Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Schindler SPD vom 20.06.2017 Einsatz von V-Personen im Bereich der Gefahrenabwehr Während im Aufgabenbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz die Voraussetzungen und Modalitäten des Einsatzes von sog. V-Leuten und die Kontrolle ihres Einsatzes gesetzlich geregelt sind und für den Einsatz von V-Personen im Rahmen der Strafverfolgung „Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung“ (Anlage D zu den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren – RiStBV) vorliegen, fehlen im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz – im Gegensatz zu Polizeigesetzen anderer Bundesländer – gesetzliche Regelungen über die Inanspruchnahme von Informanten und den Einsatz von V- Leuten im Bereich der Gefahrenabwehr, insbesondere auch im Bereich der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten und der Staatsschutzkriminalität. Ebenso fehlen gesetzliche Regelungen über die Kontrolle des Einsatzes von V-Personen durch die Polizei. In der Vollzugsbekanntmachung zu Art. 33 des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) wird, ohne dass sich dies aus dem Gesetz ergibt, ausgeführt, dass die Inanspruchnahme von V-Personen im Bereich der Gefahrenabwehr unter den Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 und des Art. 30 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 PAG zulässig sei, dass die Inanspruchnahme von V-Personen auch bei der Gefahrenabwehr vor allem im Bereich der Schwerkriminalität, der organisierten und der Rauschgiftkriminalität in Betracht komme und dass V-Personen zur Gefahrenabwehr „entsprechend Nr. 1.3.2. der Gemeinsamen Bekanntmachung“ nur in Anspruch genommen werden dürfen, wenn die Erfüllung polizeilicher Aufgaben sonst aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Eine spezifische parlamentarische Kontrolle des Einsatzes von V-Personen im Bereich der Gefahrenabwehr ist nicht vorgesehen, obwohl diese genauso im Geheimen wirken wie V-Personen des Landesamtes für Verfassungsschutz . Die unterschiedliche Regelungspraxis zwischen Verfassungsschutz und Polizei erscheint problematisch, da die Tätigkeit einer V-Person grundsätzlich die gleiche ist, ob sie nun für das Landesamt für Verfassungsschutz oder für die Polizei ausgeübt wird, und weil im Bereich der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, insbesondere der Organisierten Kriminalität und des polizeilichen Staatsschutzes Überschneidungen mit Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz denkbar sind. Es erschließt sich nicht, weswegen der Einsatz von V-Personen, soweit sie für das Landesamt für Verfassungsschutz tätig sind, gesetzlich geregelt ist, während der Einsatz von V-Personen, die für die Polizei im Bereich der Gefahrenabwehr tätig sind, keiner gesetzlichen Regelung bedürfen soll. Ich frage deshalb die Staatsregierung: 1. In welchen Bereichen der Erfüllung der originären Aufgabe der Polizei zur Gefahrenabwehr werden sog. V-Personen a) in welchem Umfang eingesetzt? b) Sind V-Personen insbesondere im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes (beim Landeskriminalamt – BLKA, dem Kriminalfachdezernat „Staatsschutzdelikte “ im Polizeipräsidium (PP) München und bei den Kommissariaten „Staatsschutz“ der Kriminalpolizeiinspektionen ) und im Rahmen der vorbeugenden Bekämpfung der Organisierten Kriminalität im „Einsatz“? 2. a) Wie wird die Tätigkeit von V-Personen der Polizei im Bereich der Staatschutzdelikte und der Organisierten Kriminalität von der Tätigkeit von V-Personen des Landesamtes für Verfassungsschutz zur Gewinnung von Informationen über die gleichen Phänomene abgegrenzt ? b) Sind V-Personen gleichzeitig für die Polizei und für das Landesamt für Verfassungsschutz tätig? 3. a) Welche Hierarchieebene entscheidet bei der Polizei b) nach welchen Kriterien über den „Einsatz“ von V-Personen ? c) Gibt es auch bei der Polizei die Funktion von „V-Mann- Führern“? 4. a) Wie werden die von V-Personen gewonnenen Daten und sonstigen Informationen auf Richtigkeit und Plausibilität überprüft? b) In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2015 und 2016 Informanten und V-Personen der Polizei, die im Bereich der Gefahrenabwehr tätig waren, Vertraulichkeit /Geheimhaltung zugesichert? c) Welche Hierarchieebene in der Polizei ist berechtigt, entsprechende Zusicherungen abzugeben? 5. a) Wie werden V-Personen der Polizei für ihre Tätigkeit entlohnt? b) Wie viele Mittel stehen dem LKA, den Polizeipräsidien und den Kriminalpolizeiinspektionen hierfür zur Verfügung ? 6. Was spricht nach Ansicht der Staatsregierung dagegen , die Voraussetzungen und Modalitäten des Einsatzes von V-Personen im Bereich der Gefahrenabwehr entsprechend der Regelung im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) auch im PAG zu verankern? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.10.2017 17/18079 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18079 7. Hält es die Staatsregierung für geboten, die Unterrichtungspflichten gegenüber dem Landtag gemäß Art. 34 Abs. 9 und Art. 34d Abs. 8 PAG um eine Unterrichtungspflicht über den Einsatz von V-Personen zur Gefahrenabwehr zu erweitern? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17.08.2017 1. In welchen Bereichen der Erfüllung der originären Aufgabe der Polizei zur Gefahrenabwehr werden sog. V-Personen a) in welchem Umfang eingesetzt? b) Sind V-Personen insbesondere im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes (beim Landeskriminalamt – BLKA, dem Kriminalfachdezernat „Staatsschutzdelikte “ im Polizeipräsidium (PP) München und bei den Kommissariaten „Staatsschutz“ der Kriminalpolizeiinspektionen) und im Rahmen der vorbeugenden Bekämpfung der Organisierten Kriminalität im „Einsatz“? Für den polizeilichen Einsatz von V-Personen (VP) gelten in Bayern die Vorschriften der Gemeinsamen Bekanntmachung (GemBek) der Staatsministerien der Justiz und des Innern vom 27.03.1986, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 24.06.2016 (analog Anlage D zu den RiStBV) sowie die „Ergänzenden Richtlinien zum Einsatz von V-Personen und zur Inanspruchnahme von Informanten (VS-Nur für den Dienstgebrauch) des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (StMI). Für den Einsatz zur Gefahrenabwehr gelten insbesondere die Vorschriften der Art. 30 und 31 PAG. Die GemBek ist im Bereich der Gefahrenabwehr analog anzuwenden. Ein VP-Einsatz im Bereich der Gefahrenabwehr kommt nach Ziffer 2.2 der Ergänzenden Richtlinien insbesondere in den unter Ziffer 1.3.1.1 der Gemeinsamen Bekanntmachung genannten Deliktsbereichen der Schwerkriminalität, der Organisierten Kriminalität, des illegalen Betäubungsmittel- und Waffenhandels, der Falschgeldkriminalität sowie bei Staatsschutzdelikten mit dem Ziel der Ausforschung des kriminellen Milieus in Betracht. Der Umfang einer Maßnahme richtet sich nach den Erforderlichkeiten des Einzelfalls und wird je nach Sachlage individuell bewertet, geplant und konzeptioniert. Der präventive Einsatz von polizeilichen VP im Staatsschutzbereich ist nur mit Einzelfallgenehmigung des StMI zulässig. Struktureinsätze von VP zur Beobachtung der politischen Szene finden in Bayern durch die Polizei grundsätzlich nicht statt. 2. a) Wie wird die Tätigkeit von V-Personen der Polizei im Bereich der Staatschutzdelikte und der Organisierten Kriminalität von der Tätigkeit von V-Personen des Landesamtes für Verfassungsschutz zur Gewinnung von Informationen über die gleichen Phänomene abgegrenzt? Die Abgrenzung erfolgt entsprechend der Aufgaben und Befugnisse der Polizei im präventiven sowie im repressiven Bereich einerseits und derjenigen des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) andererseits. Aufgabe des LfV ist im Gegensatz zu den polizeilichen Aufgaben die Beobachtung von Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne von Art. 3 BayVSG und § 3 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG), d. h. das langfristig angelegte Sammeln und Auswerten von Informationen über diese Bestrebungen und Tätigkeiten unabhängig vom Vorliegen einer Gefahr im polizeirechtlichen Sinne oder gar einer Straftat. Die Befugnis zum Einsatz von V-Leuten ergibt sich aus Art. 19 i. V. m. Art. 18 Abs. 1 bis 3 BayVSG. Die Polizeibehörden erfüllen im präventiven Bereich hingegen die Aufgabe der Gefahrenabwehr (Art. 2 PAG). Es wird ferner auf die Antwort zu Frage 1 bezüglich des Einzelfallentscheidungsvorbehaltes durch das StMI für präventivpolizeiliche VP-Einsätze im Staatsschutzbereich verwiesen . Diese Trennung der Vorgehensweise und der damit verbundene Einzelfallzustimmungsvorbehalt des StMI gehen zurück auf § 9 der „Richtlinien für die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden, des Bundesnachrichtendienstes , des Militärischen Abschirmdienstes, der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden in Staatsschutzangelegenheiten “ (Zusammenarbeitsrichtlinien) vom 18.09.1970 in der Fassung vom 22.06.1973, wonach „Geheime Mitarbeiter (VM oder CM) [...] nur von den Verfassungsschutzbehörden , dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst [...] geführt“ werden. Sollte im Einzelfall tatsächlich im Staatsschutzbereich der Einsatz einer VP geplant sein, so wird dies bereits im Vorfeld mit dem LfV abgestimmt. Im Phänomenbereich der Organisierten Kriminalität (OK) erfolgen enge Absprachen zu operativen Zielen zwischen den mit der OK-Bekämpfung befassten Dienststellen der Bayerischen Polizei und dem LfV, die es ermöglichen, den Einsatz von VP weitestgehend voneinander abzugrenzen oder gegebenenfalls auch zu koordinieren. b) Sind V-Personen gleichzeitig für die Polizei und für das Landesamt für Verfassungsschutz tätig? Eine gleichzeitige Tätigkeit von V-Personen für die Polizei und für das LfV ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, kann eine VP für einen Einsatz an die andere Organisationseinheit übergeben werden. 