Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 30.08.2017 Grenzübertrittsbescheinigungen An manchen Orten in Bayern wird mittlerweile sehr häufig statt einer Duldung eine Grenzübertrittsbescheinigung erteilt , mitunter werden sogar Duldungen entzogen und durch eine Grenzübertrittsbescheinigung ersetzt. Eigentlich sollten Grenzübertrittsbescheinigungen nur bei sogenannten Dublin -Fällen und ausreisepflichtigen Asylbewerberinnen und -bewerbern ausgestellt werden und im Falle der Unmöglichkeit einer Heimreise in befristete Duldungsregelungen umgewandelt werden. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Aus welchen Gründen wird eine Grenzübertrittsbescheinigung und aus welchen eine Duldung erteilt? 1.2 Bestehen hier Unterschiede zwischen verschiedenen Herkunftsländern oder -regionen, wenn ja, welche? 1.3 Aus welchen Gründen kann eine Duldung in eine Grenzübertrittsbescheinigung umgewandelt werden? 2.1 Für welche Dauer können Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt werden? 2.2 Können sie verlängert werden? 2.3 Aus welchen Gründen werden sie in Duldungen umgewandelt ? 3.1 Wie viele Geflüchtete mit Grenzübertrittsbescheinigung gibt es derzeit in Bayern, wie viele in Oberfranken ? 3.2 Wie viele Geflüchtete mit Duldung gibt es derzeit in Bayern, wie viele in Oberfranken? 4.1 Welche rechtlichen Unterschiede bestehen für die Asylbewerberinnen und -bewerber mit einer Grenzübertrittsbescheinigung und mit einer Duldung? 4.2 Welche Folgen hat es, wenn der Geflüchtete die Annahme einer Grenzübertrittsbescheinigung verweigert ? 4.3 Können Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt werden für Länder, in denen Abschiebehindernisse bestehen? 5.1 Welche Unterschiede beim Asylbewerberleistungsbezug bestehen für den Asylbewerber zwischen einer Grenzübertrittsbescheinigung und einer Duldung? 5.2 Welche Unterschiede bei der medizinischen Versorgung bestehen für den Asylbewerber zwischen einer Grenzübertrittsbescheinigung und einer Duldung? 6. Bekommen alle Menschen, die in Transit- oder Rückkehrzentren untergebracht werden sollen oder in Abschiebehaft genommen werden sollen, Grenzübertrittsbescheinigungen ? 7.1 Aus welchen Gründen können Duldungen eingezogen werden? 7.2 Welche (Nachweis-)Papiere können Geflüchtete bekommen , wenn die Duldungen eingezogen wurden? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 16.10.2017 1.1 Aus welchen Gründen wird eine Grenzübertrittsbescheinigung und aus welchen eine Duldung erteilt ? Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen 7 und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen (§ 59 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG). Über die Fristgewährung wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt (§ 59 Abs. 6 AufenthG). Bei dieser Bescheinigung handelt es sich um die sogenannte Grenzübertrittsbescheinigung . Mit der Grenzübertrittsbescheinigung kann zudem die Ausreise nachgewiesen werden, da diese am Flughafen von der Bundespolizei beim Verlassen des Gebiets der Schengen-Staaten einbehalten, der Zeitpunkt der Ausreise bestätigt und die Bescheinigung dann an die ausstellende Ausländerbehörde zurückgesendet wird. Über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen (§ 60a Abs. 4 AufenthG). Eine Aussetzung der Abschiebung kommt nur nach den in § 60a AufenthG geregelten Gründen in Betracht. 1.2 Bestehen hier Unterschiede zwischen verschiedenen Herkunftsländern oder -regionen, wenn ja, welche? Nein. 1.3 Aus welchen Gründen kann eine Duldung in eine Grenzübertrittsbescheinigung umgewandelt werden ? Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen der Duldung ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben , es sei denn, die Aussetzung wird erneuert (§ 60a Abs. 5 Satz 3 AufenthG). In der Praxis gewähren die Ausländerbehörden vereinzelt jedoch nach Wegfall der Dul- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 07.02.2018 Drucksache 17/18664 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18664 dungsgründe eine nochmalige Frist zur freiwilligen Ausreise in Form einer Grenzübertrittsbescheinigung. 2.1 Für welche Dauer können Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt werden? Die Grenzübertrittsbescheinigung wird für die Dauer der gewährten Ausreisefrist ausgestellt. 2.2 Können sie verlängert werden? Die Grenzübertrittsbescheinigung kann verlängert werden, wenn die Ausreisefrist verlängert wird. 2.3 Aus welchen Gründen werden sie in Duldungen umgewandelt? Wird nach Ablauf der Ausreisefrist ein Duldungsgrund nach § 60a AufenthG festgestellt, ist dem Ausländer über die Aussetzung der Abschiebung eine Bescheinigung auszustellen (§ 60a Abs. 4 AufenthG). 