Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20.09.2017 Solarantrieb bei der Seenschifffahrt Nach meinen Informationen wird seit 2004 in Heidelberg der Neckar von einem solarbetriebenen Schiff befahren, wobei der Solarstrom von zwei mit Ökostrom betriebenen Elektromotoren ergänzt wird. Das Schiff und der Anlegesteg sind rollstuhlfahrerfreundlich gestaltet. Dazu frage ich die Staatsregierung: 1. Wie viele Schiffe mit welchen Kapazitäten besitzt die Schiffsflotte der Bayerischen Seenschifffahrt an welchem Standort? 2. Wie werden sie angetrieben, wie hoch ist der jeweilige Kraftstoffverbrauch und wie hoch ist jeweils der CO2 und Stickstoffaussto? (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet)? 3. Welche Lärmemissionen haben die Schiffe jeweils (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet)? 4. Welches Alter haben die Schiffe jeweils (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet)? 5. Nach welcher durchschnittlichen Lebensdauer werden die Schiffe normalerweise ersetzt und ist bekannt, wie viele Schiffe in den nächsten fünf Jahren ausgetauscht werden müssen (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet )? 6. Sind bis jetzt bei Neuanschaffungen Schiffe mit Solarantrieb in Erwägung gezogen worden? a) Wenn nein, warum nicht? 7. Steht einem Umstieg auf eine solarangetriebene Flotte etwas im Wege? 8. Welche Schiffe der Bayerischen Seenschifffahrt sind noch nicht barrierefrei nutzbar (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet)? Antwort des Staatsministeriums Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 24.10.2017 1. Wie viele Schiffe mit welchen Kapazitäten besitzt die Schiffsflotte der Bayerischen Seenschifffahrt an welchem Standort? 2. Wie werden sie angetrieben, wie hoch ist der jeweilige Kraftstoffverbrauch und wie hoch ist jeweils der CO2 und Stickstoffaussto? (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet)? 3. Welche Lärmemissionen haben die Schiffe jeweils (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet)? 4. Welches Alter haben die Schiffe jeweils (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet)? Insgesamt betreibt die Bayerische Seenschifffahrt GmbH an vier Betriebsteilen (Königssee, Tegernsee, Ammersee und Starnberger See) 34 Schiffe und Boote. Im Einzelnen: Schifffahrt Königssee Die Flotte der Bayerischen Seenschifffahrt umfasst am Königssee insgesamt 19 Elektromotorboote. Der elektrische Antrieb ist jeweils bauartbedingt geräuscharm und emissions frei. Die einzelnen Boote unterscheiden sich hinsichtlich Alter und Kapazität zum Teil deutlich: Das EMB BAD REICHENHALL wurde 1971 erbaut und 2001 saniert. Es ist für 93 Personen zugelassen. Das EMB FALKENSTEIN ist eines der dienstältesten Boote auf dem See (Baujahr 1922, Sanierung 1981) und ist für den Transport von 93 Personen zugelassen. Das EMB FUNTENSEE weist dieselbe zulässige Kapazität auf (93 Personen) und wurde 1984 erbaut. Das EBD HOCHKALTER ist Baujahr 1929 und wurde 1979 saniert. Es hat ebenfalls eine zulässige Kapazität von 93 Personen. Das EMB HOHER GÖLL ist mit einer zugelassenen Personenkapazität von 110 Personen das zweitgrößte Boot auf dem See. Es wurde 1989 erbaut. Das EMB JENNER fasst 93 Personen, wurde 1955 erbaut und 1993 saniert. Das EMB KÖNIGSSEE mit