Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander König CSU vom 13.07.2017 Kostenexplosion Staatstheater am Gärtnerplatz (Teil I und Teil II) Teil I Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie nahm der seinerzeitige Staatsminister für Wissenschaft , Forschung und Kunst Wolfgang Heubisch Einfluss auf den Umfang der Sanierungsmaßnahme „Staatstheater am Gärtnerplatz“, welche Unterlagen sind hierüber vorhanden und spielten hierbei die zu erwartenden Gesamtkosten eine Rolle? 2. Wann wurden von wem welche neuen Nutzeranforderungen geltend gemacht, welche dieser Maßnahmen waren zu einem früheren Zeitpunkt bereits ausdrücklich für nicht notwendig erachtet worden und in welcher Art und Weise war die Leitungsebene des zuständigen Staatsministeriums in die Entscheidungsfindung eingebunden? 3. Wurden einzelne Gewerke der Baumaßnahme vor der Ausführungsplanung begonnen, welche Nachträge hätten vermieden werden können, wenn die Baumaßnahme erst nach vollständiger Ausführungsplanung begonnen worden wäre, und welche Ausgabenbeträge umfassen diese Nachträge? 4. Welche Kostenmehrungen wären bereits vor Beginn der Baumaßnahme bekannt gewesen, wenn alle Planungsleistungen vor Baubeginn vollendet worden wären, wer hat welche Planungsleistungen erst nach Baubeginn zu vertreten und welche finanziellen Folgen haben die verspäteten Planungsleistungen? 5. Wer hat aufgrund welcher Vorgaben von wem den viel zu geringen Kostenansatz für den Orchesterprobensaal zu vertreten, wäre eine realistischere Kostenermittlung mit welchem Aufwand möglich gewesen und warum wurden nicht die tatsächlich zu erwartenden Baukosten ermittelt? Teil II Ich frage die Staatsregierung: 1. Wer hat wann entschieden, dass die Bühnentechnik und die Bühnenmaschinerie nicht erneuerungsbedürftig sind, obwohl die letzte Sanierung bei Beginn der Baumaßnahme bereits zwei Jahrzehnte zurücklag, wurden im Vorfeld der Entscheidung die Funktionsfähigkeit und zu erwartende Lebensdauer dieser Technik von Fachleuten untersucht und war die Leitungsebene des zuständigen Staatsministeriums in diese Fehlentscheidung eingebunden ? 2. Welche Planungsleistungen waren im Ergebnis fehlerhaft , zu welchen Mehrkosten führten diese fehlerhaften Planungsleistungen und welche ergänzenden Planungsleistungen wurden wann von wem daraufhin veranlasst? 3. In welchen Fällen und in welchem Umfang wurden Kostenrechnungen für Planungs- und Leitungsaufgaben aufgrund deren Fehlerhaftigkeit gekürzt, nicht bezahlt und welche Regressansprüche wurden bereits geltend gemacht bzw. werden noch geltend gemacht werden? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 11.09.2017 Teil I 1. Wie nahm der seinerzeitige Staatsminister für Wissenschaft , Forschung und Kunst Wolfgang Heubisch Einfluss auf den Umfang der Sanierungsmaßnahme „Staatstheater am Gärtnerplatz“, welche Unterlagen sind hierüber vorhanden und spielten hierbei die zu erwartenden Gesamtkosten eine Rolle? Der seinerzeitige Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat im Ministerrat am 19.05.2009 zu der erforderlichen Generalsanierung berichtet und im Haushaltsausschuss am 08.12.2010 bei der Vorlage der Haushaltsunterlage Bau (HU Bau) die Maßnahme befürwortet. Sowohl HU Bau als auch Ausführungsunterlage Bau (AFU Bau) wurden von der Staatsbauverwaltung in Abstimmung mit dem Nutzer erarbeitet. Die HU Bau wurde im Dezember 2010 vom Haushaltsausschuss genehmigt. Auf den Umfang der Sanierungsmaßnahme hat der seinerzeitige Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst keinen Einfluss genommen. 