Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 31.07.2017 Integrationscampus der Technischen Hochschule Ingolstadt – Ergebnisse der Evaluierung und weiteres Verfahren Zum Wintersemester (WS) 2016/2017 startete die erste Pilotgruppe des Integrationscampus der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) mit Sprach-, Fachqualifizierungs - und Integrationskursen für Geflüchtete. Ziel ist es, hochschulberechtigte Geflüchtete bestmöglich auf ein anschließendes Studium, den Arbeitsmarkt oder eine Tätigkeit im Herkunftsland vorzubereiten. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Personen haben am Pilotptojekt des Integrationscampus teilgenommen (bitte nach Herkunftsland, Geschlecht und fachlicher Ausrichtung aufschlüsseln )? 2. Wie viele Personen haben sich bisher für das WS 2017/2018 angemeldet? 3. Fand eine Evaluierung des Pilotprojekts statt und wenn ja, mit welchem Ergebnis? 4. Wie viele Personen, die an diesem Qualifizierungsprogramm teilgenommen haben, planen nach Kenntnis der Staatsregierung, in Deutschland ein Studium oder eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen (bitte nach Studium und beruflicher Tätigkeit mit der jeweiligen Fachausrichtung aufschlüsseln)? 5. Wie hoch ist der Finanzierungsbedarf des Integrationscampus und welche Akteure sind an der Finanzierung beteiligt (bitte nach Geldgeber und Höhe des Kostenanteils aufschlüsseln)? 6. a) Gibt es eine Zusammenarbeit mit Betrieben oder Unternehmen, in denen die Geflüchteten nach dem Qualifizierungsprogramm eine mögliche Tätigkeit aufnehmen könnten, und wenn ja, welche Betriebe oder Unternehmen sind das? b) Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Betrieben und Unternehmen im Detail? 7. Wie gestaltet sich die Unterbringungssituation der Geflüchteten in Campusnähe? 8. a) Plant die Staatsregierung eine Ausweitung dieses Programms auf andere Hochschulstandorte in Bayern und wenn ja, wo? b) Ist der Staatsregierung bekannt, ob eine deutschlandweite Ausweitung des Programms geplant ist und wenn ja, in welchen Bundesländern? c) Wie lange gedenkt die Staatsregierung, das Qualifizierungsprogramm an der THI oder an möglichen anderen Standorten aufrechtzuerhalten und zu finanzieren? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 28.08.2017 1. Wie viele Personen haben am Pilotprojekt des Integrationscampus teilgenommen (bitte nach Herkunftsland , Geschlecht und fachlicher Ausrichtung aufschlüsseln)? Für den Start des Projekts „Integrationscampus“ zum WS 2016/2017 bewarben sich 60 Flüchtlinge; davon haben alle 27 Bewerber, die die Voraussetzungen erfüllten, eine Zusage erhalten. Gestartet ist das Programm dann mit 19 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich im Laufe des WS 2016/2017 auf 13 reduziert haben. Aufgrund einer Akquise neuer Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist diese Zahl zwischenzeitlich wieder auf 19 angestiegen. Herkunftsländer der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Afghanistan (9), China (1), Nigeria (2), Pakistan (3), Syrien (3), Uganda (1). Unter den 19 Teilnehmern ist eine Frau. Alle am Integrationscampus teilnehmenden Personen haben eine in Deutschland anerkannte Hochschulzugangsberechtigung und ein begonnenes Studium in ihrem Heimatland . Die fachliche Ausrichtung stellt sich wie folgt dar: – Wirtschaftswissenschaften: 7 – Sprach- und Literaturwissenschaften: 3 – Ingenieurwissenschaften: 5 – Mathematik/Informatik: 3 – Recht/Politikwissenschaften: 1 2. Wie viele Personen haben sich bisher für das WS 2017/2018 angemeldet? Aktuell liegen der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) 36 Bewerbungen vor. Wie viele Personen letztlich am Programm teilnehmen werden, ist noch nicht klar, da die Uni- Assist-Prüfungen teilweise noch ausstehen. 