Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 25.08.2017 Cannabis als Medizin Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Viele Patientinnen und Patienten mit teils schweren Erkrankungen beklagen zur Zeit, dass sie keine Ärzte finden, die sich fachlich in der Lage sehen, Cannabis als Medizin zu verordnen. b) Wie nimmt die Staatsregierung dieses Problem wahr und was beabsichtigt sie hiergegen zu unternehmen? 2. a) Wie bewertet es die Staatsregierung, wenn Patientinnen und Patienten mit schweren Erkrankungen trotz vieler nachgewiesener Versuche keine Ärztin oder keinen Arzt finden können und daher aus der Not heraus selbst medizinische Cannabissorten für den Eigenbedarf anbauen oder in eiligen Fällen Cannabis vom Schwarzmarkt für den Eigenbedarf beziehen? b) Sollte in diesen Fällen nach Auffassung der Staatsregierung von einer Bestrafung abgesehen oder – beim Vorliegen entsprechender Fachkenntnisse – den Patie ntinnen und Patienten ein Eigenanbau gestattet werden? 3. a) Wie viele Ärztinnen und Ärzte in Bayern haben seit dem Inkrafttreten des „Cannabis als Medizin“-Gesetzes am 10.03.2017 Cannabis verordnet? b) Wie viele Ärztinnen und Ärzte in Bayern sind nach Erkenntnissen der Staatsregierung fachlich in der Lage, Cannabis als Medizin zu verordnen? c) Wie beabsichtigt die Staatsregierung die Fortbildung der Ärztinnen und Ärzte in Bayern hierzu zu unterstützen ? 4. Wie bewertet die Staatsregierung, dass in Bayern möglicherweise bald Marihuana im Auftrag der Cannabisagentur angebaut werden könnte? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 28.10.2017 Vorbemerkung aus berufsrechtlicher Sicht: Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) überwacht nicht die Berufsausübung der bayerischen Ärztinnen und Ärzte; dies ist vielmehr Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung (Landesärztekammer, Ärztliche Kreis- und Bezirksverbände). Das StMGP hat demzufolge keine Erkenntnisse über den individuellen Kenntnisstand niedergelassener Ärzte auf bestimmten medizinischen Spezialgebieten oder über deren Verschreibungsverhalten. Grundsätzlich ist ein Arzt berufsrechtlich verpflichtet, sich regelmäßig in dem Umfang fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu seiner Berufsausübung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist. Die Erfüllung der Fortbildungspflicht wird von der Landesärztekammer überwacht . Aber auch die Kammer hat keinen Einfluss auf den Inhalt der von einem Arzt besuchten Fortbildungen; dies liegt in der Entscheidung des Arztes selbst. 1. a) Viele Patientinnen und Patienten mit teils schweren Erkrankungen beklagen zurzeit, dass sie keine Ärzte finden, die sich fachlich in der Lage sehen, Cannabis als Medizin zu verordnen. b) Wie nimmt die Staatsregierung dieses Problem wahr und was beabsichtigt sie hiergegen zu unternehmen ? An das StMGP sind bisher keine Beschwerden darüber herangetragen worden, dass Patientinnen und Patienten keine Ärzte finden, die sich fachlich in der Lage sehen, Cannabis zu verschreiben. Wie in der Vorbemerkung dargestellt, wählen Ärzte die von ihnen besuchten Fortbildungen in eigener Entscheidung und Verantwortung aus, eine Verpflichtung durch die Staatsregierung zum Erwerb von Kenntnissen über den heilkundlichen Einsatz von Cannabis in der Medizin ist nicht möglich. Auch der für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) liegen keine diesbezüglichen Patientenbeschwerden vor. Nach Mitteilung der KVB hätten sich Patientinnen und Patienten in Einzelfällen über die Voraussetzungen der Verordnungsfähigkeit von Cannabis erkundigt. Dies deckt sich mit dem Inhalt vereinzelter Eingaben, die die Staatsregierung seit März 2017 erreicht haben. Nach Mitteilung der KVB sei die Vertragsärzteschaft bereits frühzeitig schriftlich über die Verordnungsfähigkeit von Cannabis informiert worden. Außerdem würden Fragen der Ärzte zur Verordnungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von qualifizierten Verordnungsberatern beantwortet. Unabhängig davon seien Informationsveranstaltungen zum Thema Verordnung von Cannabis vorgesehen. Aufgrund der ärztlichen Therapiefreiheit entscheidet jeder Arzt eigenverantwortlich, welche ärztliche Behandlung bei Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 26.01.2018 Drucksache 17/18830 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18830 einem bestimmten Patienten erfolgversprechend ist. Der Arzt schuldet eine Behandlung nach den allgemein anerkannten fachlichen Standards und hat sich dabei von seiner ärztlichen Überzeugung leiten zu