Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Isabell Zacharias, Florian Ritter SPD vom 21.06.2017 Scientology-Organisation Die Scientology-Organisation (SO) ist eine Vereinigung, die unter dem Deckmantel der Religionsgemeinschaften wirtschaftliche Ziele verfolgt und den Einzelnen einer inneren und äußeren Kontrolle unterwirft, um ihn für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Der Absolutheitsanspruch sowie die totale Disziplinierung und Unterwerfung unter die Ziele der Organisation führen zu einem Konflikt mit den Dienstpflichten eines Beamten oder eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst. Deshalb soll seit 1996 in allen bayerischen Behörden und öffentlichen Institutionen von jedem Bewerber ein „Fragebogen zu Beziehungen zur Scientology-Organisation “ ausgefüllt werden. Unsere Recherchen haben ergeben, dass die Geschäftsführung des Hauses der Kunst darauf verzichtet hat. Das hat zur Folge, dass in dem Museum jahrzehntelang ein mutmaßlicher Scientologe als Personalverwalter beschäftigt war. Deshalb fragen wir die Staatsregierung: 1. a) Ist sichergestellt, dass in allen bayerischen Behörden und öffentlichen Institutionen, vor allem in Bildungsund Kultureinrichtungen, jeder Bewerber den Fragebogen zu Beziehungen zur Scientology-Organisation ausfüllt? b) Wie wird überprüft, ob alle Bewerber die Fragebogen erhalten und vor Vertragsunterzeichnung ausfüllen? c) Werden auch Mitarbeiter befragt, die vor 1996 eingestellt wurden? 2. a) Bei wie vielen bayerischen Behörden und öffentlichen Institutionen ist der Fragebogen nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages? b) Wie heißen diese Behörden bzw. öffentlichen Institutionen ? c) Wie wird mit Behörden und öffentlichen Institutionen verfahren, bei denen der Fragebogen nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages ist? 3. Warum wurde im Haus der Kunst nicht darauf gedrungen , dass Bewerber den Fragebogen zu Beziehungen zur Scientology-Organisation ausfüllen müssen? 4. a) Wie viele Bewerber (bitte aufgeschlüsselt nach Behörden ) bejahen Beziehungen zur SO? b) Wie wird mit ihnen verfahren? c) Wie wird mit vor 1996 eingestellten Bewerbern verfahren , die Beziehungen zur SO bejahen? 5. a) Liegen der Staatsregierung Informationen vor, ob Kommunen von Bewerbern das Ausfüllen der Fragebogen verlangen? b) Gibt die Staatsregierung den Kommunen diesbezüglich Hilfestellung? c) Wie verfahren Kommunen mit Bewerbern, die Beziehungen zur SO bejahen? 6. a) In wie vielen Fällen informierte das Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) in den letzten zehn Jahren Behörden und öffentliche Institutionen über Bewerber und Mitarbeiter mit Beziehungen zur SO? b) Wie viele Hinweise von außen gab es in den letzten zehn Jahren zu Bewerbern und Mitarbeitern, die Beziehungen zur SO pflegen? c) Wie wird umgegangen mit Hinweisen von außen? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat unter Beteiligung der Staatskanzlei , der Staatsministerien sowie des Obersten Rechnungshofs vom 17.10.2017 1. a) Ist sichergestellt, dass in allen bayerischen Behörden und öffentlichen Institutionen, vor allem in Bildungs - und Kultureinrichtungen, jeder Bewerber den Fragebogen zu Beziehungen zur Scientology- Organisation ausfüllt? Durch die Bekanntmachung der Staatsregierung vom 29.10.1996, geändert durch die Bekanntmachung vom 06.11.2001 zur Vereinbarkeit von Beziehungen zur Scientology -Organisation mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst (im Weiteren „Scientology-Bekanntmachung“) wird angeordnet , dass jeder Beamtenbewerber in Bayern den Fragebogen zu Beziehungen zu Scientology ausfüllt. Das gleiche gilt nach der Scientology-Bekanntmachung auch für die Beschäftigten (Arbeiter und Angestellte) im öffentlichen Dienst. Dadurch ist sichergestellt, dass in allen bayerischen Behörden , d. h. allen Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (Art. 1 Abs. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG), die Bewerber den Fragebogen zu Beziehungen zu Scientology ausfüllen. Nach Nr. 4 der Scientology-Bekanntmachung wird den Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie den Empfängern einer institutionellen Förderung des Freistaatse Bayern im weltanschaulichen Bereich die Anwendung der Scientology- Bekanntmachung empfohlen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.03.2018 Drucksache 17/18828 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18828 b) Wie wird überprüft, ob alle Bewerber die Fragebogen erhalten und vor Vertragsunterzeichnung ausfüllen ? Die Einstellungsverfahren sind so ausgestaltet, dass es ohne Rückgabe des ausgefüllten Fragebogens nicht zu einer Einstellung kommen kann. c) Werden auch Mitarbeiter befragt, die vor 1996 eingestellt wurden? Mitarbeiter, die vor Inkrafttreten der Scientology-Bekanntmachung eingestellt wurden, sind nicht verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen, da dieser sich auf Bewerber bezieht . Wird bei einem Mitarbeiter jedoch bekannt, dass er in Beziehung zur Scientology-Organisation steht, so ist nach Nr. 2 der Scientology-Bekanntmachung zu prüfen, ob er in diesem Zusammenhang Dienstpflichten verletzt. Ist dies der Fall, so ist gegen ihn ein Disziplinarverfahren durchzuführen , das bis zur Entfernung aus dem Dienst führen kann. 2. a) Bei wie vielen bayerischen Behörden und öffentlichen Institutionen ist der Fragebogen nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages? b) Wie heißen diese Behörden bzw. öffentlichen Institutionen ? c) Wie wird mit Behörden und öffentlichen Institutionen verfahren, bei denen der Fragebogen nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages ist? Nach den Vorgaben in Nr. 1 der Scientology-Bekanntmachung ist der Fragebogen vor jeder Einstellung, d. h. vor Abschluss eines Arbeitsvertrags den Bewerbern zur Beantwortung vorzulegen, um deren Eignung für die Übernahme in den öffentlichen Dienst zu prüfen. Alle bayerischen Behörden verwenden deshalb den Fragebogen. Lediglich bei zwei Behörden im Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege sowie Wasserwirtschaftsamt Weilheim) wurde der Fragebogen zu Scientology neben der Prüfung der Verfassungstreue gem. Bekanntmachung der Staatsregierung vom 03.12.1991 über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst (VerftöDBek) bei Einstellungen im Tarifbereich bislang nicht verwendet. Durch die Prüfung der Verfassungstreue wurde aber auch hier sichergestellt, dass die Behörde Kenntnis erlangt, wenn der Bewerber oder die Bewerberin der Scientology-Organisation oder deren Untergliederungen angehört. In dem Verzeichnis extremistischer und extremistisch beeinflusster Organisationen gem. Anlage 2 VerftöDBek unter Nr. 4 sind auch die Scientology-Organisation und deren Untergliederungen aufgeführt. Künftig wird der Fragebogen aber auch hier verwendet. Den Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie den Empfängern einer institutionellen Förderung des Freistaates Bayern im weltanschaulichen Bereich wird die Anwendung der Scientology -Bekanntmachung empfohlen. 3. Warum wurde im Haus der Kunst nicht darauf gedrungen , dass Bewerber den Fragebogen zu Beziehungen zur Scientology-Organisation ausfüllen müssen? Die Bekanntmachungen der Staatsregierung vom 29.10.1996 zur Vereinbarkeit von Beziehungen zur Scientology -Organisation mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst und zum öffentlichen Auftragswesen sind für die Stiftung Haus der Kunst München als gemeinnützige Betriebsgesellschaft mbH nicht unmittelbar bindend. In den jährlichen Zuwendungsbescheiden des Staatsministeriums der Finanzen , für Landesentwicklung und Heimat (StMFLH) an das Haus der Kunst München wurde jedoch jeweils ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Bekanntmachungen entsprechend anzuwenden sind. Das Haus der Kunst München war der Rechtsauffassung, dass es sich bei der einschlägigen Nebenbestimmung um eine für einen Zuschussempfänger nicht verpflichtende Empfehlung handele. Als dies dem Aufsichtsrat bekannt wurde, wurde die Geschäftsführung umgehend schriftlich darauf hingewiesen, dass die geltenden Regeln zum Umgang mit Scientology umzusetzen sind. Die Leitung des Hauses der Kunst versichert , dass sie diese Vorgaben nun in allen Fällen zur Anwendung bringt. Die Gesellschafterversammlung hat die Anwendung der Vorgaben der einschlägigen Bekanntmachung durch die Gesellschaft zusätzlich zum Gegenstand eines entsprechenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung gemacht. 