17. Wahlperiode 19.04.2018 Drucksache 17/18123 Bayerischer Landtag Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18123 3. Fand eine Evaluierung des Pilotprojekts statt und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Da das Pilotprojekt erst zum WS 2016/2017 startete, ist eine Evaluation zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht. Die Hochschule hat aber die Entwicklung seit dem Start immer sorgfältig beobachtet . Dabei gewonnene Erkenntnisse führten am Ende des ersten Semesters zu mehreren Verbesserungen im Programm , die sich wie folgt darstellen lassen: – Das Curriculum wurde angepasst. – Das Erwerben deutscher Sprachkenntnisse stellt sich schwieriger dar als zunächst vermutet. Daher wurde die Vermittlung von Sprachkompetenzen ausgebaut. Der Fokus des Programms liegt nun etwa hälftig auf der Vermittlung von Sprachkompetenzen, was weiter beibehalten werden soll. – Das ursprüngliche Konzept, die Teilnehmer auf die Studienrichtungen BWL und Maschinenbau vorzubereiten, wurde modifiziert, da die Teilnehmer unterschiedliche Wünsche hinsichtlich der Studieninhalte hatten. Es wurden verstärkt überfachliche Themen integriert. – Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Teilnehmer Kompetenzlücken in Fächern wie Umgang mit Excel, Präsentation etc. haben. Diese Kompetenzen wurden daher im Curriculum verankert. – Nach Analyse der Bildungshistorien der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurde das Curriculum dahin gehend angepasst, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf ein Masterstudium bzw. auf einen zügigen Abschluss eines deutschen Bachelors, sofern ihr Heimatbachelor im Rahmen der Prüfung über Uni-Assist als nicht äquivalent eingestuft wird, vorbereitet werden. – Es gibt kulturelle Unterschiede im Umgang mit Wissensvermittlung und -aufnahme, die mit den Teilnehmern thematisiert werden. In der Folge wurden verschiedene Anpassungen vorgenommen, die sich z. B. auf unterschiedliches Lernverhalten beziehen. – Es besteht Bedarf nach IT-Fähigkeiten, die im Studium und der Arbeitswelt benötigt werden. – Sehr wichtig ist die soziale Integration des Projekts in das Hochschulleben. Dies war u. a. auch ein Grund, warum der Integrationscampus im Laufe des Sommersemesters 2017 von Neuburg nach Ingolstadt verlagert wurde. 4. Wie viele Personen, die an diesem Qualifizierungsprogramm teilgenommen haben, planen nach Kenntnis der Staatsregierung, in Deutschland ein Studium oder eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen (bitte nach Studium und beruflicher Tätigkeit mit der jeweiligen Fachausrichtung aufschlüsseln )? Nach Auskunft der Hochschule planen alle Personen, die an dem Qualifizierungsprogramm teilnehmen, ein Studium oder eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Die meisten davon wollen in ihrer ursprünglichen Fachrichtung bleiben. Der erste Teilnehmer hat den Wechsel in ein reguläres Studienprogramm zum WS 2017/2018 geschafft, ein weiterer hofft noch auf einen Zulassungsbescheid. 5. Wie hoch ist der Finanzierungsbedarf des Integrationscampus und welche Akteure sind an der Finanzierung beteiligt (bitte nach Geldgeber und Höhe des Kostenanteils aufschlüsseln)? Die THI konnte für das Projekt für die Jahre 2017 und 2018 DAAD-Mittel (DAAD = Deutscher Akademischer Austauschdienst ) in Höhe von insgesamt rd. 217.000 Euro einwerben. Der nicht durch DAAD-Mittel gedeckte Finanzbedarf ist aus den im Doppelhaushalt veranschlagten Mitteln zu finanzieren . Im Doppelhaushalt 2017/2018 sind für den Integrationscampus Haushaltsmittel von 900.000 Euro (davon 2017: 300.000 Euro, 2018: 600.000 Euro) veranschlagt. Ob und