 den neuen Ausbildungsberuf des Notfallsanitäters geschaffen. In seiner Ausbildung lernt der Notfallsanitäter auch nach § 4 Abs. 2 Buchstabe c NotSanG das eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen , die vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen standardmäßig vorgegeben, überprüft und verantwortet werden. Das Bayerische Rettungsdienstgesetz (BayRDG) sieht seit dem 08.03.2016 in Art. 12 Abs. 1 Nr. 6 vor, dass durch die ÄLRD die Delegation der in § 4 Abs. 2 Buchstabe c NotSanG genannten Maßnahmen erfolgen kann. Derzeit erarbeiten die ÄLRD Bayern unter Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.12.2017 17/18059 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18059 Leitung des Ärztlichen Landesbeauftragten Rettungsdienst die in § 4 Abs. 2 Buchstabe c NotSanG erwähnten standardmäßigen Vorgaben für bestimmte notfallmedizinische Zustandsbilder (Standard Operating Procedures, auch SOP). Mit der Veröffentlichung der SOP ist im Laufe des Jahres 2017 zu rechnen. Einhergehend mit regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen und Fallbesprechungen unter Leitung des örtlichen ÄLRD können die Notfallsanitäter dann in der Praxis diese Maßnahmen vornehmen. Auch die Auswirkungen dieser Entwicklung sollten von einer Notarztstudie berücksichtigt werden können, sodass nach Veröffentlichung der SOP ein angemessener Zeitraum abgewartet werden sollte. 4. Wie steht die Staatsregierung zur Stationierung eines zusätzlichen Rettungswagens in Heigenbrücken ? 5. Welche Gründe sprechen gegen die Stationierung eines zusätzlichen Rettungswagens in Heigenbrücken ? 6. Welche Voraussetzungen müssten erfüllt werden, um einen zusätzlichen Rettungswagen in Heigenbrücken stationieren zu können? Nach Art. 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 BayRDG ist der örtliche Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) für die rettungsdienstliche Versorgungsplanung zuständig, in diesem Fall der ZRF Bayerischer Untermain. Der ZRF hat nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 BayRDG bei Entscheidungen über die Versorgungsstruktur die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayRDG bedarf der ZRF bei Entscheidungen, die sich auf die Betriebskosten der Notfallrettung auswirken, also auch bei der Entscheidung über die Errichtung eines neuen Standorts z. B. in Heigenbrücken, der Zustimmung der Kostenträger. Sollten diese nicht zustimmen, so sieht Art. 6 BayRDG die Entscheidung der Strukturschiedsstelle vor. Gegen deren Entscheidung kann ggfs. vor den Verwaltungsgerichten vorgegangen werden. Eine Entscheidungskompetenz des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr ist hier nicht gegeben. Materiell entscheidet nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayRDG der rettungsdienstliche Bedarf über Anzahl, Standorte und Ausstattung der Rettungswachen. Die Bemessung des rettungsdienstlichen Bedarfs und damit die Lozierung eines Rettungsdienststandortes ist eine hochkomplexe Angelegenheit , die umfassender Auswertungen unter Berücksichtigung der örtlichen Geografie und Infrastruktur sowie weiterer Besonderheiten bedarf. Es wäre daher weder fachlich sinnvoll noch wirtschaftlich vernünftig, ohne gutachterliche Betrachtung einen Rettungsdienststandort in Heigenbrücken zu eröffnen, da ebenso gut ein anderer Standort in der Nähe deutlich geeigneter sein könnte. Die Kostenträger erteilen daher ohne ein Bedarfsgutachten regelmäßig keine Zustimmung zur Errichtung eines neuen Standorts, bei einer gutachterlich begründeten Entscheidung dagegen schon. Die Zweckverbände lassen ihren jeweiligen Rettungsdienstbereich deswegen turnusmäßig und bei spezifischen Fragestellungen auch außerplanmäßig begutachten. Im Gebiet des ZRF Bayerischer Untermain wurde zuletzt im August 2016 die oben erwähnte Begutachtung abgeschlossen . Der Versorgungsbereich der Rettungswache Weibersbrunn, zu dem auch Heigenbrücken gehört, wurde in dem Gutachten ebenfalls überprüft. Dabei wurde vorgeschlagen , einen neuen Stellplatz für einen Rettungswagen in Sulzbach am Main mit 110 Wochenstunden und einen Stellplatz für einen Rettungswagen in Mömbris mit 70 Wochenstunden Vorhaltung zu errichten. Im angrenzenden Rettungsdienstbereich Würzburg wurde die Errichtung eines Stellplatzes in Wiesthal mit 84 Wochenstunden Vorhaltung empfohlen. Zuständig für die Umsetzung dieser Empfehlungen sind die örtlichen ZRF. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr fragte deswegen bei dem ZRF Bayerischer Untermain an und erhielt die folgenden Informationen : Der die unmittelbare Umgebung von Heigenbrücken im Rettungsdienstbereich Bayerischer Untermain betreffende Stellplatz in Mömbris solle noch im Laufe dieses Jahres in Betrieb gehen, der Stellplatz in Wiesthal im Rettungsdienstbereich Würzburg sei bereits in Betrieb. Für den Stellplatz in Sulzbach sei der Zuschlag bereits erteilt worden , man befinde sich im Moment noch auf der Suche nach einem konkreten Standort. Mit Inbetriebnahme des entsprechenden Rettungswagens sei zum 01.10.2017 zu rechnen. Bereits mit der Umsetzung der gerade geschilderten Maßnahmen sollte eine Verbesserung der Versorgung im Versorgungsbereich der Rettungswache Weibersbrunn eintreten . Die Überprüfung der Situation obliegt, wie eingangs geschildert, dem ZRF Bayerischer Untermain. Jedenfalls muss nach Umsetzung der Maßnahmen abgewartet werden , bis eine ausreichende Anzahl an Einsätzen gefahren wurde, um eine verlässliche Betrachtung zu ermöglichen. Dies ist frühestens nach einem weiteren Jahr der Fall.