Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Claudia Stamm (fraktionslos) vom 22.09.2017 Innovative Arzneimitteltherapien In Bayern werden zahlreiche Patientinnen und Patienten mit sogenannten Kombinationstherapien aus mehreren Medikamenten behandelt. Dabei werden auch Medikamente offlabel oder beyond-label verwendet, das heißt, sie verfügen nicht über die für die Indikation erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Kombinationstherapien werden an bayerischen Universitätskliniken derzeit Patientinnen und Patienten angeboten (bitte Angabe der Klinik mit der jeweiligen Indikation und den eingesetzten Medikamenten sowie Beginn der Behandlung/Studie)? b) Welche im Rahmen dieser Kombinationstherapien eingesetzten Medikamente verfügen nicht über die für die Indikation erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung ? 2. a) Wie häufig werden Medikamente in Bayern ausserhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung eingesetzt? b) Welches sind die Medikamente mit den häufigsten Anwendungen (bitte die zehn häufigsten nach abgegebenen Dosen oder Verpackungseinheiten quantitativ aufschlüsseln)? 3. a) Wie beurteilt die Staatsregierung den therapeutischen Nutzen von Kombinationstherapien? b) Wie beurteilt die Staatsregierung den therapeutischen Nutzen der Möglichkeit, Medikamente auch ausserhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung einzusetzen ? 4. a) Wie beurteilt die Staatsregierung den Einsatz von Methadon in Kombinationstherapien mit onkologischen Indikationen? b) Welche rechtlichen Voraussetzungen hält die Staatsregierung für notwendig zum Einsatz von Methadon im Rahmen von Kombinationstherapien? 5. a) Wie beurteilt sie die Abgabe von Methadon an onkologische Patientinnen und Patienten durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte oder im Rahmen klinischer Studien? b) Sieht die Staatsregierung Möglichkeiten für klinische Studien mit Methadon an bayerischen Universitätskliniken ? 6. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die derzeit geltende Rechtslage für den Einsatz von Medikamenten ausserhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung? b) Wie beurteilt sie die Situation rechtliche Situation der abgebenden Ärzte? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 16.10.2017 1. a) Welche Kombinationstherapien werden an bayerischen Universitätskliniken derzeit Patientinnen und Patienten angeboten (bitte Angabe der Klinik mit der jeweiligen Indikation und den eingesetzten Medikamenten sowie Beginn der Behandlung/Studie )? In der kurzen Fristsetzung ist eine Beantwortung der Frage durch das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBW) nicht möglich. b) Welche im Rahmen dieser Kombinationstherapien eingesetzten Medikamente verfügen nicht über die für die Indikation erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung? In der kurzen Fristsetzung ist eine Beantwortung der Frage durch das StMBW nicht möglich. 2. a) Wie häufig werden Medikamente in Bayern ausserhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung eingesetzt ? b) Welches sind die Medikamente mit den häufigsten Anwendungen (bitte die zehn häufigsten nach abgegebenen Dosen oder Verpackungseinheiten quantitativ aufschlüsseln)? Hierzu liegen dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) keine Informationen vor. Es wird auf die Antwort zu Frage 3 b verwiesen. 3. a) Wie beurteilt die Staatsregierung den therapeutischen Nutzen von Kombinationstherapien? Das StMGP ist nicht berufen, medizinische Therapien zu bewerten, da ihm lediglich die Rechtsaufsicht über die Bayerische Landesärztekammer, nicht jedoch die Fachaufsicht über die Ärzteschaft obliegt. Dies ist Aufgabe und Verantwortung der ärztlichen Selbstverwaltung. Zudem müssen medizinische Kombinationstherapien im Einzelfall und in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Erkrankung und den eingesetzten Arzneimitteln bewertet werden. Laut wissenschaftlichen Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 18.06.2018 Drucksache 17/18862 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18862 stellen Kombinationstherapien bei vielen Erkrankungen, wie z. B. Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Krebsleiden, den aktuellen Standard wissenschaftlicher Erkenntnis dar. b) Wie beurteilt die Staatsregierung den therapeutischen Nutzen der Möglichkeit, Medikamente auch ausserhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung einzusetzen? Die ärztliche Therapiefreiheit umfasst auch die Anwendung von alternativen Therapiemethoden bzw. den Einsatz von Arzneimitteln abweichend von der in der Zulassung festgelegten Indikation, sofern der Arzt nach seiner ärztlichen Überzeugung davon ausgeht, dass damit der bestmögliche Behandlungserfolg bei einem bestimmten Patienten zu erzielen ist (sog. Heilversuch). Selbstverständlich muss bei einem solchen Vorgehen eine besonders umfassende Aufklärung des Patienten, insbesondere über die Chancen und Risiken im Vergleich zu einer regulären (schulmedizinischen ) Behandlung, erfolgen und die Einwilligung des Patienten eingeholt werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 a verwiesen. 4. a) Wie beurteilt die Staatsregierung den Einsatz von Methadon in Kombinationstherapien mit onkologischen Indikationen? Die Diskussion um die potenzielle Anti-Tumor-Wirkung von Methadon ist nicht abgeschlossen (siehe https://www.aerzte blatt.de/nachrichten/75734/Diskussion-um-potenzielle-Anti- Tumor-Wirkung-von-Methadon). Derzeit umfassen die von der Arzneimittelzulassung abgedeckten Indikationen von Methadon nicht die (Begleit-)Therapie von Tumorerkrankungen . Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Methadon sind zurzeit in Deutschland nur für die Behandlung der Opiat- bzw. Opioidabhängigkeit zugelassen. Für verschiedene Opioide wird seit einiger Zeit aufgrund von In-vitro-Daten eine antitumorale Wirkung vermutet. Dies gilt auch für Methadon. Auf der Basis von mittlerweile vier Stellungnahmen von Fachgesellschaften und Arbeitsgruppen warnen viele Ärzte vor dem Einsatz von Methadon in der Krebstherapie (Arbeitskreis Tumorschmerz der Deutschen Schmerzgesellschaft 2017, Neuroonkologische Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft –NOA– und Deutsche Gesellschaft für Neurologie –DGN– 2015, Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin 2017, Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. 2017). Aussagefähige Studien, die den generellen Einsatz von Methadon in Kombinationstherapien bei onkologischer Indikation rechtfertigen würden, liegen derzeit nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 a verwiesen. b) Welche rechtlichen Voraussetzungen hält die Staatsregierung für notwendig zum Einsatz von Methadon im Rahmen von Kombinationstherapien? Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Methadon sind zurzeit in Deutschland nur für die Behandlung der Opiat- bzw. Opioidabhängigkeit zugelassen. Solange keine Zulassung für den Einsatz von Methadon im Rahmen von Kombinationstherapien vorliegt, kann der Arzt trotzdem aufgrund der ärztlichen Therapiefreiheit entscheiden, wie er Methadon einsetzt. Auf die Antworten zu den Fragen 6 a und 6 b wird verwiesen. 5. a) Wie beurteilt sie die Abgabe von Methadon an onkologische Patientinnen und Patienten durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte oder im Rahmen klinischer Studien? Die Überprüfung einer Indikationserweiterung für Methadon sollte wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. Deshalb sollte die Prüfung in einer Form erfolgen, die den wissenschaftlichen und rechtlichen Anforderungen einer späteren Zulassungserweiterung entspricht. Dazu gehören u. a. eine wissenschaftliche Konzeption des Prüfplans, die umfassende Patientenaufklärung und Einholung von schriftlichen Einverständniserklärungen sowie die Beteiligung von Ethikkommissionen und Genehmigungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 a verwiesen. b) Sieht die Staatsregierung Möglichkeiten für klinische Studien mit Methadon an bayerischen Universitätskliniken ? In der kurzen Fristsetzung ist eine Beantwortung der Frage durch das StMBW nicht möglich. 6. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die derzeit geltende Rechtslage für den Einsatz von Medikamenten ausserhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung ? b) Wie beurteilt sie die rechtliche Situation der abgebenden Ärzte? Aufgrund der ärztlichen Therapiefreiheit entscheidet jeder Arzt eigenverantwortlich, welche ärztliche Behandlung bei einem bestimmten Patienten erfolgversprechend ist. Der Arzt schuldet grundsätzlich eine Behandlung nach den allgemein anerkannten fachlichen Standards und hat sich dabei von seiner ärztlichen Überzeugung leiten zu lassen. Der Arzt haftet im Fall eines schuldhaft verursachten Gesundheitsschadens nach den allgemeinen Grundsätzen. Das Verschulden kann z. B. darin liegen, dass der Arzt für die Anwendung einer bestimmten Therapieform nicht ausreichend qualifiziert war. Das heißt, dass der Arzt, der eine alternative Therapieform anwendet, hierfür genauso qualifiziert sein muss wie für die entsprechende herkömmliche Behandlungsmethode , um dem Patienten die Vor- und Nachteile beider Therapieformen umfassend gegenüberstellen zu können.