einem Fassungsvermögen von 93 Personen stammt aus dem Jahr 1926 und wurde 1958 saniert. Das EMB OBERSEE (Baujahr 1922, Sanierung 1983) ist für den Transport von 93 Personen zugelassen. Das EMB RAMSAU stellt das mit Abstand kleinste Schiff des Sees dar (Kapazität 25 Personen ). Es ist seit 1992 in Dienst. Das EMB BISCHOFS- WIESEN hat eine zugelassene Personenkapazität von 94 und wurde 1998 erbaut. Das EMB SALZBURG wurde 1939 in Dienst gestellt und 1971 saniert. Es fasst 93 Personen . Die gleiche Kapazität hat das EMB SCHÖNAU, das 1960 erbaut wurde. Das EMB ST. BARTHOLOMÄ (Baujahr 1965) fasst ebenso 93 Personen wie das EMB STAUFEN von 1935 (Sanierung 1976). Sowohl das EMB UNTERS- BERG (Sanierung 1978) als auch das EMB WATZMANN (Sanierung 1977) sind die ursprünglich ältesten Schiffe der Bayerischen Seenschifffahrt am Königssee. Beide wurden Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.02.2018 Drucksache 17/18726 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18726 1920 erbaut. Sie fassen jeweils 93 Personen. Das EMB BERCHTESGADEN wurde 2003 in Dienst gestellt und ist für 94 Personen zugelassen. Das zweitneueste Boot (Baujahr 2011) ist das EMB MARIA ALM mit einem Fassungsvermögen von 93 Personen. Erst dieses Jahr in Dienst gestellt wurde das neue EMB MARKTSCHELLENBERG, das mit einem Fassungsvermögen von 120 Personen zugleich das größte Schiff der Königssee-Schifffahrt darstellt. Schifffahrt Tegernsee Am Tegernsee betreibt die Bayerische Seenschifffahrt fünf dieselbetriebene Motorschiffe mit Unterschieden in den angefragten Spezifikationen: Das MS TEGERNSEE (Baujahr 2003) und das Schwesterschiff MS ROTTACH-EGERN (Baujahr 2002) fassen jeweils 250 Personen und verbrauchen ca. 24,0 Liter Treibstoff pro Stunde. Dabei werden im selben Zeitraum ca. 76 kg CO2 und 0,7 kg NOx ausgestoßen. Die Lärmemissionen betragen ca. 60 dB(A). Das mittelgroße (zugelassene Kapazität 164 Personen) MS WALLBERG ist das älteste Schiff am Tegernsee. Es stammt von 1938, hat einen Verbrauch von ca. 7,0 l/h, einen Ausstoß von CO2 von 22 kg/h und von NOx von 0,3 kg/h. Das MS GMUND stammt von 1968 und ist für den Transport von 130 Personen zugelassen. Der Treibstoffverbrauch beträgt ca. 6,0 l/h, der Stickstoffausstoß 0,2 kg/h. Zudem werden 19 kg CO2 pro Stunde emittiert. Das gleich große MS KREUTH von 1977 weist dieselben Verbrauchs- und Emissionswerte auf. Die Schallmessungen beim MS TEGERNSEE und MS ROTTACH-EGERN erfoigten jeweils durch den TÜV-Süd bei der Vorbeifahrt des Schiffes (ca. 25 m Abstand zur Messstelle). Für die anderen drei kleineren und älteren Schiffe liegen keine vergleichbaren Messungen vor. Der CO2-Ausstoß sowie der NOx- Ausstoß wurde anhand des Kraftstoffverbrauchs errechnet. Dabei wurden eine Berechnungsgrundlage des Staatministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (https://www. umweltpakt.bayern.de) sowie Berechnungsgrundlagen des Motorenherstellers herangezogen. Schifffahrt Ammersee Am Ammersee betreibt die Bayerische Seenschifffahrt vier dieselbetriebene Motorschiffe mit Unterschieden in den Spezifikationen: Der Raddampfer RMS HERRSCHING wurde 2002 erbaut und ist für 500 Personen zugelassen. Er verbraucht ca. 82,6 Liter Treibstoff pro Stunde. Die Emissionen pro Stunde liegen bei 261 kg CO2 und 3,1 kg