Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 20.07.2017 Betreuungsschlüssel für unbegleitete minderjährige und heranwachsende Flüchtlinge in Wohnprojekten Unbegleitete minderjährige und heranwachsende Flücht linge werden meist in Wohnprojekten betreut. Ein spezielles Thema dieser Personengruppe sind die traumatischen Er lebnisse von Krieg und Flucht. Wichtig ist deshalb eine sen sible Unterstützung bei deren Bewältigung, die oft jahrelang dauern kann. Auch in diesen Wohnprojekten verbringen die jungen Heranwachsenden durchschnittlich drei Jahre und werden auf ein eigenständiges Leben vorbereitet. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie gestaltet sich grundsätzlich der Betreuungs schlüssel für diese Wohngruppen? 2. Welchen Einfluss auf den Betreuungsschlüssel hat es, wenn die Jugendlichen am Regelschulunterricht bzw. an der Berufsschule (meist vormittags) teilnehmen? 3. Welchen Einfluss auf den Betreuungsschlüssel hat es, wenn die Jugendlichen nicht mehr am Regelschulun terricht bzw. an der Berufsschule (meist vormittags) teilnehmen und deshalb ganztags in der Wohngruppe anwesend sind, weil sie keinen Berufsausbildungs platz finden? 4. Trifft es zu, dass die Jugendlichen, die nicht mehr zur Schule gehen und keine Berufsausbildung bekom men, zunehmend Probleme haben, ihren Tag zu ge stalten, und deshalb vermehrt sozialpsychologische Betreuung brauchen? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 18.08.2017 Der verwendete Begriff „Wohnprojekte“ wird in der Anfrage nicht näher definiert. Es wird davon ausgegangen, dass un ter dem Begriff „Wohnprojekte“ vor allem Angebotsformen für die unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) und junge Volljährige (ehemalige UMA) gemeint sind, die auf grund ihres geringen Hilfebedarfes oder fortgeschrittener Verselbstständigung nur noch einer flankierenden pädago gischen Begleitung bedürfen. Der Schwerpunkt liegt bei die sen Angeboten auf dem Aspekt des selbstständigen Woh nens. 1. Wie gestaltet sich grundsätzlich der Betreuungsschlüssel für diese Wohngruppen? UMA und junge Volljährige (ehemalige UMA) werden ent sprechend ihres im Rahmen des Hilfeplanverfahrens fest gestellten individuellen Hilfebedarfs in Jugendhilfemaßnah men untergebracht und betreut. Zwei Hauptformen lassen sich für den Bereich der Wohn gruppen (Wohnprojekte) beschreiben: 1. Betreutes Wohnen nach § 34 des Sozialgesetzbuches (SGB) Achtes Buch (VIII) und § 41 SGB VIII – Angebote des betreuten Wohnens finden sich in Woh nungen und in Wohngemeinschaften. Diese können auch einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe ange schlossen sein. – Zielgruppe: Jugendliche, in der Regel frühestens nach Vollendung des 16. Lebensjahres, die nach oder an Stel le einer Unterbringung in einem Heim einer sozialpäda gogischen Begleitung bedürfen, um den Übergang in eine selbstständige Lebensführung zu bewältigen. – Leitung: i. d. R. 1 : 32 – Kräfte im Betreuungsdienst: Fachkraft mit 5–10 Stunden/ pro Woche/pro Jugendlicher/m 2. Sozialpädagogisch begleitete Wohngruppen gem. § 13 SGB VIII – Zielgruppe: Jugendliche ab 15 Jahren und junge Volljäh rige, bei denen im Hilfeplanverfahren das Angebot einer sozialpädagogischen Unterstützungsleistung im Rahmen der Jugendsozialarbeit als bedarfsgerecht festgestellt wurde und die während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der be ruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen nach § 13 Abs. 3 i. V. m. § 13 Abs. 1 SGB VIII benötigen. – Insbesondere sind dies