Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Eva Gottstein FREIE WÄHLER vom 15.05.2017 Aufarbeitung des Amoklaufs von München seitens des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Im Abschlussbericht zum Amoklauf beim Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München wurde Hass wegen jahrelangen erlebten Mobbings durch Mitschüler als Tatgrund genannt. Da es auch zu einer Strafanzeige des Vaters des späteren Amokläufers gegen die Mitschüler wegen gefährlicher Körperverletzung kam (die zurückgezogen wurde), war dieser Mobbingfall aktenkundig, auch in der Schule. Ich frage die Staatsregierung: 1. Gibt es eine Aufarbeitung/Einsatznachbereitung des Amoklaufs von München seitens des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBW)? 2. Gab und gibt es eine Zusammenarbeit des StMBW und des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) in diesem Fall? 3. Welche konkreten Konsequenzen zieht das StMBW aus diesem Fall? 4. Wie verlief die Schulkarriere des späteren Amokläufers ? 5.1 In welchem Ausmaß hatte die Schule Kenntnis vom Mobbing gegen den späteren Amokläufer? 5.2 Gab es Termine mit Beratungslehrern/Schulpsychologen ? 6.1 War seine Person/das Mobbing gegen ihn Thema in Klassenkonferenzen? 6.2 Wurde das Mobbing mit den Eltern thematisiert? 7. Nachdem im Jahr 2015 während eines Aufenthalts im Klinikum Harlaching der Amokläufer den Hitlergruß zeigte, Hakenkreuze zeichnete und sich verehrend über Hitler äußerte, frage ich die Staatsregierung, ob diese Handlungen weiter verfolgt wurden bzw. die Schule darüber informiert wurde? 8.1 Welche Konsequenzen zieht das StMBW aus dem Schluss, der Amoklauf sei auf Mobbing zurückzuführen ? 8.2 Wird beispielsweise ein Handlungsplan/Leitfaden für Schulen entwickelt oder Ähnliches? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sowie dem Staatsministerium der Justiz vom 07.09.2017 1. Gibt es eine Aufarbeitung/Einsatznachbereitung des Amoklaufs von München seitens des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBW)? Das StMBW hat sowohl sehr frühzeitig nach dem Amoklauf am 22.07.2016 am Olympia-Einkaufszentrum als auch anschließend kontinuierlich während des Schuljahres 2016/2017 Maßnahmen zur Aufarbeitung und zur Einsatznachbereitung des Amoklaufs ergriffen. So fand bereits am 25.07.2016 im StMBW ein Gespräch mit den zuständigen Stellen statt, um darauf aufbauend geeignete und passgenaue Maßnahmen – insbesondere zum Ende des Schuljahres 2015/2016, aber auch darüber hinaus – für die Schulen zum Einsatz zu bringen. Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfolgte eng begleitet durch die zuständigen Stellen in Abstimmung mit dem StMBW. Um einen möglicherweise weiterhin bestehenden Betreuungs - und Nachsorgebedarf an den betroffenen Schulen zu gewährleisten, standen die zuständigen Stellen und das StMBW auch im Schuljahr 2016/2017 mit den Schulen in engem Kontakt. Als Fortsetzung des Gesprächs vom 25.07.2016 wurden in einem weiteren Gespräch im StMBW am 23.11.2016 die bisherigen Erfahrungen der Schulen bei der Aufarbeitung des Amoklaufs gebündelt. Die Schulen wurden in der Akutphase am Ende des vergangenen Schuljahres durch das Kriseninterventions- und -bewältigungsteam bayerischer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen (KIBBS) unterstützt. Die von den Schulen darüber hinaus erbetenen Maßnahmen der Nachsorge wurden durch die zuständigen Stellen in Abstimmung mit dem StMBW erbracht. Durch diese intensive Begleitung konnten einerseits an den einzelnen betroffenen Schulen jeweils bedarfsgerecht Maßnahmen durchgeführt werden. Andererseits wurden und werden die Erfahrungen aus dem Einsatz und die Rückmeldungen aus den Schulen auf den Ebenen der Schulaufsicht herangezogen, um die Vorgehensweise in der Prävention, der Intervention und der Nachsorge zu reflektieren und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. 