NOx. Die TÜV-Messungen ergaben eine Geräuschemission von 65 dB(A). Der gleiche Wert wurde auch für den zweiten Raddampfer RMS Dießen (Baujahr 1908; Sanierung 2006) gemessen. Das Schiff ist für 400 Personen zugelassen, verbraucht stündlich ca. 58,2 Liter Treibstoff und erzeugt im selben Zeitraum 184 kg CO2 und 2,2 kg Stickstoff. Das MS AUGSBURG als kleinstes Schiff der Flotte der Bayerischen Seenschifffahrt am Ammersee mit einer zugelassenen Kapazität von 300 Personen stammt von 2008. Der Treibstoffverbrauch liegt bei ca. 46,4 l/h, der Emissionsausstoß bei 146 kg/h CO2 und 1,1 kg/h NOx. Die Geräuschentwicklung liegt bei ca. 60 dB(A). Die erst in diesem Jahr in Dienst gestellte MS UTTING fast 500 Personen. Die Stickstoffemissionen liegen bei 1,4 kg/h, diejenigen von CO2 bei ca. 188 kg/h. Der stündliche Treibstoffverbrauch beträgt ca. 59,5 Liter, die Geräuschemissionen bei 60 dB(A). Die Geräuschemissionen wurden wie am Tegernsee durch den TÜV-Süd bei der Vorbeifahrt des Schiffes gemessen. Für die Berechnung der Emissionswerte gilt ebenfalls das zum Tegernsee Dargestellte entsprechend. Schifffahrt Starnberger See Die Bayerische Seenschifffahrt unterhält am Starnberger See insgesamt fünf dieselbetriebene Motorschiffe, die sich in ihren Spezifikationen deutlich unterscheiden: Das jüngste Schiff der Flotte ist das MS SEESHAUPT (Baujahr 2012). Es verbraucht ca. 85,0 Liter Treibstoff pro Stunde und emittiert im selben Zeitraum ca. 268 kg CO2 und 2 kg NOx. Die gemessene Geräuschentwicklung beträgt ca. 65 dB(A). Es ist zusammen mit dem Galeriekatamaran MS STARNBERG (Baujahr 2004) mit einem Fassungsvermögen von jeweils 800 Personen das größte Schiff der Bayerischen Seenschifffahrt. Der Katamaran emittiert 347 kg CO2 und 4 kg Stickstoff stündlich bei einem Treibstoffverbrauch von ca. 110 I/h. Die Geräuschentwicklung liegt bei ca. 64 dB(A). Das Schiff ist von 2004. Nur für diese beiden neueren und größeren Schiffe liegen am Starnberger See die entsprechend vergleichbaren Geräuschmessungen des TÜV-Süd vor. Bei den älteren und kleineren Einheiten ist dies nicht der Fall. Das mittelgroße (300 Personen Kapazität) MS BERNRIED stammt ursprünglich von 1983 und wurde 2011 saniert. Die NOx-Emissionen liegen bei 1 kg/h, diejenigen von CO2 bei 110 kg/h. Dem liegt ein Treibstoffverbrauch von 35,0 I/h zugrunde. Das MS BERG von 1961 verbraucht 25,0 l/h und emittiert demgemäß ca. 1 kg Stickstoff und 79 kg CO2 im selben Zeitraum. Diese Verbrauch- und Emissionswerte entsprechen denen des MS PHANTASIE (Baujahr 1960) mit einem zugelassenen Fassungsvermögen von 148 Personen. Das älteste Schiff der Flotte am Starnberger See ist das MS BAYERN von 1939. Es emittiert bei einem Treibstoffverbrauch von ca. 45,0 I/h stündlich ca. 142 kg CO2 und 2 kg NOx. Die Emissionswerte wurden ebenso wie am Tegernsee aus dem Treibstoffverbrauch errechnet. 