Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hubert Aiwanger FREIE WÄHLER vom 11.09.2017 Förderung von Tiefenwasser in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wo und wie ist in Bayern die Entnahme von Tiefenwasser geregelt? b) Wann wurden die entsprechenden Regelungen letztmalig geändert? c) Inwieweit wird die Entnahme von Tiefenwasser im Landesentwicklungsplan thematisiert? 2. Wie erklärt die Staatsregierung, dass sowohl im Landkreis Straubing-Bogen (Straßkirchen) als auch im Landkreis Dingolfing-Landau die Förderung für Tiefenwasser für die nächsten 20 Jahre noch möglich ist, im Landkreis Deggendorf hingegen nicht? 3. Welche wasserrechtlichen Genehmigungen für die Zutageförderung von Tiefengrundwasser wurden in den letzten zehn Jahren in Bayern in welchen Mengen und für welchen Zeitraum erteilt? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 11.10.2017 1. a) Wo und wie ist in Bayern die Entnahme von Tiefenwasser geregelt? Die Grundsätze der Tiefengrundwassernutzung sind in einem Landtagsbeschluss (Drs. 12/16495) vom 01.07.1994 festgelegt, wonach bei neuen Entnahmegenehmigungen darauf zu achten ist, dass auf Grundwasser – vor allem aus den tieferen Stockwerken – nur bei unabdingbarer Notwendigkeit zurückgegriffen werden soll, um die Wasserreserven auch für morgen zu erhalten. Im Merkblatt 1.4/6 „Nutzung tiefer Grundwässer“ des Landesamts für Umwelt (LfU) vom 28.07.1995 werden im Sinne des Landtagsbeschlusses in Kapitel 7 Grundsätze der Nutzung und Bewirtschaftungskriterien beschrieben. Das Merkblatt wird derzeit vom LfU überarbeitet. Im aktuellen Landesentwicklungsprogramm (LEP) für Bayern vom 01.09.2013 sind unter Punkt 7.2.2 folgende Grundsätze festgelegt: „Grundwasser soll bevorzugt der Trinkwasserversorgung dienen.“ und „Tiefengrundwasser soll besonders geschont und nur für solche Zwecke genutzt werden, für die seine speziellen Eigenschaften notwendig sind.“ Begründet wird dies wie folgt: „Grundwasser in tieferen Grundwasserstockwerken (Tiefengrundwasser) ist vor nachteiligen Veränderungen durch menschliche Aktivitäten besonders gut geschützt, erneuert sich nur langsam und ist aufgrund seines hohen Alters zumeist noch von natürlicher Reinheit. Es stellt deshalb eine „eiserne Reserve“ für die Versorgung der Bevölkerung in besonderen Not- und Krisenfällen dar. Bei jedem Eingriff in Tiefengrundwasser – auch bei nachhaltiger Nutzung – besteht ein besonderes Risiko nachteiliger irreversibler Veränderungen. Vorhaben, die mit Gefahren für das Tiefengrundwasser verbunden sind, wie tiefgreifender Rohstoffabbau, tiefe Bohrungen, Verpressungen u. Ä., sollen daher vermieden werden. Tiefengrundwasser soll solchen Zwecken vorbehalten bleiben, für die Wasser von besonderer Reinheit oder von hoher Temperatur erforderlich ist (z. B. Heilwasser, Mineralwasser, Thermalwasser). Dabei sind besonders strenge Maßstäbe an eine sparsame Nutzung anzulegen. Zur Schonung von Tiefengrundwasser sollen deshalb bereits genutzte, aber belastete Grundwasservorkommen nicht aufgegeben, sondern – soweit wirtschaftlich zumutbar – saniert werden.“ In der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Wasserrechts (VVWas) vom 27.01.2014 ist die Tiefengrundwassernutzung in Punkt 2.1.1.8 geregelt: „Die Bewirtschaftung von Grundwasser muss sich an strikten Nachhaltigkeitskriterien orientieren. Nur das ermittelte „nutzbare Dargebot“ kann zur Bewirtschaftung freigegeben werden. Dauerhaft nachteilige Veränderungen des Grundwassers müssen vermieden werden. Für Zwecke der Beregnung sowie für Industrie und Gewerbe soll möglichst Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.02.2018 Drucksache 17/18564 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18564 Oberflächenwasser genutzt werden, soweit keine Trinkwasserqualität gefordert ist und soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. Tiefengrundwasser soll in seiner natürlichen Beschaffenheit erhalten bleiben und kann nur sehr eingeschränkt nachhaltig genutzt werden. Entnahmen von Tiefengrundwasser sollen nur dann auf Dauer gestattet werden, wenn für die öffentliche Trinkwasserversorgung keine anderen zumutbaren Versorgungsalternativen bestehen, oder wenn es für andere hochwertige Zwecke genutzt werden soll, für die Wasser von besonderer Reinheit oder aus großer Tiefe erforderlich ist (z. B. Heilwasser- oder Mineralwassernutzung , balneomedizinische oder geothermische Thermalwassernutzungen ) – siehe auch UMS vom 25.10.1994 (Az.: WO 91-4413.WFP007/94) mit Verweis auf den Beschluss des Bayerischen Landtags vom 1.10.1994. Die Möglichkeit einer schädlichen Gewässerveränderung, die das Wohl der Allgemeinheit gefährdet, ist bereits dann gegeben , wenn Deckschichten mit wesentlicher Schutzfunktion über dem Tiefengrundwasser erheblich geschwächt, entfernt oder durchdrungen werden.