Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Herbert Woerlein SPD vom 22.08.2017 Situation der Zulassung alternativer Biozide Vor dem Hintergrund der Neufassung der Verordnung über Biozidprodukte – BPR, Verordnung (EU) Nr. 528/2012 – beklagen viele Hersteller, dass eine Zulassung neuer, alternativer Wirkstoffe kaum mehr möglich sei. Geradezu grotesk ist der Umstand, dass beispielsweise das in der EU-Verordnung für den biologischen Landbau paraffinhaltige und ölhaltige Mittel zugelassen wurden, obwohl sie in der Biozidverordnung keine Zulassung haben. Besonders im Bereich des Ökolandbaus oder bei der Behandlung in belegten Ställen führen diese Vorgaben zu erheblichen Problemen. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die derzeitige rechtliche Situation im Bereich der Zulassung alternativer Wirkstoffe? b) Wie beurteilt die Staatsregierung das vereinfachte Zulassungsverfahren für risikoarme Stoffe, welches betriebliche Kosten von 25.000 Euro (je Antrag im jeweiligen Mitgliedstaat) verursacht, vor dem Hintergrund der kleinteiligen Strukturen im Bereich der Hersteller und der überschaubaren Erlöserwartungen? 2. Wie fördert die Staatsregierung die Erforschung von alternativen Bioziden? 3. Wird die Anwendung alternativer Biozide auch in der Ausbildung an den Landwirtschaftsschulen berücksichtigt ? 4. Wie kann gewährleistet werden, dass künftig auch kleinere Produzenten alternativer Biozide noch in den Genuss einer Zulassung kommen können, um somit Innovationen in diesem Bereich zu ermöglichen? 5. Was hat die Staatsregierung bisher im Bezug auf die Förderung alternativer Biozide auf EU-Ebene unternommen ? 6. Weshalb müssen natürliche Wirkstoffe, die für jeden zugänglich sind, von einzelnen Firmen zugelassen werden bzw. wäre eine Liste mit zugelassenen risikoarmen /risikofreien Stoffen zur Verwendung nicht praktikabler? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 20.09.2017 1. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die derzeitige rechtliche Situation im Bereich der Zulassung alternativer Wirkstoffe? Die Zulassung von Biozidprodukten richtet sich nach Vorgaben der europäischen Biozid-Verordnung (EU) Nr. 528/2012. Die Verordnung unterscheidet für Biozidprodukte zwischen einem Zulassungsverfahren und einem vereinfachten Zulassungsverfahren. Letzteres kommt für Produkte zur Anwendung, deren Wirkstoffe risikoarm sind (Listung in Anhang I der Verordnung), keine bedenklichen Stoffe oder Nanomaterialien enthalten, hinreichend wirksam sind und deren Handhabung keine persönliche Schutzausrüstung erfordert. Grundsätzlich sind die für die Zulassung von Biozidprodukten sowie die zur Genehmigung der Wirkstoffe bestehenden Vorgaben der Biozid-Verordnung ausreichend, um Wirkstoffe wie auch Produkte mit einem unannehmbar hohen Gefährdungspotenzial von der Verwendung in bzw. als Biozidprodukt auszuschließen. Die Biozid-Verordnung stellt zudem sicher, dass für Biozidprodukte mit einem Gefährdungspotenzial die zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt notwendigen Verwendungsbestimmungen festgelegt werden. In Bezug auf die Förderung von Biozidprodukten mit einem günstigen Risikoprofil sieht die Staatsregierung neben der Möglichkeit eines vereinfachten Zulassungsverfahrens Potenzial für weitere Anreize, siehe hierzu auch Frage 5. b) Wie beurteilt die Staatsregierung das vereinfachte Zulassungsverfahren für risikoarme Stoffe, welches betriebliche Kosten von 25.000 Euro (je Antrag im jeweiligen Mitgliedstaat) verursacht, vor dem Hintergrund der kleinteiligen Strukturen im Bereich der Hersteller und der überschaubaren Erlöserwartungen ? Die Kosten für die Zulassung eines Biozidproduktes in Deutschland nach dem vereinfachten Verfahren richten sich nach der Chemikalien-Kostenverordnung des Bundes. Die Strukturen im Bereich der Biozidprodukthersteller und deren Erlöserwartungen können von hier aus nicht bewertet werden. 2. Wie fördert die Staatsregierung die Erforschung von alternativen Bioziden? Seitens der Staatsregierung bestehen diesbezüglich keine Förderprogramme. Die Staatsregierung untersucht vielmehr den Eintrag von Bioziden in die Umwelt sowie deren Wirkung , um auf Basis dieser Erkenntnisse verbesserte Regulierungen und Beschränkungen anzustoßen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 04.01.2018 Drucksache 17/18218 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18218 3. Wird die Anwendung alternativer Biozide auch in der Ausbildung an den Landwirtschaftsschulen berücksichtigt? Im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung im Beruf Landwirt werden Kenntnisse zur guten fachlichen Praxis bei der Anwendung von Biozidprodukten z. B. zur Nagetierbekämpfung in Stallungen aus hygienischen Gründen vermittelt . Die Anwendung alternativer Biozide ist Teil der „guten fachlichen Praxis“. Im Rahmen der Fortbildung an der Landwirtschaftsschule ist im Fach Tiergesundheit und Tierschutz die zuverlässige Einhaltung gesetzlicher Vorgaben beim Einsatz von Arzneimitteln und Futtermittelzusätzen Grundlage des Unterrichts. 4. Wie kann gewährleistet werden, dass künftig auch kleinere Produzenten alternativer Biozide noch in den Genuss einer Zulassung kommen können, um somit Innovationen in diesem Bereich zu ermöglichen ? Die Biozid-Verordnung sieht vor, dass besonders risikoarme Wirkstoffe in Anhang I der Verordnung aufgenommen werden können. Die Gebühr hierfür liegt bei 10.000 Euro und kann je nach Unternehmensgröße um bis zu 60 Prozent reduziert werden. Ferner entfällt mit einer Aufnahme in Anhang I die spätestens alle 10 Jahre erforderliche Verlängerung der Wirkstoffgenehmigung. Biozidprodukte, die in Anhang I aufgeführte Wirkstoffe enthalten, können über das kostengünstigere vereinfachte Verfahren zugelassen werden. 5. Was hat die Staatsregierung bisher im Bezug auf die Förderung alternativer Biozide auf EU-Ebene unternommen? Im Zuge der Bundesratsbehandlung zur BR-Drs. 617/09 über die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Biozidprodukten hat sich die Staatsregierung sowohl für Erleichterungen bei der Werbung für Biozidprodukte mit niedrigem Risikopotenzial wie auch für Gebührensenkungen bei der Genehmigung von Wirkstoffen eingesetzt. 6. Weshalb müssen natürliche Wirkstoffe, die für jeden zugänglich sind, von einzelnen Firmen zugelassen werden bzw. wäre eine Liste mit zugelassenen risikoarmen/risikofreien Stoffen zur Verwendung nicht praktikabler? In Bezug auf Wirkstoffe führt die Biozid-Verordnung in Anhang I eine Liste besonders risikoarmer Wirkstoffe auf. Unter Verwendung dieser Wirkstoffe ist eine vereinfachte Zulassung der Biozidprodukte möglich, siehe auch Antwort zu Frage 4. Eine generelle Ausnahme von der Zulassungspflicht für Produkte mit den vorgenannten Wirkstoffen ist nicht vorgesehen, da im Rahmen der Zulassung jedes Biozidprodukt in Gänze, also auch hinsichtlich der enthaltenen Zusatz- und Hilfsstoffe, bewertet wird.