Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 14.07.2017 Aussterben der Schmetterlinge in Bayern Experten berichten, dass die Schmetterlingsbestände in Bayern in den vergangenen Jahren möglicherweise um mehr als 90 Prozent geschrumpft sind, etliche Arten sind nicht mehr nachweisbar. Die ökologischen Folgen sind mehr als bedenklich, denn der Rückgang blütenbestäubender Insekten , zu denen Schmetterlinge gehören, beeinflussen die Vielfalt von Wild- und Nutzpflanzen ebenso wie die Nahrungsmittelproduktion . Daher frage ich die Staatsregierung: 1. a) Welche Daten und Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über die konkreten Ursachen für den massiven Rückgang der Schmetterlingspopulationen in Bayern vor? b) Welche Rolle spielt nach Erkenntnissen der Staatsregierung der breite Einsatz von Pestiziden, insbesondere von Glyphosat, bei dem massiven Rückgang der Schmetterlinge in Bayern? c) Welche konkreten Ansätze verfolgt die Staatsregierung zur Pestizidminimierung in Bayern, um das Aussterben von noch mehr Schmetterlingsarten zu verhindern ? 2. a) Welche Langzeituntersuchungen liegen der Staatsregierung über den Zustand der Schmetterlingspopulationen in Bayern vor? b) Welche Lebensräume benötigen Schmetterlinge, um gesunde Populationen entwickeln zu können? c) Wie hat sich nach Erkenntnissen der Staatsregierung die Quantität und Qualität der Lebensräume von Schmetterlingen in den letzten 15 Jahren in Bayern entwickelt? 3. a) Inwiefern wird in den Projekten des BayernNetzNatur (BNN) und der Artenschutzkartierung am Landesamt für Umwelt untersucht, welchen Einfluss ökologische bzw. konventionelle Landwirtschaft auf die Populationen von Schmetterlingen in Bayern hat? b) Falls oben Genanntes nicht untersucht wird, was sind dafür die Gründe der Staatsregierung? c) Welche Rolle spielt nach Erkenntnissen der Staatsregierung die intensive Landwirtschaft in Bayern bei dem massiven Rückgang der Schmetterlinge in Bayern? 4. Sind nach Einschätzung der Staatsregierung angesichts des aktuellen Artenverlustes der Schmetterlinge in Bayern die aktuellen Agrarumweltmaßnahmen wie Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) und Vertragsnaturschutzprogramm ausreichend? 5. Welchen Einfluss haben nach Einschätzung der Staatsregierung der Flächenverbrauch und die Flächenversiegelung auf den Rückgang der Schmetterlinge in Bayern? 6. a) Welcher Anteil der jährlich eingesetzten 70 Mio. Euro in den Bereichen Naturschutz und Landschaftspflege wird dafür verwendet, den konkreten Ursachen des Artenrückgangs entgegenzuwirken? b) Welcher Anteil der o. g. Haushaltsmittel fließt in Maßnahmenpakete , damit auf den landwirtschaftlichen Flächen Bayerns Schmetterlinge und andere Bestäuber überleben können? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 11.08.2017 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt beantwortet: 1. a) Welche Daten und Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über die konkreten Ursachen für den massiven Rückgang der Schmetterlingspopulationen in Bayern vor? Für den allgemeinen Rückgang der Schmetterlinge sind im Wesentlichen Lebensraumverluste verantwortlich (s. auch Antwort zu Frage 1 b). b) Welche Rolle spielt nach Erkenntnissen der Staatsregierung der breite Einsatz von Pestiziden, insbesondere von Glyphosat, bei dem massiven Rückgang der Schmetterlinge in Bayern? Die Ursachen für die Veränderung der Biodiversität sind zahlreich. Zu nennen sind hier beispielhaft der Klimawandel , der Lebensraumverlust durch Versiegelung der Böden oder ein hoher Flächenverbrauch. Auch die intensive Landnutzung einschließlich des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln ist hierbei ein maßgeblicher Faktor. Zur fundierten Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.11.2017 17/18063 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18063 Beurteilung des Rückgangs von Schmetterlingen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln liegen zu wenige Daten vor. Dies gilt auch für das Herbizid Glyphosat, das nicht unmittelbar auf Schmetterlinge und deren Raupen, sondern eventuell auf die Futterpflanzen der Schmetterlinge einwirken könnte. Die Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die terrestrische und aquatische Umwelt werden im Rahmen des jeweiligen Zulassungsverfahrens umfangreich geprüft und bewertet. Das Umweltbundesamt hat als Einvernehmensbehörde maßgeblichen Einfluss auf die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, wenn