Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gote, Thomas Mütze, Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 14.08.2017 Erkenntnisse und Konsequenzen aus Millionen-Betrugsfall beim Institut für Rundfunktechnik (IRT) – Teil 1 Das Institut für Rundfunktechnik (IRT), Tochterunternehmen des Bayerischen Rundfunks (BR), soll durch den ehemaligen Mitarbeiter und späteren externen Berater Tilmar K. sowie durch den italienischen Patentverwerter S.I.S.V.E.L. S.p.A. um mehrere Hundert Millionen Euro Lizenzgebühren aus Patentrechten betrogen worden sein. Der BR ist als Sitzanstalt des IRT für die Aufarbeitung des Betrugsfalles zuständig. Die Finanzierung des IRT erfolgt über Rundfunkbeiträge . In den vergangenen zehn Jahren erhielt das Institut um die 150 Mio. Euro für den laufenden Betrieb. In diesem Zusammenhang fragen wir die Staatsregierung: 1.1 Ist der Staatsregierung bekannt, ob es neben Tilmar K. weitere Verdächtige gibt, die am Betrug durch die Abzweigung von Lizenzgebühren des IRT beteiligt waren ? 1.2 Ist der Staatsregierung bekannt, wie hoch der Schaden insgesamt ist, der dem IRT durch den Betrug entstanden ist? 1.3 Ist der Staatsregierung bekannt, in welchem Umfang bei Tilmar K. Vermögenswerte sichergestellt werden konnten? 2.1 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, ob S.I.S.V.E.L. S.p.A. oder Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter von S.I.S.V.E.L. S.p.A. unrechtmäßig Lizenzgebühren , die dem IRT zugestanden hätten, zugeflossen sind? 2.2 Wenn ja, ist der Staatsregierung bekannt, um welche Summen es sich hier handelt? 2.3 Ist der Staatsregierung bekannt, wann die Ansprüche gegen S.I.S.V.E.L. S.p.A., die nun in einem außergerichtlichen Schiedsverfahren von den Gesellschaftern des IRT geltend gemacht werden, verjähren würden? 3. Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, ob der BR und seine Tochterunternehmen weiterhin Patente über S.I.S.V.E.L. S.p.A. verwerten lassen werden? 4.1 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wie die Ankündigung des IRT als Reaktion auf den Bericht des Obersten Rechnungshofs (ORH) von 2009, nur mehr 25 Prozent statt 50 Prozent der Lizenzeinnahmen als Vergütung für Diensterfindungen weiterzugeben, umgesetzt wurde, nachdem der ORH in seinen Berichten von 1993/1994 sowie von 2009 eine Neuregelung der Vergütungen von Diensterfindungen angemahnt hat, da nach den geltenden 50-Prozent-Regelungen für das IRT kaum noch Erlöse übrig geblieben seien, und das IRT in seiner Stellungnahme zum ORH-Bericht 2009 angekündigt hat, dass statt den 50 Prozent nur mehr 25 Prozent der Lizenzeinnahmen weitergegeben würden? 4.2 Wenn ja, betrifft die Neuregelung sämtliche Diensterfindungen des IRT oder wird sie nur auf Patente angewandt , die nach der Neuregelung angemeldet wurden ? 4.3 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, welche Personen beim IRT mit der Neuregelung der Vergütungen von Diensterfindungen zu diesem Zeitpunkt betraut waren? 5.1 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, zu welchem Zeitpunkt eine Aufspaltung der Patenterlöse in einen Teil für Erfindungen und in einen Teil für das Fachwissen des IRT stattfand? 5.2 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, welche Patente von dieser Konstruktion betroffen sind? 5.3 Hat die Staatregierung Kenntnisse darüber, warum 2009 eine neuerliche, anders gestaltete Aufspaltung der Patente erfolgte? 6. Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wie hoch die Ansprüche der Beschäftigten sind, die diesen durch die Aufspaltung der Patenterlöse entgangen sind? 7.1 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wer für die Beurteilung des Potenzials der Patente beim IRT während der Zeit des Betrugsfalls verantwortlich war? 7.2 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wer für die Beurteilung des Potenzials der Patente heute beim IRT verantwortlich ist? 7.3 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wie es zu derartigen Fehleinschätzungen bei der Beurteilung des Potenzials der Patente beim IRT kommen konnte, dass ein Betrugsfall in diesem Ausmaß über diesen langen Zeitraum nicht aufgefallen ist? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 25.04.2018 Drucksache 17/18217 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18217 Antwort der Staatskanzlei und soweit staatsanwaltliche Verfahren zugrunde liegen im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz vom 20.09.2017 Wie in der Anfrage ausgeführt, soll durch den ehemaligen Mitarbeiter und späteren externen Berater Tilmar K. sowie durch den italienischen Patentverwerter S.I.S.V.E.L. S.p.A. das Institut für Rundfunktechnik (IRT) um mehrere Hundert Millionen Euro Lizenzgebühren aus Patentrechten betrogen worden sein. Das IRT ist eine rechtlich selbstständige Gemeinschaftseinrichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland (aller Landesrundfunkanstalten der ARD, ZDF, Deutschlandradio, Deutsche Welle), Österreich (ORF) und der Schweiz (SRG). In seiner Eigenschaft als Sitzanstalt hat der Bayerische Rundfunk (BR) die Staatsanwaltschaft eingeschaltet . Vorab ist darauf hinzuweisen, dass wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Staatsferne des Rundfunks lediglich eine eingeschränkte Rechtsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zulässig ist. Die Kontrolle, ob und wie die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihre Aufsichtsfunktion über Beteiligungsunternehmen ausüben , obliegt zunächst nur den zuständigen Gremien. So wacht der Rundfunkrat darüber, dass der BR seine Aufgaben gemäß dem Gesetz erfüllt, und übt das hierzu nötige Kontrollrecht aus und vertritt die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks (Art. 6 Abs. 1 des Bayerischen Rundfunkgesetzes – BayRG). Dem Verwaltungsrat des BR bzw. des ZDF obliegt es, die Geschäftsführung des Intendanten zu überwachen (Art. 10 Abs. 2 Nr. 3 BayRG, § 23 Abs. 2 des ZDF-Staatsvertrages). Die staatliche Rechtsaufsicht ist dagegen nur subsidiär, d. h. sie darf erst eingreifen, wenn anstaltsinterne Kontrollen fehlschlagen: Nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayRG bzw. § 31 Abs. 2 Satz 1 des ZDF-Staatsvertrages sind rechtsaufsichtliche Maßnahmen nur zulässig, wenn die zuständigen Organe die ihnen obliegenden Pflichten in angemessener Frist nicht oder nicht hinreichend erfüllen. Die Verantwortlichkeit der Staatsregierung beschränkt sich auch in diesen Fällen nur auf eine reine Rechtmäßigkeitsprüfung . Eine Prüfung der Zweckmäßigkeit ist nicht Gegenstand rechtsaufsichtlichen Tätigwerdens. Anhaltspunkte , dass die zuständigen Kontrollorgane (Rundfunkrat, Verwaltungsrat) die ihnen obliegenden Pflichten in angemessener Frist nicht oder nicht hinreichend erfüllt haben, sind vorliegend nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist der Verantwortungsbereich der Staatsregierung insofern betroffen, als sich die Anfrage auf ein laufendes Ermittlungsverfahren bezieht. Um den Erfolg der Ermittlungen nicht zu gefährden, kann daher derzeit nicht zu allen Fragen Stellung genommen werden , zu denen Erkenntnisse vorliegen. Darüber hinaus ist der Sachverhalt in strafrechtlicher Hinsicht noch nicht umfassend aufgeklärt, weil die Ermittlungen andauern. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Angaben den Ermittlungserfolg gefährden könnten. Zur Beantwortung der Fragen kann deshalb nur auf die durch das Staatsministerium der Justiz mitgeteilten Informationen sowie die Erkenntnisse aus den öffentlich abrufbaren Pressemitteilungen des BR vom 05.05.2017 sowie vom 24.05.2017 zurückgegriffen werden. Soweit der Staatsregierung hieraus Informationen zu den gestellten Fragen vorliegen, wurden diese in den Antworten wiedergegeben. Der weit überwiegende Teil der vorliegenden Schriftlichen Anfrage bezieht sich allerdings auf interne Daten, Sachverhalte und Vorgänge beim Unternehmen IRT, die der Staatsregierung im Wesentlichen nicht bekannt sind. 1.1 Ist der Staatsregierung bekannt, ob es neben Tilmar K. weitere Verdächtige gibt, die am Betrug durch die Abzweigung von Lizenzgebühren des IRT beteiligt waren? Es wird derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Tilmar K., dessen Sohn sowie gegen eine weitere Gesellschafterin geführt. Ferner wird grundsätzlich gegen (namentlich noch nicht feststehende) Verantwortliche der Patentverwertungsfirma S.I.S.V.E.L. S.p.A. ermittelt. 1.2 Ist der Staatsregierung bekannt, wie hoch der Schaden insgesamt ist, der dem IRT durch den Betrug entstanden ist? Der endgültige Gesamtschaden ist bislang noch nicht bekannt . Die Ermittlungen hierzu dauern an. Die Pressemitteilung des BR vom 24.05.2017 nennt einen Betrag von mehr als 200 Mio. Euro, welcher als Erlös dem IRT aus der Verwertung von „MPEG1-Layer II Audio“ (MPEG-Audio-Patente) zugestanden haben soll. Das IRT habe insbesondere aus der Verwertung der MPEG-Audio-Patente lediglich Pauschalvergütungen in Höhe von insgesamt 13,75 Mio. Euro ausbezahlt erhalten. 