Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 13.07.2017 Wasser- und Abwasserentgelte in Bayern Gemäß Bericht des Landesamts für Statistik betragen die durchschnittlichen Kosten für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung in Bayern im Jahr 2016 für Modellhaushalte mit 2 Personen 389,21 Euro. Dabei unterscheiden sich die Durchschnittskosten pro Regierungsbezirk von 356,71 Euro in Schwaben bis zu 451,01 Euro in Mittelfranken. Bei einem 4-Personen-Modellhaushalt ist die Spanne sogar noch einmal größer und reicht von 578,63 Euro in Oberbayern bis 738,65 Euro in Mittelfranken. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wieso sind die Unterschiede bei den Wasser- und Abwasserentgelten zwischen den Regierungsbezirken so groß? 2. Ist die große Differenz zu vereinbaren mit der verfassungsrechtlich verankerten „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse “? 3.1 Was hat die Staatsregierung bisher unternommen, um die Differenz zwischen den Regionen zu reduzieren bzw. nicht größer werden zu lassen? 3.2 Wie ist der Erfolg der Maßnahmen zu bewerten gemessen am durchschnittlichen Preisunterschied? 4. Plant die Staatsregierung weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Preisdifferenz? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 31.08.2017 1. Wieso sind die Unterschiede bei den Wasser- und Abwasserentgelten zwischen den Regierungsbezirken so groß? Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) sollen die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen, soweit diese überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Gruppen dienen, wie dies bei der gemeindlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung der Fall ist, auf der Grundlage einer entsprechenden Gebührensatzung (öffentlichrechtliche ) Gebühren verlangen, sofern nicht die betreffende Einrichtung privatrechtlich organisiert ist (z. B. als GmbH) und daher privatrechtliche Entgelte verlangt werden. Erhebt die betreffende Kommune Gebühren, gibt ihr Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG vor, in das Gebührenaufkommen sämtliche nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen anfallende Kosten einzustellen (sog. Kostendeckungsprinzip). Diese Vorgabe wirkt sowohl als Untergrenze als auch als Obergrenze, d. h. die Kommune ist angehalten, einerseits die Gebühren so zu bemessen, dass das Aufkommen nicht hinter den Kosten zurückbleibt, andererseits aber auch keine bewussten oder erheblichen Kostenüberdeckungen zu verursachen. Da sich die Kommune durch eine Ausgestaltung der Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung in Privatrechtsform nicht den öffentlich-rechtlichen Vorgaben entziehen kann (vgl. Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Bayerischen Verfassung – BV), gelten die dargelegten Vorgaben grundsätzlich auch für die Bemessung privatrechtlicher Entgelte. Welche Kostenpositionen im Sinne des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs im Einzelfall anfallen und in welcher Höhe jeweils, hängt zu einem großen Teil von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ab und lässt sich daher nicht generalisierend und einheitlich für sämtliche Wasserversorgungs - und Abwasserbeseitigungsanlagen im Freistaat Bayern festschreiben oder bewerten. Daraus ergeben sich auch die Unterschiede zwischen den Regierungsbezirken. Erfasst sind von dem betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff sämtliche betriebsbedingten Kosten, also alle Kosten, die durch die Betriebsführung zur Erfüllung des Betriebszwecks entstanden sind. Dies sind beispielsweise die Personalkosten , aber etwa auch die Kosten, die bei der Beschaffung des Wassers für die Wasserversorgungsanlage anfallen, und sonstige Kosten für sächliche Betriebsmittel. Ein Kostenfaktor sind gemäß Art. 8 Abs. 3 KAG außerdem angemessene Abschreibungen, entweder auf der Grundlage der Anschaffungs- und Herstellungskosten oder auf der Grundlage der Wiederbeschaffungszeitwerte, die jeweils ebenfalls nicht bei sämtlichen Wasserversorgungs- oder Abwasserbeseitigungsanlagen in gleicher Höhe zu veranschlagen sind. Hinzu kommt, dass das KAG in Art. 8 Abs. 3 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.04.2018 Drucksache 