Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 28.07.2017 Fehlender Krankenversicherungsschutz Laut den offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Herbst 2016 gibt es derzeit etwa 80.000 Personen ohne Krankenversicherung in Deutschland. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Personen in Bayern haben keinen Krankenversicherungsschutz bzw. unterstehen dem Status der eingeschränkten Leistungspflicht (bitte unterteilen nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten anhand der ausstehenden Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen bzw. der im Notlagentarif der privaten Krankenkassen erfassten Personen )? 2. Wie viele dieser Personen zählen zur Berufsgruppe der Selbstständigen? 3. Welche Ursachen sind nach Meinung der Staatsregierung verantwortlich für die trotz Versicherungspflicht hohe Quote von Nichtversicherten? 4. Wie beurteilt die Staatsregierung die Möglichkeit der staatlichen Regulierung eines für alle Krankenkassen verbindlichen Leistungsumfangs der im Falle einer eingeschränkten Leistungspflicht wirksamen Notfallversorgung ? 5 a) Wie viele Personen werden in Bayern aufgrund eines fehlenden Krankenversicherungsschutzes von einem ehrenamtlichen medizinischen Auffangnetz versorgt? b) Wie viele dieser Institutionen gibt es bayernweit (bitte auflisten mit Namen und Standort)? c) Welche dieser Institutionen erhalten staatliche Fördergelder ? 6. Wie beurteilt die Staatsregierung die Möglichkeit einer staatlichen Kontrolle der Versicherungspflicht, die in dem Moment greift, in dem Personen durch ausstehende Beiträge auffällig werden? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sowie dem Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technoligie vom 25.08.2017 1. Wie viele Personen in Bayern haben keinen Krankenversicherungsschutz bzw. unterstehen dem Status der eingeschränkten Leistungspflicht (bitte unterteilen nach Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten anhand der ausstehenden Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen bzw. der im Notlagentarif der privaten Krankenkassen erfassten Personen)? Die Zahl der Personen ohne Krankenversicherungsschutz wird vom Statistischen Bundesamt alle vier Jahre im Rahmen des Mikrozensus über die Frage zur Art des Krankenversicherungsschutzes ermittelt. Nach der Auswertung des Mikrozensus 2015 zur Krankenversicherung beträgt die Zahl der Nichtversicherten in Deutschland circa 79.000 Personen. Die Zahl der Nichtversicherten in Bayern beträgt nach dem Mikrozensus-Zusatzmodul des Jahres 2015 insgesamt 13.000 Personen. Der Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ruht nach § 16 Abs. 3a Satz 2 des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V) für Versicherte, die mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen . In diesen Fällen besteht lediglich ein eingeschränkter Leistungsanspruch für akute Erkrankungen. Die Zahl der hiervon Betroffenen kann nicht für alle Krankenkassen in Bayern vollständig erhoben werden, da bundesunmittelbare Krankenkassen statistische Daten nicht regional für Bayern zur Verfügung stellen. Nach Mitteilung der AOK Bayern ist derzeit bei 37.163 Versicherten das Merkmal „Leistungsruhen “ gespeichert (0,84 Prozent der Versicherten). Der Betriebskrankenkassen -(BKK)-Landesverband Bayern hat bei einer größeren BKK einen ruhenden Leistungsanspruch von rund 0,5 Prozent der Versicherten ermittelt. Auch bei Versicherten, die bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und nach zweimaliger Mahnung ihre Prämien nicht bezahlen, ruht der Versicherungstarif. Diese Versicherten gelten dann als im Notlagentarif versichert. Im Notlagentarif besteht ein eingeschränkter Anspruch auf Erstattung von Leistungen. Nach dem Rechenschaftsbericht des Verbands