Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr SPD vom 11.07.2017 Anzeige und Aufklärung von Sexualdelikten Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Anzeigen aufgrund von Sexualdelikten lagen zwischen 2013 und 2016 pro Jahr in Bayern, dem Regierungsbezirk Schwaben und in den Landkreisen Augsburg-Land, Aichach-Friedberg, Donau-Ries und Günzburg vor (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, absoluten Zahlen und Prozentzahlen nennen)? 2. Wie oft kam es bei den genannten Anzeigen in Bayern , dem Regierungsbezirk Schwaben und in den oben aufgezählten Landkreisen und Jahren zu einer Anklage (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, absoluten Zahlen und Prozentzahlen nennen)? 3. Wie oft kam es bei den genannten Anklagen in Bayern, dem Regierungsbezirk Schwaben und in den oben aufgezählten Landkreisen und Jahren zu einer Verurteilung (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, absoluten Zahlen und Prozentzahlen nennen)? 4. Was wird die Staatsregierung unternehmen, um die Aufklärungsrate der Sexualdelikte zu verbessern? 5. Wie bzw. in welchem Umfang werden die aus der Studie des Bremer Instituts IPoS zur Aufklärung von Sexualdelikten aus dem Jahr 2017 gezogenen Erkenntnisse zur Verbesserung der Aufklärungssituation in Bayern angewandt? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz vom 22.08.2017 1. Wie viele Anzeigen aufgrund von Sexualdelikten lagen zwischen 2013 und 2016 pro Jahr in Bayern , dem Regierungsbezirk Schwaben und in den Landkreisen Augsburg-Land, Aichach-Friedberg, Donau-Ries und Günzburg vor (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, absoluten Zahlen und Prozentzahlen nennen)? Der nachfolgenden Tabelle sind die vom Landeskriminalamt ausgewerteten Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) der Landkreise, des Regierungsbezirks Schwaben sowie Bayern gesamt im Zeitraum von 2013–2016 zu entnehmen . Die Prozentzahlen der Landkreise und des Regierungsbezirks Schwaben beziehen sich auf die Gesamtzahl der Sexualdelikte in Bayern. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.01.2018 Drucksache 17/18111 Bayerischer Landtag Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (100.000) Gemeinde/Landkreis Jahr erfasste Fälle %-Anteil an Gesamt- Sexualdelikten Bayern 2016 6.076 100 Bayern 2015 6.123 100 Bayern 2014 6.242 100 Bayern 2013 6.114 100 Regierungsbezirk Schwaben 2016 771 12,7 Regierungsbezirk Schwaben 2015 858 14 Regierungsbezirk Schwaben 2014 905 14,5 Regierungsbezirk Schwaben 2013 811 13,3 Lkr. Augsburg 2016 70 1,2 Lkr. Augsburg 2015 74 1,2 Lkr. Augsburg 2014 110 1,8 Lkr. Augsburg 2013 84 1,4 Lkr. Aichach-Friedberg 2016 30 0,5 Lkr. Aichach-Friedberg 2015 57 0,9 Lkr. Aichach-Friedberg 2014 32 0,5 Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18111 2. Wie oft kam es bei den genannten Anzeigen in Bayern , dem Regierungsbezirk Schwaben und in den oben aufgezählten Landkreisen und Jahren zu einer Anklage (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, absoluten Zahlen und Prozentzahlen nennen)? Der Prozentanteil der Anzeigen, die zu einem Ermittlungsverfahren führten, das mit einer Anklageerhebung endete, kann vom Staatsministerium der Justiz nicht ermittelt werden. Die Geschäftsstatistik der Staatsanwaltschaften (StA-Statistik) gibt keine Auskunft darüber, wie viele Anzeigen aufgrund von Sexualdelikten erstattet wurden, sondern darüber, wie viele Ermittlungsverfahren wegen Sexualdelikten eingeleitet und wie diese erledigt wurden. Insoweit sind die PKS und die StA-Statistik nicht miteinander vergleichbar. Sexualdelikte werden in der StA-Statistik im Sachgebietsschlüssel 15 „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung “ ausgewiesen. Zur Anzahl der mit einer Anklage abgeschlossenen Ermittlungsverfahren in verschiedenen Landkreisen ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeitsbereiche der bayerischen Staatsanwaltschaften jeweils mehrere Landkreise umfassen. Für Ermittlungsverfahren im Regierungsbezirk Schwaben sind die Staatsanwaltschaften Augsburg, Kempten (Allgäu) und Memmingen zuständig wie folgt: • Die Staatsanwaltschaft Augsburg für die Landkreise Aichach-Friedberg, Augsburg (inklusive kreisfreie Stadt Augsburg), Dillingen, Donau-Ries und zusätzlich den oberbayerischen Landkreis Landsberg a. Lech, • die Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) für die Landkreise Ostallgäu, Oberallgäu und Lindau sowie die kreisfreien Städte Kempten (Allgäu) und Kaufbeuren, • die Staatsanwaltschaft Memmingen für die Landkreise