Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24.07.2017 Ausgleichs- und Ersatzflächen in Natura-2000-Gebieten Mit der Ausweisung von Fauna-Flora-Habitat(FFH)Schutzgebieten und europäischen Vogelschutzgebieten (Natura- 2000-Gebiete) soll der Fortbestand europaweit gefährdeter Arten und Lebensräume gesichert werden. Dies bedarf neben dem Schutz auch der Pflege, um die Bestände zu erhalten und gegebenenfalls wieder in einen günstigen Zustand zu bringen. Leider ist die Staatsregierung mit der Erstellung von Managementplänen, die diese Pflege regeln, massiv in Verzug. Noch schlechter sieht es mit der Umsetzung der Managementpläne aus, für die weder ausreichend Mittel noch ein ausreichendes rechtliches Instrumentarium zur Verfügung stehen. In jüngster Zeit ist zu beobachten, dass Ausgleichs- und Ersatzflächen, z. T. ohne in das Management der Natura-2000-Gebiete eingebunden zu sein, in diesen ausgewiesen werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Ausgleichs- und Ersatzflächen (Anzahl und Fläche in Hektar) liegen in Bayern innerhalb a) von FFH-Gebieten? b) von europäischen Vogelschutzgebieten? 2. a) Wie viele Ausgleichs- und Ersatzflächen (Anzahl und Fläche in Hektar) liegen in den jeweiligen Landkreisen Fürstenfeldbruck, Garmisch-Partenkirchen, Freising, Erding, Dachau, Starnberg und Rosenheim in FFHund Vogelschutzgebieten (bitte getrennt angeben)? b) In welchen dieser Natura-2000-Gebiete existierte zum Zeitpunkt der Ausgleichsplanung noch kein Managementplan ? c) In welchen dieser Natura-2000-Gebiete existiert zum jetzigen Zeitpunkt kein Managementplan? 3. Welche dieser Ausgleichsmaßnahmen in FFH- und Vogelschutzgebieten der jeweiligen Landkreise trugen zur Verbesserung des Erhaltungszustandes folgender Schutzgüter bei: a) der Lebensraumtypen: 6210 Kalk-Trockenrasen, 6410 Pfeifengraswiesen, 6510 Flachland-Mähwiesen, 6520 Berg-Mähwiesen, 7110 Hochmoore, 7120 degradierte Hochmoore, 91D0 Moorwälder, 91E0 Auenwälder, 91F0 Hartholzauen? b) der FFH-Arten: Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling , Gelbbauchunke, Kreuzkröte, Wechselkröte? c) der Vogelarten: Rotmilan, Blaukehlchen und Neuntöter ? 4. a) In wie vielen Fällen wurden Ersatzgeldzahlungen nach der Bayerischen Kompensationsverordnung (BayKompV) für Maßnahmen in Natura-2000-Gebieten in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Garmisch- Partenkirchen, Freising, Erding, Dachau, Starnberg und Rosenheim (bitte Anzahl und Summe in Euro nach Landkreisen getrennt auflisten) verwendet? b) In welchen dieser FFH-Gebiete existierte zum Zeitpunkt der Ausgleichsplanung noch kein Managementplan ? c) In welchen dieser FFH-Gebiete existiert zum jetzigen Zeitpunkt kein Managementplan? 5. a) In wie vielen Managementplänen der unter 4 a genannten Landkreise wurde auf Ausgleichsmaßnahmen als „vorrangiges Mittel zur Sicherung der FFH- Schutzgüter“ hingewiesen? b) Wie ist dies im Hinblick auf § 9 Abs. 3 der BayKompV rechtlich zu bewerten? 6. Wie wird sichergestellt werden, dass Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen über den Verschlechterungsschutz (Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie) und die nötigen Erhaltungsmaßnahmen (Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie) hinausgehen, insbesondere wenn zum Zeitpunkt der Planung noch kein Managementplan für ein Natura- 2000-Gebiet erarbeitet ist? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 21.09.2017 1. Wie viele Ausgleichs- und Ersatzflächen (Anzahl und Fläche in Hektar) liegen in Bayern innerhalb a) von FFH-Gebieten? b) von europäischen Vogelschutzgebieten? Die Auswertung der landesweiten Datengrundlagen ergibt folgendes Ergebnis: Anzahl Hektar (ha) FFH-Gebiete (zu Frage 1 a) 4.840 3057 Europ. Vogelschutzgebiete (zu Frage 1 b) 2.427 2272 2. a) Wie viele Ausgleichs- und Ersatzflächen (Anzahl und Fläche in Hektar) liegen in den jeweiligen Landkreisen Fürstenfeldbruck, Garmisch-Partenkirchen , Freising, Erding, Dachau, Starnberg und Rosenheim in FFH- und Vogelschutzgebieten (bitte getrennt angeben)? Zur Beantwortung wird auf folgende Tabellen verwiesen: Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.12.2017 