der privaten Krankenversicherung e. V. lag die Zahl der versicherten Personen im Notlagentarif im Jahr 2016 deutschlandweit bei 115.000. Zur Zahl der versicherten Personen im Notlagentarif in Bayern liegen keine Erkenntnisse vor. 17. Wahlperiode 25.04.2018 Drucksache 17/18125 Bayerischer Landtag Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18125 Darüber hinaus liegen der Staatsregierung keine weiteren Erkenntnisse zur Gruppe der Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall vor. 2. Wie viele dieser Personen zählen zur Berufsgruppe der Selbstständigen? Hierzu liegen der Staatsregierung keine vollständigen Daten vor. Nach Mitteilung der AOK Bayern sind von den derzeit 37.163 Versicherten, deren Leistungen ruhen, 5.303 selbstständig tätig. Der BKK-Landesverband hat bei der in Frage 1 angeführten größeren BKK den Anteil der versicherten Selbstständigen mit ruhendem Leistungsanspruch mit 0,08 Prozent beziffert. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 1 Bezug genommen. 3. Welche Ursachen sind nach Meinung der Staatsregierung verantwortlich für die trotz Versicherungspflicht hohe Quote von Nichtversicherten? Aktuell sind in der GKV 72,3 Millionen Personen versichert, in der privaten Krankenversicherung (PKV) rd. 8,8 Millionen (Quelle: Darstellung GKV-Spitzenverband, https:// www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/ zahlen_und_grafiken/zahlen_und_grafiken.jsp). Die Zahl der Personen ohne Krankenversicherungsschutz hat sich in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Sie ist seit den Feststellungen aus dem Mikrozensus 2011 um 49.000 gesunken und beträgt damit weniger als 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung. Angesichts dieser Zahlen erscheint es wenig nachvollziehbar, von einer „hohen Quote von Nichtversicherten “ zu sprechen. Fehlender Krankenversicherungsschutz ist überwiegend darauf zurückzuführen, dass sich Nichtversicherte nicht unmittelbar an eine Krankenkasse wenden, um eine Mitgliedschaft anzuzeigen. Bei einem Teil der Betroffenen dürften mangelnde Informationen über die aktuelle Rechtslage bezüglich der Zugangsmöglichkeiten zur GKV oder PKV Ursache der Nichtversicherung sein. Ein Teil der Personen kommt ihrer Versicherungspflicht wohl auch bewusst nicht nach, da sie der Beitragspflicht als GKV-Mitglied oder der vertraglichen Pflicht zur Zahlung der Versicherungsprämie in der PKV nicht nachkommen können oder wollen. 4. Wie beurteilt die Staatsregierung die Möglichkeit der staatlichen Regulierung eines für alle Krankenkassen verbindlichen Leistungsumfangs der im Falle einer eingeschränkten Leistungspflicht wirksamen Notfallversorgung? In der GKV ruhen bei Zahlungsverzug die Leistungen nach § 16 Abs. 3a SGB V. Diese Regelung wurde im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) eingeführt . Im Interesse der Solidargemeinschaft sollte die Nichtzahlung von Beiträgen neben der Erhebung von Säumniszuschlägen für den Versicherten auch erkennbare Konsequenzen beim Leistungsbezug haben. Vom Ruhen ausgenommen sind Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten (insbesondere bei Herz- Kreislauf- und Nierenerkrankungen, der Zuckerkrankheit, bei Krebserkrankungen sowie Kinderuntersuchungen) und Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und von Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Auf eine nähere Konkretisierung der Leistungen wurde verzichtet. Es erscheint nicht praktikabel, einzelne Leistungen festzulegen, auf die nur im Notfall Anspruch besteht. Die Frage, ob eine akute Erkrankung oder Schmerzzustände vorliegen, ist primär medizinisch zu beurteilen und muss vom Arzt im konkreten Fall entschieden werden. Im Notlagentarif der PKV werden ebenfalls ausschließlich die Aufwendungen für Leistungen erstattet, die