Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gote, Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 01.04.2014 Abschiebung aus einem Kirchenasyl in Augsburg Am 18. Februar kam es zur Abschiebung einer Mutter mit vier Kindern aus dem Kirchenasyl in St. Peter und Paul in Augsburg durch Behörden des Freistaats und der Stadt Augsburg. Im Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen am 20. März kam aufgrund eines Antrags unserer Fraktion dieser Fall zur Sprache. In der Sitzung äußerte der Vertreter des Innenministeriums, dass die von der Abschiebung betroffene Familie seit 2008 ein Aufenthaltsrecht in Polen gehabt habe. Unserer Kenntnis nach hatten aber die Behörden, die Unterstützer des Kirchenasyls wie auch die betreffende Familie diese Information bei der Räumung des Kirchenasyls nicht, sie spielte offenbar auch bei der Rückkehrberatung keine Rolle. Daher fragen wir die Staatsregierung: 1. a) Wusste die Betroffene, dass sie ein Aufenthaltsrecht in Polen hat? b) Welcher Art ist der Aufenthaltstitel der Betroffenen in Polen? c) Welche Rechte in Bezug auf Aufenthalt in anderen EUStaaten sind mit diesem Aufenthaltstitel verbunden? 2. Wussten das Innenministerium und die Augsburger Ausländerbehörde bereits vor dem 18. Februar 2014 von dem polnischen Aufenthaltstitel der Betroffenen? 3. a) Wäre in diesem Fall eine freiwillige Ausreise nach Polen möglich gewesen? b) Trifft es zu, dass die Augsburger Ausländerbehörde davon ausgegangen ist, dass nur eine freiwillige Ausreise in die russische Föderation/Tschetschenien möglich war? c) Wurde die Betroffene über ihre Ausreisemöglichkeiten informiert, und wenn ja, in welcher Sprache? 4. a) War die Betroffene neben ihrem polnischen Aufenthaltstitel noch in Besitz von weiteren aufenthaltsrechtlichen Zertifikaten wie beispielsweise eines SchengenVisums ? b) Wenn ja, wie wurden diese Zertifikate bei der Bearbeitung des Asylantrags trotz der üblichen Vorgänge im Dublin-Verfahren berücksichtigt? 5. a) Wurde der polnische Aufenthaltstitel der Betroffenen bei der Bearbeitung ihres Asylantrags trotz der üblichen Vorgänge im Dublin-Verfahren berücksichtigt, und wenn ja, wie? b) Hält es die Staatsregierung für erforderlich, dass im Rahmen von Abschiebungen im Dublin-Verfahren die Aufenthaltstitel der Betroffenen in europäischen Drittstaaten geprüft werden? c) Hat die Staatsregierung vor, künftig bei Dublin-Abschiebungen die Aufenthaltstitel der Betroffenen in den Zielländern zu prüfen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 05.05.2014 Zu dem zugrunde liegenden Einzelfall hatte Frau Abgeordnete Christine Kamm bereits am 26.02.2014 eine Schriftliche Anfrage (Drucksache 17/1430) gestellt. Auf die Antwort der Staatsregierung vom 31.03.2014 wird verwiesen. 1. a) Wusste die Betroffene, dass sie ein Aufenthaltsrecht in Polen hat? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Nach europäischem Recht sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Flüchtlingsstatus oder des subsidiären Schutzstatus Zugang zu Informationen über die Rechte und Pflichten in Zusammenhang mit dem Status in einer Sprache, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, zu gewähren (Art. 22 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie)). b) Welcher Art ist der Aufenthaltstitel der Betroffenen in Polen? Der Betroffenen wurde am 28.11.2008 der sog. „ergänzende Schutz“ zuerkannt. c) Welche Rechte in Bezug auf Aufenthalt in anderen EU-Staaten sind mit diesem Aufenthaltstitel verbunden ? Der Aufenthaltstitel berechtigt die Betroffene, sich im Rahmen von dessen Gültigkeit für bis zu 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen auch im Hoheitsgebiet der übrigen Schengen-Staaten visumsfrei aufzuhalten (Art. 5 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (Schengener Grenzkodex )). Ein längerfristiger oder dauerhafter Aufenthalt in einem anderen EU-Staat wird hierdurch nicht gestattet. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.06.2014 17/1885 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1885 2. Wussten das Innenministerium und die Augsburger Ausländerbehörde bereits vor dem 18. Februar 2014 von dem polnischen Aufenthaltstitel der Betroffenen? Nein. 3. a) Wäre in diesem Fall eine freiwillige Ausreise nach Polen möglich gewesen? Mit einem gültigen polnischen Aufenthaltstitel hätte die Betroffene die Möglichkeit gehabt, freiwillig nach Polen zurückzukehren . b) Trifft es zu, dass die Augsburger Ausländerbehörde davon ausgegangen ist, dass nur eine freiwillige Ausreise in die russische Föderation/Tschetschenien möglich war? Ja. Eine freiwillige Ausreise ist den Betroffenen rechtlich nur in ein Land möglich, in das sie einreisen dürfen. Da der Ausländerbehörde das Aufenthaltsrecht der Betroffenen in Polen nicht bekannt war, kam aus ihrer Sicht nur eine freiwillige Ausreise in das Heimatland in Betracht. c) Wurde die Betroffene über ihre Ausreisemöglichkeiten informiert, und wenn ja, in welcher Sprache ? Die Betroffene wurde durch die Flüchtlingsberatung der Diakonie in Russisch über die Rückkehrmöglichkeit nach Russland informiert. 4. a) War die Betroffene neben ihrem polnischen Aufenthaltstitel noch im Besitz von weiteren aufenthaltsrechtlichen Zertifikaten wie beispielsweise eines Schengen-Visums? b) Wenn ja, wie wurden diese Zertifikate bei der Bearbeitung des Asylantrags trotz der üblichen Vorgänge im Dublin-Verfahren berücksichtigt? Der Staatsregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Betroffene im Besitz eines Schengen-Visums oder eines anderen aufenthaltsrechtlichen Zertifikats war. 5. a) Wurde der polnische Aufenthaltstitel der Betroffenen bei der Bearbeitung ihres Asylantrags trotz der üblichen Vorgänge im Dublin-Verfahren berücksichtigt , und wenn ja, wie? Die Bearbeitung des Asylantrags fällt in die Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Aus den der Ausländerbehörde der Stadt Augsburg vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Kenntnis von dem Aufenthaltstitel der Betroffenen in Polen hatte. b) Hält es die Staatsregierung für erforderlich, dass im Rahmen von Abschiebungen im Dublin-Verfahren die Aufenthaltstitel der Betroffenen in europäischen Drittstaaten geprüft werden? Im Rahmen der Abschiebungen im Dublin-Verfahren spielt das Vorliegen eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedsstaates keine Rolle. c) Hat die Staatsregierung vor, künftig bei Dublin-Abschiebungen die Aufenthaltstitel der Betroffenen in den Zielländern zu prüfen? Nein.