1.3 Ist der Staatsregierung bekannt, in welchem Umfang bei Tilmar K. Vermögenswerte sichergestellt werden konnten? Es wurden vermögenssichernde Maßnahmen durchgeführt. Da auch Sachgegenstände gepfändet worden sind, deren Wert noch nicht bekannt ist, kann die exakte Höhe der gesicherten Vermögenswerte derzeit nicht mitgeteilt werden. Parallel wurden durch die Geschädigtenvertreter auf dem Zivilrechtsweg Maßnahmen zur Sicherung von Vermögen des Beschuldigten ergriffen. Laut Pressemitteilung des BR vom 24.05.2017 habe das IRT einen Arrestbeschluss über rund 130 Mio. Euro beim Landgericht München I erwirkt. Dadurch sei das bei dem Beschuldigten und der Vermögensverwaltungsgesellschaft vorhandene Vermögen gesichert. 2.1 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, ob S.I.S.V.E.L. S.p.A. oder Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter von S.I.S.V.E.L. S.p.A. unrechtmäßig Lizenzgebühren , die dem IRT zugestanden hätten, zugeflossen sind? Die Frage kann so derzeit nicht beantwortet werden, da nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft hierdurch eine Gefährdung des laufenden Ermittlungsverfahrens herbeigeführt werden könnte. 2.2 Wenn ja, ist der Staatsregierung bekannt, um welche Summen es sich hier handelt? Siehe oben zu 2.1. Drucksache 17/18217 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 2.3 Ist der Staatsregierung bekannt, wann die Ansprüche gegen S.I.S.V.E.L. S.p.A., die nun in einem außergerichtlichen Schiedsverfahren von den Gesellschaftern des IRT geltend gemacht werden, verjähren würden? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 3. Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, ob der BR und seine Tochterunternehmen weiterhin Patente über S.I.S.V.E.L. S.p.A. verwerten lassen werden? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 4.1 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wie die Ankündigung des IRT als Reaktion auf den Bericht des ORH von 2009, nur mehr 25 Prozent statt 50 Prozent der Lizenzeinnahmen als Vergütung für Diensterfindungen weiterzugeben, umgesetzt wurde, nachdem der ORH in seinen Berichten von 1993/1994 sowie von 2009 eine Neuregelung der Vergütungen von Diensterfindungen angemahnt hat, da nach den geltenden 50-Prozent-Regelungen für das IRT kaum noch Erlöse übrig geblieben seien, und das IRT in seiner Stellungnahme zum ORH-Bericht 2009 angekündigt hat, dass statt den 50 Prozent nur mehr 25 Prozent der Lizenzeinnahmen weitergegeben würden? Erkenntnisse, die über die Stellungnahme des IRT im Bericht des ORH vom 29.07.2009 hinausgehen, liegen nicht vor. Demnach wurde im Wege eines Einigungsstellen- Verfahrens eine neue Vereinbarung getroffen. Statt bisher 50 Prozent würden seitdem nur mehr 25 Prozent der Lizenzeinnahmen weitergegeben werden. 4.2 Wenn ja, betrifft die Neuregelung sämtliche Diensterfindungen des IRT oder wird sie nur auf Patente angewandt, die nach der Neuregelung angemeldet wurden? Siehe oben zu 4.1. 4.3 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, welche Personen beim IRT mit der Neuregelung der Vergütungen von Diensterfindungen zu diesem Zeitpunkt betraut waren? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 5.1 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, zu welchem Zeitpunkt eine Aufspaltung der Patenterlöse in einen Teil für Erfindungen und in einen Teil für das Fachwissen des IRT stattfand? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 5.2 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, welche Patente von dieser Konstruktion betroffen sind? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 5.3 Hat die Staatregierung Kenntnisse darüber, warum 2009 eine neuerliche, anders gestaltete Aufspaltung der Patente erfolgte? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 6. Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wie hoch die Ansprüche der Beschäftigten sind, die diesen durch die Aufspaltung der Patenterlöse entgangen sind? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 7.1 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wer für die Beurteilung des Potenzials der Patente beim IRT während der Zeit des Betrugsfalls verantwortlich war? Nach den bisherigen Erkenntnissen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens war der Beschuldigte Tilmar K. dafür verantwortlich . 7.2 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wer für die Beurteilung des Potenzials der Patente heute beim IRT verantwortlich ist? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 7.3 Hat die Staatsregierung Kenntnisse darüber, wie es zu derartigen Fehleinschätzungen bei der Beurteilung des Potenzials der Patente beim IRT kommen konnte, dass ein Betrugsfall in diesem Ausmaß über diesen langen Zeitraum nicht aufgefallen ist? Die Frage kann so derzeit nicht beantwortet werden, da nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft hierdurch eine Gefährdung des laufenden Ermittlungsverfahrens herbeigeführt werden könnte.