Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Herbert Woerlein SPD vom 04.10.2017 Rechtsunsicherheit bei wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen Bei der Diskussion um die wiederkehrenden Straußenausbaubeiträge befürchten verschiedene Kommunen bei der Umstellung von Einmalzahlungen auf wiederkehrende Beiträge Rechtsunsicherheit. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die juristische Sachlage , wenn eine Kommune auf wiederkehrende Straßenausbaubeiträge umstellen würde? b) Welche konkreten Rechtsunsicherheiten ergeben sich bei einer Umstellung? c) Welche Vorgehensweise bei der Umstellung ist von den Kommunen zu beachten? 2. a) Welche konkreten Vorgaben gibt es seitens des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr bezüglich der Bildung von Abrechnungseinheiten? b) Trifft es zu, dass die Abrechnungseinheiten aufgrund geografischer Gegebenheiten (z. B. räumliche Trennung durch Straßen, Flüsse, größere Entfernungen) der Ortsteile vorgegeben sind? c) Besteht die Möglichkeit, bei Orten mit zentraler Infrastruktur die Ortsteile, die vom zentralen Ort räumlich getrennt sind, zu einer Abrechnungseinheit zusammenzuführen ? 3. Falls Frage 2 c mit Ja beantwortet wird, würde dies nicht der Bestrebung der Bildung von sogenannten funktionalen Einheiten widersprechen? 4. a) Welche Hilfestellungen für die Entscheidungsfindung bezüglich der Gestaltung der Straßenausbaubeiträge gibt es für Kommunen? b) Welche Hilfestellungen, beispielsweise Schulungen, gibt es für Kommunen bei der Umsetzung einer Umstellung auf wiederkehrende Beiträge? 5. a) Besteht die Möglichkeit zur Auditierung des Umstellungsprozesses einer Kommune? b) Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 25.10.2017 Vorbemerkung: Am 25.02.2016 beschloss der Landtag das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (KAG), das ganz überwiegend am 01.04.2016 in Kraft getreten ist (vgl. Drs. 17/10230). Gegenstand des Gesetzes ist u. a. die Einführung der wiederkehrenden Beiträge als Alternative zum einmaligen Straßenausbaubeitrag. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) hat in Abstimmung mit den bayerischen kommunalen Spitzenverbänden (Gemeindetag, Städtetag) sowie dem Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband umfangreiche Erläuterungen zum Vollzug des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 08.03.2016 (im Folgenden : Erläuterungen) erstellt und auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht (zu finden unter http://www. innenministerium.bayern.de/suk/kommunen/komfinanzen/ abgabenrecht/index.php). Deren Teil II (ab Seite 32) beschreibt ausführlich und eingehend die Anforderungen, die an die Einführung von wiederkehrenden Beiträgen gestellt werden, geht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte anderer Länder ein und gibt Hinweise zur weiteren Vorgehensweise. Diese Erläuterungen dürften am besten geeignet sein, die Fragen anschaulich zu beantworten . 1. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die juristische Sachlage, wenn eine Kommune auf wiederkehrende Straßenausbaubeiträge umstellen würde? Gemäß Art. 5b Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass anstelle der Erhebung einmaliger Beiträge nach Art. 5 Abs. 1 KAG die jährlichen Investitionsaufwendungen für die in ihrer Baulast stehenden Verkehrseinrichtungen (Verkehrsanlagen) nach Abzug der Eigenbeteiligung als wiederkehrende Beiträge auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden. In der Beitragssatzung kann geregelt werden, dass sämtliche in Art. 5b Abs. 1 Satz 1 KAG genannten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, für deren Erneuerung oder Verbesserung vorteilsbezogene Beiträge für Grundstücke erhoben werden können, von welchen die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer dieser Verkehrsanlagen besteht. Ein Nebeneinander von einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen in der Gemeinde ist zulässig. Die Entscheidung über die eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen trifft die Gemeinde unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten (Art. 5b Abs. 1 Satz 4 KAG). Zur weiteren Beurteilung der Rechtslage wird auf die in der Vorbemerkung genannten Erläuterungen verwiesen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.03.2018 Drucksache 17/18792 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18792 b) Welche konkreten Rechtsunsicherheiten ergeben sich bei einer Umstellung? Dem StMI sind keine rechtlichen oder tatsächlichen „Unsicherheiten “ im Zusammenhang mit der Einführung von oder der Umstellung auf wiederkehrende Beiträge bekannt, die nicht mithilfe der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur sowie unter Zuhilfenahme der Erläuterungen zufriedenstellend gelöst werden könnten. c) Welche Vorgehensweise bei der Umstellung ist von den Kommunen zu beachten? 