Drucksache 17/18234 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18234 FFH-Gebiete: Landkreis Anzahl ha Dachau 9 1,5 Erding 59 14,3 Fürstenfeldbruck 16 18,5 Freising 89 59,5 Garmisch-Partenkirchen 236 167,3 Rosenheim 21 5,7 Starnberg 64 19,2 Europäische Vogelschutzgebiete: Landkreis Anzahl ha Erding 106 120,2 Fürstenfeldbruck 1 0,1 Freising 36 58,1 Garmisch-Partenkirchen 154 127,2 Rosenheim 8 19,9 Starnberg 7 2,2 Hinweis: Durch die oftmals große Flächenüberlagerung von FFH- und europäischen Vogelschutzgebieten können bei den Ausgleichs- und Ersatzflächen Doppelwertungen enthalten sein. b) In welchen dieser Natura-2000-Gebiete existierte zum Zeitpunkt der Ausgleichsplanung noch kein Managementplan? In den einzelnen Natura-2000-Gebieten sind teilweise mehrere bis zahlreiche Ausgleichs- und Ersatzflächen situiert. Ein einheitliches Datum zum Zeitpunkt der Ausgleichsflächenplanung lässt sich nicht angeben, da die relevanten Flächen in Abhängigkeit von den einzelnen Genehmigungsverfahren festgelegt werden. Eine differenzierte Auswertung wäre mit sehr intensiven Recherchearbeiten verbunden. Die Frage kann daher in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet werden. c) In welchen dieser Natura-2000-Gebiete existiert zum jetzigen Zeitpunkt kein Managementplan? Zu folgenden FFH-Gebieten liegt derzeit noch kein abgeschlossener Managementplan vor: FFH-Nr. Name des FFH-Gebietes 7635-301 Ampertal 7636-371 Moorreste im Freisinger und im Erdinger Moos 7637-371 Strogn mit Hammerbach und Köllinger Bächlein 7733-371 Flughafen Fürstenfeldbruck 7734-301 Gräben und Niedermoorreste im Dachauer Moos 7739-371 Isental mit Nebenbächen 7932-372 Ammerseeufer und Leitenwälder 7933-371 Eichenalleen und Wälder um Meiling und Weßling 7933-372 Herrschinger Moos und Aubachtal 7939-371 Moore um Wasserburg 8033-371 Moränenlandschaft zwischen Ammersee und Starnberger See 8039-302 Moore und Seen nordöstlich Rosenheim 8039-371 Murn, Murner Filz und Eiselfinger See 8040-371 Moorgebiet von Eggstädt-Hemhof bis Seeon 8139-371 Simsseegebiet 8232-371 Grasleitner Moorlandschaft 8237-371 Leitzachtal FFH-Nr. Name des FFH-Gebietes 8331-302 Ammer vom Alpenrand b. zum Naturschutzgebiet‚ Vogelfreistätte Ammersee-Südufer 8332-301 Murnauer Moos 8332-371 Moore im oberen Ammertal 8332-372 Moränenlandschaft zwischen Staffelsee und Baiersoien 8334-371 Loisach-Kochelsee-Moore 8431-371 Ammergebirge 8432-301 Loisachtal zwischen Farchant und Eschenlohe 8432-302 Auerberg, Mühlberg 8433-301 Karwendel mit Isar 8433-371 Estergebirge 8533-301 Mittenwalder Buckelwiesen 3. Welche dieser Ausgleichsmaßnahmen in FFH- und Vogelschutzgebieten der jeweiligen Landkreise trugen zur Verbesserung des Erhaltungszustandes folgender Schutzgüter bei: a) der Lebensraumtypen: 6210 Kalk-Trockenrasen, 6410 Pfeifengraswiesen, 6510 Flachland-Mähwiesen , 6520 Berg-Mähwiesen, 7110 Hochmoore, 7120 degradierte Hochmoore, 91D0 Moorwälder, 91E0 Auenwälder, 91F0 Hartholzauen? b) der FFH-Arten: Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling , Gelbbauchunke, Kreuzkröte, Wechselkröte ? c) der Vogelarten: Rotmilan, Blaukehlchen und Neuntöter ? Eine Auswertung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Sinne der Fragestellung kann aufgrund des damit verbundenen sehr großen Rechercheaufwands in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet werden. 4. a) In wie vielen Fällen wurden Ersatzgeldzahlungen nach der Bayerischen Kompensationsverordnung (BayKompV) für Maßnahmen in Natura-2000-Gebieten in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Garmisch- Partenkirchen, Freising, Erding, Dachau, Starnberg und Rosenheim (bitte Anzahl und Summe in Euro nach Landkreisen getrennt auflisten) verwendet ? Die Auswertung der verfügbaren Datengrundlagen ergab folgendes Ergebnis: Landkreis Zahl der Fälle Tsd. EUR (gerundet) Dachau 9 87 Erding 19 Freising 2 109 Fürstenfeldbruck 6 40 Garmisch-Partenkirchen 920 Rosenheim 9 141 Starnberg 14 288 Hinweis: Neben der Maßnahmenumsetzung können auch Grunderwerb bzw. Planungsarbeiten sowie Maßnahmen angrenzend an Natura-2000-Gebiete enthalten sein. In den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen und Erding ist die Fallzahl nicht genau ermittelbar. Die BayKompV ist seit 01.09.2014 in Kraft, § 8 Abs. 4 Sätze 6-9 BayKompV seit 01.09.2013. Drucksache 17/18234 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 b) In welchen dieser FFH-Gebiete existierte zum Zeitpunkt der Ausgleichsplanung noch kein Managementplan ? In den einzelnen Natura-2000-Gebieten sind teilweise in mehreren bis zahlreichen Fällen Ersatzgeldzahlungen eingesetzt worden. Ein einheitliches Datum zum Zeitpunkt der Ausgleichsflächenplanung lässt sich nicht angeben, da die relevanten Maßnahmen in Abhängigkeit der Flächenverfügbarkeit zeitlich gestreckt vorgenommen wurden. Eine differenzierte Auswertung wäre mit sehr intensiven Recherchearbeiten verbunden. Die Frage kann daher in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet werden. c) In welchen dieser FFH-Gebiete existiert zum jetzigen Zeitpunkt kein Managementplan? Es handelt sich um folgende Gebiete: FFH-Nr. Name des FFH-Gebietes 7635-301 Ampertal 7734-301 Gräben und Niedemoorreste im Dachauer Moos 7636-371 Moorreste im Freisinger und Erdinger Moos 8039-302 Moore und Seen nordöstlich Rosenheim 8039-371 Murn, Murner Filz und Eiselfinger See 8033-371 Moränenlandschaft zwischen Ammersee und Starnberger See 7932-372 Ammerseeufer und Leitenwälder Hinweis: Eine Auswertung für den Landkreis Garmisch-Partenkirchen war in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. a) In wie vielen Managementplänen der unter 4 a genannten Landkreise wurde auf Ausgleichsmaßnahmen als „vorrangiges Mittel zur Sicherung der FFH-Schutzgüter“ hingewiesen? Nach § 15 Abs. 2 Satz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) i. V. mit § 2 Abs. 2 Nr. 1 BayKompV stehen Festlegungen von Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen in Natura-2000-Managementplänen der Anerkennung als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht entgegen (rechtliche Bewertung s. Antwort zu Frage 5 b). Durch die Bearbeitung des Managementplanes ist gutachterlich zu klären, ob dieses Instrument gebietsspezifisch relevant ist. Eine manuell durchzuführende Auswertung, in welchen Managementplänen die genannte Formulierung enthalten ist, konnte in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfolgen. b) Wie ist dies im Hinblick auf § 9 Abs. 3 der Bay- KompV rechtlich zu bewerten? § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a BayKompV normiert eine vorrangige Prüfpflicht, ob Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Natura -2000-Gebieten möglich und fachlich sinnvoll sind. Diese Pflicht gilt unabhängig davon, ob entsprechende Formulierungen in die Managementpläne aufgenommen werden. Eine Pflicht zur Aufnahme entsprechender Formulierungen in die Managementpläne besteht jedenfalls nicht. Es können dabei nur Aufwertungsmaßnahmen angerechnet werden, die als Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen über die verpflichtenden Erhaltungsmaßnahmen des Gebietsmanagements hinausgehen, denn Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen setzen voraus, dass sie ohne anderweitige rechtliche Verpflichtung durchgeführt werden (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayKompV). 6. Wie wird sichergestellt werden, dass Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen über den Verschlechterungsschutz (Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie) und die nötigen Erhaltungsmaßnahmen (Art. 6 Abs. 1 FFH- Richtlinie) hinausgehen, insbesondere wenn zum Zeitpunkt der Planung noch kein Managementplan für ein Natura-2000-Gebiet erarbeitet ist? Die Frage, ob es sich um eine als Kompensationsmaßnahme geeignete Entwicklungs- oder Wiederherstellungsmaßnahme im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG handelt, ist grundsätzlich im Landschaftspflegerischen Begleitplan (§ 17 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG) oder den sonst vom Vorhabenträger vorzulegenden Unterlagen (§ 17 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG) darzulegen. Sind keine grundsätzlichen fachlichen Aussagen z. B. in einem Managementplan vorhanden , ist dies im Einzelfall fachlich zu klären.