zur Behandlung von akuten Erkrankungen oder Schmerzzuständen sowie im Rahmen der Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind (§ 153 Abs. 1 Satz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes – VAG). Bei versicherten Kindern und Jugendlichen werden darüber hinaus auch Aufwendungen für Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten sowie empfohlene Schutzimpfungen erstattet (§ 153 Abs. 1 Satz 3 VAG). Konkretisierungen des Leistungsumfangs , der bei allen Versicherungsunternehmen gleich ist, erfolgen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Notlagentarif (AVB/NLT) des PKV-Verbandes. Eine weitere Konkretisierung erscheint auch hier nicht sinnvoll. 5. a) Wie viele Personen werden in Bayern aufgrund eines fehlenden Krankenversicherungsschutzes von einem ehrenamtlichen medizinischen Auffangnetz versorgt? Es wird davon ausgegangen, dass mit „ehrenamtlichem Auffangnetz “ Straßenambulanzen und medizinische Anlaufstellen für Wohnungslose gemeint sind. Hierzu siehe Antwort auf Frage 5 b. Es handelt sich bei den hier bekannten Projekten überwiegend um Initiativen kirchlicher Träger. Daten über Personen , die solche Stellen in Anspruch nehmen, liegen der Staatsregierung nicht vor. Es werden nach hiesigem Wissensstand dort auch nicht die Gründe abgefragt, warum solche Anlaufstellen anstelle der sonst üblichen medizinischen Versorgungsstellen (Ärzte, Krankenhäuser) angegangen werden. Es kann aber angenommen werden, dass nicht immer fehlender Krankenversicherungsschutz hierfür ausschlaggebend sein wird. Drucksache 17/18125 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 c) Welche dieser Institutionen erhalten staatliche Fördergelder? Eine staatliche Förderung erfolgt für derartige Stellen nicht. 6. Wie beurteilt die Staatsregierung die Möglichkeit einer staatlichen Kontrolle der Versicherungspflicht , die in dem Moment greift, in dem Personen durch ausstehende Beiträge auffällig werden? Versicherungspflicht für Nichtversicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V tritt kraft Gesetzes ein. Dies gilt auch in Fällen der sogenannten obligatorischen Anschlussversicherung nach dem Ende einer Versicherungspflicht nach § 188 Abs. 4 SGB V. Die Anschlussversicherung stellt sicher, dass niemand mehr seinen Krankenversicherungsschutz verlieren kann. Nach § 76 Abs. 1 SGB IV haben die Krankenkassen als Einzugsstelle des Gesamtsozialversicherungsbeitrags Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Beitragsrechtlich finden für die nach Vorschriften des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 188 Abs. 4 SGB V versicherungspflichtigen Personen die Regelungen für freiwillig Versicherte der GKV Anwendung. Es ist eigenverantwortliche Aufgabe der Krankenkassen, die Versicherungspflicht festzustellen und die Beiträge vollständig zu erheben. Die Krankenkassen unterstehen der staatlichen Aufsicht. Gründe für einen darüber hinausgehenden staatlichen Handlungsbedarf kann die Staatsregierung nicht erkennen. Straßenambulanzen und medizinische Versorgung für Obdachlose Quelle: Koordinierungsstellen Wohnungslosenhilfe Nord- und Südbayern Name Träger Adresse Straßenambulanz Franz von Assisi Caritasverband Nürnberg e. V. Straßburger Straße 14 90443 Nürnberg Straßenambulanz St. Franziskus e.V. Caritasverband Nürnberg e. V. Moritzstraße 2 85049 Ingolstadt Haus an der Pilgersheimer Straße Katholischer Männerfürsorgeverein München e. V. Pilgersheimer Straße 9–11 81543 München Obdachlosenhilfe St. Bonifaz im Haneberghaus Benediktiner Abtei St. Bonifaz Karlstraße 34 80333 München Würzburger Straßenambulanz Franziskaner Minoriten in Deutschland Provinz St. Elisabeth Franziskanergasse 7 97070 Würzburg b) Wie viele dieser Institutionen gibt es bayernweit (bitte auflisten mit Namen und Standort)?