4. a) Wie viele Bewerber (bitte aufgeschlüsselt nach Behörden ) bejahen Beziehungen zur SO? b) Wie wird mit ihnen verfahren? c) Wie wird mit vor 1996 eingestellten Bewerbern verfahren , die Beziehungen zur SO bejahen? Seit 2001 wird beim StMFLH eine Statistik über unterlassene Einstellungen von Bewerbern bzw. Entlassung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes aufgrund von Zweifeln an der Gewähr der Verfassungstreue geführt. Mit Schreiben des StMFLH vom 25.05.2001 wurden die obersten Dienstbehörden unter anderem gebeten, zweimal jährlich mitzuteilen, in wie vielen Fällen der Bewerber aufgrund der Angaben im Fragebogen zur Verfassungstreue gem. Anlage 2 VerftöDBek nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt wurde . In dem dem Fragebogen zugrunde gelegten Verzeichnis extremistischer und extremistisch beeinflusster Organisationen gem. Anlage 2 VerftöDBek sind unter Nr. 4 auch die Scientology-Organisation und deren Untergliederungen aufgeführt . Seit 2001 wurden zwei Bewerber im Zuständigkeitsbereich des Wissenschaftsministeriums aufgrund ihrer Angaben zu Scientology nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 c verwiesen. 5. a) Liegen der Staatsregierung Informationen vor, ob Kommunen von Bewerbern das Ausfüllen der Fragebogen verlangen? Hierzu hat das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr mitgeteilt, dass keine Informationen vorliegen. b) Gibt die Staatsregierung den Kommunen diesbezüglich Hilfestellung? Die Staatsregierung hat den Kommunen empfohlen, nach den Bestimmungen der Scientology-Bekanntmachung zu verfahren (vgl. Nr. 4 der Scientology-Bekanntmachung). c) Wie verfahren Kommunen mit Bewerbern, die Beziehungen zur SO bejahen? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Informationen vor. 6. a) In wie vielen Fällen informierte das Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) in den letzten zehn Drucksache 17/18828 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Jahren Behörden und öffentliche Institutionen über Bewerber und Mitarbeiter mit Beziehungen zur SO? Das BayLfV erteilt Auskünfte über Bewerber und Mitarbeiter in erster Linie auf Anfrage, z. B. im Rahmen von Anfragen zur Überprüfung der Verfassungstreue sowie Zuverlässigkeitsüberprüfungen . Das BayLfV wird aber nicht generell in Einstellungsverfahren bei Behörden und öffentlichen Institutionen eingebunden. Aufgrund der gesetzlichen Löschfristen sind entsprechende Anfragen rückblickend nur bis zum Jahr 2009 dokumentiert . Demnach hat das BayLfV auf Anfrage von Behörden und öffentlichen Institutionen zu Bewerbern bzw. Mitarbeitern in 18 Fällen eine „positive“ Auskunft zu den angefragten Personen und ihrer Zugehörigkeit zur Scientology-Organisation erteilt. Die Anfragen betrafen teilweise auch Mitarbeiter bzw. Bewerber, die mit öffentlichen Institutionen in Kooperation zusammenarbeiten bzw. zusammenarbeiten wollen. Wenn das BayLfV aus dem eigenen Informationsaufkommen Hinweise erhält, dass Mitglieder der Scientology- Organisation in Behörden oder öffentlichen Institutionen beschäftigt sind, werden diese Stellen informiert. In den letzten Jahren informierte das BayLfV in zwei Fällen über Mitarbeiter in öffentlichen Einrichtungen. Im Übrigen geht das BayLfV Hinweisen jeglicher Art nach, die auf eine Scientology -Mitgliedschaft schließen lassen. b) Wie viele Hinweise von außen gab es in den letzten zehn Jahren zu Bewerbern und Mitarbeitern, die Beziehungen zur SO pflegen? Der Staatsregierung sind in den letzten zehn Jahren keine Hinweise von Privatpersonen bekannt geworden, denen zufolge Bewerber oder Mitarbeiter staatlicher Behörden Beziehungen zur Scientology-Organisation hätten. c) Wie wird umgegangen mit Hinweisen von außen? Beziehungen eines Bewerbers oder eines Mitarbeiters zur Scientology-Organisation begründen regelmäßig Zweifel an der Eignung für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst und geben damit Anlass zur Prüfung von arbeits- bzw. beamtenrechtlichen Konsequenzen. Entsprechenden Hinweisen wird daher mit der gebotenen Sorgfalt nachgegangen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18828 Anlage Drucksache 17/18828 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5