Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN vom 17.07.2017 Unterkunftsgebühren von Flüchtlingen Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Für welche Unterbringungsformen in Bayern fielen in den letzten zehn Jahren jeweils die in der Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) definierten Unterkunftsgebühren an? 1.2 Für welche Unterbringungsformen gilt der ermäßigte Gebührensatz? 1.3 Für welche Unterkünfte fallen keine Gebühren an? 2.1 Wie viele Flüchtlinge haben bereits Bescheide zur Begleichung von anfallenden Unterkunftsgebühren und Energiekosten erhalten? 2.2 Wie viele Flüchtlinge haben noch keine Bescheide zur Begleichung von anfallenden Unterkunftsgebühren und Energiekosten erhalten? 2.3 Wie begründet die Staatsregierung den bundesweiten Spitzengebührensatz von 278 Euro kalt für ein Bett in einem Vier- oder Sechsbettzimmer? 3.1 Wie hoch ist zum einen die Summe der bisherigen Unterkunftsgebührenbescheide und zum anderen die Summe der bisher beglichenen Unterkunftsgebühren? 3.2 Wie hoch ist die Zahl der Geflüchteten, die ihre Unterkunftsgebühren nicht begleichen werden können, etwa weil ihnen mittlerweile die Arbeitserlaubnis entzogen wurde und sie ihr Erspartes aufbrauchen mussten, bevor sie wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten konnten? 4.1 Welche Kosten fielen beim Freistaat in den Jahren 2015, 2016, 2017 durch die Erstattung der Gebühren der nicht erwerbstätigen untergebrachten Flüchtlinge durch die Kommunen an? 4.2 Welche Einnahmen erwartet der Freistaat für diese Jahre von den Kommunen? 4.3 In welcher Höhe werden den Kommunen die diesbezüglichen Ausgaben 2015, 2016 und 2017 durch die Beteiligung des Bundes an den Unterbringungskosten der Kommunen ersetzt werden? 5.1 Ab wann werden Flüchtlinge über die formalen und rechtlichen Grundlagen der anfallenden Unterkunftsgebühren informiert? 5.2 Ab wann werden Flüchtlinge – ähnlich wie andere Kunden der Jobcenter – über die Notwendigkeit, Geld zu sparen, um später anfallende Gebühren begleichen zu können, informiert? 5.3 Ab wann werden Flüchtlinge über etwaig ihnen zustehende ergänzende Leistungen wegen der hohen Unterkunftsgebühren bei niedrigem (Ausbildungs-)Gehalt wie Wohngeld, ergänzende Arbeitsgeberhilfen, ergänzende Hilfen der Jobcenter informiert? 6.1 Ist es nach Ansicht der Staatsregierung integrationsfördernd , von erwerbstätigen Flüchtlingen oder Auszubildenden hohe Unterkunftsgebühren einzufordern? 6.2 Wieso müssen Flüchtlinge bei Arbeitsverboten erst eventuell vorhandenes angespartes Geld aufbrauchen , bevor sie wieder Leistungen entsprechend des Asylbewerberleistungsgesetzes beziehen dürfen? 6.3 In wie vielen Fällen wurde auf die Eintreibung von Unterkunftsgebührenforderungen wegen Uneinbringbarkeit verzichtet, etwa weil Geflüchtete einem Arbeitsverbot unterliegen oder ausgereist sind? 7.1 Wie hoch sind die Unterkunftsgebührenforderungen im Maximalfall? 7.2 Wie genau sehen die angebotenen Ratenzahlungsoptionen aus für den Fall, dass Flüchtlinge nicht über ein ausreichend großes Einkommen verfügen, um den eingeforderten Gebührenbescheid zu begleichen? 7.3 In welcher Höhe werden den Geflüchteten zudem Zinszahlungen auferlegt? 8.1 Sind die Jobcenter der Kommunen verpflichtet, anerkannten Geflüchteten, die noch in einer Gemeinschaftsunterkunft (GU) leben und noch keine existenzsichernde Arbeit gefunden haben, die vollen vom Freistaat verlangten Unterkunftsgebühren zu erstatten, oder ist es rechtmäßig, nur die Unterkunftsgebühren zu erstatten, die diese Kommune auch Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern gemäß einer kommunalen Satzung erstattet, wie dies z. B. die Stadt Kronach tut? 8.2 Welcher Zeitraum erscheint der Staatsregierung für erforderlich, um als mehrköpfige Familie nach der Anerkennung mit nur subsidiärem Schutz eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu finden? 