17/18137 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18137 die konkrete Abschreibungsmethode nicht vorschreibt, die jeweilige Kommune also die Wahl hat, ob sie linear, degressiv oder progressiv abschreibt; dies impliziert je nach Wahl eine unterschiedliche Verteilung des Kostenaufkommens über den Abschreibungszeitraum und daher ebenfalls eine mangelnde Vergleichbarkeit auf Landesebene. Schließlich ist noch auf die jeder Gemeinde eröffnete Möglichkeit hinzuweisen, mehrjährige Kalkulationszeiträume zu bilden (vgl. Art. 8 Abs. 6 KAG), sowie darauf, dass eine Gemeinde bei mehreren technisch selbstständigen Anlagen gemäß Art. 21 Abs. 2 der Gemeindeordnung die Wahl hat, ob sie diese als eine Einrichtung oder als mehrere Einrichtungen – mit entsprechenden kalkulatorischen Folgen – betreibt. 2. Ist die große Differenz zu vereinbaren mit der verfassungsrechtlich verankerten „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“? Die unterschiedliche Höhe der Gebühren und Entgelte für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in den bayerischen Regierungsbezirken ist mit dem seit dem Jahr 2014 geltenden Programmauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 BV zu vereinbaren, wonach der Staat „gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land“ … „fördert und sichert“. Abgesehen davon, dass die Gleichwertigkeitsklausel dem Staat für ihre Umsetzung einen weiten Gestaltungsspielraum belässt (vgl. etwa Josef Franz Lindner, in: Lindner/Markus Möstl/Heinrich Amadeus Wolff: Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl., München 2017, Art. 3 Rdnr. 9a), zielt die Staatszielbestimmung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 BV, wie der fraktionsübergreifende Entwurf des verfassungsändernden Gesetzes aus dem Jahr 2012 formuliert, auf „die Förderung gleichwertiger, nicht gleichartiger, Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern“ (Drs. 16/15140, S. 3; vgl. auch a. a. O., S. 6: „,Gleichwertig‘ bedeutet nicht ,gleichartig‘.“). Daher seien die „unterschiedlichen strukturellen , historischen, kulturellen, gesellschaftlichen und natürlichen Voraussetzungen der einzelnen Landesteile Bayerns … stets zu berücksichtigen“ (a. a. O., S. 6). Zu diesen unterschiedlichen Voraussetzungen gehören auch die in den Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten und damit in unterschiedlicher Höhe anfallenden Kosten, die dann der Gebührenkalkulation zugrunde zu legen sind. Hingewiesen sei abschließend noch darauf, dass bereits die Vorgabe eines einheitlichen betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs durch das KAG zu einer gewissen Vereinheitlichung der Gebührenkalkulation geführt hat. Bis zum Inkrafttreten des KAG am 26.03.1974 (vgl. Art. 22 KAG) gab es keine Vorschrift, wie die Kosten zu ermitteln sind, sodass die Gemeinden zum Teil ausschließlich nach kameralistischen Methoden vorgingen, zum Teil betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigten oder ganz nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen die Kosten ermittelten, was naturgemäß zu ganz unterschiedlichen Ausgangspunkten für die Gebührenbemessung geführt hatte (vgl. zum Ganzen Anton Stadlöder, in: Hans Schieder/Michael Happ: Bayerisches Kommunalabgabengesetz, 3. Aufl., Stand: Juli 2015, Art. 8 Rdnr. 21; Stand: Dez. 2014). 3.1 Was hat die Staatsregierung bisher unternommen, um die Differenz zwischen den Regionen zu reduzieren bzw. nicht größer werden zu lassen? 3.2 Wie ist der Erfolg der Maßnahmen zu bewerten gemessen am durchschnittlichen Preisunterschied? Die „Differenz zwischen den Regionen“ ist den unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten geschuldet, welche unterschiedliche Gebührenhöhen mit sich bringen. Auf diese Gegebenheiten hat die Staatsregierung keinen Einfluss. Mit der Vorlage des Entwurfs eines Kommunalabgabengesetzes (Drs. 7/5192) hat die Staatsregierung im Jahr 1973 einen einheitlichen gebührenrechtlichen Kostenbegriff initiiert und somit die Grundlage für die vor diesem Hintergrund größtmögliche Vereinheitlichung geschaffen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 4. Plant die Staatsregierung weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Preisdifferenz? Nein.