Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr SPD vom 08.08.2017 Mutter-Kind-Plätze im bayerischen Strafvollzug Ich frage die Staatsregierung; 1. Wie viele Mutter-Kind-Plätze gibt es im Strafvollzug in Bayern (bitte aufgeschlüsselt nach Justizvollzugsanstalten angeben)? 2. Wie war die Auslastung der Mutter-Kind-Plätze im bayerischen Strafvollzug in den Jahren von 2012 bis 2017 (Stichtag 08.08.2017, bitte aufgeschlüsselt nach Jahren , Justizvollzugsanstalten, Prozentzahlen und absoluten Zahlen angeben)? 3. a) Wie viele Frauen mit Kleinkindern wurden in den Jahren 2012 bis 2017 (Stichtag 08.08.2017) für einen Mutter-Kind-Platz im Strafvollzug abgelehnt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Justizvollzugsanstalten, absoluten Zahlen und Prozentzahlen angeben)? b) Was waren die Gründe für die Ablehnung? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 11.09.2017 1. Wie viele Mutter-Kind-Plätze gibt es im Strafvollzug in Bayern (bitte aufgeschlüsselt nach Justizvollzugsanstalten angeben)? Die Justizvollzugsanstalten München und Aichach verfügen jeweils über zehn Mutter-Kind-Plätze im geschlossenen Vollzug. Dabei sind in der Justizvollzugsanstalt München zwei der zehn Plätze so eingerichtet, dass auch zwei Mütter mit Zwillingen untergebracht werden können. Darüber hinaus verfügt die Justizvollzugsanstalt Aichach über weitere sechs Mutter-Kind-Plätze im offenen Vollzug. 2. Wie war die Auslastung der Mutter-Kind-Plätze im bayerischen Strafvollzug in den Jahren von 2012 bis 2017 (Stichtag 08.08.2017, bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Justizvollzugsanstalten, Prozentzahlen und absoluten Zahlen angeben)? Für das Jahr 2012 ist eine belastbare Aussage nicht möglich , da als Folge der fünfjährigen Löschfrist aus Gründen des Datenschutzes bereits eine Vielzahl der EDV-Daten automatisch gelöscht wurde. Ferner ist anzumerken, dass bei Untersuchungsgefangenen diese automatische Löschfrist nur zwei Jahre beträgt; die Belegungszahlen – insbesondere für die Justizvollzugsanstalt München mit einem hohen Anteil von Untersuchungsgefangenen – dürften daher für die Jahre 2013 bis 2015 etwas höher liegen. Durchschnittliche Belegung der Mutter-Kind-Plätze im geschlossenen Vollzug: Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.03.2018 Drucksache 17/18174 Bayerischer Landtag Jahr Anstalt Ø % 2013 JVA Aichach 8,33 83,32 JVA München 7,18 71,84 2014 JVA Aichach 8,52 85,23 JVA München 7,49 74,93 2015 JVA Aichach 8,38 83,78 JVA München 5,72 57,21 2016 JVA Aichach 9,02 90,25 JVA München 5,74 57,40 2017 JVA Aichach 9,34 93,41 bis 08.08.2017 JVA München 5,88 58,77 Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18174 Anzumerken ist, dass die Auslastung der Mutter-Kind-Plätze im geschlossenen Vollzug hoch ist. Eine durchgehende Belegung der Plätze ist jedoch nicht möglich, weil regelmäßig Plätze für Schwangere vorgemerkt werden müssen oder bei einem längeren Krankenhausaufenthalt der Mutter oder des Kindes nicht zwischenbelegt werden können. In München muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass eine qualifizierte Betreuungskraft über einen längeren Zeitraum krankheitsbedingt ausfiel und daher keine Vollbelegung möglich war, weil entsprechend für die Kinderbetreuung qualifizierte Bedienstete in anderen Teilen des Justizvollzugs nicht eingesetzt werden. Zur Belegung der Mutter-Kind-Plätze im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Aichach ist anzumerken, dass die Belegungskapazität in der Vergangenheit nicht ausgeschöpft werden konnte, weil nur wenige für den offenen Vollzug geeignete Mütter mit Kindern in dem infrage kommenden Alter inhaftiert waren. Statistische Angaben liegen insoweit nicht vor. In den letzten Jahren waren aber maximal fünf Plätze gleichzeitig belegt. Aktuell befindet sich dort eine Mutter mit ihrem Kind. 3. a) Wie viele Frauen mit Kleinkindern wurden in den Jahren 2012 bis 2017 (Stichtag 08.08.2017) für einen Mutter-Kind-Platz im Strafvollzug abgelehnt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Justizvollzugsanstalten , absoluten Zahlen und Prozentzahlen angeben)? b) Was waren die Gründe für die Ablehnung? Für die Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt München wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Landeshauptstadt München eine Leistungsbeschreibung erstellt, in der neben einem pädagogischen und psychologischen Konzept der Abteilung auch Aufnahmeund Ausschlusskriterien für die Aufnahme einer Mutter mit ihrem Kind oder ihren Kindern auf der Abteilung festgelegt sind. Diese Grundsätze gelten für die Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt Aichach entsprechend. Grundsätzlich begründet weder die Straffälligkeit noch die Inhaftierung einer Mutter zwingend eine Einschränkung von deren Erziehungsfähigkeit oder gar deren Erziehungsunfähigkeit . Vor dem Hintergrund der oftmals problematischen eigenen biografischen Entwicklung der Mütter sowie der Sondersituation in Haft (z. B. Einschluss in der Nacht) muss allerdings die Frage der Erziehungsfähigkeit der Mutter zum Wohl und zum Schutz des Kindes in jedem Fall eingehend und umfassend geprüft werden. Unter Berücksichtigung dessen werden die Plätze der Mutter-Kind-Abteilungen für inhaftierte Frauen grundsätzlich nach folgenden Kriterien belegt: ‒ Die Unterbringung der Mutter und ihres Kindes muss dem Wohl des Kindes entsprechen. Bei Müttern, die vor der Inhaftierung das Wohl ihres Kindes erheblich gefährdet haben und von denen nicht zu erwarten ist, dass durch therapeutische Maßnahmen dauerhaft eine gute Mutter-Kind-Beziehung entwickelt werden kann, wird daher eine Aufnahme nicht erfolgen. ‒ Ebenso ist die Aufnahme ausgeschlossen, wenn die Kinder vor der Inhaftierung der Mutter nicht mit dieser zusammengelebt haben oder nach Entlassung der Mutter nicht mit dieser zusammenleben können und die Kinder bereits tragfähige Beziehungen zu anderen Personen in einer Pflegefamilie oder einem Heim entwickelt haben. ‒ Aufgenommen werden in der Regel nur Kinder, bei denen eine Trennung von der Mutter und eine Fremdunterbringung vermieden werden soll und die Mutter- Kind-Beziehung förderungswürdig erscheint. ‒ Die inhaftierte Mutter muss persönlich in der Lage und willens sein, das Kind während des Aufenthaltes in Haft und nach der Entlassung zu betreuen. Unter anderem darf die Mutter in der Regel nicht alkohol- oder drogenabhängig sein und ihr Gesundheitszustand darf nicht befürchten lassen, dass sie nicht dauerhaft in der Lage ist, sich und ihr Kind zu versorgen. ‒ Die Mutter darf nicht wegen kindeswohlgefährdender Delikte verurteilt worden sein. ‒ Die Mutter muss nach ihrer spezifischen Persönlichkeit in der Lage sein, sich in die Abteilung einzugliedern, und zur Mitarbeit an der Behandlung ausreichend motiviert sein. ‒ Die Entlassung von Mutter und Kind sollte gemeinsam erfolgen können, sodass die Haftdauer der Mutter letztlich keine Trennung von Mutter und Kind erforderlich macht. ‒ Vor der Aufnahme sind die Krankenversicherung des Kindes sowie die Kostenübernahme durch das zuständige Jugendamt sicherzustellen. ‒ Der Inhaber/Mitinhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts muss der Unterbringung des Kindes in der Mutter -Kind-Abteilung zustimmen (Art. 86 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes BayStVollzG). Die Entscheidung über die Aufnahme in die Mutter-Kind- Abteilung erfolgt dabei in enger Abstimmung mit dem Jugendamt , das die Tragfähigkeit und die Förderungswürdigkeit der Mutter-Kind-Beziehung beurteilt und gegenüber der Anstalt eine Stellungnahme abgibt (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG). Zudem hat die Mutter verschiedene Dokumente wie z. B. das der Inhaftierung zugrunde liegende Urteil einen aktuellen Bundeszentralregisterauszug und ein aktuelles Attest des behandelnden Kinderarztes beizubringen sowie einen umfangreichen Fragebogen zu beantworten . Insofern werden die Mütter regelmäßig durch die Jugendämter oder Betreuer unterstützt. In der Justizvollzugsanstalt München findet abschließend noch ein Gespräch mit der Mutter statt, in dem sich die fachliche Leiterin der Abteilung (Diplom-Sozialpädagogin) sowie die zuständige Psychologin ein Bild von der Bewerberin machen . In der Justizvollzugsanstalt Aichach befinden sich die Gefangenen regelmäßig bereits vor der Geburt ihrer Kinder in Haft, sodass sie bereits bekannt