8.3. Wie soll nach Meinung der Staatsregierung der Obdachlosigkeit anerkannter Geflüchteter sowie deren Verschuldung entgegengewirkt werden, wenn diese nicht in der Lage sein sollten, aus eigenen Kräften innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums eine Wohnung zu finden? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.03.2018 Drucksache 17/18130 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18130 Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 29.08.2017 1.1 Für welche Unterbringungsformen in Bayern fielen in den letzten zehn Jahren jeweils die in der Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) definierten Unterkunftsgebühren an? Unterkunftsgebühren fallen grundsätzlich in allen staatlichen Asylunterkünften an. 1.2 Für welche Unterbringungsformen gilt der ermäßigte Gebührensatz? Bei einer Unterbringung in Notquartieren können die Gebühren um bis zu 50 Prozent gesenkt werden (§ 23 Abs. 2 DVAsyl). 1.3 Für welche Unterkünfte fallen keine Gebühren an? Grundsätzlich fallen für alle staatlichen Unterkünfte Gebühren an. 2.1 Wie viele Flüchtlinge haben bereits Bescheide zur Begleichung von anfallenden Unterkunftsgebühren und Energiekosten erhalten? Zum Stand 01.07.2017 hat die zentrale Gebührenabrechnungsstelle rund 14.000 laufende Berechnungsfälle (nicht Personen) in Bearbeitung. Wie viele Fälle insgesamt seit dem 01.01.2015 (Start der Abrechnung durch zentrale Abrechnungsstelle ) abgerechnet wurden, ließe sich nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand feststellen da hierzu eine Abfrage bei den Kreisverwaltungsbehörden erforderlich wäre. Diese müssten darüber hinaus sämtliche Akten zur Beantwortung der Frage auswerten, was Tausende von Fällen beträfe. 2.2 Wie viele Flüchtlinge haben noch keine Bescheide zur Begleichung von anfallenden Unterkunftsgebühren und Energiekosten erhalten? Die Frage könnte nur mit unverhältnismäßigem Aufwand beantwortet werden (s. Antwort zur Frage 2.1). 2.3 Wie begründet die Staatsregierung den bundesweiten Spitzengebührensatz von 278 Euro kalt für ein Bett in einem Vier- oder Sechsbettzimmer? Die Höhe der Unterkunftsgebühren nach §§ 22 ff DVAsyl orientiert sich an der Statistik der Bundesagentur für Arbeit betreffend Bedarfe, Geldleistungen und Haushaltsbudgets von Bedarfsgemeinschaften, die im Rahmen einer Analyse der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig für alle Bundesländer erstellt wird. Dabei wird ein Gleichlauf der in Deutschland einschlägigen Sozialsysteme gewährleistet: einerseits für Asylbewerber nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und andererseits für Transferleistungsbezieher nach dem Zweiten bzw. Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB XII). 3.1 Wie hoch ist zum einen die Summe der bisherigen Unterkunftsgebührenbescheide und zum anderen die Summe der bisher beglichenen Unterkunftsgebühren ? Es erfolgt die Erhebung aller Außenstände, teilweise mit zeitlicher Verzögerung aufgrund von Rechtsmitteln. Die genaue Summe könnte nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden (s. Antwort zur Frage 2.1). 3.2 Wie hoch ist Zahl der Geflüchteten, die ihre Unterkunftsgebühren nicht begleichen werden können, etwa weil ihnen die Arbeitserlaubnis mittlerweile entzogen wurde und sie ihr Erspartes aufbrauchen mussten, bevor sie wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten konnten? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht leistbar. Die Frage zielt auf die Abgabe einer (perspektivischen) Prognose ab. Es gilt auch hier der sozialrechtliche Subsidiaritätsgrundsatz , wonach eine Person die ihr zur Verfügung stehenden Eigenmittel bis zu der gesetzlich vorgesehenen Freibetragsgrenze für ihren Lebensunterhalt selbst einzusetzen hat und staatliche Transferleistungen erst bei Eintritt der Bedürftigkeit greifen (Systematik des § 7 des Asylbewerberleistungsgesetzes - AsylbLG). 4.1 Welche Kosten fielen beim Freistaat in den Jahren 2015, 2016, 2017 durch die Erstattung der Gebühren der nicht erwerbstätigen untergebrachten Flüchtlinge durch die Kommunen an? 4.2 Welche Einnahmen erwartet der Freistaat für diese Jahre von den Kommunen? 