es sich um die Beurteilung möglicher Auswirkungen der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt, insbesondere auf Gewässer und die Biodiversität handelt. c) Welche konkreten Ansätze verfolgt die Staatsregierung zur Pestizidminimierung in Bayern, um das Aussterben, noch mehr Schmetterlingsarten zu verhindern? Vorrangiges Ziel ist es, das Risiko, das aus der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln entstehen kann, weiter zu reduzieren . So sieht auch der Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) die Reduktion von Risiken und nicht eine pauschale Mengenreduktion vor. Pauschale Reduktionen lassen den Nutzen und die Eigenschaften der Pflanzenschutzmittel und die mit ihrer Anwendung verbundenen Risiken unbeachtet. Im Integ rierten Pflanzenschutz erfolgen die Behandlungsentscheidungen nach dem Schadschwellenprinzip und Schaderregeraufkommen. Hierbei sind die erfolgreiche Regulierung der jeweiligen Schaderreger, das Resistenzmanagement und ein möglichst umweltverträglicher Pflanzenschutzmitteleinsatz die maßgeblichen Entscheidungsfaktoren . Eine Begrenzung und relative Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes wird durch eine standortgerechte Fruchtfolge und angepasste Produktionstechnik erreicht . Darüber hinaus ist die Staatsregierung bestrebt, das Vertragsnaturschutzprogramm weiter auszubauen. Ackerland, Wiesen und Weiden im Vertragsnaturschutz – derzeit etwa 84.000 ha − werden ohne flächigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bewirtschaftet. 2. a) Welche Langzeituntersuchungen liegen der Staatsregierung über den Zustand der Schmetterlingspopulationen in Bayern vor? Die langfristige Bestandsentwicklung von Schmetterlingen lässt sich nur anhand von Literatur- und Sammlungsdaten, teilweise auch mithilfe von Zeitzeugen rekonstruieren. Auf diese Weise konnten z. B. im Raum Regensburg Experten innerhalb von 175 Jahren einen Artenrückgang bei Schmetterlingen um rund 40 Prozent dokumentieren. Programme zur Dauerbeobachtung von Schmetterlingsarten sind in den letzten Jahren angelaufen, z. B. im Rahmen des FFH-Monitorings oder als Bestandteil von Artenhilfsprogrammen (z. B. Apollofalter). Ein Ausbau des Langzeitmonitorings zur Entwicklung der Insektenfauna in Bayern ist geplant. b) Welche Lebensräume benötigen Schmetterlinge, um gesunde Populationen entwickeln zu können? Die über 3.000 in Bayern heimischen Schmetterlingsarten besiedeln ein breites Spektrum an Lebensräumen. Die kleinste, aber zugleich bekannteste Schmetterlingsgruppe sind die Tagfalter, welche überwiegend in extensiv genutzten, nährstoffarmen bzw. mäßig nährstoffreichen Offenlandlebensräumen leben, z. B. Magerrasen, Extensivwiesen , Streuwiesen und lichten Wäldern. Typisch für diese Lebensräume ist vielfach eine artenreiche Flora mit einem reichhaltigen Blütenangebot als Nahrungsressource für die Falter. c) Wie hat sich nach Erkenntnissen der Staatsregierung die Quantität und Qualität der Lebensräume von Schmetterlingen in den letzten 15 Jahren in Bayern entwickelt? In den letzten 15 Jahren gingen insbesondere weitere Offenland -Lebensräume verloren oder haben ihre Habitateignung teilweise eingebüßt. Insbesondere mit dem Vertragsnaturschutzprogramm ist die Staatsregierung bestrebt, dieser Entwicklung durch eine Förderung von Ackerland, Wiesen und Weiden ohne flächigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln entgegenzuwirken. Der Anteil an Vertragsnaturschutzflächen – derzeit etwa 84.000 ha – soll weiter ausgebaut werden. 3. a) Inwiefern wird in den Projekten des BayernNetzNatur (BNN) und der Artenschutzkartierung am Landesamt für Umwelt untersucht, welchen Einfluss ökologische bzw. konventionelle Landwirtschaft auf die Populationen von Schmetterlingen in Bayern hat? Populationsökologische Untersuchungen konzentrieren sich i. d. R. auf gefährdete Lebensraumtypen und die für sie charakteristischen Arten. Das sind nahezu ausschließlich extensiv genutzte Lebensräume. Naturschutzprojekte sind in aller Regel Umsetzungsprojekte mit konkreten Maßnahmen . Grundlagenforschung ist dagegen Aufgabe von Forschungsprojekten . b) Falls oben Genanntes nicht untersucht wird, was sind dafür die Gründe der Staatsregierung? Für Vergleichsuntersuchungen zwischen ökologisch und konventionell bewirtschafteten Flächen gibt es kaum Bedarf , da die grundsätzlichen Unterschiede geklärt sind. Es gibt dazu eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien aus ganz Europa. Die Individuen- und Artenzahlen in ökologisch bewirtschafteten Äckern sind bei vielen Pflanzen- und Tiergruppen um ein Mehrfaches höher als in konventionellen Kulturen. Dem ökologischen Landbau kommt beim Schutz der Biodiversität in der Agrarlandschaft eine tragende Rolle zu. c) Welche Rolle spielt nach Erkenntnissen der Staatsregierung die intensive Landwirtschaft in Bayern bei dem massiven Rückgang der Schmetterlinge in Bayern? Landwirtschaftlich genutzte Flächen sind vielfach stärker an Arten und Individuen von Schmetterlingen verarmt als Siedlungsgebiete, in denen es immer wieder Brachflächen, unbehandelte Bereiche oder gezielt angelegte kleinere Biotopflächen gibt. 4. Sind nach Einschätzung der Staatsregierung angesichts des aktuellen Artenverlustes der Schmetterlinge in Bayern die aktuellen Agrarumweltmaßnahmen wie Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) und Vertragsnaturschutzprogramm ausreichend? Drucksache 17/18063 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Die Agrarumweltmaßnahmen und hier insbesondere das Vertragsnaturschutzprogramm mit seiner Ausrichtung auf naturschutzfachliche Zielstellungen leisten wichtige Beiträge zur Erhaltung der heimischen Schmetterlinge. Neben einer weiteren Flächenausdehnung des Vertragsnaturschutzes für den Schmetterlingsschutz bedeutsamer Maßnahmenkombinationen (z. B. späte Mahd blütenreicher Wiesen, extensive Beweidung von Magerrasen) sind beispielsweise flankierende Maßnahmen der Landschaftspflege erforderlich , um den spezifischen Lebensraumanforderungen seltener und hoch bedrohter Arten gerecht zu werden. Darüber hinaus werden auch mit dem Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramm Wald für Schmetterlinge sehr wichtige lichte Waldstrukturen in Mittel- und Niederwäldern gesichert. Das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) der Förderperiode 2014–2020 verfolgt vielfältige Umweltziele wie z. B. Klima-, Boden- und Gewässerschutz. Im Hinblick auf die Biodiversität wird der Erhalt der Artenvielfalt durch extensive Nutzung von artenreichen Grünlandbeständen, vielfältige Fruchtfolgen und Anlegen von Blühflächen sowie die gezielte Schaffung von Wildlebens- und Rückzugsräumen für Wildinsekten, Wildtiere und Bienen durch ganzjährige Blühflächen mit speziellen Einsaaten unterstützt. 5. Welchen Einfluss haben nach Einschätzung der Staatsregierung der Flächenverbrauch und die Flächenversiegelung auf den Rückgang der Schmetterlinge in Bayern? Flächenverbrauch und Versiegelung können – sofern dabei wertvolle Schmetterlingslebensräume beeinträchtigt werden − markant zum Rückgang der Schmetterlinge beitragen. 6. a) Welcher Anteil der jährlich eingesetzten 70 Mio. Euro in den Bereichen Naturschutz und Landschaftspflege wird dafür verwendet, den konkreten Ursachen des Artenrückgangs entgegenzuwirken ? Auf die naturverträgliche Bewirtschaftung von Äckern, Wiesen und Weiden im Rahmen des Vertragsnaturschutzes entfallen über 40 Mio. Euro pro Jahr. Jährlich rund 17 Mio. Euro wendet das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) für Maßnahmen nach den Landschaftspflege- und Naturparkrichtlinien auf. Viele der durchgeführten Maßnahmen haben positive Effekte auf Tagfalter, z. B. die Entbuschung zugewachsener Magerrasen oder die Wiederaufnahme der Pflege brach gefallener Streuwiesen. Im Vertragsnaturschutz Wald werden jährlich rund 0,5 Mio. Euro für den Erhalt lichter Wälder eingesetzt, eine Maßnahme , die ganz entscheidend für den Erhalt von waldbewohnenden Schmetterlingsarten in Bayern ist. Daneben gibt es eine Vielzahl an Projekten zum Arten - und Lebensraumschutz (z. B. BayernNetzNatur, Artenhilfsmaßnahmen , Renaturierungsprojekte), von dem auch Schmetterlinge und andere Insekten profitieren. Der Gesamtanteil an Haushaltsmitteln für den Schmetterlingsschutz kann deshalb nicht explizit beziffert werden. b) Welcher Anteil der o. g. Haushaltsmittel fließt in Maßnahmenpakete, damit auf den landwirtschaftlichen Flächen Bayerns Schmetterlinge und andere Bestäuber überleben können? Der Anteil der eingesetzten Mittel für Maßnahmenpakete für Schmetterlinge und andere Bestäuber lässt sich nicht beziffern. Neben konkreten Schnittzeitpunktregelungen mit intermittierenden Brachen zum Schutz von Ameisenbläulingen im Vertragsnaturschutz haben viele weitere der durchgeführten Maßnahmen in der Landschaftspflege und im Vertragsnaturschutz positive Effekte auf Schmetterlinge.