3. a) Welche Hierarchieebene entscheidet bei der Polizei b) nach welchen Kriterien über den „Einsatz“ von V- Personen? c) Gibt es auch bei der Polizei die Funktion von „V- Mann-Führern“? Nach den Vorgaben des StMI (IMS vom 05.08.2016) sind Einsätze von VP im Bereich der Gefahrenabwehr bis zu einer landesrechtlichen Umsetzung des Richtervorbehalts unter Behördenleitervorbehalt zu stellen. Demnach obliegt dem zuständigen Polizeipräsidenten oder seinem Vertreter im Amt die Entscheidung über einen derartigen Einsatz. Die Kriterien zur VP-Führung ergeben sich gem. Ziffer 1.4 der Ergänzenden Richtlinien aus den in dieser Vorschrift genannten Grundsätzen. Diese regeln mit festgelegten Qualitäts - und Mindeststandards die Führung von VP durch besonders ausgewählte und ausgebildete Polizeibeamte. Die Tätigkeit des VP-Führers wird hauptamtlich ausgeführt. Drucksache 17/18079 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. a) Wie werden die von V-Personen gewonnenen Daten und sonstigen Informationen auf Richtigkeit und Plausibilität überprüft? b) In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2015 und 2016 Informanten und V-Personen der Polizei, die im Bereich der Gefahrenabwehr tätig waren, Vertraulichkeit /Geheimhaltung zugesichert? c) Welche Hierarchieebene in der Polizei ist berechtigt , entsprechende Zusicherungen abzugeben? VP sind bereits vor ihrem Einsatz im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit zu überprüfen. In der Folge findet ein regelmäßiger Datenabgleich zur Überprüfung der Zuverlässigkeit der VP statt. Zudem sind Angaben einer VP bei jedem Treffen hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit zu bewerten sowie möglichst durch objektiv erlangte Erkenntnisse/Informationsquellen gegenzuprüfen. Die Ergebnisse sind entsprechend zu dokumentieren. Statistiken über die Anzahl der Vertraulichkeits- und Geheimhaltungszusicherungen werden nicht geführt. Die Befugnis, einem Informanten Vertraulichkeit zuzusichern , ist allen Dienststellenleitern der Bayer. Polizei im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit übertragen . Eine Übertragung dieser Befugnis auf besonders beauftragte Beamte ist möglich. Die Befugnis, einer VP im Bereich der Gefahrenabwehr die Geheimhaltung zuzusichern, ist den Leitern der Präsidien und dem Leiter des Landeskriminalamtes, den Leitern der Abteilungen IV, V und VI des Landeskriminalamtes, den Leitern der Kriminalpolizeiinspektionen und Kriminalpolizeiinspektionen mit Zentralaufgaben und der Kriminalfachdezernate übertragen. Die Polizeipräsidenten können für ihren Zuständigkeitsbereich die Befugnis auf besonders beauftragte Beamte übertragen. 5. a) Wie werden V-Personen der Polizei für ihre Tätigkeit entlohnt? b) Wie viele Mittel stehen dem LKA, den Polizeipräsidien und den Kriminalpolizeiinspektionen hierfür zur Verfügung? Für die Entlohnung von VP gelten bundesweit einheitliche Richtlinien. Zur Entlohnung gehören neben Prämienzahlungen für erfolgreiche Tätigkeiten auch individuell zu bemessende Aufwandsentschädigungen und die Erstattung von Unkosten, die im Rahmen der VP-Tätigkeit anfallen. Eine Entlohnung ist grundsätzlich an eine fallbezogene Zusammenarbeit gekoppelt. Eine unbefristete Gewährung von Zuwendungen zum Lebensunterhalt einer VP ist unzulässig. Sämtliche Kosten, die im Rahmen eines VP-Einsatzes entstehen, sind aus dem Budget der jeweils zuständigen ermittlungsführenden Dienststelle zu begleichen. Spezielle Mittel für Entlohnungen werden grundsätzlich nicht bereitgestellt . 6. Was spricht nach Ansicht der Staatsregierung dagegen , die Voraussetzungen und Modalitäten des Einsatzes von V-Personen im Bereich der Gefahrenabwehr entsprechend der Regelung im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) auch im PAG zu verankern? Im Rahmen der zeitnah zu erwartenden umfassenden Novellierung des PAG, u. a. zur Umsetzung europa- und verfassungsrechtlicher Vorgaben, ist auch hier eine gesetzliche Regelung betreffend den Einsatz von VP vorgesehen. 7. Hält es die Staatsregierung für geboten, die Unterrichtungspflichten gegenüber dem Landtag gemäß Art. 34 Abs. 9 und Art. 34d Abs. 8 PAG um eine Unterrichtungspflicht über den Einsatz von V-Personen zur Gefahrenabwehr zu erweitern? Im Rahmen der vorbenannten Novellierung des PAG sind auch Unterrichtungspflichten über den Einsatz von VP zur Gefahrenabwehr, unter anderem gegenüber dem Landtag, vorgesehen.