4.3 In welcher Höhe werden den Kommunen die diesbezüglichen Ausgaben 2015, 2016 und 2017 durch die Beteiligung des Bundes an den Unterbringungskosten der Kommunen ersetzt werden? Gebührenschuldner sind die untergebrachten Asylbewerber und Anerkannten, die als Fehlbeleger in den Unterkünften leben, nicht die Kommunen. Anerkannte Asylbewerber, die nicht selbst durch Einkommen oder Vermögen in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, können Leistungen nach dem SGB II oder, wenn sie nicht erwerbsfähig sind, nach dem SGB XII erhalten. Nach beiden Leistungsgesetzen werden die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) übernommen. Der Bund beteiligt sich gemäß § 46 Abs. 5 ff SGB II an den KdU. Im Jahr 2015 betrug der Beteiligungssatz für Bayern 34,7 Prozent ohne Differenzierung nach deutschen und ausländischen Leistungsberechtigten und ohne zweckgebundene Mittel zur mittelbaren Finanzierung der Fluchtkosten. Bayern hat im Jahr 2015 insgesamt rd. 345 Mio. Euro Bundesmittel erhalten. Es gibt keine Statistik, die darüber Auskunft gibt, welcher Anteil hiervon durch erbrachte Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Unterkunftsgebühren für anerkannte Asylbewerber ausgelöst wurde. Im Jahr 2016 betrug der Beteiligungssatz für Bayern 40,9 Prozent. Dabei waren 6 Prozentpunkte als zweckgebundene Mittel zur mittelbaren Finanzierung der Fluchtkosten im SGB II bestimmt; Bayern hat hierfür im Jahr 2016 rd. 60 Mio. Euro Bundesmittel erhalten. Dieser Betrag soll dem Bundesgesetz zufolge zur vollständigen Finanzierung der Fluchtkosten im SGB II ausreichen; eine konkrete Überprüfung und Abrechnung fand nicht statt. Es kann jedoch unterstellt werden, dass auf mittelbarem Weg die Fluchtkosten im SGB II näherungsweise voll übernommen wurden. Im Jahr 2017 wird der Bund ebenfalls auf mittelbarem Wege die Fluchtkosten im SGB II tragen. Das Gesetz sieht eine konkrete Überprüfung im Jahr 2018 vor, durch die gewährleistet wird, dass auf mittelbarem Weg die Fluchtkosten Drucksache 17/18130 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 im SGB II voll übernommen wurden. Konkrete Zahlenangaben sind für das Jahr 2017 schon deswegen nicht möglich, weil zukünftige Entwicklungen nicht sicher abgeschätzt werden können. Es ist davon auszugehen, dass Bayern zum mittelbaren Ausgleich der Fluchtkosten im SGB II für das Jahr 2017 rd. 100 Mio. Euro Bundesmittel erhalten wird. Anderweitige Kosten durch die Erstattung der Gebühren der nicht erwerbstätigen untergebrachten Flüchtlinge fallen beim Freistaat nicht an. Es fallen allenfalls Personalkosten an. 5.1 Ab wann werden Flüchtlinge über die formalen und rechtlichen Grundlagen der anfallenden Unterkunftsgebühren informiert? Die Gebühren- bzw. Erstattungspflicht ist in §§ 22 ff DVAsyl, in § 2 und § 7 AsylbLG gesetzlich normiert. Im Rahmen der Auszugsaufforderungen nach Anerkennung werden Anerkannte über die entstehende Gebührenpflicht informiert, wenn sie weiterhin in der staatlichen Asylunterkunft verbleiben . 5.2 Ab wann werden Flüchtlinge – ähnlich wie andere Kunden der Jobcenter – über die Notwendigkeit, Geld zu sparen, um später anfallende Gebühren begleichen zu können, informiert? Über Informationen, welche die Jobcenter ihren Kunden erteilen , kann die Staatsregierung keine Auskünfte erteilen. 5.3 Ab wann werden Flüchtlinge über etwaig ihnen zustehende ergänzende Leistungen wegen der hohen Unterkunftsgebühren bei niedrigem (Ausbildungs -)Gehalt wie Wohngeld, ergänzende Arbeitsgeberhilfen , ergänzende Hilfen der Jobcenter informiert? Ziel der Staatsregierung und der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit ist es, den beteiligten nachgeordneten Behörden ein Instrumentarium an die Hand zu geben, um einen nahtlosen Übergang der anerkannten Flüchtlinge vom AsylbLG ins SGB II sicherstellen zu können . Aus diesem Grund haben beide im Oktober 2016 eine Kooperationsvereinbarung zur Zusammenarbeit der zuständigen Behörden beim Übergang von Leistungen nach dem AsylbLG auf Leistungen nach dem SGB II geschlossen. Im Übrigen sind die Leistungsträger, ihre Verbände und sonstige öffentlich-rechtliche Vereinigungen verpflichtet , im Rahmen ihrer Zuständigkeit u. a. die anerkannten Flüchtlinge über die Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch aufzuklären (§ 13 SGB I). Außerdem hat jeder (also auch die anerkannten Flüchtlinge) Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind (§ 14 SGB I). 