sind und ein Aufnahmegespräch sich erübrigt. In den Mutter-Kind-Abteilungen der Justizvollzugsanstalten München und Aichach werden Anfragen nicht systematisch erfasst und statistisch ausgewertet. Insbesondere nicht erfasst werden Anrufe/E-Mails von Müttern oder Schwangeren, von Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie Jugendämtern und anderen Behörden, in denen lediglich die Aufnahmevoraussetzungen und Ausschlusskriterien abgefragt werden. Zu einer schriftlichen Absage kommt es üblicherweise nur, wenn bereits zuvor eine Korrespondenz über einen konkreten Aufnahmewunsch stattgefunden hat. Für die Jahre 2013 bis 2015 sind in der Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt München keine schriftlichen Absagen an Bewerberinnen vermerkt oder erinnerlich. Die Mutter-Kind-Abteilung der Anstalt war in diesen Jahren durch langstrafige Mütter ausgelastet. Im Jahr 2016 hat die Mutter-Kind-Abteilung insgesamt vier Bewerberinnen Drucksache 17/18174 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 schriftlich abgesagt und im Jahr 2017 bislang sechs Bewerberinnen . Die Gründe für die Ablehnung einer Aufnahme lagen in jedem Fall darin, dass die Aufnahmevoraussetzungen nicht vorlagen oder zwingende Kriterien gegen eine Aufnahme der Mutter sprachen. Soweit noch vermerkt oder erinnerlich , litt z. B. eine Mutter unter einer akuten paranoiden Schizophrenie, eine weitere Mutter versäumte mehrere Vorstellungstermine, zeigte sich im Vorfeld ausgesprochen aggressiv und ausfallend und brach ihrerseits das Bewerbungsverfahren unvermittelt ab. Eine Mutter nahm ebenfalls die Termine zu einem Gespräch nicht wahr und war ferner erneut schwanger. Eine Mutter war wegen fahrlässiger Tötung ihrer Kinder inhaftiert und hatte sich mit ihrem Delikt nicht in ausreichendem Maße auseinandergesetzt, sodass erhebliche Zweifel an der Eignung bestanden. Zudem legte sie die erforderlichen Unterlagen nicht vor. Eine andere Mutter war bereits bekannt und hatte sich als ungeeignet erwiesen . Zwei Mütter waren in der Vergangenheit rechtskräftig wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilt worden und legten nicht die erforderlichen Unterlagen zur Prüfung ihrer Bewerbung vor (insbesondere das Urteil der genannten Verurteilung). Bei einer Mutter war die Situation nach der Haft ungeklärt und die Haftdauer deutlich zu lang, um eine gemeinsame Entlassung von Mutter und Kindern möglich erscheinen zu lassen. Zwei weitere Mütter wiesen eine erhebliche Suchtmittelproblematik auf (Konsum von Suchtmitteln über die gesamte Schwangerschaft hinweg) und zeigten sich im Kontakt sehr auffällig (eine Bewerberin verließ mitten im Gespräch die Anstalt). In der Justizvollzugsanstalt Aichach wurden im Jahr 2013 insgesamt drei Frauen nach einer Prüfung der Voraussetzungen nicht aufgenommen: zwei Frauen aufgrund ihrer Suchtmittelabhängigkeit und eine Schwangere nach einer Flucht aus dem Krankenhaus. Im Jahr 2014 konnten sieben Frauen nicht aufgenommen werden: eine Mutter wegen mangelnder Erziehungsfähigkeit, zwei wegen Suchtmittelabhängigkeit , eine aufgrund der schweren Erkrankung des Kindes und drei aufgrund fehlender freier Kapazitäten. Im Jahr 2015 wurden acht Frauen nicht aufgenommen: eine Mutter wegen mangelnder Erziehungsfähigkeit, zwei wegen Suchtmittelabhängigkeit und fünf aufgrund fehlender freier Kapazitäten. Im Jahr 2016 konnten ebenfalls acht Frauen nicht aufgenommen werden: eine Mutter aufgrund einer Suchtmittelabhängigkeit und sieben Mütter wegen fehlender freier Kapazitäten. Im Jahr 2017 wurden bisher vier Frauen wegen fehlender freier Kapazitäten nicht aufgenommen . Eine weitere musste abgelehnt werden, weil sie wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilt wurde. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass trotz der Verdoppelung der Kapazitäten im Mutter-Kind-Bereich im geschlossenen Vollzug mit Inbetriebnahme der neuen Frauenabteilung in München im Jahr 2009 Belegungsengpässe nicht ausgeschlossen werden können. Es ist daher beabsichtigt , bei dem Neubau der Justizvollzugsanstalt Marktredwitz im Bereich der Frauenabteilung auch eine weitere Mutter -Kind-Station mit zehn Mutter-Kind-Plätzen einzurichten.