5. Nach welcher durchschnittlichen Lebensdauer werden die Schiffe normalerweise ersetzt und Ist bekannt, wie viele Schiffe in den nächsten fünf Jahren ausgetauscht werden müssen (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet)? Die durchschnittliche Lebensdauer eines Schiffes beträgt zwischen 50 und 100 Jahren. In den vergangenen 15 Jahren wurde die Flotte der Bayerischen Seenschifffahrt in großen Teilen erneuert oder grundlegend saniert (vgl. oben). Derzeit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Schiff in den nächsten fünf Jahren ausgetauscht werden muss. 6. Sind bis jetzt bei Neuanschaffungen Schiffe mit Solarantrieb in Erwägung gezogen worden? a) Wenn nein, warum nicht? Ein Solarantrieb wurde insbesondere bei den elektrisch betriebenen Booten am Königssee geprüft, konnte aber bisher nicht umgesetzt werden. Aufgrund der topographischen Situation am Königssee und der beschränkten Dachfläche könnten nach Berechnungen der Bayerischen Seenschifffahrt GmbH weniger als 10 Prozent der notwendigen Energie im Betrieb durch gängige Solaranlagen gewonnen werden . Zudem würden die mit solchen Anlagen verbundenen hohen (Dach-)Lasten die Statik der Bestandsboote insbesondere durch die höhere Gesamtlast und den veränderten Schwerpunkt negativ beeinflussen. An den übrigen Seen Drucksache 17/18726 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 kann nach Berechnungen der Bayerischen Seenschifffahrt durch Solarpaneele auf den nur in geringem Umfang zur Verfügung stehenden festen Dachflächen die notwendige Leistung nicht annähernd erzeugt werden. Die Bayerische Seenschifffahrt wird auch in Zukunft weiter bei jeder Neuanschaffung alle infrage kommenden Antriebsarten, also auch den Antrieb mit Solarstrom, in Betracht ziehen. Zudem wird fortlaufend geprüft werden, ob eine vertretbare Nutzung von landgestützter Solarenergie möglich ist. 7. Steht einem Umstieg auf eine solarangetriebene Flotte etwas im Wege? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 8. Welche Schiffe der Bayerischen Seenschifffahrt sind noch nicht barrierefrei nutzbar (bitte nach Schiff und Standort aufgelistet)? Eine möglichst barrierefreie Gestaltung der Schiffe ist der Bayerischen Seenschifffahrt ein wichtiges Anliegen, was insbesondere der stufenlosen Zugänglichkeit aller Ebenen auf den großen Neubauten (MS UTTING, MS STARN- BERG, MS SEESHAUPT) auch zu entnehmen ist. Bauartbedingt ist insbesondere das Angebot von Aufstiegshilfen bei großen Schiffseinheiten deutlich leichter möglich als bei kleineren. Bei den übrigen größeren Einheiten (MS ROT- TACH-EGERN, MS TEGERNSEE, MS HERRSCHING, MS DIESSEN, MS AUGSBURG, MS BAYERN) ist der Zustieg stufenlos möglich und es können ebenso Innenbereiche (z. T. auch Freideckflächen) erreicht werden. Bei den Booten am Königssee und einigen Schiffen am Tegernsee und Starnberger See (MS WALLBERG, MS BERG, MS BERNRlED) sind beim Einstieg Stufen (am Königssee mit optionalen Fahrschienen) zu überwinden. Hier ist aber Einstiegspersonal anwesend, um zu unterstützen. Einige der kleineren und/oder älteren Einheiten (MS GMUND, MS KREUTH, MS PHANTASIE) sind eingeschränkt barrierefrei. Hier kann nur der Eingangsbereich beispielsweise mit Rollstühlen erreicht werden. Soweit Sanitärräume vorhanden sind (keine bei den Booten am Königssee und dem MS WALLBERG, MS GMUND und MS KREUTH), sind diese überwiegend auch für Rollstuhlnutzer geeignet (so bei allen Schiffen am Ammersee , dem MS ROTTACH-EGERN, MS TEGERNSEE, MS BERNRIED, MS STARNBERG, MS SEESHAUPT). Auch in Zukunft wird die möglichst weitgehende, stufenlose Zugänglichkeit von Schiffsneubauten durch die Bayerische Seenschifffahrt angestrebt und in den Planungen berücksichtigt werden.