in welcher Höhe in künftigen Haushalten eine Veranschlagung erforderlich sein wird, hängt von der Entwicklung der Teilnehmerzahlen ab. 6. a) Gibt es eine Zusammenarbeit mit Betrieben oder Unternehmen, in denen die Geflüchteten nach dem Qualifizierungsprogramm eine mögliche Tätigkeit aufnehmen könnten, und wenn ja, welche Betriebe oder Unternehmen sind das? Die Vernetzung mit Betrieben und Unternehmen wird aktuell aufgebaut, hieraus haben sich auch schon erste Praktikumsmöglichkeiten ergeben. Aufgrund des Umstands, dass derzeit erste Kontakte zur Zusammenarbeit geknüpft werden, können Betriebe bzw. Unternehmen noch nicht benannt werden. b) Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Betrieben und Unternehmen im Detail? Im Hinblick darauf, dass die Zusammenarbeit derzeit erst aufgebaut wird, können hierzu noch keine Aussagen getroffen werden. 7. Wie gestaltet sich die Unterbringungssituation der Geflüchteten in Campusnähe? Seit der Verlagerung des Integrationscampus nach Ingolstadt sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Ingolstadt untergebracht. Zunächst erfolgte die Unterbringung in Interimsquartieren . Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden künftig jedoch in einem Trakt des Apian-Gymnasiums untergebracht. Hier ist Platz für bis zu 80 Personen, es werden ein Lernraum und eine Küche eingerichtet. Die zur Verfügung stehenden Zimmer können mit max. vier Personen belegt werden. Die Fertigstellung der Räumlichkeiten ist für September 2017 vorgesehen. Eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel ist gegeben. 8. a) Plant die Staatsregierung eine Ausweitung dieses Programms auf andere Hochschulstandorte in Bayern und wenn ja, wo? Der Integrationscampus der THI ist zum WS 2016/2017 gestartet . Ob bzw. inwieweit darüber hinaus Bedarf für eine Ausweitung dieses Programms besteht, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschätzen. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf Projekte anderer bayerischer Hochschulen im Rahmen der DAAD-Förderprogramme „Integra“ und „Welcome“ wie z. B. „PropädeutikumPLUS für Geflüchtete“ der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden, „Intensiv- Vorbereitungskurs Deutsch und Studieren in Deutschland“ der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) Augsburg oder „Integration und Studienvorbereitung von Geflüchteten“ der OTH Regensburg, oder auch das Projekt „MINT1 welcome – erfolgreicher Studienstart für Refugees“ der OTH Amberg-Weiden im Rahmen der „MINTernational“- 1 MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik Drucksache 17/18123 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Programminitiative des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft (Berlin). Im Hinblick auf die aktuellen Teilnehmerzahlen des Integrationscampus und die zahlreichen Projekte für Flüchtlinge an anderen bayerischen Hochschulen ist ein Bedarf für eine Ausweitung derzeit nicht erkennbar. b) Ist der Staatsregierung bekannt, ob eine deutschlandweite Ausweitung des Programms geplant ist und wenn ja, in welchen Bundesländern? Die Staatsregierung kann derartige Vorhaben nur innerhalb Bayerns durchführen. Erkenntnisse über vergleichbare Projekte in anderen Bundesländern liegen nicht vor. c) Wie lange gedenkt die Staatsregierung, das Qualifizierungsprogramm an der THI oder an möglichen anderen Standorten aufrechtzuerhalten und zu finanzieren ? Die Entscheidung darüber, wie lange das Qualifizierungsprogramm an der THI aufrechterhalten werden soll, wird vor allem davon abhängen, wie sich die Teilnehmerzahlen entwickeln. Darüber hinaus ist dieses Engagement auch abhängig von der Bereitstellung von Haushaltsmitteln durch den Haushaltsgesetzgeber.