6.1 Ist es nach Ansicht der Staatsregierung integrationsfördernd , von erwerbstätigen Flüchtlingen oder Auszubildenden hohe Unterkunftsgebühren einzufordern? Durch die Erhebung der Unterkunftsgebühren wird sichergestellt , dass erwerbstätige Asylbewerber und Anerkannte den Einheimischen gleichgestellt werden und früh lernen, dass Wohnraum in Deutschland nicht kostenlos zur Verfügung steht. Durch entsprechende gesetzliche Freibeträge verbleibt Erwerbstätigen jedoch ein Selbstbehalt. 6.2 Wieso müssen Flüchtlinge bei Arbeitsverboten erst eventuell vorhandenes angespartes Geld aufbrauchen, bevor sie wieder Leistungen entsprechend des Asylbewerberleistungsgesetzes beziehen dürfen? 6.3 In wie vielen Fällen wurde auf die Eintreibung von Unterkunftsgebührenforderungen wegen Uneinbringbarkeit verzichtet, etwa weil Geflüchtete einem Arbeitsverbot unterliegen oder ausgereist sind? 7.2 Wie genau sehen die angebotenen Ratenzahlungsoptionen aus für den Fall, dass Flüchtlinge nicht über ein ausreichend großes Einkommen verfügen , um den eingeforderten Gebührenbescheid zu begleichen? Wie bei Einheimischen im Transferleistungsbezug gilt auch im Asylbewerberleistungsrecht der sog. Subsidiaritätsgrundsatz . Danach hat eine Person zunächst die ihr zur Verfügung stehenden Eigenmittel bis zu der gesetzlich vorgesehenen Freibetragsgrenze für ihren Lebensunterhalt selbst einzusetzen . Staatliche Transferleistungen greifen erst bei Eintritt der Bedürftigkeit (Systematik des § 7 AsylbLG). Im Rahmen der Gebührenbeitreibung stehen die allgemeinen Instrumente des Verwaltungsvollzugs zur Verfügung . Unter anderem erfolgen Niederschlagungen in geringem Umfang, z. B. wenn der Schuldner verstirbt, bei Ausreise ins Heimatland oder wenn ein Insolvenzverfahren durchlaufen wurde. Niederschlagungen aufgrund eines Arbeitsverbotes erfolgten nicht. Auch Stundung mit Ratenzahlung kann beantragt werden . Bei der Gebührenerhebung für vergangene Zeiträume wird dem Begleitschreiben des Bescheids ein entsprechender Antrag auf Stundung mit Ratenzahlung beigefügt. Die jeweilige Stundung richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des Gebührenschuldners im konkreten Einzelfall. 7.1 Wie hoch sind die Unterkunftsgebührenforderungen im Maximalfall? Nach der seit 01.09.2016 geltenden DVAsyl beträgt die Höhe der Unterkunftsgebühren für alleinstehende oder einem Haushalt vorstehende Personen monatlich 278 Euro, für Haushaltsangehörige monatlich 97 Euro. 7.3 In welcher Höhe werden den Geflüchteten zudem Zinszahlungen auferlegt? Es werden keine Zinsen erhoben (§ 27 Abs. 3 Satz 2 DV- Asyl). 8.1 Sind die Jobcenter der Kommunen verpflichtet , anerkannten Geflüchteten, die noch in einer Gemeinschaftsunterkunft (GU) leben und noch keine existenzsichernde Arbeit gefunden haben, die vollen vom Freistaat verlangten Unterkunftsgebühren zu erstatten, oder ist es rechtmäßig, nur die Unterkunftsgebühren zu erstatten, die diese Kommune auch Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern gemäß einer kommunalen Satzung erstattet, wie dies z. B. die Stadt Kronach tut? Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18130 Eine Übernahme der Unterkunftsgebühren als KdU nach dem SGB II ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich : Der Betroffene muss zum einen im Laufe des Monats der Bekanntgabe des Gebührenbescheids einen Antrag auf Übernahme der KdU beim Jobcenter gestellt haben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Dann sind – die Hilfebedürftigkeit des Betroffenen vorausgesetzt – grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft bis zur Grenze der Angemessenheit zu übernehmen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Grundsätzlich übernommen werden aber nur Aufwendungen für die aktuelle Unterkunft; die Leistungen für Unterkunft und Heizung dienen schließlich der Unterkunftssicherung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings denkbar, sofern ein Umzug behördlich veranlasst ist (z . B. durch Auszugsaufforderung , Wohnsitzauflage etc.). Außerdem müssen die tatsächlichen Kosten angemessen sein (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II): Dazu dürfen sie grundsätzlich nicht die (abstrakt) angemessenen Referenzkosten übersteigen. Diese sind durch das Jobcenter/Kommune so festzulegen, dass es den Leistungsberechtigten grundsätzlich ermöglicht wird, im gesamten räumlichen Vergleichsraum eine angemessene Unterkunft zu erhalten. Überschreiten die tatsächlichen Kosten die (abstrakt) angemessenen Referenzkosten, muss jedoch im Rahmen der konkreten Angemessenheit geprüft werden, ob eine angemessene Unterkunft zum abstrakt angemessenen Preis im Vergleichsraum tatsächlich verfügbar ist. Entsprechend sind vom Leistungsberechtigten sachliche Gründe vorzubringen, warum es nicht möglich sein sollte, durch eine abstrakt angemessene Unterkunft die Kosten zu senken. Der Berechtigte muss konkret überhaupt die Möglichkeit haben, eine billigere Unterkunft im Vergleichsraum zu erhalten. Sofern dies nicht möglich ist, sind die Aufwendungen für die Unterkunft als konkret angemessen anzusehen und damit vom Leistungsträger zu übernehmen. 8.2 Welcher Zeitraum erscheint der Staatsregierung für erforderlich, um als mehrköpfige Familie nach der Anerkennung mit nur subsidiärem Schutz eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu finden ? Wie bei einheimischen Wohnungssuchenden ist die Dauer des Zeitraums je nach Einzelfall abhängig von den örtlichen Gegebenheiten und kann daher nicht pauschal bemessen werden. 8.3 Wie soll nach Meinung der Staatsregierung der Obdachlosigkeit anerkannter Geflüchteter sowie deren Verschuldung entgegengewirkt werden, wenn diese nicht in der Lage sein sollten, aus eigenen Kräften innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums eine Wohnung zu finden? Nach positivem Abschluss eines Asylverfahrens und Erhalt einer Anerkennung bzw. Bleibeberechtigung endet grundsätzlich die Berechtigung, in staatlichen Asylunterkünften zu wohnen. Anerkannte Asylbewerber müssen sich – genau wie Einheimische – in den „normalen“ Wohnungsmarkt integrieren und sind gefordert, sich selbst um eine Wohnung zu kümmern. Der Freistaat Bayern gestattet den Asylbewerbern nach ihrer Anerkennung zur Vermeidung von Notsituationen jedoch , vorübergehend in den staatlichen Asylunterkünften zu bleiben, wenn sie trotz eigenständiger Bemühungen nicht im unmittelbaren Anschluss an die Anerkennung anderweitigen ausreichenden Wohnraum finden. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Unterstützung des Freistaats. Dies kann keine Dauerlösung sein. Die Staatsregierung führt aus diesem Grund Gespräche mit Vertretern des Gemeinde-, des Städte- und des Landkreistages , den Spitzen der Regierungen sowie Vertretern der betroffenen Ressorts, in welchen die bestehenden Herausforderungen und auch Lösungsansätze erörtert werden, mit denen eine Vermittlung in den regulären Wohnungsmarkt vorangetrieben werden kann. Das Thema ist auch Gegenstand des Runden Tisches Integration, bei dem die Akteure Lösungen zum Übergang in regulären Wohnraum erörtern. Die Integration Anerkannter in den Wohnungsmarkt gelingt auch bereits vielerorts in Bayern: Von Anfang 2014 bis März 2017 haben rund 85.000 schutzsuchende Personen in Bayern eine Anerkennung bzw. dauerhafte Bleibeberechtigung (ohne Personen mit lediglich erteilten Abschiebeverboten ) erhalten. Davon sind über 50.000 Personen nicht (mehr) auf einen Verbleib in den Asylunterkünften angewiesen und konnten mit gemeinsamer Kraftanstrengung von Freistaat und Kommunen erfolgreich in den Wohnungsmarkt integriert werden.