2. Gab und gibt es eine Zusammenarbeit des StMBW und des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) in diesem Fall? Neben einem ständigen Informationsaustausch, z. B. im Rahmen der Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG) zur Salafismus-Prävention oder dem in gemeinsamer Verantwortung von StMBW und StMI seit dem Jahr 2003 durch- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.04.2018 Drucksache 17/18182 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18182 geführten Präventionsprogramm gegen Gewalt, Sucht und Eigentumsdelikte sowie zur Persönlichkeitsentwicklung „PIT – Prävention im Team“ findet insbesondere auf regionaler Ebene eine enge Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden und den schulischen Einrichtungen statt. So wurden die schulischen Einrichtungen beispielsweise von der Polizei bei der Entwicklung von Verhaltensstrategien im Amokfall unterstützt. Daneben wird insbesondere durch Kontakt- und Jugendbeamte der Bayerischen Polizei ein intensiver Kontakt mit den schulischen Einrichtungen gepflegt , um Problemstellungen rechtzeitig zu erkennen und in Zusammenarbeit einer Vielzahl von Institutionen adäquat darauf reagieren zu können. Explizit zu nennen ist hier auch das Projekt „Zammgrauft“ zur Mobbingprävention, das vom Polizeipräsidium München in Kooperation mit dem Kreisjugendring München Stadt ins Leben gerufen wurde. Eine der Schulen, an der der spätere Täter eingeschrieben war, führt seit Jahren – auch bereits zu dessen Schulzeit – dieses Projekt durch. Alle Schülerinnen und Schüler der Schule nehmen an dem Projekt teil und alle Lehrkräfte verfügen über eine entsprechende Ausbildung für die Durchführung des Projekts. Im konkreten Fall des Amoklaufs am Münchner OEZ vom 22.07.2016 gab es auf ministerieller Ebene einen entsprechenden Informationsaustausch zwischen StMBW und StMI sowie eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Staatsministerien nachgeordneten Behörden. Im Zuge der Ermittlungen der Sonderkommission OEZ des Landeskriminalamts gab es sowohl Kontakte zum Staatlichen Schulamt in der Landeshauptstadt München als auch direkt zu den Schulen, die der spätere Täter vor seiner Tat besucht hatte. Hierbei wurden insbesondere auch ehemalige Schulleiterinnen und Schulleiter, Klassenleiterinnen und Klassenleiter, Lehrkräfte, Schulpsychologen und Mitschülerinnen und Mitschüler des späteren Täters als Zeugen befragt. Im Zusammenhang mit einem im Jahr 2012 aktenkundig gewordenen Mobbingvorfall gab es zudem eine kurzfristige Zusammenarbeit zwischen der damaligen Schule des späteren Täters und der örtlich zuständigen Polizeidienststelle. Die Schulleitung informierte die örtliche Polizeidienststelle über einen Übergriff durch drei Mitschüler. 3. Welche konkreten Konsequenzen zieht das StMBW aus diesem Fall? Die Erkenntnisse aus der Aufarbeitung des konkreten Falls fließen in die laufenden differenzierten Angebote zur Prävention von Gewalt und Mobbing ein. Die Lehrkräfte sind seit Jahren durch die stete Aufklärung und die zahlreichen wichtigen und praxiserprobten Gewaltpräventionsprojekte sensibilisiert. Auf der Grundlage zahlreicher Angebote externer Partner und sachkundiger Ansprechpartner im Schulbereich, z. B. der Ansprechpartner für Mobbing an den Staatlichen Schulberatungsstellen, kann jede Schule ein maßgeschneidertes Präventionsprogramm erstellen. Zudem gibt es für die Schulen die Verpflichtung zur Erstellung eines Sicherheitskonzeptes. 4. Wie verlief die Schulkarriere des späteren Amokläufers ? Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird von einer Veröffentlichung der Antwort abgesehen. 5.1 In welchem Ausmaß hatte die Schule Kenntnis vom Mobbing gegen den späteren Amokläufer? Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird von einer Veröffentlichung der Antwort abgesehen. 5.2 Gab es Termine mit Beratungslehrern/Schulpsychologen ? Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird von einer Veröffentlichung der Antwort abgesehen. 6.1 War seine Person/das Mobbing gegen ihn Thema in Klassenkonferenzen? Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird von einer Veröffentlichung der Antwort abgesehen. 6.2 Wurde das Mobbing mit den Eltern thematisiert? Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird von einer Veröffentlichung der Antwort abgesehen. 7. Nachdem im Jahr 2015 während eines Aufenthalts im Klinikum Harlaching der Amokläufer den Hitlergruß zeigte, Hakenkreuze zeichnete und sich verehrend über Hitler äußerte, frage ich die Staatsregierung , ob diese Handlungen weiter verfolgt wurden bzw. die Schule darüber informiert wurde? Im Zuge der Ermittlungen der polizeilichen Sonderkommission OEZ wurde bekannt, dass der spätere Täter im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einer psychiatrischen Abteilung des Klinikums Harlaching im Jahre 2015 offenbar einige Mitpatienten mit nationalsozialistischen Symbolen und Phrasen provozierte. So soll er mehrmals Hakenkreuze auf seinen Malblock geschmiert und einmal den „Hitlergruß“ gegenüber einer Mitpatientin gezeigt und „Sieg Heil“ gesagt haben. Nach Zeugenaussagen wurde der spätere Täter daraufhin gefragt, ob er ein Nazi sei, was dieser verneint haben soll. Er gab jedoch an, „manche Sachen gut [zu] finde[n], die Hitler gemacht hat“. Im Rahmen der Therapie wurde über eine mögliche rechtsradikale Neigung des späteren Täters gesprochen, was letztendlich jedoch verneint wurde. Außerhalb des stationären Aufenthaltes kam es – soweit bekannt – nicht zu derartigen Vorkommnissen. Gegenüber der Polizei wurden diese Vorkommnisse seinerzeit jedoch nicht angezeigt ; ein entsprechender polizeilicher Vorgang existiert nicht. Aus der Recherche der Schulaufsicht haben sich keine Hinweise auf eine Information der Schule ergeben. 8.1 Welche Konsequenzen zieht das StMBW aus dem Schluss, der Amoklauf sei auf Mobbing zurückzuführen ? Das StMBW lässt nicht nach in seinem Bestreben, zu erreichen , dass Mobbingfälle in bayerischen Schulen gar nicht erst auftreten. Aus diesem Grund kommt der Gewalt- und Mobbingprävention auch künftig besondere Bedeutung zu. Das Präventionskonzept des StMBW basiert auf einer ausgewogenen Mischung aus Intervention und Primärprävention . Schulpsychologen, Beratungslehrkräfte, Verbindungslehrkräfte sowie – an bestimmten Schulen – Fachkräfte für Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) dienen in einem flächenwirksam angelegten Netz allen Schülerinnen und Schülern und deren Erziehungsberechtigten bei Vorfällen in Verbindung mit Gewalt und Mobbing als erste Ansprech- Drucksache 17/18182 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 partner ihres Vertrauens. Darüber hinaus verfügt jeder Regierungsbezirk über eine Staatliche Schulberatungsstelle (Oberbayern über drei), in der besonders erfahrene Schulpsychologen für Fragen und bei Problemen im schulischen Kontext zur Verfügung stehen. Von dort aus wird auch das Lehrerfortbildungsprojekt „Schule als Lebensraum – ohne Mobbing!