Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 25.07.2017 Vergabe der S-Bahn München in drei Stufen Ich frage die Staatsregierung: 1. Warum führt vor Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke ein Betrieb der S-Bahn München mit mehreren Eisenbahnverkehrsunternehmen nach Auffassung der Staatsregierung zu unkalkulierbaren Risiken, wo das S-Bahn-Netz doch in einer Hand liegt? 2. a) Was erschwert nach Auffassung der Staatsregierung eine korrekte und widerspruchsfreie Fahrgastinformation bei mehreren Eisenbahnverkehrsunternehmen ? b) Inwieweit ist aktuell die Fahrgastinformation bei der S-Bahn München bei derzeit nur einem Eisenbahnverkehrsunternehmen korrekt und widerspruchsfrei? c) Woran liegt das? 3. Wie ist der Sachstand bei der Erarbeitung eines neuen Konzepts zur Verbesserung der Auskunft im Störfall ? 4. Wo kann der Nachweis, dass das in der Nutzen- Kosten-Untersuchung (NKU) 2016 unterstellte Angebotskonzept fahrbar sei, nachgelesen bzw. nachvollzogen werden? 5. Welche Wege verfolgt die Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) beim Zukauf weiterer geeigneter Fahrzeuge für den Übergangsvertrag? 6. a) Wie viele der 238 Fahrzeuge vom Typ ET 423 werden dem Betrieb der S-Bahn München durch den serienmäßigen Umbau der Fahrzeuge, der ab Frühjahr 2018 beginnen soll, entzogen? b) Wie wird der Fahrzeugverlust während der Modernisierung kompensiert? c) Welche Auswirkungen hat die Herausnahme der Fahrzeuge aus dem laufenden Betrieb auf den Betrieb der S-Bahn München? 7. a) Inwieweit werden während des Übergangsvertrages für die S-Bahn München ausgefallene Fahrten von S-Bahnen nicht nur nicht bezahlt, sondern auch pönalisiert ? b) Inwieweit werden die bei der S-Bahn München bereits vorhandenen Fahrzeuge vom Typ ET 420 wie die im Rahmen des Übergangsvertrags zu beschaffenden ET 420 stammstreckenertüchtigt? c) Wann werden alle S-Bahn-Fahrzeuge mit GPS-Systemen ausgestattet sein? 8. a) Inwieweit gibt es beim Übergangsvertrag einen Bruttovertrag ? b) Inwieweit wird der Vertrieb losgelöst vom Betrieb der S-Bahn im Rahmen des 1. Münchner S-Bahn-Vertrages ausgeschrieben? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 11.09.2017 1. Warum führt vor Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke ein Betrieb der S-Bahn München mit mehreren Eisenbahnverkehrsunternehmen nach Auffassung der Staatsregierung zu unkalkulierbaren Risiken, wo das S-Bahn-Netz doch in einer Hand liegt? Die S-Bahn München ist mit rund 800.000 Fahrgästen an einem durchschnittlichen Werktag schon heute das mit Abstand größte Netz im bayerischen Schienenpersonennahverkehr und das komplexeste S-Bahn-System in ganz Deutschland. Den Betrieb in einzelnen Losen auszuschreiben , hält die Staatsregierung im Interesse der Fahrgäste vor Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke für nicht verantwortbar . Das bereits heute bis an die Grenzen ausgelastete S-Bahn-System mit den gerade auch aus infrastrukturellen Gründen nicht selten auftretenden Betriebsstörungen mit mehreren Unternehmen zu betreiben, würde die Betriebsstabilität in erheblicher Weise gefährden. Hinzu kommen die Baumaßnahmen für die 2. Stammstrecke und Mitte der 2020er-Jahre das Einschleifen einer neuen Fahrzeuggeneration während des laufenden Betriebes. Um die Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke und die Umsetzung des neuen Betriebskonzeptes mit der Erhöhung des Zugangebotes von gut 20 auf rund 29 Millionen Zugkilometer pro Jahr so reibungslos wie möglich zu gestalten, wird der 1. Münchner S-Bahn-Vertrag über den Inbetriebnahmezeitpunkt der 2. Stammstrecke hinaus laufen. Nur dadurch können Probleme im Zusammenhang mit deren Inbetriebnahme minimiert werden, was angesichts der herausragenden Bedeutung des S-Bahn-Verkehrs für die Mobilität in und um München zwingend geboten ist. 2. a) Was erschwert nach Auffassung der Staatsregierung eine korrekte und widerspruchsfreie Fahrgastinformation bei mehreren Eisenbahnverkehrsunternehmen ? Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) nutzen verschiedene Planungs- und Betriebsleitsysteme, mit denen sie Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.01.2018 Drucksache 17/18188 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18188 Soll- und Echtzeitdaten für die Fahrgastinformation generieren . Zudem ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Prozessabläufe und Kommunikationskonzepte zur Anwendung kommen. Dies schafft im Vergleich zu einem einzelnen EVU eine Mehrzahl an Schnittstellen und erhöhten Abstimmungsbedarf , was naturgemäß ein größeres Potenzial für Informationsverluste birgt. b) Inwieweit ist aktuell die Fahrgastinformation bei der S-Bahn München bei derzeit nur einem Eisenbahnverkehrsunternehmen korrekt und widerspruchsfrei ? c) Woran liegt das? Eine Schwachstelle der Fahrgastinformation bei der S-Bahn München war bis vor Kurzem die fehlende Ausstattung des Fuhrparks mit GPS-gestützter Fahrzeugortung. Im Rahmen eines über die BEG mitfinanzierten Projekts konnten inzwischen alle Fahrzeuge der Baureihe ET 423 mit der entsprechenden technischen Ausstattung nachgerüstet werden. Auf Basis der neu gewonnenen Daten können die Prognosen zu Ankunfts- und Abfahrtszeiten deutlich verbessert werden, da das GPS-Verfahren gegenüber der bislang verwendeten Ortungsmethode mit Gleismessstellen die Fahrzeugpositionen um ein Vielfaches genauer ermitteln kann. Eine weitere Fehlerquelle ist die Weitergabe der vom EVU erzeugten Daten an die Abnehmersysteme Dritter. Wenngleich die Informationen selbstverständlich dabei nicht verfälscht werden, können sie aufgrund unterschiedlicher Layouts, Umwandlungen des Datenformats oder Anreicherung mit zusätzlichen Informationen aus anderen Quellen doch Änderungen unterliegen , die aus Sicht des Fahrgastes zu Widersprüchen führen können. Neben Onlinefahrplanauskünften betrifft dies auch die Verarbeitung der Informationen in den Systemen des Stationsbetreibers. 3. Wie ist der Sachstand bei der Erarbeitung eines neuen Konzepts zur Verbesserung der Auskunft im Störfall? Auch Störfallkonzepte stellen eine Schwachstelle in der Fahrgastinformation dar. Dies liegt vor allem daran, dass sich bei Störfällen die intern verwendeten Zugnummern der noch verkehrenden S-Bahnen aufgrund betrieblicher Anforderungen ändern können. Da diese in den Auskunftsmedien jedoch nicht vorliegen, können derzeit keine Echtzeitmeldungen für die Züge verarbeitet werden. In der Praxis führt dies dazu, dass während Störfällen in erster Linie Zugausfälle , aber keine Zugfahrten mehr kommuniziert werden. BEG und DB haben daher ein weiteres Projekt, um die wichtigsten Störfallfahrpläne in den Auskunftssystemen zu hinterlegen und bei Eintritt eines Störfalls automatisch zu aktivieren. Die Datengrundlage während der Störfälle wird dadurch erheblich verbessert. Auf dieser Basis können neue Konzepte zur Weitergabe der Informationen an die Fahrgäste , z. B. in den Fahrzeugen und an den Stationen, erarbeitet werden. 4. Wo kann der Nachweis, dass das in der Nutzen- Kosten-Untersuchung (NKU) 2016 unterstellte Angebotskonzept fahrbar sei, nachgelesen bzw. nachvollzogen werden? Im Zuge der Neuausschreibung wird das an der NKU orientierte Angebotskonzept einer Betriebssimulation und einer Testierung durch die DB Netz AG unterzogen. Vor Veröffentlichung der vollständigen Ausschreibungsunterlagen ist das Ergebnis dieser Prüfungen, die im Übrigen alle anderen Verkehre (Regional-, Fern- und Güterzüge) mit einbeziehen, aus vergaberechtlichen Gründen nicht einsehbar. Erste belastbare Simulationsergebnisse weisen auf eine