2. Wann wurden von wem welche neuen Nutzeranforderungen geltend gemacht, welche dieser Maßnahmen waren zu einem früheren Zeitpunkt bereits ausdrücklich für nicht notwendig erachtet worden und in welcher Art und Weise war die Leitungsebene des zuständigen Staatsministeriums in die Entscheidungsfindung eingebunden? Im 1. Nachtrag zur Haushaltsunterlage Bau in Höhe von 6,5 Mio. Euro, der am 12.12.2012 durch den Ausschuss Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.03.2018 Drucksache 17/18187 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18187 für Staatshaushalt und Finanzfragen genehmigt wurde, sind relativ geringe Mehrkosten aufgrund von neuen Nutzerforderungen (d. h. nach HU-Bau-Erstellung) in Höhe von ca. 300.000 Euro enthalten. Diese begründen sich hauptsächlich damit, dass im Zuge des Wechsels der Intendanz des Staatstheaters am Gärtnerplatz das innerbetriebliche Konzept überarbeitet wurde, wodurch sich Änderungen der Raumstrukturen und -zuordnungen ergaben, die einen zusätzlichen baulichen Aufwand auslösten. Auch die Orchestergarderoben , die nach Aussage des Staatstheaters nicht nur zum Umziehen, sondern auch zum Einspielen und zum Aufenthalt in den Pausen genutzt werden sollen, wurden erst nachträglich mit Tageslichtbelichtung und Kontakt nach außen geplant. Darüber hinaus gab es weder im 2. noch im 3. Nachtrag neue Nutzeranforderungen, die zu Mehrkosten führten. Die im 3. Nachtrag aufgeführten erhöhten Kosten für die Sanierung der Bühnenmaschinerie und Bühnentechnik sind bautechnisch bedingt. Die Leitungsebene des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (Staatsminister und Amtschef) wurde von einzelnen Verfahrensschritten in Kenntnis gesetzt bzw. hat einzelne Verfahrensschritte entsprechend der Unterschriftenregelung des Staatsministeriums unterzeichnet (z. B. Erteilung des Planungsauftrags an die Staatsbauverwaltung für die Erstellung der HU-Bau durch den jeweiligen Amtschef oder Unterzeichnung der Ministerratsvorlagen sowie Berichte an den Landtag durch den Staatsminister). Im Vorfeld der Entscheidungsfindung an sich erfolgte jedoch keine Einbindung der Leitungsebene. 3. Wurden einzelne Gewerke der Baumaßnahme vor der Ausführungsplanung begonnen, welche Nachträge hätten vermieden werden können, wenn die Baumaßnahme erst nach vollständiger Ausführungsplanung begonnen worden wäre, und welche Ausgabenbeträge umfassen diese Nachträge? Planungs- und Bauleistungen sind gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Vergabe - und Vertragsordnung für Bauleistung – Teil A (VOB/A) im Regelfall gewerkeweise, d. h. getrennt nach Fachlosen, auszuschreiben und zu vergeben. Die Ausschreibung der Fachlose hat in der Regel zu Einheitspreisen für technisch und wirtschaftlich einheitliche Teilleistungen zu erfolgen, deren Menge nach Maß, Gewicht oder Stückzahl vom Auftraggeber in den Vertragsunterlagen anzugeben ist (Einheitspreisvertrag ). Der Auftraggeber soll erst dann ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertiggestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann. Vor jeder Ausschreibung und Vergabe haben die für das Gewerk erforderlichen Planungen und Abstimmungen somit immer vorzuliegen. Grundsätzlich wäre zwar eine komplett abgeschlossene Ausführungsplanung vor Baubeginn begrüßenswert, allerdings steht in der Regel der dann erforderliche längere Zeitraum für den Planungsvorlauf in der Praxis nicht zur Verfügung . Gerade bei Sanierungsmaßnahmen im Bestand muss außerdem immer wieder mit notwendigen Planungsänderungen während der Bauausführung gerechnet werden, die sich trotz sorgfältigster Voruntersuchungen nicht vermeiden lassen. Bei der Baumaßnahme „Sanierung Gärtnerplatztheater“ lagen vor Beginn der Ausführung maßgebliche Teile der Ausführungsplanung und der Ausschreibungen vor (Baumeisterarbeiten , Elektroarbeiten, Lüftungsbau). Weitere Teile der Ausführungsplanung wurden, wie bei Baumaßnahmen mit Einzelvergaben üblich, parallel zu den bereits laufenden Bauarbeiten gewerkeweise erstellt und ausgeschrieben (z. B. Schreinerarbeiten, Natursteinarbeiten, Fliesenarbeiten ). Vorzeitige Ausschreibungen, die auf Grundlage nicht ausschreibungsreifer Planungen basieren, und darauf zurückzuführende Nachträge sind beim Gärtnerplatztheater nicht zu verzeichnen. 4. Welche Kostenmehrungen wären bereits vor Beginn der Baumaßnahme bekannt gewesen, wenn alle Planungsleistungen vor Baubeginn vollendet worden wären, wer hat welche Planungsleistungen erst nach Baubeginn zu vertreten und welche finanziellen Folgen haben die verspäteten Planungsleistungen? Siehe Antworten zu den Fragen 2 und 3 (Teil I). 5. Wer hat aufgrund welcher Vorgaben von wem den viel zu geringen Kostenansatz für den Orchesterprobensaal zu vertreten, wäre eine realistischere Kostenermittlung mit welchem Aufwand möglich gewesen und warum wurden nicht die tatsächlich zu erwartenden Baukosten ermittelt? Der Orchesterprobensaal für das Gärtnerplatztheater wurde als Aufstockung des Bestandsgebäudes realisiert. Aufgrund der exponierten Lage auf dem Dach des denkmalgeschützten Theatergebäudes und der bau- und raumakustischen Anforderungen hat der beauftragte Architekt die Aufstockung in einer räumlich komplexen geometrischen Form und bautechnisch anspruchsvollen Konstruktion unter Verwendung der Beiträge der Fachplaner für Tragwerksplanung, Elektroplanung , Lüftungsplanung sowie des Sachverständigen für Raum- und Bauakustikplanung geplant und die voraussichtlichen Kosten berechnet. Belastbare Kostenwerte vergleichbarer Projekte zur Überprüfung dieser Kostenberechnung des Architekten lagen zum damaligen Zeitpunkt nicht vor. Das Vergaberecht setzt dem öffentlichen Auftraggeber und den von ihm beauftragten freiberuflich Tätigen für Markterkundungen zum Zwecke der Preisermittlung enge Grenzen. So ist die Durchführung von Vergabeverfahren (Angebotseinholungen) lediglich zur Markterkundung unzulässig . Selbst detaillierte Beratungsgespräche mit einzelnen fachkundigen Firmen zur technischen Ausführung oder voraussichtlichen Kosten im Vorfeld des Vergabeverfahrens sind problematisch, da die jeweiligen Firmen dann aufgrund ihres Vorwissens einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern erzielen könnten und somit am Wettbewerb nicht mehr teilnehmen dürften. Nach Angebotsabgabe darf der öffentliche Auftraggeber von den Bietern nur Aufklärungen über die Angebotsinhalte verlangen. Verhandlungen zu Ausführungsänderungen und Preisnachlässen sind unzulässig. Teil II 1. Wer hat wann entschieden, dass die Bühnentechnik und die Bühnenmaschinerie nicht erneuerungsbedürftig sind, obwohl die letzte Sanierung bei Beginn der Baumaßnahme bereits zwei Jahrzehnte zurücklag , wurden im Vorfeld der Entscheidung die Funktionsfähigkeit und zu erwartende Lebensdauer dieser Technik von Fachleuten untersucht und war die Lei- Drucksache 17/18187 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 tungsebene des zuständigen Staatsministeriums in diese Fehlentscheidung eingebunden? Das Raumprogramm und die technischen und nutzungsspezifischen Anforderungen wurden im Zuge der HU Bau in ausführlichen Abstimmungsrunden mit dem Nutzer auf Grundlage des Bauantrags fortgeschrieben. Hierzu zählte auch der erforderliche Sanierungsumfang des Bühnenturms, der Bühnentechnik