“ koordiniert, das seit 2010/2011 mit rund 200 qualifizierten Multiplikatoren eine wichtige Anlaufstelle für Schulen bei der Arbeit an passgenauen Präventionsmaßnahmen, Fortbildungsinitiativen und bei konkreten Interventionen darstellt . Die Primärprävention gegen Gewalt zielt auf eine Stärkung der Selbstwahrnehmung und Selbstbehauptung der Kinder und Jugendlichen. Sie wird in der Lehrerbildung, der Lehrerfortbildung und der Kooperation mit externen Partnern und Verbänden, Sport und Jugendarbeit umgesetzt . In Ergänzung zum Unterricht stehen den bayerischen Schulen landesweit über ein Dutzend Präventionsprogramme zur Verfügung, die vom StMBW i. d. R. personell oder konzeptionell unterstützt werden. Die Ausstattung mit einem gefestigten Selbstkonzept, die Begleitung und Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung und die positive Ausgestaltung jedes individuellen Sozialisierungsprozesses sind wesentliche Erziehungsziele, die präventiv gegen eine mögliche Opfer- oder Täterrolle wirken – sei es im Bereich von schulischer Gewalt, Mobbing oder Gewalt, die im sozialen Nahraum erfahren wird. Schulische Präventionsprogramme werden besonders wirksam im Rahmen eines schulischen Gesamtkonzepts zur Werteerziehung. In ihrer Präventionsarbeit für Demokratie und Toleranz sowie den richtigen Umgang mit Medien werden die Schulen durch das Netzwerk der Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz sowie die Medienpädagogisch-informationstechnischen Berater (MiB) unterstützt. 8.2 Wird beispielsweise ein Handlungsplan/Leitfaden für Schulen entwickelt oder Ähnliches? Um zu gewährleisten, dass Schulen in Krisenfällen – also auch bei Amok- und Gewaltandrohungen und -situationen – vorbeugend, planvoll und professionell handeln können, ist durch die Bekanntmachung des StMBW zur Krisenintervention an Schulen vom 10.07.2013 eine tragfähige Struktur für die Prävention grundgelegt. Jede staatliche Schule hat die Aufgabe, in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten in Zusammenarbeit mit dem Schulaufwandsträger und der Polizei ein Sicherheitskonzept , das sicherheitstechnische Maßnahmen und Verhaltenshinweise bei Gefahrenlagen einschließt, zu entwickeln und kontinuierlich zu aktualisieren. Jede Schule steht hierzu mit der Polizei in Kontakt und lässt sich bei der Erstellung ihres Sicherheitskonzepts unterstützen. Über die Umsetzung der sicherheitstechnischen Maßnahmen entscheidet die Schule anschließend im Einvernehmen mit dem zuständigen Sachaufwandsträger. Zur Erstellung und Aktualisierung des Sicherheitskonzepts und um im Krisenfall schnell und professionell handeln zu können, wird an jeder Schule ein schulisches Krisenteam eingerichtet. Die Schulpsychologin bzw. der Schulpsychologe (soweit an der Schule vorhanden) ist Mitglied im Krisenteam . Der Sicherheitspartnerschaft mit der Polizei kommt bei den organisatorischen Aspekten dieses Sicherheitskonzepts sowie bei Fragen bezüglich eines Einsatzes im Notfall besondere Bedeutung zu. Der Bereich der pädagogischen Prävention fällt in die Zuständigkeit der Schulen. Bei der psychologischen Betreuung und im Bereich der Nachsorge werden die Schulen im Bedarfsfall durch KIBBS unterstützt. Die Entwicklung von Handlungsszenarien und Ablaufplänen liegt in der Hand der Schulen und erfolgt vor Ort unter Einbeziehung der Polizei und der Sachaufwandsträger. Die jeweilige Schule entscheidet dies entsprechend des individuellen Sicherheitskonzepts und der konkreten Umstände vor Ort. Bei Verdachtsfällen oder tatsächlichen Gewaltdrohungen an Schulen bieten KIBBS-Mitglieder – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der Polizei – der Schulleitung Hilfen zur Einschätzung der Gefährdung und der Wirksamkeit von Handlungsstrategien und deren Umsetzung an. KIBBS-Mitglieder können auch zu psychologischen Gesprächen mit Bedrohern und Bedrohten herangezogen werden. Aufgrund der in der Bekanntmachung zur Krisenintervention an Schulen verpflichtenden Zusammenarbeit der Schulen mit den jeweils zuständigen Polizeidienststellen sowie der im Rahmen der allgemeinen pädagogischen Arbeit bestehenden Zusammenarbeit der Schulen mit außerschulischen Einrichtungen (Jugendamt, Fachärzten, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Kliniken für Kinderund Jugendpsychiatrie, Polizei, Schulaufwandsträger etc.) besteht bezüglich der Prävention eine vielfältige Vernetzung