3.1 Wie viele Geflüchtete mit Grenzübertrittsbescheinigung gibt es derzeit in Bayern, wie viele in Oberfranken ? Hierzu liegen keine statistischen Daten vor. Die Ausstellung einer Grenzübertrittsbescheinigung stellt keinen Speichersachverhalt nach der Verordnung über die Durchführung des Gesetzes über das Ausländerzentralregister (AZRG-DV) dar. Die Anzahl ließe sich nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermitteln, der innerhalb der für die Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar ist. 3.2 Wie viele Geflüchtete mit Duldung gibt es derzeit in Bayern, wie viele in Oberfranken? In Bayern hielten sich am 31.08.2017 insgesamt 12.888 Personen mit einer Duldung auf, davon 1.003 in Oberfranken. 4.1 Welche rechtlichen Unterschiede bestehen für die Asylbewerberinnen und -bewerber mit einer Grenzübertrittsbescheinigung und mit einer Duldung ? Bei einer Duldung ist die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt , bei einer Grenzübertrittsbescheinigung nicht. 4.2 Welche Folgen hat es, wenn der Geflüchtete die Annahme einer Grenzübertrittsbescheinigung verweigert ? Wenn ein Ausländer die Annahme der Grenzübertrittsbescheingiung verweigert, verfügt er über kein Dokument, mit welchem er seinen Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet nachweisen kann. Mögliche Folgen können die vorläufige Festnahme zur Sachverhaltsklärung durch die Polizei oder der Ausschluss von Leistungsgewährungen sein. 4.3 Können Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt werden für Länder, in denen Abschiebehindernisse bestehen? Die Grenzübertrittsbescheinigung wird, wie unter 1.1 dargelegt , für den Zeitraum der Fristgewährung zur freiwilligen Ausreise ausgestellt (§ 59 Abs. 6 AufenthG). Personen, für welche Abschiebungsverbote hinsichtlich eines bestimmten Landes festgestellt wurden, wird in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt. Sollten diese Personen jedoch aus anderen Gründen (z. B. im Rahmen einer Ausweisung) unter Fristsetzung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufgefordert werden, wird auch ihnen für den Zeitraum der Fristgewährung eine Grenzübertrittsbescheinigung ausgestellt. 5.1 Welche Unterschiede beim Asylbewerberleistungsbezug bestehen für den Asylbewerber zwischen einer Grenzübertrittsbescheinigung und einer Duldung? Ausländer, die in Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung sind, sind vollziehbar ausreisepflichtig, sodass sich ihre Leistungsberechtigung aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ergibt. Ausländer, die in Besitz einer Duldung nach § 60a des AufenthG sind, sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt. Das Leistungsniveau ist in beiden Fällen das gleiche und bestimmt sich nach der Dauer des Aufenthalts. So endet der Grundleistungsbezug nach § 3 AsylbLG in der Regel nach 15 Monaten. Ab diesem Zeitpunkt bezieht der Leistungsberechtigte sogenannte Analogleistungen nach § 2 AsylbLG, welcher das SGB XII entsprechend zur Anwendung kommen lässt. Vollziehbar Ausreisepflichtige (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG) unterliegen unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 2 AsylbLG Anspruchseinschränkungen. 5.2 Welche Unterschiede bei der medizinischen Versorgung bestehen für den Asylbewerber zwischen einer Grenzübertrittsbescheinigung und einer Duldung ? Bei der medizinischen Versorgung der genannten Personengruppen bestehen keine Unterschiede, da beide insoweit leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sind (siehe Antwort zu 5.1). 6. Bekommen alle Menschen, die in Transit- oder Rückkehrzentren untergebracht werden sollen oder in Abschiebehaft genommen werden sollen, Grenzübertrittsbescheinigungen? Nein. Die Grenzübertrittsbescheinigung wird, wie unter 1.1 dargelegt, für den Zeitraum der Fristgewährung zur freiwilligen Ausreise ausgestellt (§ 59 Abs. 6 AufenthG) und richtet sich nicht nach der Art der (beabsichtigten) Unterbringung. 7.1 Aus welchen Gründen können Duldungen eingezogen werden? Die Duldung wird in der Regel „eingezogen“, wenn sie erloschen ist. Die Duldung erlischt insbesondere durch Ablauf der Geltungsdauer, durch Eintritt einer auflösenden Bedingung , nach Widerruf bzw. Rücknahme oder mit Ausreise des Duldungsinhabers. 7.2 Welche (Nachweis-)Papiere können Geflüchtete bekommen , wenn die Duldungen eingezogen wurden? Diese Frage kann nicht allgemein beantwortet werden und hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Je nach Grund des „Einzugs “ sowie des neuen ausländerrechtlichen Status der Person sind nahezu alle anderen ausländerrechtlichen Titel bzw. Bescheinigungen denkbar.