“ b) Wann wurden die entsprechenden Regelungen letztmalig geändert? Der Landtagsbeschluss vom 01.07.1994 hat noch Gültigkeit. Das LfU-Merkblatt 1.4/6 vom 28.07.1995 wird derzeit aktualisiert . Die letzte Änderung des LEP erfolgte am 01.09.2013, die der VVWas am 27.01.2014. c) Inwieweit wird die Entnahme von Tiefenwasser im Landesentwicklungsplan thematisiert? Siehe Frage zu1. a. 2.) Wie erklärt die Staatsregierung, dass sowohl im Landkreis Straubing-Bogen (Straßkirchen) als auch im Landkreis Dingolfing-Landau die Förderung für Tiefenwasser für die nächsten 20 Jahre noch möglich ist, im Landkreis Deggendorf hingegen nicht? Wie aus den Ausführungen zum LEP und zur VVWas hervorgeht , sollen Entnahmen von Tiefengrundwasser „… nur dann auf Dauer gestattet werden, wenn für die öffentliche Trinkwasserversorgung keine anderen zumutbaren Versorgungsalternativen bestehen, oder wenn es für andere hochwertige Zwecke genutzt werden soll, für die Wasser von besonderer Reinheit oder aus großer Tiefe erforderlich ist.“ Insbesondere bei der öffentlichen Wasserversorgung könnte auch Wasser mit einer anderen Qualität genutzt werden , sofern die Anforderungen der Trinkwasserverordnung eingehalten werden. Bei jedem einzelnen Entnahmeantrag, unabhängig in welchem Landkreis die Entnahme stattfinden soll, ist daher das Ergebnis der Alternativenprüfung maßgeblich, ob eine Tiefengrundwasserentnahme vorübergehend oder auch für längere Zeit gestattet werden kann, sofern, als zweite Bedingung, ein hinreichend großes nutzbares Dargebot nachgewiesen ist. Die Entscheidung erfolgt durch die Behörden vor Ort aufgrund der konkreten Umstände im jeweiligen Einzelfall. 3.) Welche wasserrechtlichen Genehmigungen für die Zutageförderung von Tiefengrundwasser wurden in den letzten zehn Jahren in Bayern in welchen Mengen und für welchen Zeitraum erteilt? Die Entscheidung über Genehmigungen für Tiefengrundwasserentnahmen liegt im regelmäßigen Aufgabenbereich der Kreisverwaltungsbehörden als untere Wasserrechtsbehörden und der Wasserwirtschaftsämter. In den letzten zehn Jahren wurden für die in Bayern wichtigsten Tiefengrundwasservorkommen 404 Gestattungen erteilt. Bei 311 Gestattungen wurden zugunsten der öffentlichen Wasserversorgung Wasserentnahmen bis zu insgesamt rund 118 Mio m³/a genehmigt. Für die Heil- und Thermalwassernutzungen der Kurbetriebe oder für balneologische Zwecke wurden in den letzten zehn Jahren 14 Wasserrechte für eine Gesamtentnahmemenge von etwas über 2 Mio m³/a erteilt. In 33 Fällen wurde die gewerbliche Entnahme von Mineralwasser zur Getränkeherstellung genehmigt. Die dabei zulässigen Entnahmemengen betragen insgesamt rund 10 Mio m³/a. Weiterhin wurden für sonstige Nutzungen (z. B. Brauereien oder andere Nutzungen, bei denen eine hohe Wasserqualität erforderlich ist) in 31 Fällen Entnahmen in einer Höhe von 7,5 Mio m³/a erteilt. In den meisten der genannten Fälle handelt es sich um die erneute Gestattung von Entnahmen aus bestehenden Wasserfassungen, für die bereits eine frühere befristete Gestattung bestanden hat. Darüber hinaus wurden 15 Thermalwassernutzungen für die Energiegewinnung zugelassen. Bei diesen Anlagen werden große Wassermengen (insgesamt bis zu 74 Mio m³/a) gefördert, die jedoch über eine zweite Bohrung wieder in den gleichen Grundwasserleiter eingeleitet werden, so dass keine Mengendefizite entstehen. Die einzelnen Genehmigungsbescheide haben eine jeweils unterschiedliche Geltungsdauer. Dies ist u. a. davon abhängig wie sicher die Prognosen für eine nachhaltige Nutzung im Bereich der entsprechenden Gewinnungsanlage sind und welchem Zweck die Entnahme dient (z. B. dauerhafte Gewinnung oder vorübergehende Gewinnung, bis eine Alternative hergestellt ist oder die Sanierung des oberflächennahen Grundwassers Erfolg zeigt). Bei ca. 2/3 der Genehmigungsbescheide beträgt die Gestattungsdauer zwischen 20 und 30 Jahre, wobei davon mehr als 2/3 auf 20 Jahre begrenzt sind. Eine Gestattung zur energetischen Nutzung ist auf 50 Jahre begrenzt. In den übrigen Fällen liegt oder lag eine kürzere Geltungsdauer (1 bis 20 Jahre) vor. Bei allen Gestattungen ist der Nachweis des nachhaltig nutzbaren Dargebots für den Zeitraum der Gestattung eine wesentliche Voraussetzung. Zudem ist die Prüfung und Bewertung der Alternativen eine wichtige weitere Bedingung.