und der Bühnenmaschinerie unter der Maßgabe einer möglichst kostengünstigen und auf das Notwendigste zu beschränkenden Sanierung des Staatstheaters. Eine Projektkommission begleitete die gesamte Baumaßnahme , in der Vertreter des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, des Staatstheaters am Gärtnerplatz, der Obersten Baubehörde und des Staatlichen Bauamtes regelmäßig wesentliche Projektziele abstimmten. Die Bühnenmaschinerie des Gärtnerplatztheaters wurde 1999 erneuert. Für die Baumaßnahme wurde ein Fachbüro für bühnentechnische Anlagen für Planungs- und Bauleitungsaufgaben beauftragt. Es hat sämtliche Entscheidungen im Hinblick auf den Sanierungsumfang des Bühnenturmes vorbereitet und mitgetragen. Erfahrungsgemäß haben die wesentlichen Teile einer Bühnenmaschinerie bei regelmäßiger Wartung nach knapp 20 Jahren bei Weitem noch nicht das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Beispielhaft seien die Anlagen der Bühnenmaschinerie im National- und Prinzregententheater genannt, die Anfang bzw. Mitte der 1990er- Jahre erneuert wurden. Die damalige Entscheidung, mechanische und elektrotechnische Anlagen der Bühnenmaschinerie weitestgehend zu erhalten und auf eine Kompletterneuerung zu verzichten , wird deshalb auch aus heutiger Sicht, zumindest für die mechanischen Anlagenteile, für richtig gehalten. Im mechanischen Bereich der Bühnentechnik bedurfte es kaum Nachbesserungen. Obwohl elektrotechnische Teile der Bühnentechnik durch die Baumaßnahme beschädigt wurden und mit erheblichen Kosten ausgetauscht werden mussten, fielen die Kosten dennoch deutlich geringer als bei einer Kompletterneuerung aus. 2. Welche Planungsleistungen waren im Ergebnis fehlerhaft , zu welchen Mehrkosten führten diese fehlerhaften Planungsleistungen und welche ergänzenden Planungsleistungen wurden wann von wem daraufhin veranlasst? Siehe Antwort zu Frage 3 (Teil I). 3. In welchen Fällen und in welchem Umfang wurden Kostenrechnungen für Planungs- und Leitungsaufgaben aufgrund deren Fehlerhaftigkeit gekürzt, nicht bezahlt und welche Regressansprüche wurden bereits geltend gemacht bzw. werden noch geltend gemacht werden? Die Verträge mit den Architekten und Fachingenieuren wurden auf Basis der damals geltenden HOAI 2009 (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) geschlossen. Diese sieht vor, dass Honorare abschließend auf Grundlage der Kostenberechnung, die in der Phase der Entwurfsplanung erstellt und mit der HU Bau festgesetzt und genehmigt wird, zu ermitteln sind. Kostenmehrungen in späteren Projektphasen der Ausführungsplanung, Vergabe und Bauausführung führen daher nicht zu höheren Honoraransprüchen. Planungs- oder Ausschreibungsunterlagen können Defizite enthalten, selbst wenn sie von leistungsfähigen Architektur - und Ingenieurbüros ausgearbeitet werden. Der Auftraggeber hat grundsätzlich die entstehenden Mehrkosten als sog. Sowieso-Kosten zu tragen, die ihm bei mängelfreier Leistungserbringung der Planungs- und Ausschreibungsunterlagen ohnehin entstanden wären. Ein Schaden, weil der auf die Mehrkosten entfallende Werklohn nicht im Wettbewerb erzielt wurde, lässt sich im Regelfall nicht nachweisen. Bei fehlerhaften Leistungen der Bauleitungen ist der entstandene Schaden vom Auftraggeber nachzuweisen. Der vermeintliche Schaden lässt sich erst nach Vorliegen und Prüfung der Schlussrechnungen der ausführenden Firmen ermitteln. Sofern hier Mehrkosten auf Defizite bei den Planungs - und Leitungsaufgaben der Architektur- und Ingenieurbüros zurückzuführen sind, werden diese Regressansprüche gegenüber den betroffenen Büros geltend gemacht.