solche, die a) zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in er Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.03.2018 Drucksache 17/18129 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18129 höhtem Maß auf Unterstützung angewiesen sind, oder b) aus Gründen, die in ihrer Familie liegen, nicht zu Hau se leben können oder wollen, oder c) als UMA oder (bei entsprechend festgestelltem Ju gendhilfebedarf) als ehemaliger UMA (junger Volljäh riger) Begleitung in der Verselbstständigung benöti gen. – Leitung durch pädagogische Fachkräfte: 0,25 Stellen pro Gruppe. – Gruppengröße: in der Regel 12–15 Plätze pro Gruppe; die Gruppen sind als eigene Wohnbereiche zu gestalten. – Übergreifender Dienst: ergänzende Kräfte nach Bedarf und Konzept. – Die Personalbesetzung ist auf der Grundlage der jewei ligen Betreuungszeiten zu ermitteln. Ein Schlüssel von 2,0 pädagogischen Fachkräften pro Gruppe sollte in der Regel nicht unterschritten werden. – Die Nachtbereitschaft ist durch geeignete Kräfte sowie bei Bedarf zusätzlich durch eine pädagogische Rufbereit schaft sicherzustellen. 2. Welchen Einfluss auf den Betreuungsschlüssel hat es, wenn die Jugendlichen am Regelschulunterricht / Berufsschule teilnehmen? Da die Betreuung der jungen Menschen am Vormittag durch andere Institutionen (z. B. Schule, Berufsschule) sicherge stellt ist, erfolgt die Betreuung im Rahmen der Kinder und Jugendhilfe ab Schulschluss. Dies spiegelt sich im Stellen schlüssel und damit verbunden in der personellen Beset zung der Wohngruppen wider, sodass die Wohngruppen während der Schulzeit am Vormittag in der Regel nicht be setzt sind. 3. Welchen Einfluss auf den Betreuungsschlüssel hat es, wenn die Jugendlichen nicht mehr am Regelschulunterricht/Berufsschule (meist vormittags ) teilnehmen und deshalb ganztags in der Wohngruppe anwesend sind, weil sie keinen Berufsausbildungsplatz finden? Findet eine Betreuung der jungen Menschen durch ande re Institutionen (z. B. Schule, Berufsschule) am Vormittag nicht mehr statt, so hat die Einrichtung diese im Rahmen der Kinder und Jugendhilfe sicherzustellen. Dies geht mit einer personellen Erweiterung der Besetzung in der Wohngruppe einher und schlägt sich im Stellenschlüssel nieder. 4. Trifft es zu, dass die Jugendlichen, die nicht mehr zur Schule gehen und keine Berufsausbildung bekommen , zunehmend Probleme haben, ihren Tag zu gestalten und deshalb vermehrt sozialpsychologische Betreuung brauchen? Schule und Berufsausbildung stellen wichtige Eckpfeiler der Tagesstruktur von UMA und jungen Erwachsenen (ehema ligen UMA) dar. Eine fehlende Tagesstruktur und Entwick lungsperspektive kann insbesondere bei jungen Menschen je nach Persönlichkeitsstruktur zu unterschiedlichen nega tiven Reaktionen führen, denen innerhalb des Betreuungs angebotes der Jugendhilfe konstruktiv begegnet werden muss. Für UMA und junge Volljährige (ehemalige UMA), die nicht mehr zur Schule gehen oder keine Berufsausbildung bekommen, ist es vorrangig wichtig, dass alternative tages strukturierende Maßnahmen angeboten werden. Die Ju gendhilfeträger sind gehalten, ihre Angebote entsprechend zu gestalten und im Rahmen der sozialpsychologischen Be treuung die Möglichkeit, dass evtl. keine Berufsausbildung aufgenommen werden kann, von Beginn an vorausschau end zu berücksichtigen. Insoweit kann alleine aus der Tatsa che, dass ein Jugendlicher nicht mehr zur Schule geht oder keine Berufsausbildung bekommt, kein vermehrter sozial psychologischer Betreuungsbedarf abgeleitet werden.