solide Betriebsqualität des Angebotskonzepts hin. 5. Welche Wege verfolgt die Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) beim Zukauf weiterer geeigneter Fahrzeuge für den Übergangsvertrag? Im Rahmen des Übergangsvertrags werden bis zu 21 zusätzliche Fahrzeuge vom Typ ET 420 beschafft. Sie werden von DB Regio im Auftrag der BEG modernisiert und mit der erforderlichen Leit- und Sicherungstechnik versehen, damit sie durch den Stammstreckentunnel fahren können. Auch die bereits vorhandenen und bisher nur auf verschiedenen Außenästen eingesetzten 15 Fahrzeuge vom Typ ET 420 werden entsprechend ausgerüstet, sodass künftig alle bei der S-Bahn München vorhandenen Fahrzeuge auf dem gesamten S-Bahn-Netz eingesetzt werden können. 6. a) Wie viele der 238 Fahrzeuge vom Typ ET 423 werden dem Betrieb der S-Bahn München durch den serienmäßigen Umbau der Fahrzeuge, der ab Frühjahr 2018 beginnen soll, entzogen? Im Laufe des 1. Halbjahres 2018 startet der serienmäßige Umbau der Fahrzeuge vom Typ ET 423. Maximal 10 bis 12 Fahrzeuge befinden sich dabei parallel im Umbau. Dies hat jedoch keine Auswirkungen auf die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen zur Sicherstellung der entsprechenden Beförderungskapazitäten. b) Wie wird der Fahrzeugverlust während der Modernisierung kompensiert? Die S-Bahn München verfügt zum einen über die erforderliche Fahrzeugreserve. Außerdem werden bereits während der Umbauzeit der ET-423-Flotte modernisierte und dann auf allen Strecken einsetzbare Fahrzeuge des Typs ET 420 den Fahrzeugbestand der S-Bahn München ergänzen. c) Welche Auswirkungen hat die Herausnahme der Fahrzeuge aus dem laufenden Betrieb auf den Betrieb der S-Bahn München? Negative Auswirkungen wird diese Maßnahme nicht haben. Die Fahrgäste werden vielmehr sukzessive rundum erneuerte Fahrzeuge mit höherem Platzangebot nutzen können. 7. a) Inwieweit werden während des Übergangsvertrages für die S-Bahn München ausgefallene Fahrten von S-Bahnen nicht nur nicht bezahlt, sondern auch pönalisiert? Während des Übergangsvertrages werden ausgefallene Fahrten wie bisher nicht bezahlt. Im Rahmen des 1. Münchner S-Bahn-Vertrages, also ab Dezember 2019, ist vorgesehen , vom Verkehrsunternehmen verschuldete Zugausfälle zusätzlich zu pönalisieren. b) Inwieweit werden die bei der S-Bahn München bereits vorhandenen Fahrzeuge vom Typ ET 420 wie die im Rahmen des Übergangsvertrags zu beschaffenden ET 420 stammstreckenertüchtigt? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Drucksache 17/18188 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 c) Wann werden alle S-Bahn-Fahrzeuge mit GPS- Systemen ausgestattet sein? Wie in der Antwort zu Frage 2c) bereits dargestellt, sind die Fahrzeuge der Baureihe ET 423 inzwischen vollständig mit GPS-basierter Fahrzeugortung ausgerüstet. Die erzeugten Daten unterliegen derzeit noch internen Tests, finden teilweise aber bereits Berücksichtigung in den Informationsmedien wie dem Bayern-Fahrplan. Bei DB Station & Service hingegen können die Daten derzeit aufgrund eines ausstehenden Software-Updates noch nicht genutzt werden. Bei den Fahrzeugen der Baureihe ET 420 wurde wegen der kurzen Restlaufzeit aus wirtschaftlichen Gründen von der Nachrüstung mit Fahrzeugortung abgesehen. 8. a) Inwieweit gibt es beim Übergangsvertrag einen Bruttovertrag? Der Übergangsvertrag wird wie der aktuell laufende Verkehrsdurchführungsvertrag ein Nettovertrag sein. Mit dem 1. Münchner S-Bahn-Vertrag erfolgt der Wechsel hin zu einen Bruttovertrag. b) Inwieweit wird der Vertrieb losgelöst vom Betrieb der S-Bahn im Rahmen des 1. Münchner S-Bahn- Vertrages ausgeschrieben? Der 1. Münchner S-Bahn-Vertrag wird die Option beinhalten, die Vertriebsdienstleistung während der Vertragslaufzeit herauszulösen und gesondert zu vergeben.