Günzburg, Neu-Ulm, Unterallgäu und die kreisfreie Stadt Memmingen. Eine Auswertung der Geschäftsstatistiken der Staatsanwaltschaften nach einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten ist nicht möglich. Das bedeutet im Fall der Staatsanwaltschaft Augsburg auch, dass den Landkreis Landsberg a. Lech betreffende Zahlen nicht herausgerechnet werden können. Die sich unter diesen Voraussetzungen ergebenden Zahlen sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt: Durch Erhebung der öffentlichen Klage erledigte Ermittlungsverfahren im SG 15: 3. Wie oft kam es bei den genannten Anklagen in Bayern , dem Regierungsbezirk Schwaben und in den oben aufgezählten Landkreisen und Jahren zu einer Verurteilung (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren , absoluten Zahlen und Prozentzahlen nennen)? Die bayerische Strafverfolgungsstatistik unterscheidet zwischen Angaben über rechtskräftig abgeurteilte und verurteilte Personen. Abgeurteilte im Sinne der Strafverfolgungsstatistik sind dabei Angeklagte, gegen die Strafbefehle erlassen wurden oder bei denen das Strafverfahren nach Eröffnung der Hauptverhandlung durch Urteil oder Einstellungsbeschluss endgültig und rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Ihre Zahl setzt sich zusammen aus den Verurteilten und aus Personen , gegen die andere Entscheidungen (z. B. Freispruch, gerichtliche Einstellung des Strafverfahrens) getroffen wurden . Verurteilte hingegen sind straffällig gewordene Personen, gegen die nach allgemeinem Strafrecht Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Geldstrafe verhängt wurde, oder deren Straftat nach Jugendstrafrecht mit Jugendstrafe, Zuchtmitteln oder Erziehungsmaßregeln geahndet worden ist. Bei der Verurteilung wegen mehrerer Straftaten, die in Tateinheit (§ 52 des Strafgesetzbuchs – StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangen wurden, wird in der Strafverfolgungsstatistik nur Lkr. Aichach-Friedberg 2013 41 0,7 Lkr. Donau-Ries 2016 53 0,9 Lkr. Donau-Ries 2015 48 0,8 Lkr. Donau-Ries 2014 76 1,2 Lkr. Donau-Ries 2013 64 1 Lkr. Günzburg 2016 67 1,1 Lkr. Günzburg 2015 43 0,7 Lkr. Günzburg 2014 67 1,1 Lkr. Günzburg 2013 53 0,9 2013 2014 2015 2016 Bayern 1.137 993 1.069 1.072 Anklagen 863 762 799 787 Strafbefehle 274 231 270 285 Staatsanwaltschaft Augsburg 85 112 110 96 Anklagen 80 91 89 79 Strafbefehle 5 21 21 17 Staatsanwaltschaft Kempten 59 45 43 35 Anklagen 51 38 37 18 Strafbefehle 8 7 6 17 Staatsanwaltschaft Memmingen 34 35 34 42 Anklagen 25 27 29 34 Strafbefehle 9 8 5 8 Regierungsbezirk Schwaben 178 192 187 173 Anklagen 156 156 155 131 Strafbefehle 22 36 32 42 Drucksache 17/18111 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 die Straftat statistisch erfasst, die nach dem Gesetz mit der schwersten Strafe bedroht ist. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Sexualdelikte“ gesetzlich nicht definiert ist. Nachfolgend werden daher die Zahlen der Abgeurteilten und Verurteilten aus den Strafverfolgungsstatistiken 2013 bis 2016 für die Straftaten aus dem 13. Abschnitt des StGB „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ (§§ 174 bis 184f StGB) zusammengefasst dargestellt. Zwar sind z. B. auch Fälle der „sexuellen Beleidigung“ denkbar, allerdings werden diese in der Strafverfolgungsstatistik bei § 185 StGB nicht gesondert aufgeführt, sodass eine Nennung der nicht aussagekräftigen Zahlen sämtlicher Beleidigungsdelikte nach § 185 StGB unterbleibt. Es wird ferner davon ausgegangen, dass spezielle Tatbestände, die in erster Linie dem Schutz anderer Rechtsgüter als der sexuellen Selbstbestimmung dienen (z. B. Beischlaf zwischen Verwandten gemäß § 173 StGB) nicht Gegenstand der Schriftlichen Anfrage sind. Zu beachten ist, dass in der Strafverfolgungsstatistik 2016 die durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 04.11.2016 (BGBl. 2016 I S. 2460; in Kraft getreten am 10.11.2016) eingetretenen Änderungen unberücksichtigt geblieben sind. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass der Strafverfolgungsstatistik nur absolute Zahlen entnommen werden können. Das Staatsministerium der Justiz (StMJ) kann nicht ermitteln, wie hoch der Prozentanteil der Anklagen ist, die zu einer Verurteilung geführt haben. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Frage 2 Bezug genommen. Soweit in der Schriftlichen Anfrage nach Zahlen für den Regierungsbezirk Schwaben und die Landkreise Augsburg- Land, Aichach-Friedberg, Donau-Ries und Günzburg gefragt wird, ist Folgendes auszuführen: Ebenso wie die Zuständigkeitsbereiche der Staatsanwaltschaften sind auch die Zuständigkeitsbereiche der Gerichte nicht notwendigerweise deckungsgleich mit den Regierungsbezirken oder Landkreisen. Der Landgerichtsbezirk Augsburg z. B. umfasst die Bezirke der Amtsgerichte Aichach/ Friedberg, Augsburg mit der Zweigstelle Schwabmünchen, Dillingen a. d. Donau, Landsberg a. Lech und Nördlingen. Das Landgericht Augsburg ist örtlich zuständig für das Stadtgebiet Augsburg sowie die Landkreise Augsburg, Aichach- Friedberg, Dillingen, Donau-Ries und Landsberg a. Lech. Eine Auswertung der Strafverfolgungsstatistiken nach einzelnen Regierungsbezirken und Landkreisen im Hinblick auf die Zahlen der Abgeurteilten und Verurteilten wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184f StGB) ist daher nicht möglich. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass in der Strafverfolgungsstatistik die Anzahl der abgeurteilten bzw. verurteilten Personen und in der Geschäftsstatistik der Staatsanwaltschaften die Anzahl der Verfahren erfasst wird. Da sich einzelne Verfahren auch gegen mehrere Beschuldigte richten können, sind die Verfahrenszahlen regelmäßig niedriger als die Abgeurteilten- bzw. Verurteiltenzahlen. Dies vorausgeschickt stellen sich die Zahlen der wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184f StGB) Abgeurteilten und Verurteilten in Bayern anhand der Strafverfolgungsstatistiken 2013 bis 2016 wie folgt dar: 4. Was wird die Staatsregierung unternehmen, um die Aufklärungsrate der Sexualdelikte zu verbessern ? Bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurde in der Bundes-PKS für das Jahr 2013 eine Aufklärungsquote von 79,5 Prozent und im Jahr 2016 von 79,0 Prozent registriert. Die Aufklärungsquote in Bayern lag in diesem Phänomenbereich jeweils höher und konnte in den Berichtsjahren 2013 bis 2016 gesteigert werden. So verzeichnet die PKS für Bayern im Jahr 2013 eine Aufklärungsquote von 81,5 Prozent und im Jahr 2016 von 84,4 Prozent. Ungeachtet dieser Bilanz, schöpft die Bayer. Polizei weiterhin alle tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten aus, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in erster Linie zu verhindern und nötigenfalls aufklären zu können. Die (bundes-)gesetzlichen Vorschriften der Strafprozessordnung geben den Strafverfolgungsbehörden insoweit ein umfangreiches und wirksames Ermittlungsinstrumentarium zur Aufklärung von Sexualstraftaten an die Hand. Flankierend wurden im Geschäftsbereich des StMJ diverse Maßnahmen getroffen, um gerade auch in diesem Deliktsbereich eine bestmögliche Aufklärung zu gewährleisten. Hierzu gehören beispielsweise eine weitgehende Spezialisierung bei den Staatsanwaltschaften durch die Einrichtung von Sonderdezernaten, die Benennung von Ansprechpartnern für Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen bei den Generalstaatsanwaltschaften, die Entwicklung von Handreichungen für die Praxis wie zum Beispiel eine Broschüre mit Hinweisen zur Vernehmung von Menschen mit geistiger Behinderung bei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch sowie ein umfangreiches Informationsangebot für Opfer von Straftaten, das insbesondere auch Opfer von Sexualdelikten darin bestärken soll, entsprechende Taten zur Anzeige zu bringen. 5. Wie bzw. in welchem Umfang werden die aus der Studie des Bremer Instituts IPoS zur Aufklärung von Sexualdelikten aus dem Jahr 2017 gezogene Erkenntnisse zur Verbesserung der Aufklärungssituation in Bayern angewandt? Das Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung Bremen (IPoS) hat nach unserem Kenntnisstand im Jahr 2017 keine Studie zur Aufklärung von Sexualdelikten erstellt. Hier liegt eine Studie des Instituts vom 12.11.2015 zum Thema „Untersuchung zu Verfahrensverlauf und Verurtei- Jahr Abgeurteilte Verurteilte 2013 1.285 1.100 2014 1.321 1.075 2015 1.290 1.066 2016 1.242 1.044 Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18111 lungsquoten bei Sexualstraftaten in Bremen“ vor, in der auch Empfehlungen zur besseren Aufklärung des Tatgeschehens bei Sexualstraftaten ausgesprochen wurden. Soweit darin allgemeine Maßnahmen, die nicht nur an die in der Studie herausgearbeiteten Strukturen in Bremen anknüpfen, empfohlen werden (etwa die Durchführung von ermittlungsrichterlichen Vernehmungen und Videovernehmungen, die Beiordnung von Zeugenbeiständen oder die Erholung von Glaubwürdigkeitsgutachten), sind diese – unter Berücksichtigung der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen und der Erfordernisse des Einzelfalls – in der Praxis der bayerischen Strafverfolgungsbehörden fest etabliert.