lassen. Aus Haftungsgründen sollte ein Arzt dabei nur die Methoden anwenden, für die er hinreichend qualifiziert ist. Die Feststellung, ob bei einem Patienten eine schwere Erkrankung im Sinne des § 31 Abs. 6 SGB V vorliegt, ob im konkreten Fall die gesetzlichen Voraussetzungen einer Cannabisverordnung nach dieser Norm vorliegen und ob eine solche im konkreten Fall auch medizinisch notwendig ist, obliegt somit dem behandelnden Arzt, der dabei weder Weisungen noch einer staatlichen Aufsicht unterworfen ist. Findet ein Patient, der auf Grundlage des § 31 Abs. 6 SGB V Cannabis verordnet bekommen möchte, keinen Vertragsarzt, der ihm diese Verordnung ausstellt, so muss dies im Übrigen nicht zwangsläufig daran liegen, dass sich die von ihm in Anspruch genommenen Ärzte hierzu fachlich nicht in der Lage sehen. Vielmehr kann dies im Einzelfall auch daran liegen, dass ein fachlich geeigneter Arzt den Gesundheitszustand, die Behandlungsbedürftigkeit oder die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 SGB V medizinisch anders beurteilt als der Patient selbst. 2. a) Wie bewertet es die Staatsregierung, wenn Patientinnen und Patienten mit schweren Erkrankungen trotz vieler nachgewiesener Versuche keine Ärztin oder keinen Arzt finden können und daher aus der Not heraus selbst medizinische Cannabissorten für den Eigenbedarf anbauen oder in eiligen Fällen Cannabis vom Schwarzmarkt für den Eigenbedarf beziehen? b) Sollte in diesen Fällen nach Auffassung der Staatsregierung von einer Bestrafung abgesehen oder – beim Vorliegen entsprechender Fachkenntnisse – den Patientinnen und Patienten ein Eigenanbau gestattet werden? Die Fragen 2 a und 2 b werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 a und1 b verwiesen. Weder der zuständigen KVB noch der Staatsregierung liegen konkrete Erkenntnisse darüber vor, dass Patientinnen und Patienten mit schweren Erkrankungen generell Schwierigkeiten bei der Suche nach Vertragsärzten haben, die bei medizinischer Indikation Cannabis verordnen. 3. a) Wie viele Ärztinnen und Ärzte in Bayern haben seit dem Inkrafttreten des „Cannabis als Medizin“-Gesetzes am 10.10.2017 Cannabis verordnet? Wie die KVB hierzu ausführt, wurden Cannabisverordnungen von ca. 450 Ärzten in Bayern zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommen. Hinzu kämen die Verordnungen des Fertigarzneimittels Sativex, welches zur Behandlung der Spastik bei Multipler Sklerose eingesetzt wird. Hier sei eine Zunahme der Verordnungsmengen um ca. ein Viertel vom ersten Quartal auf das zweite Quartal 2017 beobachtet worden. Dies sei vermutlich auf den sogenannten Off-Label-Einsatz (Einsatz außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete) bei schwerwiegenden Erkrankungen gemäß § 31 Abs. 6 SGB V (mit Genehmigung der Krankenkasse) zurückzuführen. b) Wie viele Ärztinnen und Ärzte in Bayern sind nach Erkenntnissen der Staatsregierung fachlich in der Lage, Cannabis als Medizin zu verordnen? Grundsätzlich darf jeder Haus- und Facharzt getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte sowie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon verordnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Cannabis nur unter bestimmten engen Voraussetzungen verordnungsfähig ist und nach dem Willen des Gesetzgebers vor der erstmaligen Verordnung eines Cannabispräparats die Genehmigung der jeweiligen Krankenkasse erforderlich ist (§ 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V). Zu der Fragestellung, wie viele Ärzte tatsächlich fachlich in der Lage sind, Cannabis als Medizin zu verordnen, liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor (siehe Vorbemerkung ). c) Wie beabsichtigt die Staatsregierung die Fortbildung der Ärztinnen und Ärzte in Bayern hierzu zu unterstützen? 4. Wie bewertet die Staatsregierung, dass in Bayern möglicherweise bald Marihuana im Auftrag der Cannabisagentur angebaut werden könnte? Mit dem am 10.03.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten zur Verschreibung sogenannter Cannabisarzneimittel erweitert. Das Gesetz sieht die Einrichtung einer staatlichen Stelle, der so genannten Cannabisagentur vor. Diese steuert und kontrolliert den Anbau für Cannabis für medizinische Zwecke deutschlandweit . Die Auswahl der Unternehmen, die mit dem Anbau beauftragt werden sollen, erfolgt im Wege eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens, bei dem alle arzneimittel- und betäubungsmittelrechtlichen Vorgaben Berücksichtigung finden. Dieses Verfahren schließt die Möglichkeit der Auswahl eines bayerischen Unternehmens ein.