2. a) Welche konkreten Vorgaben gibt es seitens des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr bezüglich der Bildung von Abrechnungseinheiten ? b) Trifft es zu, dass die Abrechnungseinheiten aufgrund geografischer Gegebenheiten (z. B. räumliche Trennung durch Straßen, Flüsse, größere Entfernungen ) der Ortsteile vorgegeben sind? c) Besteht die Möglichkeit, bei Orten mit zentraler Infrastruktur die Ortsteile, die vom zentralen Ort räumlich getrennt sind, zu einer Abrechnungseinheit zusammenzuführen? Ein Beitrag für den Ausbau einer Straße als Teil einer einheitlichen öffentlichen (Verkehrs-)Einrichtung kommt nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.06.2014 (Az. 1 BvR 668/10, 1 BvR 2104/10) nur für diejenigen Grundstücke in Betracht, die von dieser einen jedenfalls potenziellen Gebrauchsvorteil haben, bei denen sich also der Vorteil der Möglichkeit der Nutzung der ausgebauten Straßen als Lagevorteil auf den Gebrauchswert des Grundstücks auswirkt. Der Satzungsgeber muss deshalb bei der Ausübung seines Gestaltungsermessens über die Festlegung abgrenzbarer Gebietsteile darauf achten, dass die dort liegenden Grundstücke einen konkret zurechenbaren Vorteil von dem Ausbau und der Erhaltung einer Verkehrsanlage haben. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat in Ergänzung dazu in seinem Urteil vom 24.02.2016 (Az. 6 A 11031/15. OVG – Rn. 22) Folgendes ausgeführt: „Ob die herangezogenen Grundstücke einen konkret zurechenbaren Vorteil von dem Ausbau und der Erhaltung einer Verkehrsanlage haben, hängt danach nicht von der politischen Zuordnung eines Gebiets, sondern vor allem von den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa der Größe, der Existenz eines zusammenhängenden bebauten Gebiets, der Topografie wie der Lage von Bahnanlagen, Flüssen und größeren Straßen oder der typischen tatsächlichen Straßennutzung (BVerfG, Beschl. v. 25.6.2014, a. a. O. Rn. 64). In kleinen Gemeinden – insbesondere solchen , die nur aus einem kleinen, zusammenhängend bebauten Ort bestehen – decken sich einheitliche öffentliche Einrichtung und Gemeindegebiet häufig (BVerfG, Beschl. v. 25.6.2014, a. a. O. Rn. 64). Von einer zusammenhängenden Bebauung, die regelmäßig eine Aufteilung des Gemeindegebiets in mehrere einheitliche öffentliche Einrichtungen von Anbaustraßen entbehrlich macht, kann allerdings nicht gesprochen werden, wenn Außenbereichsflächen von nicht nur unbedeutendem Umfang zwischen den bebauten Gebieten liegen (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 10.12.2014 – Aktenzeichen 6A1085314 6 A 10853/14. OVG, KStZ 2015, KSTZ Jahr 2015, Seite 75, juris).“ In diesen Fällen wird eine Zusammenfassung des gesamten Gemeindegebietes zu einem Abrechnungsgebiet (in Bayern: einheitliche öffentliche Einrichtung oder Einrichtungseinheit ) nicht möglich sein. Stattdessen werden mehrere Einrichtungseinheiten im Sinne von Art. 5b Abs. 1 Satz 2 KAG zu bilden sein. 3. Falls Frage 2 c mit Ja beantwortet wird, würde dies nicht der Bestrebung der Bildung von sogenannten funktionalen Einheiten widersprechen? Auf die Antwort zu Frage 2 c wird verwiesen. Den Begriff „funktionale Einheit“ kennt das Straßenausbaubeitragsrecht in diesem Zusammenhang nicht. 4. a) Welche Hilfestellungen für die Entscheidungsfindung bezüglich der Gestaltung der Straßenausbaubeiträge gibt es für Kommunen? Zur Beantwortung der Frage wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Beratung finden die Gemeinden im Übrigen bei ihrer jeweiligen Rechtsaufsichtsbehörde (vgl. Art. 108 der Gemeindeordnung – GO). b) Welche Hilfestellungen, beispielsweise Schulungen , gibt es für Kommunen bei der Umsetzung einer Umstellung auf wiederkehrende Beiträge? Zur Beantwortung der Frage wird zunächst auf die Vorbemerkung verwiesen. Darüber hinaus hat das StMI gemeinsam mit dem Bayerischen Gemeindetag und dem Bayerischen Städtetag in der Zeit vom 21.06. bis 06.07.2016 in allen Regierungsbezirken Informationsveranstaltungen für die Städte, Gemeinden und Rechtsaufsichtsbehörden zu den Änderungen des Kommunalabgabengesetzes zum 01.04.2016 durchgeführt. Die Präsentationen zu den Informationsveranstaltungen und die Erläuterungen zum Vollzug des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes 2016 können von der Homepage des StMI (http://www.stmi.bayern.de/suk/kommunen/komfinanzen/ abgabenrecht/index.php) abgerufen werden. Das StMI hat keinen lückenlosen Überblick über das Schulungsangebot der verschiedenen Bildungsträger. Beispielhaft sei auf das Seminarangebot 2018 der Bayerischen Verwaltungsschule verwiesen (Seminar „Straßenausbaubeitrag – Wiederkehrende Beiträge“ Nr. FI-18-204504). 5. a) Besteht die Möglichkeit zur Auditierung des Umstellungsprozesses einer Kommune? b) Wenn nein, warum nicht? Die Gemeinden vollziehen das Kommunalabgabengesetz in eigener Zuständigkeit und im eigenen Wirkungskreis. Es ist den Gemeinden unbenommen, sich bei der Einführung von wiederkehrenden Beiträgen oder bei der Umstellung von einmaligen auf wiederkehrende Beiträge externer Berater oder Dienstleister zu bedienen, die einen geordneten Prozessablauf gewährleisten. Im Übrigen stehen den Gemeinden bei Fragen die zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden als Ansprechpartner zur Verfügung.